TE OGH 2004/3/4 Bsw72159/01

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 04.03.2004
beobachten
merken

Kopf

Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, Kammer III, Beschwerdesache Löffler gegen Österreich (Nr. 2), Urteil vom 4.3.2004, Bsw. 72159/01.Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, Kammer römisch III, Beschwerdesache Löffler gegen Österreich (Nr. 2), Urteil vom 4.3.2004, Bsw. 72159/01.

Spruch

Art. 6 Abs. 1 EMRK - Dauer eines Amtshaftungsverfahrens. Verletzung von Art. 6 Abs. 1 EMRK (einstimmig).Artikel 6, Absatz eins, EMRK - Dauer eines Amtshaftungsverfahrens. Verletzung von Artikel 6, Absatz eins, EMRK (einstimmig).

Entschädigung nach Art. 41 EMRK: EUR 6.600,- für immateriellen Schaden, EUR 2.000,- für Kosten und Auslagen (einstimmig).Entschädigung nach Artikel 41, EMRK: EUR 6.600,- für immateriellen Schaden, EUR 2.000,- für Kosten und Auslagen (einstimmig).

Text

Begründung:

Sachverhalt:

Der Bf. wurde am 31.3.1987 vom LG Linz wegen Mordes zu einer 18-jährigen Freiheitsstrafe verurteilt. Die Berufung und Nichtigkeitsbeschwerde des Bf. wurden am 15.9.1987 vom OGH verworfen.

Auf Antrag des Bf. vom 6.9.1990 auf Wiederaufnahme des Verfahrens, dem das OLG Linz in zweiter Instanz statt gab, wurde das Verfahren gegen ihn wieder aufgenommen. Am 23.6.1992 erfolgte seine Entlassung aus der Haft. In der Folge wurde eine neue Voruntersuchung gegen ihn eingeleitet.

Am 10.3.1993 brachte der Bf. eine Amtshaftungsklage gegen die Republik Österreich ein, mit der er Schadenersatz für die für aufgehoben erklärte Verurteilung und seine über sechs Jahre dauernde Haft geltend machte. Am 15.3.1994 ordnete das LG Steyr, an das das Verfahren in der Zwischenzeit delegiert worden war, in einer mündlichen Verhandlung die Unterbrechung des Amtshaftungsverfahrens an, weil das Strafverfahren gegen den Bf. noch anhängig war. Am 29.8.1996 wurde der Bf. von der Anklage wegen Mordes freigesprochen. Sein Antrag auf Feststellung eines Entschädigungsanspruches für durch die strafgerichtliche Anhaltung erlittene vermögensrechtliche Nachteile wurde abgewiesen. Der gegen diesen Beschluss erhobenen Bsw. gab das OLG Linz statt und stellte fest, dass die Anspruchsvoraussetzungen der § 2 (1) lit.b und c StEG gegeben seien.Am 10.3.1993 brachte der Bf. eine Amtshaftungsklage gegen die Republik Österreich ein, mit der er Schadenersatz für die für aufgehoben erklärte Verurteilung und seine über sechs Jahre dauernde Haft geltend machte. Am 15.3.1994 ordnete das LG Steyr, an das das Verfahren in der Zwischenzeit delegiert worden war, in einer mündlichen Verhandlung die Unterbrechung des Amtshaftungsverfahrens an, weil das Strafverfahren gegen den Bf. noch anhängig war. Am 29.8.1996 wurde der Bf. von der Anklage wegen Mordes freigesprochen. Sein Antrag auf Feststellung eines Entschädigungsanspruches für durch die strafgerichtliche Anhaltung erlittene vermögensrechtliche Nachteile wurde abgewiesen. Der gegen diesen Beschluss erhobenen Bsw. gab das OLG Linz statt und stellte fest, dass die Anspruchsvoraussetzungen der Paragraph 2, (1) Litera und c StEG gegeben seien.

