TE OGH 2004/3/18 2Ob46/04k

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Veröffentlicht am 18.03.2004
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Gerhard F*****, vertreten durch Dr. Eva Wexberg, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei M***** GesmbH, *****, vertreten durch Dr. Richard Köhler & Anton Draskovic Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen restlich EUR 18.311,92 sA (Revisionsinteresse EUR 6.481,81) über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 17. Juni 2003, GZ 5 R 210/02t-108, womit infolge der Berufungen beider Parteien das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 25. Juli 2002, GZ 24 Cg 593/93a-101, teilweise bestätigt und teilweise abgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision der beklagten Partei wird zurückgewiesen. Die klagende Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO). Entgegen dem nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichtes liegt eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung nicht vor. Strittig im Revisionsverfahren ist nur die Berechtigung der vom Kläger geforderten Provisionen aus sogenannten "Direktgeschäften" für die Zeit vom 1. 9. bis 19. 12. 1989.Die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (Paragraph 510, Absatz 3, letzter Satz ZPO). Entgegen dem nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichtes liegt eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung nicht vor. Strittig im Revisionsverfahren ist nur die Berechtigung der vom Kläger geforderten Provisionen aus sogenannten "Direktgeschäften" für die Zeit vom 1. 9. bis 19. 12. 1989.

Das Erstgericht hat in diesem Zusammenhang im Wesentlichen festgestellt, der Kläger sei für die beklagte Partei im Zeitraum vom 11. 4. 1988 bis 19. 12. 1989 als Handelsvertreter mit Gebietsschutz für Wien, Niederösterreich und das Burgenland tätig gewesen. Nach der zwischen den Streitteilen getroffenen schriftlichen Vereinbarung habe der Kläger für alle "direkten und indirekten" Aufträge, die mit Abnehmern des festgelegten Verkaufsgebietes zum Abschluss gelangt seien und tatsächlich ausgeliefert worden seien, eine Provision von 10 % des Nettofakturenbetrages zuzüglich USt erhalten sollen. Im Frühjahr 1989 habe die beklagte Partei den Eindruck gewonnen, dass der Kläger nicht so intensiv für sie tätig sei, wie sie es sich vorgestellt habe, weshalb er übermäßig von Direktaufträgen profitiere. Mit Schreiben vom 1. 9. 1989 habe die beklagte Partei festgehalten, dass ab nun für von ihr selbst bearbeitete Kundenaufträge keine Provision mehr bezahlt werde und solche in der Folge auch nicht mehr ausbezahlt, weil sie gemeint habe, der Kläger verdiene sie nicht. Während die beklagte Partei dem Kläger im Jahr 1988 bis zum 31. 8. 1989 als Gebietsvertreter noch Provisionen aus Direktgeschäften zuerkannt habe, habe sie ihm ab 1. 9. 1989 aus solchen Direktaufträgen keine Provisionen mehr gewährt. Nur in vier Fällen, die Direktbestellungen aus diesem Zeitraum betroffen hätten, habe sie - von ihrem Standpunkt irrtümlich - noch Provisionen abgerechnet. Die dem Kläger zuerkannten Gebietsprovisionen im Zeitraum 1. 9. bis 19. 12. 1988 hätten S 66.545,18 betragen. Von diesem Betrag sei - unter Berücksichtigung der bereits bezahlten Provisionen - auch für den Zeitraum 1. 9. 1989 bis 19. 12. 1989 auszugehen.

Festgestellt wurde noch, dass der Kläger der von der beklagten Partei behaupteten und begehrten Vertragsänderung, nämlich auf den Gebietsschutz ab 1. 9. 1989 zu verzichten, nicht zugestimmt habe. Das Erstgericht verwies im Rahmen der Beweiswürdigung auf das Sachverständigengutachten, nach dem die Provisionsabrechnungen des Klägers ab dem 1. 9. 1989 stichprobenartig überprüft und wonach ab dem genannten Zeitpunkt Direktverkäufe - nach dem Standpunkt der beklagten Partei auf Grund der Vertragsänderung - nicht mehr verprovisioniert worden seien. Auch die Zahl der im Verhältnis zu früheren Jahren zusätzlich fehlenden Rechnungsnummern passe gut dazu. Ein Bedarf, sämtliche Rechnungen neuerlich zu prüfen, sei nicht gegeben. Die exakte Ermittlung der Direktgeschäfte erfordere zudem die Einholung eines weiteren Gutachtens, das einen unverhältnismäßigen Aufwand und Kosten verursachen würde, weshalb der Provisionsanspruch aus Direktgeschäften nach dem Vergleichszeitraum im Vorjahr zuzusprechen sei.

