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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §56;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 2007/06/0102Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Rosenmayr und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Khozouei, über die Beschwerden des Dipl. Ing. GMW in I, vertreten durch Dr. Matthias Paul Hagele, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Kaiserjägerstraße 30, gegen die Bescheide des Vorstandes der Bundeskammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten 1. vom 27. Juni 2005, Zl. 86-1/05, betreffend Feststellung der Beitragspflicht, und 2. vom 26. Februar 2007, Zl. 12-01/07, betreffend Beitragsvorschreibung, zu Recht erkannt:
Spruch
1. Der erstangefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Bundeskammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
2. Die Beschwerde gegen den zweitangefochtenen Bescheid wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Der Anfang des Jahres 1937 geborene Beschwerdeführer hat (was im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unstrittig ist) nach Vollendung seines 50. Lebensjahres, nämlich im Mai 1987, den Eid als Ziviltechniker abgelegt.
Soweit für die Beschwerdeverfahren erheblich, stellte der Beschwerdeführer im Hinblick auf das Inkrafttreten des Statutes der Wohlfahrtseinrichtungen WE 2004 mit 1. Juli 2004 (kurz: Statut 2004) mit Schriftsatz vom 30. September 2004 den Antrag, es möge festgestellt werden, dass er nicht zur Teilnahme am Pensionsfonds und am Sterbekassenfonds der Bundeskammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten verpflichtet sei.
Diesem Antrag wurde mit dem erstinstanzlichen Bescheid des Kuratoriums der Wohlfahrtseinrichtungen vom 6. Dezember 2004 nicht stattgegeben (mit der erkennbaren Begründung, dass das Statut für den Beschwerdeführer keine Ausnahme vorsehe).
Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung, in welcher er vorbrachte, er sei seit 1. Juni 1987 als Ziviltechniker mit aufrechter Befugnis tätig, wobei er bis in das Jahr 1994 als Angestellter beschäftigt gewesen sei. Im Juli 1994 habe er sein eigenes Büro eröffnet und sei seither auf freiberuflicher Basis selbständig tätig. Aus diesem Anlass habe er sich für eine private Pensionsvorsorge entschieden, um durch höhere Pensionszahlungen für sich und seine Familie ausreichend Vorsorge für die Altersversorgung zu treffen. Er habe nämlich beim erstmaligen Eintritt in die Kammer das 50. Lebensjahr bereits überschritten gehabt und sei auf Grund dessen damals von der Teilnahme am Versorgungsfonds nicht nur befreit, sondern sogar ausgeschlossen gewesen. Die Bestimmungen des Statutes 2004, wonach er (mangels entsprechender Übergangsbestimmungen, die für ihn in Betracht kämen) beitragspflichtig sei, seien unsachlich, weil die Beitragshöhe in keinem Verhältnis zu den zu erwartenden Pensionszahlungen stehe; diese Einbeziehung in die Beitragspflicht widerspreche dem Grundsatz des Vertrauensschutzes.
Mit dem erstangefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde der Berufung keine Folge gegeben, was im Wesentlichen damit begründet wurde, dass gemäß § 6 Abs. 1 des Statutes 2004 Ziviltechniker ab dem Tag der Eidesablegung oder ab dem Zeitpunkt des Überganges von der ruhenden Befugnis zur aufrechten Befugnis bis zum Erlöschen oder der Aberkennung der Befugnis der Beitragspflicht unterlägen, womit der Beschwerdeführer ebenso wie alle anderen Ziviltechniker mit aufrechter Befugnis der Teilnahmeverpflichtung unterliege, und zwar ab Inkrafttreten des Statutes 2004, also seit 1. Juli 2004.
Dagegen erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in der er vorbrachte, die Bestimmungen des Statutes, wonach er in die Beitragspflicht einbezogen werde, griffen in seine wohlerworbenen Rechte ein. Er habe nämlich im Vertrauen darauf, nicht beitragspflichtig zu sein, entsprechende Dispositionen getroffen und seine gesamte Altersplanung auf die damalige Rechtslage und die Ratschläge der Kammerfunktionäre ausgerichtet. Überdies sei die zu erwartende Pensionsleistung im Verhältnis zu seiner Beitragspflicht unsachlich gering.
