Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Charlotte N*****, vertreten durch Mag. Thomas Spiegel, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Gemeinde St. J*****, vertreten durch Dr. Günther Moshammer, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen EUR 7.108,79 sA und Feststellung (Streitwert EUR 730), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Berufungsgericht vom 18. Dezember 2003, GZ 2 R 348/03h-46, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Villach vom 1. August 2003, GZ 16 C 1089/02f-40, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision der klagenden Partei wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei hat die Kosten der Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Gemäß § 510 Abs 3 ZPO kann sich der Oberste Gerichtshof bei Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken.Gemäß Paragraph 510, Absatz 3, ZPO kann sich der Oberste Gerichtshof bei Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken.
Die Klägerin kam am 5. 8. 2000 als Radfahrerin bei Überquerung einer von der beklagten Partei als Wegehalterin gehaltenen Holzbrücke zu Sturz und verletzte sich schwer. Am Unfallstag war das Wetter wechselhaft, weshalb die Fahrbahn und die Brücke feucht waren. Der Brückenbelag bestand aus Lärchenholzbohlen, die mit keinerlei Imprägnierungs- oder Holzschutzmitteln behandelt wurden. Diese Bauweise ist ortsüblich und wurde auch bei weiteren drei Brücken am selben Radweg durchgeführt. Die Fahrbahnoberfläche war infolge Regens in feuchtem Zustand und rutschig, weil sich auf der Fahrbahnoberfläche ein durch "Bläuepilze, Bakterien und Algen in Verbindung mit Regenwasser entstandenen materialaufliegender, schleimiger Biofilm" befand. Eine Verbesserung der Trittsicherheit hätte durch Aufrauen der Oberfläche mittels Handfräsmaschine oder Sandstrahlgerätes und zusätzlicher Imprägnierung herbeigeführt werden können, was alle drei bis vier Jahre Kosten von EUR 1.500 verursacht hätte.
Die Klägerin nahm die Beklagte - neben dem nicht mehr verfahrensgegenständlichen Errichter des Radweges - zunächst als Wegehalter im Sinne des § 1319a ABGB in Anspruch, behauptete aber anlässlich eines Lokalaugenscheines nach Erörterung der Rechtslage mit dem Erstrichter, die Erhaltung der Brücke liege im Interesse der beklagten Partei, weshalb auch eine Haftung nach § 1319 ABGB gegeben sei.Die Klägerin nahm die Beklagte - neben dem nicht mehr verfahrensgegenständlichen Errichter des Radweges - zunächst als Wegehalter im Sinne des Paragraph 1319 a, ABGB in Anspruch, behauptete aber anlässlich eines Lokalaugenscheines nach Erörterung der Rechtslage mit dem Erstrichter, die Erhaltung der Brücke liege im Interesse der beklagten Partei, weshalb auch eine Haftung nach Paragraph 1319, ABGB gegeben sei.
Das Erstgericht gab dem Leistungsbegehren teilweise und dem Feststellungsbegehren zur Gänze statt. Es verneinte eine Haftung der beklagten Partei nach § 1319 ABGB, warf ihr aber grob fahrlässiges Verhalten iSd § 1319a ABGB als Weghalterin vor, weil sie es unterlassen habe, die hölzerne Brückenoberfläche aufzurauen bzw vor der von dieser Brücke ausgehenden Gefahr zu warnen. Ein Mitverschulden der Klägerin liege nicht vor.Das Erstgericht gab dem Leistungsbegehren teilweise und dem Feststellungsbegehren zur Gänze statt. Es verneinte eine Haftung der beklagten Partei nach Paragraph 1319, ABGB, warf ihr aber grob fahrlässiges Verhalten iSd Paragraph 1319 a, ABGB als Weghalterin vor, weil sie es unterlassen habe, die hölzerne Brückenoberfläche aufzurauen bzw vor der von dieser Brücke ausgehenden Gefahr zu warnen. Ein Mitverschulden der Klägerin liege nicht vor.