Das Berufungsgericht billigte sowohl die Beweiswürdigung des Erstgerichtes, nach der eine einvernehmlich Vertragsänderung für die Zeit ab dem 1. 9. 1989 nicht erwiesen sei, als auch unter Hinweis auf die Entscheidung 4 Ob 541/92 die Anwendung des § 273 ZPO (auch) in Bezug auf die Ermittlung der Provision aus Direktgeschäften für die Zeit ab 1. 9. 1989. Das Erstgericht habe schlüssig dargelegt, warum es von der grundsätzlichen Berechtigung entsprechender Ansprüche ausgegangen sei. Da die Ermittlung der genauen Anspruchshöhe mit einem erheblichen Aufwand an Kosten, Zeit und Arbeit verbunden wäre, habe das Erstgericht die Voraussetzungen zur Anwendung des § 273 Abs 1 ZPO zu Recht angenommen.Das Berufungsgericht billigte sowohl die Beweiswürdigung des Erstgerichtes, nach der eine einvernehmlich Vertragsänderung für die Zeit ab dem 1. 9. 1989 nicht erwiesen sei, als auch unter Hinweis auf die Entscheidung 4 Ob 541/92 die Anwendung des Paragraph 273, ZPO (auch) in Bezug auf die Ermittlung der Provision aus Direktgeschäften für die Zeit ab 1. 9. 1989. Das Erstgericht habe schlüssig dargelegt, warum es von der grundsätzlichen Berechtigung entsprechender Ansprüche ausgegangen sei. Da die Ermittlung der genauen Anspruchshöhe mit einem erheblichen Aufwand an Kosten, Zeit und Arbeit verbunden wäre, habe das Erstgericht die Voraussetzungen zur Anwendung des Paragraph 273, Absatz eins, ZPO zu Recht angenommen.

Die ordentliche Revision wurde über Antrag nach § 508 ZPO für zulässig erklärt, weil die Frage, ob die Anwendung des § 273 ZPO in einem Fall wie dem hier vorliegenden, in dem es um die Ermittlung zahlreicher Einzelansprüche eines Handelsvertreters aus Direktgeschäften gehe, im Sinne der Entscheidung 4 Ob 541/92 gerechtfertigt oder als gravierender Fehler in Anwendung dieser Bestimmung anzusehen sei.Die ordentliche Revision wurde über Antrag nach Paragraph 508, ZPO für zulässig erklärt, weil die Frage, ob die Anwendung des Paragraph 273, ZPO in einem Fall wie dem hier vorliegenden, in dem es um die Ermittlung zahlreicher Einzelansprüche eines Handelsvertreters aus Direktgeschäften gehe, im Sinne der Entscheidung 4 Ob 541/92 gerechtfertigt oder als gravierender Fehler in Anwendung dieser Bestimmung anzusehen sei.

Die beklagte Partei beantragt in ihrer Revision die Abänderung der Entscheidung der Vorinstanzen im Sinne einer Abweisung des gesamten Klagebegehrens.

Die klagende Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben. Im Rechtsmittel der beklagten Partei wird vor allem geltend gemacht, die Anwendung des § 273 Abs 1 ZPO setze voraus, dass nur der Betrag, nicht aber der Grund einer Forderung strittig ist.Die klagende Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben. Im Rechtsmittel der beklagten Partei wird vor allem geltend gemacht, die Anwendung des Paragraph 273, Absatz eins, ZPO setze voraus, dass nur der Betrag, nicht aber der Grund einer Forderung strittig ist.

Rechtliche Beurteilung

Das Berufungsgericht hat bereits zutreffend darauf verwiesen, dass die Anwendung der genannten Bestimmung grundsätzlich voraussetzt, dass nur der Betrag, nicht aber der Grund einer Forderung strittig ist.

