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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
BAO §243;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Zorn, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Kinsky, über die Beschwerde des G M in V, vertreten durch Dr. Sabine Kanduth-Kristen, Steuerberaterin in 9020 Klagenfurt, Kohlagasse 45, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Klagenfurt, vom 10. Jänner 2007, Zl. RV/0021-K/06, betreffend Zurückweisung einer Berufung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 2. Juli 2003 wurde der Beschwerdeführer für das Jahr 2001 zur Einkommensteuer veranlagt.
Im Anschluss an eine abgabenbehördlichen Prüfung nahm das Finanzamt mit Bescheid vom 14. März 2005 das Verfahren betreffend Einkommensteuer 2001 gemäß § 303 Abs 4 BAO wieder auf und erließ - ebenfalls mit Ausfertigungsdatum 14. März 2005 - einen Einkommensteuerbescheid 2001.
Der Wiederaufnahmebescheid ist nicht als solcher bezeichnet, sondern weist nach der bescheidausstellenden Behörde und dem Bescheidadressaten das Wort "EINKOMMENSTEUERBESCHEID 2001" und darunter die Beifügung "Wiederaufnahme des Verfahrens gem.
§ 303 (4) BAO zu Bescheid vom 02.07.2003" auf.
In der Rechtsmittelbelehrung des Wiederaufnahmebescheides
wird u.a. ausgeführt:
"In der Berufung sind der Bescheid zu bezeichnen
(Einkommensteuerbescheid für 2001 vom 14. März 2005) sowie die gewünschten Änderungen anzuführen und zu begründen."
Der Beschwerdeführer beantragte durch seinen steuerlichen Vertreter mit Eingaben vom 17. April, 17. Mai und 2. Juni 2005 jeweils aufeinanderfolgend die Verlängerung der Berufungsfrist gemäß § 245 Abs 3 BAO. Die Fristverlängerungsansuchen sind weitgehend wortgleich wie folgt formuliert:
"Das Finanzamt Spittal Villach hat mit Datum 14. März 2005
den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2001 nach Abschluss einer
Außenprüfung erlassen, welcher unserer Kanzlei am 17. März 2005
zugestellt wurde.... Namens und auftrags unseres umseitig
angeführten Klienten dürfen wir Sie höflich um Erstreckung der
Frist zur Einbringung einer Berufung gegen den oben angeführten
Bescheid bis zum .... ersuchen."
Mit einer beim Finanzamt am 22. Juli 2005 eingelangten Eingabe erhob der Beschwerdeführer schließlich Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid 2001 vom 14. März 2005 und gegen den Wiederaufnahmebescheid vom 14. März 2005 und beantragte mit näherer Begründung, den Bescheid, mit dem die Wiederaufnahme des Verfahrens verfügt wurde, ersatzlos aufzuheben. Damit scheide auch der Sachbescheid vom 14. März 2005 aus dem Rechtsbestand aus.
Das Finanzamt wies in der Folge die Berufung gegen den Bescheid betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 273 Abs 1 BAO zurück. Zur Begründung führte es aus, die Berufungsfrist sei bereits am 18. April 2005 abgelaufen. Mit Ausfertigungsdatum 14. März 2005 seien sowohl der Bescheid über die Wiederaufnahme des Verfahrens als auch der Einkommensteuerbescheid 2001 ergangen. Der Beschwerdeführer habe innerhalb offener Berufungsfrist einen Antrag auf Erstreckung der Berufungsfrist eingebracht, in welchem in Bezug auf den Einkommensteuerbescheid 2001 um Fristerstreckung ersucht worden sei. Auch die weiteren - jeweils fristgerecht eingebrachten - Fristerstreckungsanträge vom 17. Mai 2005 und vom 2. Juni 2005 hätten sich ausschließlich auf den Einkommensteuerbescheid 2001 bezogen. In sämtlichen Fristerstreckungsersuchen hätte jedoch jegliche Bezugnahme auf den Wiederaufnahmebescheid gefehlt.
Mit Eingabe vom 9. Dezember 2005 berief der Beschwerdeführer gegen den Zurückweisungsbescheid. Das Finanzamt Spittal Villach habe nach Abschluss einer Außenprüfung am 14. März 2005 den Einkommensteuerbescheid als Sachbescheid erlassen. Weiters sei mit Bescheid vom 14. März 2005 die Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich der Einkommensteuer für das Jahr 2001 verfügt worden. Auch dieser Bescheid trage die Bezeichnung "Einkommensteuerbescheid 2001". In der Rechtsmittelbelehrung zu diesem Bescheid werde angeführt, dass der Bescheid in der Berufung zu bezeichnen sei, wobei die Bescheidbezeichnung im Klammerausdruck von der Behörde selbst mit "Einkommensteuerbescheid für 2001 vom 14. März 2005" angegeben werde. Die Ausführungen in der Rechtsmittelbelehrung würden nicht nur für die Berufung, sondern auch für einen Antrag gemäß § 245 Abs 3 BAO auf Verlängerung der Berufungsfrist gelten. Die im Fristverlängerungsantrag gewählte Bescheidbezeichnung entspreche damit der in der Rechtsmittelbelehrung zum Wiederaufnahmebescheid angegebenen Bescheidbezeichnung. Richtig sei zwar, dass auch der Sachbescheid betreffend Einkommensteuer für das Jahr 2001 die gleiche Bezeichnung trage und eine idente Rechtsmittelbelehrung enthalte. Ungenauigkeiten, die auf eine unklare Bescheidgestaltung zurückzuführen seien, dürften aber nicht zu Lasten des Rechtsschutzes gehen. In einem solchen Fall liege es bei der Abgabenbehörde, Zweifel an der Absicht des Abgabepflichtigen durch eine entsprechende Anfrage an ihn zu beseitigen.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung gegen den Zurückweisungsbescheid abgewiesen.
Gemäß § 307 BAO sei mit dem die Wiederaufnahme verfügenden Bescheid unter gleichzeitiger Aufhebung des früheren Bescheids die das wiederaufgenommene Verfahren abschließende Sachentscheidung zu verbinden. Die bescheidmäßige Anordnung der Wiederaufnahme bilde einen selbständigen verfahrensrechtlichen Bescheid und sei daher selbständig anfechtbar.
Bei undeutlicher Bezeichnung des(r) angefochtenen Bescheide(s), die darin bestehe, dass die Berufung nicht den Formerfordernissen des § 85 Abs 2 BAO oder nicht den im § 285 Abs 1 oder 2 erster Satz leg.cit. umschriebenen Voraussetzungen entspreche, habe die Berufungsbehörde dem Berufungswerber die Behebung dieser Mängel mit Mängelbehebungsauftrag nach § 85 Abs 2 BAO bzw § 275 leg.cit. aufzutragen.
Im gegenständlichen Fall seien zwei Bescheide, nämlich einerseits der Wiederaufnahmebescheid (verfahrensrechtlicher Bescheid) und andererseits der Sachbescheid (materiellrechtlicher Bescheid) ausgefertigt und zugestellt worden. Sowohl die Verfügung der Wiederaufnahme des Verfahrens als auch die Abgabenfestsetzung seien als eigenständige Entscheidungen klar und unmissverständlich zum Ausdruck gebracht. Dem Beschwerdeführer sei es offen gestanden, nicht nur den geänderten Einkommensteuerbescheid, sondern auch den die Wiederaufnahme verfügenden Bescheid zu bekämpfen.
Der Wortlaut der mehrmaligen Fristerstreckungsersuchen sei hinsichtlich des bekämpften Bescheides insofern nicht undeutlich, als darin jeweils der Umstand der Wiederaufnahme und der Wiederaufnahmebescheid als solcher mit keinem Wort erwähnt seien. Vielmehr sei in diesen Ersuchen lediglich jeweils der Einkommensteuerbescheid 2001 in der Einzahl angesprochen. Vor allem im Hinblick darauf, dass die Ersuchen von einem berufsmäßigen Parteienvertreter abgefasst seien, habe kein Anlass für die Annahme bestanden, es werde auch um die Erstreckung der Frist zur Erhebung der Berufung gegen den Wiederaufnahmebescheid angesucht. Ein Mängelbehebungsauftrag sei daher zu Recht unterblieben.