Das Amtshaftungsverfahren wurde am 4.9.1996 fortgesetzt. Am 11.3.1997 wurde das Verfahren wegen Befangenheit eines Richters an einen anderen Richter des LG Steyr delegiert. Das Gericht führte am 25.6.1997, am 8.10.1997 und am 15.10.1998 Verhandlungen durch. In der Verhandlung vom 25.6.1997 brachte der Bf. vor, dass seine Klage sich auch auf das StEG stützen würde. Am 11.3.1999 gab das LG Steyr der Klage des Bf. teilweise statt und sprach ihm Schadenersatz in der Höhe von ATS 42.912,-- (EUR 3.119,--) zu. Sowohl der Bf. als auch die Republik Österreich legten dagegen Rechtsmittel ein. Der OGH bestimmte mit Beschluss vom 9.7.1999 gemäß § 9 (4) Amtshaftungsgesetz (AHG) das OLG Wien zur weiteren Verhandlung. Dieses gab der Berufung des Bf. am 18.10.1999 statt und verwies die Sache zur neuerlichen Verhandlung an das erstinstanzliche Gericht zurück. Der OGH bestimmte am 18.11.1999 das LG für Zivilrechtssachen Wien zur Verhandlung und Entscheidung in der Sache.Das Amtshaftungsverfahren wurde am 4.9.1996 fortgesetzt. Am 11.3.1997 wurde das Verfahren wegen Befangenheit eines Richters an einen anderen Richter des LG Steyr delegiert. Das Gericht führte am 25.6.1997, am 8.10.1997 und am 15.10.1998 Verhandlungen durch. In der Verhandlung vom 25.6.1997 brachte der Bf. vor, dass seine Klage sich auch auf das StEG stützen würde. Am 11.3.1999 gab das LG Steyr der Klage des Bf. teilweise statt und sprach ihm Schadenersatz in der Höhe von ATS 42.912,-- (EUR 3.119,--) zu. Sowohl der Bf. als auch die Republik Österreich legten dagegen Rechtsmittel ein. Der OGH bestimmte mit Beschluss vom 9.7.1999 gemäß Paragraph 9, (4) Amtshaftungsgesetz (AHG) das OLG Wien zur weiteren Verhandlung. Dieses gab der Berufung des Bf. am 18.10.1999 statt und verwies die Sache zur neuerlichen Verhandlung an das erstinstanzliche Gericht zurück. Der OGH bestimmte am 18.11.1999 das LG für Zivilrechtssachen Wien zur Verhandlung und Entscheidung in der Sache.

Zwei am 25.5.2001 bzw. 20.3.2002 vom Bf. gestellte Fristsetzungsanträge nach § 91 Gerichtsorganisationsgesetz (GOG) wies das LG für Zivilrechtssachen Wien am 25.6.2001 bzw. am 5.6.2002 ab. Am 29.7.2003 erließ das LG für Zivilrechtssachen Wien ein Teilurteil, mit dem es dem Bf. EUR 236.000,-- und eine monatliche Rente zusprach. Das Rechtsmittelverfahren vor dem OLG Wien ist noch anhängig.Zwei am 25.5.2001 bzw. 20.3.2002 vom Bf. gestellte Fristsetzungsanträge nach Paragraph 91, Gerichtsorganisationsgesetz (GOG) wies das LG für Zivilrechtssachen Wien am 25.6.2001 bzw. am 5.6.2002 ab. Am 29.7.2003 erließ das LG für Zivilrechtssachen Wien ein Teilurteil, mit dem es dem Bf. EUR 236.000,-- und eine monatliche Rente zusprach. Das Rechtsmittelverfahren vor dem OLG Wien ist noch anhängig.