Das Berufungsgericht wies das gesamte Klagebegehren ab. Ausgehend von den übernommenen Feststellungen des Erstgerichtes teilte es dessen Rechtsansicht, dass eine Haftung der beklagten Partei nach § 1319 ABGB ausgeschlossen sei. Die Beklagte habe kein besonderes Interesse an der Brücke als solcher, das über das allgemeine Interesse am Radweg insgesamt hinausgehe. Eine für die Haftung nach § 1319a ABGB notwendige grobe Fahrlässigkeit liege nicht vor. Es sei allgemein bekannt, dass Holz in feuchtem Zustand rutschig werde, weshalb darin eine Mangelhaftigkeit der Brücke nicht erblickt werden könne. Die beklagte Partei habe davon ausgehen können, dass sich Benützer des Radweges auf die einer Holzfahrbahn entsprechenden Verhältnisse einstellen würden. Da die Bauweise der Brücke ortsüblich sei, sei grobes Verschulden nicht vorzuwerfen.Das Berufungsgericht wies das gesamte Klagebegehren ab. Ausgehend von den übernommenen Feststellungen des Erstgerichtes teilte es dessen Rechtsansicht, dass eine Haftung der beklagten Partei nach Paragraph 1319, ABGB ausgeschlossen sei. Die Beklagte habe kein besonderes Interesse an der Brücke als solcher, das über das allgemeine Interesse am Radweg insgesamt hinausgehe. Eine für die Haftung nach Paragraph 1319 a, ABGB notwendige grobe Fahrlässigkeit liege nicht vor. Es sei allgemein bekannt, dass Holz in feuchtem Zustand rutschig werde, weshalb darin eine Mangelhaftigkeit der Brücke nicht erblickt werden könne. Die beklagte Partei habe davon ausgehen können, dass sich Benützer des Radweges auf die einer Holzfahrbahn entsprechenden Verhältnisse einstellen würden. Da die Bauweise der Brücke ortsüblich sei, sei grobes Verschulden nicht vorzuwerfen.
Die ordentliche Revision sei zulässig, weil eine Judikatur des Obersten Gerichtshofes zur "Wegehalterhaftung bei Radwegen" fehle.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der klagenden Partei mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass dem Klagebegehren stattgegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die beklagte Partei hat Revisionsbeantwortung erstattet und beantragt, dem Rechtsmittel der Gegenseite nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage - der gegenteilige Ausspruch des Berufungsgerichtes ist nicht bindend - nicht zulässig.
Der Oberste Gerichtshof ist in jüngerer Zeit von der Rechtsprechung abgegangen, dass zwischen den §§ 1319 und 1319a ABGB grundsätzlich auch im Falle der Interessenneutralität des Wegehalters Anspruchkonkurrenz bestehe. In der Entscheidung SZ 70/71 wurde dargelegt, dass dann, wenn der Wegehalter (§ 1319a ABGB) gleichzeitig als Besitzer einer im Zuge des Weges bestehenden Anlage im Sinn des § 1319 ABGB zu werten sei, § 1319a ABGB als Spezialnorm § 1319 verdränge. Der erkennende Senat hat auch dargelegt, dass dies nur dann nicht gelte, wenn ein besonderes Interesse des Wegehalters am betreffenden Werk bestehe (2 Ob 158/03d mwN). Ob der Wegehalter aber an einem im Zuge des Weges befindlichen Objekt ein eigenes Interesse hat, hängt immer von den Umständen des Einzelfalles ab, weshalb auch insoweit die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht gegeben sind. Eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung, die aus Gründen der Einzelfallgerechtigkeit wahrzunehmen wäre, kann in der Ansicht des Berufungsgerichtes, die Erhaltung der Brücke liege bloß im Interesse der Erhaltung des Radweges, nicht erblickt werden. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, dass die beklagte Partei an der Brücke kein besonderes, über das allgemeine Interesse am Radweg hinausgehendes Interesse habe, ist aber auch angesichts des Umstandes, dass der Radweg in erster Linie touristischen Zwecken dient und Gemeinden aus dem Tourismus Vorteile beziehen, durchaus vertretbar, weil das Interesse einer Fremdenverkehrsgemeinde nicht auf die Benützung der Brückenanlagen im Zuge von Radwegen beschränkt, sondern auf die Benützung des Radweges durch Gäste schlechthin gerichtet ist. Die zutreffende Rechtsansicht des Berufungsgerichtes aber, dass hier eine Gefahr, die § 1319 ABGB voraussetzt (vgl ZVR 1997/147; 2 Ob 90/98v) gar nicht vorgelegen sei, bekämpft die Revision gar nicht.Der Oberste Gerichtshof ist in jüngerer Zeit von der Rechtsprechung abgegangen, dass zwischen den Paragraphen 1319 und 1319a ABGB grundsätzlich auch im Falle der Interessenneutralität des Wegehalters Anspruchkonkurrenz bestehe. In der Entscheidung SZ 70/71 wurde dargelegt, dass dann, wenn der Wegehalter (Paragraph 1319 a, ABGB) gleichzeitig als Besitzer einer im Zuge des Weges bestehenden Anlage im Sinn des Paragraph 1319, ABGB zu werten sei, Paragraph 1319 a, ABGB als Spezialnorm Paragraph 1319, verdränge. Der erkennende Senat hat auch dargelegt, dass dies nur dann nicht gelte, wenn ein besonderes Interesse des Wegehalters am betreffenden Werk bestehe (2 Ob 158/03d mwN). Ob der Wegehalter aber an einem im Zuge des Weges befindlichen Objekt ein eigenes Interesse hat, hängt immer von den Umständen des Einzelfalles ab, weshalb auch insoweit die Voraussetzungen des Paragraph 502, Absatz eins, ZPO nicht gegeben sind. Eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung, die aus Gründen der Einzelfallgerechtigkeit wahrzunehmen wäre, kann in der Ansicht des Berufungsgerichtes, die Erhaltung der Brücke liege bloß im Interesse der Erhaltung des Radweges, nicht erblickt werden. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, dass die beklagte Partei an der Brücke kein besonderes, über das allgemeine Interesse am Radweg hinausgehendes Interesse habe, ist aber auch angesichts des Umstandes, dass der Radweg in erster Linie touristischen Zwecken dient und Gemeinden aus dem Tourismus Vorteile beziehen, durchaus vertretbar, weil das Interesse einer Fremdenverkehrsgemeinde nicht auf die Benützung der Brückenanlagen im Zuge von Radwegen beschränkt, sondern auf die Benützung des Radweges durch Gäste schlechthin gerichtet ist. Die zutreffende Rechtsansicht des Berufungsgerichtes aber, dass hier eine Gefahr, die Paragraph 1319, ABGB voraussetzt vergleiche ZVR 1997/147; 2 Ob 90/98v) gar nicht vorgelegen sei, bekämpft die Revision gar nicht.
Die für eine Haftung der beklagten Partei gemäß § 1319a ABGB entscheidende Frage, ob der beklagten Partei bereits grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist, kann ebenfalls immer nur nach den Umständen des Einzelfalles beurteilt werden, weshalb auch hier eine erhebliche Rechtsfrage nicht dargetan wird. Die Beurteilung durch das Berufungsgericht liegt auch hier im Ermessensspielraum.Die für eine Haftung der beklagten Partei gemäß Paragraph 1319 a, ABGB entscheidende Frage, ob der beklagten Partei bereits grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist, kann ebenfalls immer nur nach den Umständen des Einzelfalles beurteilt werden, weshalb auch hier eine erhebliche Rechtsfrage nicht dargetan wird. Die Beurteilung durch das Berufungsgericht liegt auch hier im Ermessensspielraum.
Letztlich wird in der Rechtsmittelschrift der Klägerin keine weitere erhebliche Rechtsfrage releviert. Die in der Revision zitierte Entscheidung ZVR 1983/83 betrifft die Verkehrssicherungspflicht einer entgeltlich zu benützenden Mautstraße und ist daher für den vorliegenden Sachverhalt nicht von Bedeutung.
Letztlich kann die vom Berufungsgericht an den Obersten Gerichtshof herangetragene Rechtsfrage der "Wegehalterhaftung bei Radwegen" in dieser Allgemeinheit nicht beantwortet werden, weil wie oben dargelegt, immer nur die Umstände des Einzelfalles von entscheidender Bedeutung sind.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 40, 50 ZPO.Die Kostenentscheidung gründet sich auf die Paragraphen 40,, 50 ZPO.
Die beklagte Partei hat auf die Unzulässigkeit der Revision nicht hingewiesen.
Textnummer
E72970European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2004:0020OB00079.04P.0415.000Im RIS seit
15.05.2004Zuletzt aktualisiert am
20.05.2015