Ebenfalls zutreffend hat das Berufungsgericht auf die - unveröffentlichte - Entscheidung 4 Ob 541/92 verwiesen, in der über einen umfangreichen Honoraranspruch eines Rechtsanwaltes aus einer eineinhalbjährigen Vertretungsperiode abzusprechen und auf zahlreiche detaillierte Positionen in den einzelnen Kostennoten einzugehen war. In diesem Fall hat der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, der Weg für die Anwendung des § 273 Abs 1 ZPO stehe nicht dann erst frei, wenn jede Einzelleistung dem Grunde nach feststehe, weil sonst der prozessökonomische Zweck des § 273 Abs 1 ZPO bei Forderungen, die sich aus vielen einzelnen Teilen zusammensetze, nicht zum Tragen käme. Die Zulässigkeit der Anwendung des § 273 Abs 1 ZPO auf eine sich aus vielen kleinen einzelnen Teilen zusammensetzende, jedenfalls teilweise zu Recht bestehende Gesamtforderung ergebe sich schon aus der Überlegung, dass für die einzelnen Teilforderungen, wenn sie im Verhältnis zum Gesamtbetrag jeweils unbedeutend seien, auch § 273 Abs 2 ZPO gelte, der das Gericht berechtigte, nicht nur die Höhe, sondern sogar den Bestand der Forderung nach freier Überzeugung anzunehmen. Der 4. Senat des Obersten Gerichtshofes folgte damit der bereits in der - unveröffentlichten - Entscheidung 9 ObA 64,65/87 vertretenen, auf Fasching gestützten (Komm III, 289; derselbe, Die richterliche Beitragsfestsetzung gemäß § 273 ZPO, JBl l981, 225, 238; ders Lehr- und Handbuch, Rz 870) Rechtsmeinung, das Gericht sei berechtigt, § 273 Abs 1 ZPO auf eine sich aus vielen kleinen Teilen zusammensetzende, jedenfalls jeweils zu Recht bestehende Gesamtforderung anzuwenden, weil bei einzelnen Teilforderungen, wenn sie im Verhältnis zum Gesamtbetrag jeweils unbedeutend seien auch § 273 Abs 2 ZPO gelte. Bei dem dort zu beurteilenden Fall handelte es sich - wie hier - um einen Provisionsanspruch eines Handelsvertreters. Auch dort waren ebenfalls in einem äußerst umfangreichen Verfahren Provisionsansprüche aus zahlreichen Geschäftsfällen zu klären. Der Oberste Gerichtshof hat die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, der Weg für die Anwendung dieser Bestimmung stehe erst offen, wenn jeder einzelne Provisionsfall dem Grunde nach feststehe, ausdrücklich abgelehnt. Hier ist noch zu berücksichtigen, dass die Provisionspflicht der beklagten Partei auch für die Zeit ab dem 1. 9. 1989 jedenfalls dem Grunde nach feststeht, weil eine einvernehmliche Vertragsänderung in Form des Verzichts auf Gebietsschutz nicht festgestellt werden konnte.Ebenfalls zutreffend hat das Berufungsgericht auf die - unveröffentlichte - Entscheidung 4 Ob 541/92 verwiesen, in der über einen umfangreichen Honoraranspruch eines Rechtsanwaltes aus einer eineinhalbjährigen Vertretungsperiode abzusprechen und auf zahlreiche detaillierte Positionen in den einzelnen Kostennoten einzugehen war. In diesem Fall hat der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, der Weg für die Anwendung des Paragraph 273, Absatz eins, ZPO stehe nicht dann erst frei, wenn jede Einzelleistung dem Grunde nach feststehe, weil sonst der prozessökonomische Zweck des Paragraph 273, Absatz eins, ZPO bei Forderungen, die sich aus vielen einzelnen Teilen zusammensetze, nicht zum Tragen käme. Die Zulässigkeit der Anwendung des Paragraph 273, Absatz eins, ZPO auf eine sich aus vielen kleinen einzelnen Teilen zusammensetzende, jedenfalls teilweise zu Recht bestehende Gesamtforderung ergebe sich schon aus der Überlegung, dass für die einzelnen Teilforderungen, wenn sie im Verhältnis zum Gesamtbetrag jeweils unbedeutend seien, auch Paragraph 273, Absatz 2, ZPO gelte, der das Gericht berechtigte, nicht nur die Höhe, sondern sogar den Bestand der Forderung nach freier Überzeugung anzunehmen. Der 4. Senat des Obersten Gerichtshofes folgte damit der bereits in der - unveröffentlichten - Entscheidung 9 ObA 64,65/87 vertretenen, auf Fasching gestützten (Komm römisch III, 289; derselbe, Die richterliche Beitragsfestsetzung gemäß Paragraph 273, ZPO, JBl l981, 225, 238; ders Lehr- und Handbuch, Rz 870) Rechtsmeinung, das Gericht sei berechtigt, Paragraph 273, Absatz eins, ZPO auf eine sich aus vielen kleinen Teilen zusammensetzende, jedenfalls jeweils zu Recht bestehende Gesamtforderung anzuwenden, weil bei einzelnen Teilforderungen, wenn sie im Verhältnis zum Gesamtbetrag jeweils unbedeutend seien auch Paragraph 273, Absatz 2, ZPO gelte. Bei dem dort zu beurteilenden Fall handelte es sich - wie hier - um einen Provisionsanspruch eines Handelsvertreters. Auch dort waren ebenfalls in einem äußerst umfangreichen Verfahren Provisionsansprüche aus zahlreichen Geschäftsfällen zu klären. Der Oberste Gerichtshof hat die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, der Weg für die Anwendung dieser Bestimmung stehe erst offen, wenn jeder einzelne Provisionsfall dem Grunde nach feststehe, ausdrücklich abgelehnt. Hier ist noch zu berücksichtigen, dass die Provisionspflicht der beklagten Partei auch für die Zeit ab dem 1. 9. 1989 jedenfalls dem Grunde nach feststeht, weil eine einvernehmliche Vertragsänderung in Form des Verzichts auf Gebietsschutz nicht festgestellt werden konnte.

Da die vom Berufungsgericht als erheblich bezeichnete Rechtsfrage vom Obersten Gerichtshof bereits im Einklang mit der Lehre beantwortet wurde und auch die Revision keine weitere erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen vermag, war das Rechtsmittel der beklagten Partei als unzulässig zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 40, 50 ZPO, weil die klagende Partei nicht auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen hat.Die Kostenentscheidung gründet sich auf die Paragraphen 40,, 50 ZPO, weil die klagende Partei nicht auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen hat.

Anmerkung

E72965 2Ob46.04k

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2004:0020OB00046.04K.0318.000

Dokumentnummer

JJT_20040318_OGH0002_0020OB00046_04K0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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