Index
10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
ABGB §865;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höß und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Nowakowski, Dr. Thoma und Mag. Nussbaumer-Hinterauer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schilhan, über die Beschwerde des GM in N i H, vertreten durch Dr. Johann Kahrer und Dr. Christian Haslinger, Rechtsanwälte in 4910 Ried im Innkreis, GeoMedJus-Gebäude, Dr. Dorfwirth-Straße 3, gegen den Bescheid des beim Vorstand der Österreichischen Post Aktiengesellschaft eingerichteten Personalamtes vom 1. August 2006, Zl. PM/PRB- 487393/06-A01, betreffend Feststellung des Bestandes eines öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses (Wirksamkeit einer Erklärung nach § 21 BDG 1979), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer stand - jedenfalls - bis zum Ablauf des 31. August 2005 in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund und war der Österreichischen Post AG zur Dienstleistung zugewiesen.
Aus einem Protokoll der Unternehmensrevision, Erhebungsdienst Linz, der Österreichischen Post AG geht Folgendes hervor:
Der Beschwerdeführer sei wegen eines am 24. Juni 2005 stattgefundenen Vorfalles (hiezu siehe später) von MZ (im Folgenden: M) polizeilich zur Anzeige gebracht worden. Der Posterhebungsdienst habe von diesen Vorwürfen am 9. August 2005 Kenntnis erlangt. Der Beschwerdeführer habe sich zwischen 10. Juli 2005 und 22. August 2005 auf Erholungsurlaub in Thailand befunden. Nach Antritt seines Dienstes an der Zustellbasis N um
5.15 Uhr des 23. August 2005 sei er von dort abgeholt und im Büro des Erhebungsdienstes befragt worden.
Nach dem darüber erstellten Protokoll dauerte die Befragung (einschließlich der Verfassung der Niederschrift) von 6.10 Uhr bis
11.45 Uhr. Im Zuge derselben gestand der Beschwerdeführer zu, am 24. Juni 2005 nachts in das Haus seines Nachbarn und dort in das Schlafzimmer der M eingedrungen zu sein. Beim Anblick der schlafenden M habe er sexuelle Erregung verspürt, M sei jedoch in der Folge aufgewacht, worauf er fluchtartig ihr Schlafzimmer verlassen habe. In der Folge habe er sich jedoch in das Kinderzimmer der etwa zwei Jahre alten Tochter der M, SZ (im Folgenden: S), begeben, deren Windel an der linken Seite geöffnet und ihr Geschlechtsorgan etwa eine Minute lang berührt, wobei er versucht habe, sich selbst zu befriedigen. Er sei in der Folge durch einen von M herbeigerufenen Hausgenossen gestellt und verjagt worden.
Unstrittig ist, dass dem Beschwerdeführer im Zusammenhang mit dieser Einvernahme eine vorgefertigte Austrittserklärung betreffend den Austritt aus dem Dienstverhältnis mit Ablauf des 31. August 2005 übergeben wurde.
Diese Austrittserklärung wurde vom Beschwerdeführer sodann am 24. August 2005 datiert und unterfertigt und langte bei der erstinstanzlichen Dienstbehörde am 25. August 2005 ein.
Mit Eingabe vom 27. August 2005 erklärte der Beschwerdeführer die genannte Austrittserklärung zu widerrufen.
Er brachte vor, er sei nach seiner Ankunft aus Thailand in München am 22. August 2005 sogleich fernmündlich zur Polizei beordert worden und dort bis 1.30 Uhr einvernommen worden. Am nächsten Tag habe er um 5.15 Uhr bei seiner Dienststelle den Dienst angetreten. Seine Rückkehr nach Einvernahme durch den Erhebungsdienst sei um 14.15 Uhr erfolgt.
Am 24. August 2005 sei er abermals in der Zeit zwischen 8.00 und 13.00 Uhr polizeilich einvernommen worden. Im Hinblick auf den Schlafmangel sei er psychisch am Ende gewesen. Auch habe er nicht gewusst, welches strafrechtlich relevante Fehlverhalten ihm zur Last gelegt werde, zumal zwischen den inkriminierten Vorfällen und seinem Abflug nach Thailand 16 Tage verstrichen seien, ohne dass ihm Erhebungsschritte bekannt geworden seien.
Mit Note vom 30. August 2005 erklärte die Dienstbehörde dem gemäß § 21 Abs. 3 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979, BGBl. Nr. 333 (im Folgenden: BDG 1979), "verspäteten" Widerruf nicht zuzustimmen.
Mit Eingabe vom 21. September 2005 beantragte der nunmehr anwaltlich vertretene Beschwerdeführer die Erlassung eines Feststellungsbescheides über die Wirksamkeit seiner Austrittserklärung.
Er machte geltend, er habe in den letzten 60 Stunden vor der Austrittserklärung maximal eine Stunde lang geschlafen. Deshalb und infolge der Ungewissheit, welche strafbaren Handlungen ihm zur Last gelegt würden, habe er sich im Zeitpunkt der Abgabe der Austrittserklärung in einer psychischen Ausnahmesituation befunden. Zwischen der Einvernahme durch den Posterhebungsdienst und der Abgabe der Austrittserklärung sei nur eine kurze Zeitspanne gelegen. Die einvernehmenden Beamten hätten auf ihn "einen extremen Druck ausgeübt". Sie hätten ihm die Erklärung des freiwilligen Austritts nahe gelegt, wobei er den Eindruck gewonnen habe, er werde sonst entlassen. Auf Grund all dieser Umstände sei es dem Beschwerdeführer nicht möglich gewesen, ausreichend über die folgenschwere Entscheidung nachzudenken und deren Tragweite zu begreifen.
Der Beschwerdeführer machte Drohung im Sinne des § 870 ABGB geltend. Eine Auflösungserklärung unter der Androhung einer sonstigen Entlassung sei nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zivilrechtlich dann als ungerechtfertigte Drohung zu qualifizieren, wenn der Arbeitgeber zum genannten Zeitpunkt nicht berechtigt gewesen wäre, das Arbeitsverhältnis durch Entlassung sofort zu beenden. Ungerechtfertigte Drohung liege im Hinblick auf die hier geboten gewesene Durchführung eines Disziplinarverfahrens vor. Auch sei durch die in der vorbereiteten Austrittserklärung erfolgte Fristsetzung keine Möglichkeit des Widerrufs eröffnet worden.
Die erstinstanzliche Dienstbehörde holte eine Stellungnahme des vernehmenden Beamten HA (im Folgenden: A) ein. Dieser gab an, der Beschwerdeführer, welcher noch bei der Polizei geleugnet habe, habe nach relativ kurzer Zeit völlig freiwillig und ohne Zwang die ihm zur Last gelegten strafbaren Tatbestände zugestanden. Er sei von A eingehend über Möglichkeiten des Verbleibes bzw. die Möglichkeit des freiwilligen Austrittes informiert worden. Er habe sich Bedenkzeit bis zum nächsten Tag erbeten. Diese sei ihm "zugestanden" worden. Ein Blankoaustrittsformular sei ihm mitgegeben worden, wobei es seine Angelegenheit gewesen wäre, nach reiflicher Überlegung nur mehr Ort, Datum und Unterschrift einzusetzen und das Formular bei seiner Dienststelle abzugeben. Am Folgetag um die Mittagszeit habe der Beschwerdeführer A angerufen und ihm mitgeteilt, dass er nach reiflicher Überlegung den freiwilligen Austritt erklärt habe. Er habe das Austrittsformular seinem Vorgesetzten in der Dienststelle bereits unterschrieben überreicht.
Ein weiterer bei der Befragung am 23. August 2005 anwesend gewesener Beamter bestätigte gleichfalls, dass während der Befragung des Beschwerdeführers weder Zwang noch Nötigung ausgeübt worden sei.
Mit Bescheid des Personalamtes Linz der Österreichischen Post AG vom 20. Oktober 2005 wurde festgestellt, dass das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis des Beschwerdeführers durch seine Austrittserklärung vom 24. August 2005 mit Ablauf des 31. August 2005 aufgelöst worden sei.
Begründend führte die erstinstanzliche Behörde nach Schilderung des Verfahrensganges aus, der Beschwerdeführer sei während seiner Einvernahme auf keine Weise unter Druck gesetzt worden. Die Befragung sei völlig korrekt gewesen. Ihm seien lediglich die möglichen disziplinarrechtlichen Maßnahmen bzw. die "vermuteten Folgen" erklärt worden. Am Tag der Einvernahme sei eine Austrittserklärung nicht abgegeben worden. Vielmehr sei der Austritt erst am Folgetag nach reiflicher Bedenkzeit erfolgt.