Rechtliche Beurteilung

Rechtsausführungen:

Der Bf. behauptet eine Verletzung von Art. 6 (1) EMRK (hier: Recht auf angemessene Verfahrensdauer) durch die überlange Dauer des Amtshaftungsverfahrens.Der Bf. behauptet eine Verletzung von Artikel 6, (1) EMRK (hier: Recht auf angemessene Verfahrensdauer) durch die überlange Dauer des Amtshaftungsverfahrens.

Zur behaupteten Verletzung von Art. 6 (1) EMRK:Zur behaupteten Verletzung von Artikel 6, (1) EMRK:

Die Angemessenheit der Verfahrensdauer muss unter den Umständen des konkreten Einzelfalles beurteilt werden. Dabei spielen insbesondere die Komplexität des Falles, das Verhalten des Bf. und der beteiligten Gerichte sowie die Bedeutung der Angelegenheit für den Bf. eine Rolle.

Das noch nicht abgeschlossene Verfahren dauert bereits ca. zehn Jahre und zehn Monate. Die Angelegenheit ist weder besonders komplex noch hat der Bf. entscheidend zu den Verzögerungen beigetragen. Was das Verhalten der Gerichte betrifft, sind hingegen wesentliche Perioden der Untätigkeit festzustellen. Einige dieser Verzögerungen sind auf einen Wechsel des zuständigen Richters bzw. durch wiederholte Delegationen an ein anderes Gericht, die zur Vermeidung einer Befangenheit nötig waren, zurück zu führen. Art. 6 (1) EMRK verpflichtet die Staaten aber auch, ihre Gerichtssysteme so zu organisieren, dass Verfahren innerhalb einer angemessenen Frist erledigt werden können. Die Verzögerungen müssen im Wesentlichen den innerstaatlichen Gerichten zugeschrieben werden. Da die Dauer des Verfahren nicht angemessen war, liegt eine Verletzung von Art. 6 (1) EMRK vor (einstimmig).Das noch nicht abgeschlossene Verfahren dauert bereits ca. zehn Jahre und zehn Monate. Die Angelegenheit ist weder besonders komplex noch hat der Bf. entscheidend zu den Verzögerungen beigetragen. Was das Verhalten der Gerichte betrifft, sind hingegen wesentliche Perioden der Untätigkeit festzustellen. Einige dieser Verzögerungen sind auf einen Wechsel des zuständigen Richters bzw. durch wiederholte Delegationen an ein anderes Gericht, die zur Vermeidung einer Befangenheit nötig waren, zurück zu führen. Artikel 6, (1) EMRK verpflichtet die Staaten aber auch, ihre Gerichtssysteme so zu organisieren, dass Verfahren innerhalb einer angemessenen Frist erledigt werden können. Die Verzögerungen müssen im Wesentlichen den innerstaatlichen Gerichten zugeschrieben werden. Da die Dauer des Verfahren nicht angemessen war, liegt eine Verletzung von Artikel 6, (1) EMRK vor (einstimmig).

Entschädigung nach Art. 41 EMRK:Entschädigung nach Artikel 41, EMRK:

EUR 6.600,-- für immateriellen Schaden, EUR 2.000,-- für Kosten und Auslagen (einstimmig).

Hinweis:

Das vorliegende Dokument über das Urteil des EGMR vom 4.3.2004, Bsw. 72159/01, entstammt der Zeitschrift „ÖIM-Newsletter" (NL 2004, 67) bzw. der entsprechenden Datenbank des Österreichischen Institutes für Menschenrechte, Salzburg, und wurde von diesem dem OGH zur Aufnahme in die Entscheidungsdokumentation Justiz im RIS zur Verfügung gestellt.

Das Urteil im englischen Originalwortlaut (pdf-Format):

www.menschenrechte.ac.at/orig/04_2/Loeffler_A.pdf

Das Original des Urteils ist auch auf der Website des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (www.echr.coe.int/hudoc) abrufbar.

Anmerkung

EGM00488 Bsw72159.01-U

Dokumentnummer

JJT_20040304_AUSL000_000BSW72159_0100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten