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97 VergabewesenNorm
B-VG Art7 Abs1 / VerwaltungsaktLeitsatz
Keine willkürliche Feststellung einer Verletzung vergaberechtlicher Vorschriften bei Zuschlagserteilung und amtswegige Abweisung des Antrags auf Feststellung der Chancenlosigkeit des übergangenen Bieters mangels Reihung und Gewichtung der ZuschlagskriterienSpruch
Die beschwerdeführende Partei ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Die beschwerdeführende Gesellschaft ist schuldig, der mitbeteiligten Partei zuhanden ihrer Rechtsvertreter die mit € 1.962,-- bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Die nunmehr vor dem Verfassungsgerichtshof beschwerdeführende Gesellschaft ist Betreiberin eines Flughafens und hat im Rahmen des Gesamtvorhabens "Optimierung und Erweiterung des Passagierterminals" im offenen Verfahren das Los "Heizungs-, Lüftungs-, Sanitärinstallationsarbeiten und Klimatisierung" ausgeschrieben.
Eine sich an diesem Vergabeverfahren beteiligende (dem verfassungsgerichtlichen Verfahren als beteiligte Partei beigezogene) Gesellschaft wandte sich mit Nachprüfungsanträgen an das Bundesvergabeamt (BVA), das mit dem nunmehr vor dem Verfassungsgerichtshof bekämpften Bescheid den Antrag "festzustellen, dass wegen eines Verstoßes gegen die Bestimmungen des §109 Abs8 BVergG [1997] der [an eine andere Gesellschaft] erteilte Zuschlag nichtig ist," "wegen Unerheblichkeit zurückgewiesen" (Spruchpunkt I) und dem (zunächst als Eventual-, in der Folge auch als eigenes Hauptbegehren formulierten) Antrag festzustellen, dass der Zuschlag nicht dem Bestbieter erteilt wurde, stattgegeben hat (Spruchpunkt II). Weiters wurden die im Zuge des Nachprüfungsverfahrens vom Auftraggeber gestellten Anträge auf Beiziehung eines Sachverständigen als unerheblich zurückgewiesen (Spruchpunkt III) und auf Feststellung, dass der nicht zum Zuge gekommene Bieter auch bei Einhaltung der Bestimmungen des BVergG 1997 und der hiezu ergangenen Verordnungen keine echte Chance auf Erteilung des Zuschlages gehabt hätte, abgewiesen (Spruchpunkt IV).
Das BVA begründete seine Entscheidung (soweit das unter Zugrundelegung des Beschwerdevorbringens von Relevanz ist) wie folgt:
"Gemäß §96 Abs2 BVergG hat ein 'Sektorenauftraggeber' bei Anwendung des Bestbieterprinzips in den Ausschreibungsunterlagen oder in der Bekanntmachung die Zuschlagskriterien, deren Verwendung er vorsieht, grundsätzlich in der Reihenfolge der ihnen zuerkannten Bedeutung anzugeben. Dafür, dass die Reihenfolge der Zuschlagskriterien weder in der Bekanntmachung noch in den 'Allgemeinen Bestimmungen' des Leistungsverzeichnisses angegeben war, brachte der Auftraggeber keinen Grund vor. Der einzige Rechtfertigungsgrund für das Unterlassen einer Reihung wäre deren Unmöglichkeit, eine solche ist im gegenständlichen Fall nicht gegeben.
Wenn jedoch die relative Bedeutung der aufgestellten Zuschlagskriterien im Verhältnis zueinander nicht objektiv nachvollziehbar ist, verletzen die vom Auftraggeber aufgestellten Zuschlagskriterien das Gebot zur nachvollziehbaren Ermittlung des Bestbieters gemäß §53 BVergG, auf welchen ebenfalls für Sektorenauftraggeber §96 Abs1 Z1 BVergG verweist. Daher kann der aufgrund dieser Zuschlagskriterien vom Auftraggeber ausgewählte Zuschlagsempfänger in keinem Fall der im Sinne des Bundesvergabegesetzes ermittelte Bestbieter sein, allfällige weitere Verstöße gegen vergaberechtliche Bestimmungen sind nicht entscheidungserheblich, weshalb auch die Bestellung eines Sachverständigen unterbleiben konnte.