Bei der Behauptung, der Beschwerdeführer sei unter Druck gesetzt worden, handle es sich um eine reine Schutzbehauptung. Gleiches gelte für das Vorbringen des Beschwerdeführers betreffend die vorliegende psychische Ausnahmesituation und ihre Folgen. Schließlich sei auch nie ein ärztliches Gutachten vorgelegt worden, aus dem hervorginge, dass auf Grund des damaligen Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers Geschäftsunfähigkeit vorgelegen hätte. Aus einer akuten depressiven Belastungssituation sei nicht zwingend auf Geschäftsunfähigkeit zu schließen. Das auf Grund der letztendlich vom Beschwerdeführer verschuldeten Ausnahmesituation entstandene höhere Stresspotenzial und die damit verbundene Belastung liege im "Bereich des Zumutbaren".
Der Beschwerdeführer erhob Berufung.
Er erachtete seine Austrittserklärung als "formell rechtswidrig", weil auf Grund des dort genannten Austrittsdatums (31. August 2005) eine Widerrufsmöglichkeit nicht bestanden habe.
Darüber hinaus machte er - im Wesentlichen unter Wiederholung seines bisherigen Vorbringens - geltend, die "akute depressive Belastungssituation (psychische Ausnahmesituation)" sei von den Mitarbeitern des Erhebungsdienstes ausgenutzt und der Beschwerdeführer während seiner Einvernahme "unter Druck gesetzt" worden. Dies zeige sich auch an der langen Dauer der Einvernahme (mehr als sechs Stunden). Zur Behauptung der erstinstanzlichen Behörde, er sei hinsichtlich möglicher disziplinarrechtlicher Maßnahmen bzw. vermuteter Konsequenzen eingehend belehrt und über die Möglichkeit einer freiwilligen Austrittserklärung in Kenntnis gesetzt worden, sei zu bemerken, dass eine Belehrung über "das Widerrufsrecht" nicht erfolgt sei.
Die dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Handlungen hätten eine Entlassung nicht gerechtfertigt.
Mit dem in Rechtskraft erwachsenen Urteil des Landesgerichtes Wels vom 17. November 2005 wurde der Beschwerdeführer für schuldig erkannt, er habe am 24. Juni 2005 in K 1. außer dem Fall des § 206 StGB eine geschlechtliche Handlung an der knapp zweieinhalbjährigen S, sohin einer unmündigen Person, vorgenommen, indem er dieser im schlafenden Zustand die Drücker des Schlafanzuges aufgemacht, sowie den Klettverschluss der Windel geöffnet habe und diese anschließend ca. eine Minute an der Scheide gestreichelt habe,
2. die schlafende M, sohin eine wehrlose Person unter
Ausnützung dieses Zustandes zu missbrauchen versucht, indem er geschlechtliche Handlungen an ihr vorzunehmen versucht habe, wobei es lediglich auf Grund des Umstandes, dass diese rechtzeitig aufgewacht sei, beim Versuch geblieben sei.
Der Beschwerdeführer habe hiedurch
zu 1. das Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen
nach § 207 Abs. 1 StGB und
zu 2. das Verbrechen des versuchten sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person nach §§ 15 Abs. 1, 205 Abs. 1 StGB begangen.
Der Beschwerdeführer wurde zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten verurteilt, welche unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde.
Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 1. August 2006 wurde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den erstinstanzlichen Bescheid vom 20. Oktober 2005 als unbegründet abgewiesen.
Begründend führte die belangte Behörde nach Schilderung des Verfahrensganges aus, der Beschwerdeführer sei in der Nacht vom
22. auf den 23. August 2005 etwa zweieinhalb Stunden von der Polizei einvernommen und um 1.30 Uhr nach Hause entlassen worden. Sodann wurden die aus der Niederschrift hervorgehenden Angaben hinsichtlich der Dauer der Vernehmung am 23. August 2005 wiedergegeben. Das Austrittsformular sei vom Beschwerdeführer am 24. August 2005 unterschrieben und an diesem Tag in seiner Dienststelle abgegeben worden. Es sei am 25. August 2005 eingelangt.
Dem späteren Widerruf sei nicht zugestimmt worden. Schließlich wurde der Inhalt des Urteiles des Landesgerichtes Wels vom 17. November 2005 wiedergegeben.
Begründend führte die belangte Behörde aus, sie gehe davon aus, dass eine die Entscheidungsfähigkeit des Beschwerdeführers einschränkende psychische Ausnahmesituation nicht vorgelegen sei und dieser sehr wohl in der Lage gewesen sei, frei und rechtswirksam zu entscheiden. Hiefür spreche insbesondere die Tatsache, dass der Beschwerdeführer nach Erörterung der Möglichkeit eines freiwilligen Austrittes aus dem öffentlichrechtlichen Dienstverhältnis einen Tag Bedenkzeit gehabt habe, um über die Tragweite einer solchen Erklärung nachzudenken. Die Abgabe der Austrittserklärung sei ohne Druck und ohne Beisein eines Erhebungsbeamten erfolgt.
Auch während seiner Einvernahme sei der Beschwerdeführer nicht unter Druck gesetzt worden. "Ungerechte und gegründete Furcht" sei nicht vorgelegen. Mit dem Beschwerdeführer seien lediglich die aus seiner Sicht bestehenden Möglichkeiten des weiteren Vorgehens erörtert worden. Im Zuge dieser Erörterung sei auch auf die Möglichkeit eines freiwilligen Austritts aus dem Dienstverhältnis hingewiesen worden. Eine Drohung mit einer Entlassung sei nicht erfolgt. Die Erhebungsbeamten hätten lediglich mitgeteilt, dass im Falle eines Nichtaustritts aus dem Dienstverhältnis höchstwahrscheinlich eine vorläufige Suspendierung durch die Dienstbehörde erfolgen würde und in weiterer Folge vermutlich ein Disziplinarverfahren eingeleitet würde, wobei auch auf die "Möglichkeit (Wahrscheinlichkeit) der Entlassung aus dem Dienstverhältnis" hingewiesen worden sei.
Selbst wenn man aber vom Vorliegen einer "Drohung mit einer Entlassung" ausgehen wollte, wäre eine solche nicht rechtswidrig, weil im Hinblick auf das vom Beschwerdeführer zugestandene Verhalten eine Entlassung nicht unwahrscheinlich gewesen wäre; die belangte Behörde verwies in diesem Zusammenhang auf die hg. Erkenntnisse vom 21. Mai 1992, Zl. 92/09/0119, und vom 10. September 1986, Zl. 85/09/0146. Bei einem Landzusteller, welcher täglich im Kundendienst eingesetzt sei, sei ein disziplinärer Überhang jedenfalls zu bejahen; der Beschwerdeführer sei in seiner Funktion untragbar geworden. Hingewiesen werde weiters darauf, dass der Beschwerdeführer im Widerruf seiner Austrittserklärung vom 27. August 2005 noch nicht behauptet habe, er sei von den Erhebungsbeamten unter Druck gesetzt worden. Die Bedenkzeit von einem Tag sei jedenfalls als hinreichend anzusehen, wobei die belangte Behörde in diesem Zusammenhang auf das Urteil des Obersten Gerichtshofes vom 27. März 2002, Zl. 9ObA271/01w, verwies.
Den Behauptungen des Beschwerdeführers in Richtung einer akuten depressiven Belastungssituation (psychischen Ausnahmesituation) sei die ihm gewährte Bedenkzeit entgegen zu halten. Schließlich sei auch darauf hinzuweisen, dass ganz allgemein gesehen akute Belastungsreaktionen keine Geschäftsunfähigkeit bedingten (die belangte Behörde verwies in diesem Zusammenhang auf Wenzlaff, Psychiatrische Begutachtung im Zivilrecht).
Eine Belehrung über ein allfälliges Widerrufsrecht durch den Erhebungsdienst sei nicht erforderlich gewesen, zumal der Beschwerdeführer auch die Austrittserklärung nicht im Rahmen der Befragung durch den Erhebungsdienst abgegeben habe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof. Der Beschwerdeführer macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides mit dem Antrag geltend, ihn aus diesem Grunde aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in welcher sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 21 Abs. 1 bis 3 BDG 1979, die beiden ersten Absätze in der Stammfassung BGBl. Nr. 333, der dritte Absatz in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 43/1995, lauten:
"§ 21. (1) Der Beamte kann schriftlich seinen Austritt aus dem Dienstverhältnis erklären.