Der Verfassungsgerichtshof lehnte nach Durchführung eines Vorverfahrens die Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom 28. November 2006, B 887/05-9, ab und trat die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. In der Begründung seines Beschlusses führte der Verfassungsgerichtshof u.a. aus:
"Soweit die Beschwerde aber insofern verfassungsrechtliche Fragen berührt, als die Gesetzwidrigkeit des Statutes der Wohlfahrtseinrichtungen WE 2004 behauptet wird, lässt ihr Vorbringen vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes die behauptete Rechtsverletzung, die Verletzung eines anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes oder die Verletzung in einem sonstigen Recht wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung als so wenig wahrscheinlich erkennen, dass sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat: vgl. dazu VfSlg. 14.842/1997, S 621 mwN, wonach das Vertrauen auf den unveränderten Fortbestand der gegebenen Rechtslage (dort: Enttäuschung der Hoffnung auf Weiterbestehen der Versicherungsfreiheit) als solches keinen besonderen verfassungsrechtlichen Schutz genießt; zur gleichheitsrechtlichen Unbedenklichkeit der unterschiedlichen Regelungen im GSVG einerseits und im ZTKG bzw. Statut WE 2004 andererseits vgl. VfSlg. 13.634/1993, S 602 mwN; unbedenklich ist auch die Normierung der Beitragspflicht eines Erwerbstätigen trotz (bereits anderweitig) eingetretener Versorgung (vgl. VfSlg. 16.007/2000, S 714); gegen § 29 Abs. 9 erster Satz ZTKG 1993 bzw. § 13 Abs. 3 zweiter Satz des Statutes WE 2004, dem zu Folge die Alterspension für jene Ziviltechniker, welche nach dem 1. Juli 2000 erstmalig am Pensionsfonds teilnehmen, aus der sich durch Verrentung des Guthabens des persönlichen Pensionskontos ergebenden Pensionsleistung besteht, bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken.
Nach Lage des vorliegenden Falles bestehen auch gegen § 7 Abs. 5 des Statutes WE 2004 unter dem Aspekt der Anlassfallwirkung des Art. 139 Abs. 6 B-VG keine Bedenken, weil - wie die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid ausführt - eine Beitragspflicht des Beschwerdeführers im Hinblick auf das Inkrafttreten des Statutes WE 2004 mit 1. Juli 2004 jedenfalls erst mit diesem Zeitpunkt eingetreten ist."
In seiner über Auftrag des Verwaltungsgerichtshofes ergänzten Beschwerde macht der Beschwerdeführer inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Soweit für das verwaltungsgerichtliche Verfahren erheblich, wurden zwischenzeitig mit dem erstinstanzlichen Bescheid des Kuratoriums der Wohlfahrtseinrichtungen vom 18. Dezember 2006 die Beiträge des Beschwerdeführers auf Grund des Statutes 2004 für das Jahr 2007 wie folgt festgesetzt: Beiträge für den Sterbekassenfonds mit EUR 0,--, Beiträge für den Pensionsfonds für das 1. Quartal mit EUR 189,82 (wobei nach der Begründung des Bescheides auf die Vollendung des 70. Lebensjahres des Beschwerdeführers Bedacht genommen wurde, womit ab dem Folgemonat die Beitragspflicht entfalle).
Der Beschwerdeführer erhob auch gegen diesen Bescheid Berufung, der mit dem zweitangefochtenen Bescheid keine Folge gegeben wurde. Zusammengefasst wurde dies damit begründet, dass der Beschwerdeführer auf Grund der Bestimmungen des Statutes 2004 wie alle anderen Ziviltechniker mit aufrechter Befugnis der Beitragsverpflichtung unterliege.
Dagegen richtet sich die zu Zl. 2007/06/0102 protokollierte Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Der Beschwerdeführer bekämpft den zweitangefochtenen Bescheid inhaltlich nur hinsichtlich der Vorschreibung des Beitrages zum Pensionsfonds und auch insofern nur dem Grunde, nicht auch der Höhe nach, und argumentiert sinngemäß wie in seiner Beschwerde gegen den erstangefochtenen Bescheid.
