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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §71 Abs1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höß und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Nowakowski, Dr. Thoma und Dr. N. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Maga. Schilhan, 1. über den Antrag des H H in W, vertreten durch Dr. Kurt Kozak, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Fürstenallee 17/3, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesministers für Landesverteidigung vom 10. Oktober 2006, Zl. P702976/22-PersC/2006, betreffend pauschalierte Nebengebühren, und 2. über die Beschwerde desselben gegen den genannten Bescheid vom 10. Oktober 2006, den Beschluss gefasst:
Spruch
1. Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist wird keine Folge gegeben.
2. Die Beschwerde wird als verspätet zurückgewiesen.
Der Antrag der belangten Behörde auf Zuerkennung von Aufwandersatz wird abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer steht als Offizier-Stellvertreter in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund.
Mit Bescheid vom 24. Februar 2006 sprach das Kommando Landstreitkräfte dahingehend ab, dass dem Begehren des Beschwerdeführers auf Abänderung der Abrechnungsmodalitäten von Mehrdienstleistungen, resultierend aus bereits in den Jahren 2003, 2004 und 2005 nach § 17b GehG abgegoltenen Bereitschaftsstunden, nach § 16 GehG abzugelten, nicht entsprochen werden könne.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung.
Der angefochtene Bescheid, mit dem die belangte Behörde diese Berufung abwies und den Erstbescheid bestätigte, wurde dem Beschwerdeführer vorerst an seiner Dienststelle mit Formular 4/1 (Rückschein mit gewöhnlicher Zustellung) als Rsb-Sendung zugestellt, wo er diese Sendung am 16. Oktober 2006 übernahm.
Weiters übermittelte die belangte Behörde eine Ausfertigung dieses Bescheides dem Streitkräfteführungskommando "zur Kenntnisnahme", das am 23. Oktober 2006 neuerlich eine Ablichtung des Bescheides dem Beschwerdeführer ausfolgte.
In seinem am 15. Dezember 2006 zur Post gegebenen Schriftsatz begehrt der Beschwerdeführer die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Erhebung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof gegen den Bescheid vom 10. Oktober 2006 und führt diese Beschwerde im Näheren aus. Seinen Antrag begründet er damit, der angefochtene Bescheid sei ihm am 16. Oktober 2006 mittels Rsb-Briefes zugestellt worden. Eine Woche später sei ihm der gleiche Bescheid, diesmal aber auf dem Dienstweg, persönlich zugestellt worden. Auch dieser Bescheid habe die Rechtsmittelbelehrung enthalten, dass gegen diesen zwar kein ordentliches Rechtsmittel, allerdings eine Verwaltungsgerichtshofbeschwerde innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung erhoben werden könnte. Aus diesem Grund habe er angenommen, dass der erste Zustellvorgang mittels Rsb-Briefes unzulässig gewesen und deswegen neuerlich eine Zustellung erfolgt sei, nämlich weil derartige Bescheide ja persönlich und eigenhändig zugestellt werden müssten, was bei einem Rsb-Brief nicht der Fall sei. Insbesondere im Hinblick auf die neuerliche Rechtsmittelbelehrung bzw. den Hinweis auf die sechswöchige Frist zum Ergreifen einer Verwaltungsgerichtshofbeschwerde habe der Beschwerdeführer daher angenommen, dass die für ihn gültige Frist zur Erhebung der Beschwerde ab eigenhändiger Zustellung des Bescheides auf dem Dienstweg begonnen habe und sich sohin als sechswöchige Frist den 4. Dezember 2006 vorgemerkt. In der Folge habe er versucht, "mit" seinem Versicherungsvertreter in Kontakt zu treten, um über diesen abklären zu lassen, ob für eine Verwaltungsgerichtshofbeschwerde Rechtsschutzdeckung bestehen würde. Auf Grund einer schweren Erkrankung des Versicherungsvertreters habe er diesen erst am 27. November 2006 erreichen können, wobei ihm der Vertreter den Rat gegeben habe, zur Abklärung der Rechtsschutzdeckung und auch zu den Erfolgsaussichten einer Beschwerde anwaltliche