...
Wenn die Ermittlung des Bestbieters aufgrund fehlender Gewichtung der Bestbieterkriterien nicht möglich ist, ist auch die Feststellung gemäß §113 Abs3 BVergG letzter Satz, dass ein übergangener Bieter auch bei Einhaltung der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes und der hiezu ergangenen Verordnungen keine echte Chance auf Erteilung des Zuschlages gehabt hätte, nicht möglich, der diesbezügliche Antrag war daher abzuweisen."
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde der auftraggebenden Gesellschaft, in der die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit vor dem Gesetz behauptet und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt wird.
Die beschwerdeführende Gesellschaft bringt dazu im Wesentlichen vor, dass der vom BVA für die Feststellung gemäß §113 Abs3 (erster Satz) BVergG 1997 (Spruchpunkt II) ins Treffen geführte Verstoß gegen das Gebot zur nachvollziehbaren Ermittlung des Bestbieters infolge Nichtgewichtung der Zuschlagskriterien von der die Nachprüfung begehrenden Gesellschaft gar nicht gerügt worden sei und die Entscheidung überdies ohne entsprechende Unterlagen und ohne ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren (insbesondere sei eine in der mündlichen Verhandlung beantragte Zeugeneinvernahme unterblieben) getroffen worden sei.
Eine qualifizierte Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides und damit eine Verletzung des Gleichheitssatzes herbeiführende Willkür liegt nach Auffassung des beschwerdeführenden Auftraggebers auch insoweit vor, als die belangte Behörde mit Spruchpunkt IV den auf §113 Abs3 letzter Satz BVergG 1997 gestützten Feststellungsantrag mit einer völlig untauglichen Begründung abgewiesen habe:
"Die belangte Behörde vermeinte, dass wegen Fehlens der Gewichtung der Zuschlagskriterien in der Ausschreibung nicht feststellbar sei, wer Bestbieter gewesen ist. Dabei wurde in qualifizierter Rechtswidrigkeit von der belangten Behörde übersehen, dass nach unserer Reihung nach der Bewertung der Zuschlagskriterien die [mitbeteiligte Partei] bei keinem einzigen Zuschlagskriterium besser bewertet worden ist, als die [den Zuschlag erhalten habende Gesellschaft]. ... Gleichgültig, wie diese Zuschlagskriterien in der Ausschreibung gewichtet worden wären, die [mitbeteiligte Partei] hätte bei der Bewertung der Zuschlagskriterien immer schlechter abgeschnitten als die [den Zuschlag erhalten habende Gesellschaft]."
3. a) Das BVA legte die Verwaltungsakten vor, sah aber von der Erstattung einer Gegenschrift ab.
b) Der nicht zum Zuge gekommene, vor dem BVA aber erfolgreiche Bieter erstattete eine Äußerung, in der er für die Abweisung der Beschwerde eintrat und Kostenersatz beantragte. Dabei führte er unter anderem aus:
"Sofern die Beschwerdeführerin eine Rechtswidrigkeit des Bescheides der belangten Behörde darin zu erkennen glaubt, dass ohne ausdrückliche Berufung der beteiligten Partei auf die fehlende Gewichtung der Zuschlagskriterien gerade dieser Mangel des Vergabeverfahrens von der belangten Behörde als Begründung für den bekämpften Bescheid herangezogen wird, verkennt sie die Natur des Nachprüfungsverfahrens vor dem Bundesvergabeamt.
Gemäß ArtII Abs1 litC Z40a EGVG ist auf das Verfahren vor dem Bundesvergabeamt das AVG anzuwenden.