(2) Die Austrittserklärung wird mit Ablauf des Monates wirksam, den der Beamte bestimmt, frühestens jedoch mit Ablauf des Monates, in dem sie abgegeben wurde. Hat der Beamte keinen oder einen früheren Zeitpunkt der Wirksamkeit bestimmt, so wird die Austrittserklärung ebenfalls mit Ablauf des Monates wirksam, in dem sie abgegeben wurde.
(3) Der Beamte kann die Erklärung nach Abs. 1 bis spätestens einen Monat vor ihrem Wirksamwerden widerrufen. Ein späterer Widerruf wird nur wirksam, wenn die Dienstbehörde ausdrücklich zugestimmt hat."
§ 870 ABGB lautet:
"§ 870. Wer von dem anderen Teile durch List oder durch ungerechte und gegründete Furcht (§ 55) zu einem Vertrage veranlasst worden, ist ihn zu halten nicht verbunden."
§ 109 BDG 1979 in der Fassung dieses Paragrafen durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 61/1997 sowie § 110 BDG 1979 (Stammfassung) lauten:
"Disziplinaranzeige
§ 109. (1) Der unmittelbar oder mittelbar zur Führung der Dienstaufsicht berufene Vorgesetzte (Dienstvorgesetzte) hat bei jedem begründeten Verdacht einer Dienstpflichtverletzung die zur vorläufigen Klarstellung des Sachverhaltes erforderlichen Erhebungen zu pflegen und sodann unverzüglich im Dienstwege der Dienstbehörde Disziplinaranzeige zu erstatten. Erweckt der Verdacht einer Dienstpflichtverletzung auch den Verdacht einer von Amts wegen zu verfolgenden gerichtlich strafbaren Handlung, so hat sich der Dienstvorgesetzte in dieser Eigenschaft jeder Erhebung zu enthalten und sofort der Dienstbehörde zu berichten. Diese hat gemäß § 84 der Strafprozessordnung 1975, BGBl. Nr. 631, vorzugehen.
(2) Von einer Disziplinaranzeige an die Dienstbehörde ist abzusehen, wenn nach Ansicht des Dienstvorgesetzten eine Belehrung oder Ermahnung ausreicht. Diese ist dem Beamten nachweislich mitzuteilen. Eine Ermahnung oder Belehrung darf nach Ablauf von drei Jahren ab Mitteilung an den Beamten zu keinen dienstlichen Nachteilen führen, wenn der Beamte in diesem Zeitraum keine weitere Dienstpflichtverletzung begangen hat.
(3) Die Dienstbehörde hat, sofern es sich nicht um eine Selbstanzeige handelt, eine Abschrift der Disziplinaranzeige unverzüglich dem Beschuldigten zuzustellen.
§ 110. (1) Auf Grund der Disziplinaranzeige oder des Berichtes des Dienstvorgesetzten hat die Dienstbehörde
1.
eine Disziplinarverfügung zu erlassen oder
2.
die Disziplinaranzeige an den Vorsitzenden der
Disziplinarkommission und an den Disziplinaranwalt weiterzuleiten.
(2) Die Dienstbehörde kann von der Erlassung einer Disziplinarverfügung oder der Weiterleitung der Disziplinaranzeige absehen, wenn das Verschulden geringfügig ist und die Folgen der Dienstpflichtverletzung unbedeutend sind. Auf Verlangen des Beamten ist dieser hievon formlos zu verständigen."
Eine Austrittserklärung nach § 21 BDG 1979 ist eine einseitige Willenserklärung eines Beamten, die seitens der Dienstbehörde empfangsbedürftig ist, ihr also zukommen muss, jedoch zu ihrer Wirksamkeit nicht der formellen Annahme bedarf. Da allgemeine Regelungen über die Wertung von Willenserklärungen in den Verwaltungsvorschriften oder in den Verfahrensvorschriften nicht enthalten sind, sind in dieser Frage die Vorschriften des ABGB heranzuziehen (vgl. zu all dem das hg. Erkenntnis vom 16. Dezember 1998, Zl. 98/12/0197).