Hilfe im Rahmen einer Rechtsberatung in Anspruch zu nehmen. Der Beschwerdeführer habe sodann mit seinem einschreitenden Rechtsfreund einen Termin für den 29. November 2006 vereinbart, der von diesem aber letztlich auf Grund einer unvorhersehbaren Terminkollision nicht habe eingehalten werden können. Der Termin sei sodann auf den 1. Dezember 2006 verschoben worden. Bei diesem habe der Beschwerdeführer eher zufällig erwähnt, dass ihm der gleiche Bescheid eine Woche vor dem 23. Oktober 2006 schon einmal zugestellt worden wäre, worauf ihn der Rechtsvertreter darauf hingewiesen habe, dass dann ab diesem Zeitpunkt bereits die sechswöchige Frist zur Erhebung einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zu laufen begonnen hätte, weil nach dem Zustellgesetz selbst ein Zustellmangel durch die faktische Zustellung geheilt würde. Damit sei dem Beschwerdeführer am 1. Dezember 2006 bewusst geworden, dass die Frist zur Erhebung der Beschwerde bereits am 27. November 2006 abgelaufen sei, weshalb er durch dieses unvorhergesehene Ereignis daran gehindert gewesen sei, fristgerecht die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben. So sei er durch die im Zuge der persönlichen Aushändigung des Schriftstückes über die Dienststelle enthaltene Rechtsmittelbelehrung in die Irre geführt worden, wonach (neuerlich) eine sechswöchige Frist zur Erhebung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof ab Zustellung eingeräumt würde, weshalb er angenommen habe, dass mit dieser Zustellung über den Dienstweg erst die Frist zu laufen begonnen hätte. Die jedenfalls ordnungsgemäße Zustellung über den Dienstweg durch persönliche Übergabe des Schriftstückes am 23. Oktober 2006 samt der darin enthaltenen Rechtsmittelbelehrung habe den Beschwerdeführer in die Irre geführt, sodass er also ohne sein Verschulden oder doch nur mit einem geringen Verschulden daran gehindert gewesen sei, fristgerecht noch am 27. November 2006 die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof einzubringen. Ein bloß leichtes Versehen, das einem Rechtsunkundigen leicht passieren könne, hindere die Wiedereinsetzung nicht.
Nach § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
Gemäß § 11 Abs. 1 DVG sind Bescheide in Dienstrechtsangelegenheiten, abgesehen von den Fällen des § 9, schriftlich oder telegraphisch zu erlassen und, wenn sie an Beamte des Dienststandes gerichtet sind, jedenfalls zu eigenen Handen zuzustellen.
§ 5 des Zustellgesetzes in der Fassung des E-Government-Gesetzes, BGBl. I Nr. 10/2004 - ZustG bestimmt unter der Überschrift "Zustellverfügung", dass die Zustellung von der Behörde angeordnet wird, deren Dokument zuzustellen ist. Sie hat - soweit dies notwendig ist - in geeigneter Form zu bestimmen:
1. den Empfänger, dessen Identität möglichst eindeutig zu bezeichnen ist,
2. die Zustelladresse, wobei die Behörde für die Feststellung der Zustelladresse die Mithilfe eines Zustelldienstes in Anspruch nehmen kann,
3. ob die Zustellung mit oder ohne Zustellnachweis zu erfolgen hat,
4.
ob eine Zustellung zu eigenen Handen (§ 21) vorzunehmen ist,
5.
die für die Zustellung sonst, insbesondere gemäß §§ 13 bis 16 wesentlichen Vermerke,
6. die Art oder das technische Verfahren, in dem zuzustellen ist, sofern sich dies nicht schon allein aus der Zustelladresse ergibt.
Ist ein Dokument zugestellt, so löst gemäß § 6 leg. cit. die neuerliche Zustellung des gleichen Dokuments keine Rechtswirkungen aus.
Unterlaufen im Verfahren der Zustellung Mängel, so gilt gemäß § 7 Abs. 1 leg. cit. die Zustellung als in dem Zeitpunkt dennoch bewirkt, in dem das Dokument dem Empfänger tatsächlich zugekommen ist.
Ein Zustellmangel liegt vor, wenn der Zustellvorgang, prinzipiell aber auch dann, wenn die Zustellverfügung iSd § 5 ZustG (Zustellungs-)Vorschriften widerspricht (Walter/Thienel, MSA Verwaltungsverfahrensgesetze16 (2004), Anm. 1 zu § 7 ZustG; vgl. auch die in Walter/Thienel, MGA Verwaltungsverfahrensgesetze I2 (1998) unter E 1 ff zu § 7 ZustG wiedergegebene dem entsprechende Rechtsprechung).