Im Verwaltungsverfahren nach dem AVG bestimmt bei antragsbedürftigen Verwaltungsakten - um derartige handelt es sich zweifelsohne bei Nachprüfungsverfahren vor dem Bundesvergabeamt - zwar der Antragsteller, was Gegenstand des Verfahrens ist (vgl. dazu die in Walter-Thienel, Verwaltungsverfahrens2, unter E 22 zu §13 AVG zitierte Rsp.), dadurch wird jedoch der Grundsatz der Amtswegigkeit eines Verwaltungsverfahrens nach dem AVG grundsätzlich nicht beeinträchtigt.
Hinsichtlich der Fortführung eines einmal eingeleiteten Verfahren ist es Sache der Behörde, den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln (vgl. Walter-Thienel aaO, Anm. 2 zu §39 AVG).
Es steht daher der Umstand, dass die mangelnde Gewichtung der Zuschlagskriterien von der beteiligten Partei in ihrem Nachprüfungsantrag nicht gerügt wurde, der Einbeziehung dieses Sachverhalts in das Nachprüfungsverfahren nicht entgegen."
Zu der mit Spruchpunkt IV erfolgten Abweisung des Antrags festzustellen, dass der Antragsteller keine echte Chance auf Erteilung des Zuschlags gehabt hätte, meint die beteiligte Partei unter anderem:
"Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin hat die belangte Behörde den Antrag auf Feststellung, dass die beteiligte Partei auch bei Einhaltung der Bestimmungen des BVergG keine echte Chance auf Erteilung des Zuschlages gehabt hätte, zu Recht und im Einklang mit der zutreffenden ständigen Rsp. des BVA abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin verkennt dabei, dass es mangels gereihter und gewichteter Zuschlagskriterien keine Rolle spielen kann, ob nach den Kriterien der grundsätzlich rechtswidrigen und zwingend zu widerrufenden Ausschreibung die beteiligte Partei jeweils schlechter bewertet war als die Zuschlagsempfängerin ..., somit bei der Bewertung der Zuschlagskriterien 'immer schlechter abgeschnitten' hätte.
Wie das Bundesvergabeamt in nunmehr ständiger Rsp. ausführt, kann auf Grund nicht gereihter und gewichteter Zuschlagskriterien in keinem Fall ein Bestbieter im Sinne des BVergG ermittelt werden (vgl. BVA 31.1.2000, F-24/99-13), sodass eine derartige Ausschreibung jedenfalls gem. §55 Abs1 BVergG zu widerrufen ist.
Dies führt dazu, dass auf Grund einer derartig fehlerhaften Ausschreibung auch nicht festgestellt werden kann, ob ein antragstellender Bieter auch bei Einhaltung der Bestimmungen des BVergG keine echte Chance auf Erteilung des Zuschlags gehabt hätte (vgl. z.B. BVA 29.11.1999, N-37/99-16 sowie BVA 16.11.1999, N-22/98-22, F-16/98-10).
Unabhängig davon, dass nicht bloß der rechtmäßigerweise zu ermittelnde Bestbieter eine echte Chance auf die Zuschlagserteilung im Sinne des §113 Abs3 hätte, sondern all jene Bieter, die in den engeren Auswahlkreis gekommen wären, lässt sich mangels Festlegung einer Reihung und Gewichtung der Zuschlagskriterien und deren Bekanntgabe spätestens mit den Ausschreibungsunterlagen ex post nicht feststellen, welchen Inhalt bei Bekanntsein dieser für die Bieter erforderlichen Information die Angebote gehabt hätten.
In einer derartigen Konstellation erweist sich daher die zur Beurteilung des Gegenantrages gem. §113 Abs3 letzter Satz vorzunehmende hypothetische Prüfung (was wäre passiert, wenn der Auftraggeber sich richtig verhalten hätte) als undurchführbar; dieser Umstand geht zu Lasten des den Gegenantrag stellenden Auftraggebers."
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
a) Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 10.413/1985, 11.682/1988) nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat.
Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt u.a. in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg. 8808/1980 und die dort angeführte Rechtsprechung; VfSlg. 10.338/1985, 11.213/1987).
b) Der Bescheid stützt sich im Wesentlichen auf die gesetzlichen Bestimmungen des BVergG 1997 über Auftragsvergaben im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie im Telekommunikationssektor (insbesondere §96 Abs1 Z1 und Abs2 sowie den dort verwiesenen §53 BVergG 1997); ob der Verfassungsmäßigkeit dieser Bestimmungen sind Bedenken weder vorgebracht worden noch aus Anlass dieses Verfahrens sonst entstanden. Die beschwerdeführende Gesellschaft wirft der belangten Behörde allerdings vor, zu Unrecht die mangelnde Gewichtung der Zuschlagskriterien aufgegriffen und die Entscheidung überdies ohne entsprechende Unterlagen und ohne ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren getroffen zu haben. Auch sei es denkunmöglich anzunehmen, dass ein Bieter, dessen Angebot bei der Bewertung in allen Punkten (bloß) gleich oder sogar hinter jenem des Zuschlagsempfängers gelegen ist, eine "echte Chance" auf Erteilung des Zuschlags gehabt hätte.
Die belangte Behörde, für deren Verfahren das vom Amtswegigkeitsgrundsatz beherrschte AVG gilt (vgl. ArtII Abs1 litC Z40a EGVG, §39 Abs2 AVG), hat ihre Entscheidung - wie aus dem vorgelegten Verwaltungsakt hervorgeht - unter Zugrundelegung der Ausschreibungsunterlagen und nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, in der dem Vertreter des Auftraggebers Gelegenheit geboten wurde, Gründe für das Unterbleiben einer Reihung zu nennen, gefällt und sie plausibel und nachvollziehbar begründet. Das gilt auch für die Abweisung des von der beschwerdeführenden Gesellschaft gemäß §113 Abs3 letzter Satz BVergG 1997 gestellten Antrages: Der belangten Behörde kann unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht entgegengetreten werden, wenn sie - in Übereinstimmung mit ihrer ständigen Spruchpraxis - meint, dass auf Basis einer Ausschreibung, in der die Zuschlagskriterien nicht gereiht und gewichtet sind, auch nicht festgestellt werden kann, ob ein bestimmter Bieter eine Chance auf Erteilung des Zuschlags gehabt hätte. Hinter dieser Auffassung steht offenkundig die - jedenfalls nicht denkunmögliche - Überlegung, dass die echte Chance eines Bieters nicht bloß in der - von der Beschwerde postulierten - Abwägung mit dem Angebot eines einzigen Bieters, sondern im Vergleich mit allen Bietern beurteilt werden kann, was aber dann nicht möglich ist, wenn die Zuschlagskriterien nicht gewichtet sind.
Die belangte Behörde hat somit ihre Entscheidung weder leichtfertig getroffen noch sonst Willkür geübt. Ob das Verfahren in jeder Hinsicht rechtmäßig geführt wurde und die Entscheidung rechtsrichtig ist, hat der Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen; und zwar auch dann nicht, wenn sich die Beschwerde - wie im vorliegenden Fall - gegen die Entscheidung einer Kollegialbehörde nach Art133 Z4 B-VG richtet, die beim Verwaltungsgerichtshof nicht bekämpft werden kann (vgl. VfSlg. 10.565/1985, 10.659/1985, 12.697/1991).
c) Die behauptete Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit vor dem Gesetz hat sohin nicht stattgefunden.
Da das Verfahren auch nicht ergeben hat, dass die beschwerdeführende Gesellschaft in von ihr nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt wurde, war die Beschwerde abzuweisen.
d) Der Kostenzuspruch an die mitbeteiligte Partei, der vor dem BVA erfolgreichen Gesellschaft, beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in Höhe von € 327,-- enthalten.
4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
Vergabewesen, Verwaltungsverfahren, Ermittlungsverfahren, Amtswegigkeit, Anwendbarkeit AVGEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2002:B1908.2000Dokumentnummer
JFT_09978875_00B01908_2_00