Der Beschwerdeführer erachtet - auf Basis der von der belangten Behörde getroffenen Annahme seiner Geschäftsfähigkeit - den Tatbestand des § 870 ABGB für gegeben, weil der in der vorgefertigten Austrittserklärung aufscheinende Beendigungszeitpunkt des Dienstverhältnisses so gewählt worden sei, dass ein Widerruf der Austrittserklärung gemäß § 21 Abs. 3 BDG 1979 ohne Zustimmung des Dienstgebers nicht mehr möglich gewesen und er über die Unwiderruflichkeit der Austrittserklärung zu Unrecht nicht aufgeklärt worden sei. Auch sei die Austrittserklärung auf Grund der im Zuge seiner Einvernahme erfolgten "Druckausübung" erfolgt. Schließlich hätten die Erhebungsbeamten zu Unrecht die Möglichkeit einer Entlassung in den Raum gestellt, zumal - wie auch die milde Bestrafung zeige - die nicht in Ausübung der dienstlichen Tätigkeit des Beschwerdeführers in alkoholisiertem Zustand begangene Tat die Disziplinarstrafe der Entlassung nicht gerechtfertigt hätte. Man hätte den weiteren Dienst des Beschwerdeführers so gestalten können, dass er mit M nicht in Berührung komme.
Dem ist Folgendes zu erwidern:
Der Beschwerdeführer stellt den Feststellungen der belangten Behörde betreffend die Darlegungen der Alternativen "Austritt - Disziplinarverfahren" durch den Erhebungsbeamten im Zuge der Einvernahme am 23. August 2005 kein konkretes (gegenteiliges) Sachverhaltsvorbringen entgegen. Insbesondere legt er nicht dar, welche - anderen als die von der belangten Behörde festgestellten -
Äußerungen der Erhebungsbeamten die von ihm geltend gemachte "Drohung mit Entlassung" hätten begründen sollen. Auf Basis der von der belangten Behörde getroffenen Sachverhaltsfeststellungen erweist sich aber ihre Annahme, ein Fall des § 870 ABGB liege nicht vor, als zutreffend:
Der Beschwerdeführer wurde nach Maßgabe dieser Feststellungen
darüber in Kenntnis gesetzt, dass
1. im Fall der Auflösung seines öffentlich-rechtlichen
Dienstverhältnisses durch Austrittserklärung gemäß § 21 BDG 1979
ein Disziplinarverfahren obsolet wäre bzw.
2. dass bei Unterbleiben einer solchen
Austrittserklärung ein solches eingeleitet werde, wobei eine Suspendierung bzw. eine Entlassung aus dem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis als Ergebnis des Disziplinarverfahrens möglich, bzw. wahrscheinlich wäre.
Diese Äußerungen des Vernehmungsbeamten stellen keine Drohung durch Herbeiführung einer "ungerechten und gegründeten Furcht" im Sinne des § 870 ABGB dar. Wie auch der Beschwerdeführer nicht bestreitet, begründet das von ihm in seiner Vernehmung zugestandene Verhalten eine Dienstpflichtverletzung. Gemäß § 43 Abs. 2 BDG 1979 hat der Beamte in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt. Dass dieses Vertrauen auf Grund des dem Beschwerdeführer anzulastenden Verhaltens bei einem als Landzusteller täglich im Kundendienst eingesetzten Beamten gefährdet werden kann, hat die belangte Behörde zutreffend ausgeführt. Das Bestehen eines so genannten "disziplinären Überhanges" wurde daher zu Recht bejaht. In Ermangelung der Voraussetzungen des § 109 Abs. 2 oder § 110 Abs. 1 Z. 1 BDG 1979 waren die zuständigen Dienstvorgesetzten bzw. die Dienstbehörde rechtlich verpflichtet, - letztendlich - die "angedrohte" Einleitung eines Disziplinarverfahrens zu veranlassen, es sei denn, ein solches würde infolge Auflösung des öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses des Beschwerdeführers durch Austrittserklärung obsolet. Eine rechtlich zulässige Handlungsalternative gegenüber dem für den Fall des Unterbleibens einer Austrittserklärung angekündigten Verhalten der Dienstbehörde bestand daher nicht. In einer solchen Situation kann die Ankündigung eines solchen Verhaltens aber nicht als eine "ungerechte" Furcht auslösende Drohung angesehen werden, es sei denn, eine solche Ankündigung würde - was hier jedoch nicht der Fall ist - mit der Aussicht verknüpft, allenfalls die rechtlich gebotenen Schritte bei Abgabe einer bestimmten Willenserklärung des Betroffenen - pflichtwidrig - zu unterlassen. Dadurch, dass - im Falle des Nichtaustritts des Beschwerdeführers - der Dienstbehörde vorliegendenfalls keine rechtlich zulässige Handlungsalternative zur Einleitung eines Disziplinarverfahrens zustand, unterscheidet sich der hier vorliegende Fall auch von jenen, welche der vom Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren zitierten zivilgerichtlichen Judikatur zur Herbeiführung der einvernehmlichen Auflösung eines Dienstverhältnisses durch Entlassungsdrohung zu Grunde lagen.