Wenn der Beschwerdeführer einwende, dass beide Bescheide die gleiche Bezeichnung trügen und die idente Rechtsmittelbelehrung enthielten, so treffe dies zwar für die Überschrift dieser beiden Bescheide zu. Eine unklare Bescheidgestaltung sei jedoch insofern nicht gegeben, als der Wiederaufnahmebescheid den Umstand der Wiederaufnahme deutlich zum Ausdruck bringe und sich die Rechtsmittelbelehrung dieses Bescheides nur auf diesen Bescheid und nicht etwa auch auf den Sachbescheid habe beziehen können. Eine andere Konstellation wäre dann vorgelegen, wenn die gegenständliche Angelegenheit mittels eines "Sammelbescheides" (Entscheidung über die Wiederaufnahme des Verfahrens sowie Sachentscheidung unter der gemeinsamen Bezeichnung "Bescheid") einer Erledigung zugeführt worden wäre. Dies sei jedoch nicht der Fall gewesen.
Die Bekämpfung der Wiederaufnahme sei daher verspätet erfolgt, weil hinsichtlich des Wiederaufnahmebescheides ein Antrag auf Fristerstreckung nicht eingebracht worden sei.
Über die gegen diesen Bescheid der belangten Behörde erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
§ 273 Abs 1 BAO lautet:
"Die Abgabenbehörde hat eine Berufung durch Bescheid
zurückzuweisen, wenn die Berufung
a)
nicht zulässig ist oder
b)
nicht fristgerecht eingebracht wurde."
§ 245 Abs 3 BAO lautet:
"Die Berufungsfrist kann aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erforderlichenfalls auch wiederholt, verlängert werden. Durch einen Antrag auf Fristverlängerung wird der Lauf der Berufungsfrist gehemmt. "
Gemäß § 307 Abs 1 BAO ist mit dem die Wiederaufnahme verfügenden Bescheid unter gleichzeitiger Aufhebung des früheren Bescheids die das wiederaufgenommene Verfahren abschließende Sachentscheidung zu verbinden.
Nach übereinstimmender Lehre und Rechtsprechung haben die Entscheidung über die Wiederaufnahme des Verfahrens und die Sachentscheidung für sich Bescheidqualität und ist jeder dieser Bescheide für sich einer Berufung zugänglich und für sich rechtskraftfähig (vgl. für viele das hg. Erkenntnis vom 21. September 2006, 2006/15/0042).
Die belangte Behörde weist im Einklang mit der Aktenlage darauf hin, dass gegenständlich Wiederaufnahmeverfügung und Sachentscheidung nicht in Form eines sogenannten "Sammelbescheides" erlassen wurden, sondern hinsichtlich der Wiederaufnahmeverfügung einerseits und der Einkommensteuerfestsetzung andererseits jeweils gesondert Bescheide ausgefertigt wurden. Nach Ausweis der Aktenlage ergingen mit Ausfertigungsdatum 14. März 2005 (je auf einem eigenen Blatt) der verfahrensrechtliche Bescheid, der allerdings nicht als solcher bezeichnet war, sondern nach der bescheidausstellenden Behörde und dem Bescheidadressaten das Wort "EINKOMMENSTEUERBESCHEID 2001" und darunter die Beifügung "Wiederaufnahme des Verfahrens gem. § 303 (4) BAO zu Bescheid vom 02.07.2003" aufweist, und der ebenfalls mit "EINKOMMENSTEUERBESCHEID 2001" überschriebene Sachbescheid.