Mag auch die belangte Behörde die Zustellung des angefochtenen Bescheides mit einem Rückschein bei gewöhnlicher Zustellung veranlasst haben - und somit entgegen § 11 Abs. 1 DVG nicht mit einem solchen bei Zustellung zu eigenen Handen - so heilte ein solcher Zustellmangel dadurch, dass der angefochtene Bescheid dem Beschwerdeführer am 16. Oktober 2006 tatsächlich zukam (so bereits zur früheren Rechtslage das hg. Erkenntnis vom 18. Oktober 1989, Zlen. 87/09/0071, 0128).
Der Beschwerdeführer deutete die Ausfolgung des Bescheides am 23. Oktober 2006 als die für den Lauf der Beschwerdefrist allein maßgebliche Zustellung.
Im vorliegenden Fall ist die Frage zu beantworten, ob dem Beschwerdeführer ein Verschulden an der Versäumung der Beschwerdefrist zur Last liegt, das einen minderen Grad des Versehens übersteigt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat ausgehend von der Deutung des Begriffes "Ereignis" im Beschluss eines verstärkten Senates vom 25. März 1976, Slg. 9024/A, wiederholt die Auffassung vertreten, dass auch ein Rechtsirrtum als Wiedereinsetzungsgrund in Betracht kommen kann. Wenn ein solcher Irrtum als Wiedereinsetzungsgrund geltend gemacht wird, ist im Einzelfall die Verschuldensfrage zu prüfen (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 24. Februar 2006, Zl. 2005/12/0237, mwN).
Selbst wenn die Ausfolgung der Bescheidausfertigung am 23. Oktober 2006 eine (neuerliche) Zustellung darstellte, so war die Deutung des (früheren) Zustellvorganges vom 16. Oktober 2006 durch den Beschwerdeführer - auch im Hinblick auf die "neuerliche Rechtsmittelbelehrung" in dem am 23. Oktober 2006 ausgefolgten Bescheid - als bedeutungslos ein vor dem Hintergrund des § 6 ZustG den minderen Grad übersteigendes Versehen. Er hätte nämlich schon wegen der völligen Übereinstimmung der beiden zu verschiedenen Zeitpunkten übermittelten behördlichen schriftlichen Erledigungen, die denselben Bescheid betrafen, Zweifel daran hegen müssen, ob die sechswöchige Frist zur Einbringung einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof tatsächlich erst mit der später erfolgten Übermittlung am 23. Oktober 2006 in Gang gesetzt wurde. Im Übrigen wies der Beschwerdeführer in seinem Wiedereinsetzungsantrag selbst darauf hin, dass die Rechtsmittelbelehrung in der am 23. Oktober 2006 ausgefolgten Ausfertigung des angefochtenen Bescheides mit keinem Wort auf die Rechtsmittelbelehrung der am 16. Oktober 2006 zugestellten Bescheidausfertigung Bezug nahm. Von solchen Zweifeln bewogen hätte er innerhalb der mit 16. Oktober 2006 beginnenden sechswöchigen Frist Aufklärung suchen können und müssen, und zwar zielführender Weise nicht nur bei seinem Versicherungsvertreter, sondern bei rechtlich versierter Stelle (vgl. den zitierten Beschluss vom 24. Februar 2006).
Indem der Beschwerdeführer dies unterließ, handelte er auffallend sorglos, weshalb dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 46 Abs. 1 VwGG nicht Folge gegeben werden kann.
Damit erweist sich aber die mit dem Wiedereinsetzungsantrag nachgeholte Beschwerde als verspätet, die somit schon aus diesem Grund ohne weiteres Verfahren von einem nach § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen war.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf § 58 Abs. 1 VwGG: Da die belangte Behörde nur im Verfahren betreffend den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Stellungnahme und zur Aktenvorlage aufgefordert wurde, ist sie schon begrifflich nicht "obsiegende" Partei im Sinn des § 47 Abs. 2 Z. 2 VwGG.
Wien, am 25. Mai 2007
Schlagworte
Versäumung der Einbringungsfrist siehe VwGG §26 Abs1 Z1 (vor der WV BGBl. Nr. 10/1985: lita) sowie Mangel der Rechtsfähigkeit Handlungsfähigkeit Ermächtigung des EinschreitersEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2006120219.X00Im RIS seit
23.08.2007