Der Umstand schließlich, dass der Vernehmungsbeamte eine Wahrscheinlichkeit des Ausganges des einzuleitenden Disziplinarverfahrens mit Entlassung aufgezeigt hat, könnte nur dann zu einer anderen Beurteilung der Angelegenheit führen, wenn die diesbezügliche Prognose grob unrichtig war. Vor dem Hintergrund der von der belangten Behörde ins Treffen geführten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann - wiewohl zwischen den dort zu Grunde gelegenen Fallkonstellationen und der hier Vorliegenden durchaus Unterschiede bestehen - die Einschätzung, ein Disziplinarverfahren hätte mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit zu einer Entlassung geführt, jedenfalls nicht als grob unrichtig qualifiziert werden.
Schließlich teilt der Verwaltungsgerichtshof auch die Auffassung der belangten Behörde, wonach vorliegendenfalls - in Ermangelung von Hinweisen darauf, dass ihnen eine irrtümliche Annahme des Beschwerdeführers in Richtung einer Widerruflichkeit seiner Erklärung erkennbar gewesen wäre - keine Verpflichtung der Erhebungsbeamten bestanden hat, den Beschwerdeführer über die Unwiderruflichkeit einer mit Wirksamkeit vom 31. August 2005 abgegebenen Austrittserklärung aufzuklären, zumal dem Beschwerdeführer unbestritten eine Überlegungsfrist bis zum nächsten Tag eingeräumt war.
Dennoch ist der angefochtene Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet. Der Beschwerdeführer hat sich nämlich nicht nur auf das Vorliegen der Voraussetzungen des § 870 ABGB berufen, sondern auch vorgebracht, er habe sich bei Abfassung der Austrittserklärung in einer - durch die Konfrontation mit seinem strafbaren Verhalten, aber auch durch Schlafmangel bedingten - psychischen Ausnahmesituation (depressiven Verstimmung) befunden, wodurch er nicht mehr in der Lage gewesen sei, frei zu entscheiden und die Tragweite der von ihm unterfertigten Erklärung zu erfassen. Zur grundsätzlichen Relevanz eines solchen Tatsachenvorbringens für die Frage der Geschäftsfähigkeit wird auf das hg. Erkenntnis vom 19. November 2002, Zl. 2001/12/0065, verwiesen. Im Hinblick auf das vom Beschwerdeführer erstattete Vorbringen wäre es geboten gewesen, die Frage der Geschäftsfähigkeit unter Ausnützung sämtlicher hiefür geeigneter Erkenntnisquellen amtswegig einer Lösung zuzuführen. Erst nach Erschöpfung aller diesbezüglichen Mittel wäre von der Zweifelsregel auszugehen, wonach mangels Nachweisbarkeit von Geschäftsunfähigkeit Geschäftsfähigkeit vorliege (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 28. März 2007, Zl. 2006/12/0138, mit weiteren Hinweisen). Dieser amtswegigen Ermittlungspflicht ist die belangte Behörde vorliegendenfalls nicht nachgekommen. Sie hat weder Erhebungen zu den Behauptungen des Beschwerdeführers betreffend seinen Schlafmangel gepflogen, noch die unter Beiziehung eines Sachverständigen zu klärende Frage behandelt, ob der Beschwerdeführer auf Grund seines psychischen Zustandes bei Übergabe seiner Austrittserklärung an die Dienststelle in der Lage gewesen ist, die Tragweite seiner Austrittserklärung einzuschätzen.
Aus diesen Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 25. Mai 2007
Schlagworte
Sachverständiger Erfordernis der Beiziehung Besonderes FachgebietVerfahrensbestimmungen DiversesSachverhalt Sachverhaltsfeststellung Beweismittel SachverständigenbeweisEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2006120163.X00Im RIS seit
11.07.2007Zuletzt aktualisiert am
31.03.2011