Die in der Folge eingebrachten Anträge auf Erstreckung der Berufungsfrist haben die Bescheidbezeichnung "EINKOMMENSTEUERBESCHEID 2001" der Bescheide übernommen und das Ausfertigungsdatum 14. März 2005 angeführt. Eine vorweggenommene Begründung für in der Folge einzubringende Berufungen enthalten die Fristerstreckungsansuchen nicht. Eine solche Begründung ist aber auch kein notwendiger Bestandteil von Fristerstreckungsansuchen. Die belangte Behörde durfte sich daher nicht zu Lasten des Beschwerdeführers darauf stützen, dass die Fristerstreckungsansuchen keine Ausführungen über die Wiederaufnahme enthalten, insbesondere keine Ausführungen darüber, worin der Beschwerdeführer die Rechtswidrigkeit des Wiederaufnahmebescheides erblickt, enthalten diese Ansuchen doch auch keine Begründung dafür, worin der Beschwerdeführer die Rechtswidrigkeit des Sachbescheides erblickt.
Im gegenständlichen Fall kommt dazu, dass das Finanzamt in der Rechtsmittelbelehrung des Wiederaufnahmebescheides ausführt, in einer Berufung (gegen diesen Wiederaufnahmebescheid) sei dieser Bescheid als "Einkommensteuerbescheid für 2001 vom 14. Mai 2005" zu bezeichnen.
Der Beschwerdeführer konnte unbedenklich davon ausgehen, dass jene Bezeichnung eines mit Berufung zu bekämpfenden Bescheides, die das Finanzamt in der Berufungsschrift verwendet wissen will, auch für die Individualisierung des zu bekämpfenden Bescheides in einem Fristverlängerungsansuchen nach § 245 Abs 3 BAO hinreicht. Vor diesem Hintergrund ist festzustellen, dass die Fristverlängerungsansuchen den zu bekämpfenden Bescheid mit exakt jener Bezeichnung benennen, die das Finanzamt im Wiederaufnahmebescheid (aber auch im Sachbescheid) gefordert hat, und dass diese Bezeichnung zudem jener entspricht, die der Kopf des Wiederaufnahmebescheides (aber auch des Sachbescheides) anführt.
Im Beschwerdefall wurde in kaum zu überbietender Weise Unklarheit geschaffen, indem der Wiederaufnahmebescheid und der Sachbescheid im Kopf gleich bezeichnet wurden (nämlich als "EINKOMMENSTEUERBESCHEID 2001" ) und in der Rechtsmittelbelehrung sowohl des Wiederaufnahmebescheides als auch des Sachbescheides der Beschwerdeführer dazu angeleitet wurde, im Falle einer Berufungserhebung den bekämpften Bescheid mit Einkommensteuerbescheid für 2001 vom 14. März 2005 zu bezeichnen.
Bei dieser Sachlage ist - ungeachtet des Verfassens der Eingaben durch berufsmäßige Parteienvertreter - objektiv zweifelhaft, ob sich die Fristverlängerungsansuchen, die als mit Berufung zu bekämpfenden Bescheid den Einkommensteuerbescheid 2001 vom 14. März 2005 bezeichnen (und weder zur Verfahrenswiederaufnahme noch zur Einkommensteuer weitere Ausführungen enthalten), auf den Wiederaufnahmebescheid oder auf den Sachbescheid oder - was durchaus naheliegend ist - auf beide Bescheide bezogen haben (vgl hiezu das hg Erkenntnis vom 21. September 2006, 2006/15/0042).
Es war dem Beschwerdeführer daher unbenommen, auch noch in der Berufung gegen den Zurückweisungsbescheid bzw im Laufe dieses Berufungsverfahrens anzugeben, worauf sich diese Fristerstreckungsansuchen - innerhalb der durch die Formulierung dieser Ansuchen gesteckten Grenzen - bezogen haben.
Da die belangte Behörde dies verkannt hat, hat sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet. Dieser war daher gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl II Nr 333/2003.
Wien, am 24. Mai 2007
Schlagworte
Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2007150043.X00Im RIS seit
21.06.2007