Der Verwaltungsgerichtshof hat beschlossen, beide Beschwerdeverfahren wegen des persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung zu verbinden, und hat erwogen:
In den Beschwerdefällen ist das am 1. Juli 2004 in Kraft getretene Statut der Wohlfahrtseinrichtungen WE 2004 anzuwenden, das in den beschwerdegegenständlichen Zeiträumen zwar mehrfach geändert wurde, wobei diese Änderungen aber hier ohne Belang sind.
Der Beschwerdeführer hat mit seinem Antrag vom 30. September 2004, der Gegenstand des erstangefochtenen Bescheides ist, die Erlassung eines (negativen) Feststellungsbescheides hinsichtlich seiner Beitragspflicht begehrt. Die Erlassung eines Feststellungsbescheides ist im Statut 2004 nicht vorgesehen, andererseits aber auch nicht untersagt. Allgemein gilt, dass Feststellungsbescheide subsidiäre Rechtsbehelfe sind und daher ein Feststellungsbescheid dann nicht erlassen werden darf, wenn die strittige Rechtsfrage im Rahmen eines anderen Verfahrens zu entscheiden ist (siehe dazu beispielsweise die bei Walter / Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, in E 211ff zu § 56 AVG wiedergegebene hg. Judikatur). Solche "andere Verfahren" sind im Beschwerdefall die Verfahren betreffend die Beitragsvorschreibungen.
Dadurch, dass die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den erstangefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Die Beitragspflicht zum Pensionsfonds ist (aber demgemäß) bei der Behandlung der Beschwerde gegen den zweitangefochtenen Bescheid zu prüfen.
§ 6 Abs. 1 erster Satz des Statutes 2004 normiert, dass Ziviltechniker ab dem Tag der Eidesablegung oder, wenn zu diesem Zeitpunkt das Ruhen der Befugnis gemeldet wird, ab dem Zeitpunkt des Überganges von der ruhenden Befugnis zur aufrechten Befugnis bis zum Erlöschen oder der Aberkennung der Befugnis der Beitragspflicht unterliegen, sofern sich nicht aus anderen Normen Abweichendes ergibt. Eine solche Ausnahme vermag der Beschwerdeführer nicht aufzuzeigen und sie ist vom Verwaltungsgerichtshof auch nicht erkennbar. Der Beschwerdeführer bringt hiezu unter Hinweis auf seine Ausführungen im verfassungsgerichtlichen Verfahren vor, er habe seine Lebensplanung darauf ausgerichtet, in Hinkunft nicht durch eine Änderung der Rechtslage zu einer Teilnahme an den Wohlfahrtseinrichtungen der Bundeskammer verpflichtet zu werden, und habe sich dabei auf "eindeutige Aussagen der Funktionäre der Bundeskammer" verlassen, sodass die nunmehrige Einbeziehung in die Beitragspflicht Treu und Glauben widerspreche. Die Bundeskammer habe somit durch ihre Funktionäre dem Beschwerdeführer, wie sich danach herausgestellt habe, falsche Auskünfte erteilt und habe insofern rechtswidrig und schuldhaft gehandelt. Hätte er frühzeitig gewusst, dass es zu einer zwangsweisen Verpflichtung zur Teilnahme kommen werde, hätte er rechtzeitig seine Lebensplanung und insbesondere seine Altersvorsorge darauf einstellen können. Es sei ihm daher insofern ein Schaden entstanden, als er Beitragsleistungen zu erstatten hätte, wobei er im Gegenzug jedoch nur geringfügige Pensionsleistungen erhalten würde. Insofern sei die Bundeskammer bereichert. Sie ziehe daher einen Vorteil aus dem rechtswidrigen Verhalten der ihr zurechenbaren Funktionäre, was nicht "Sinn und Zweck der Regelung" sein könne. Das hätte die belangte Behörde vor der Erlassung des erstangefochtenen Bescheides berücksichtigen und demgemäß den Sachverhalt dementsprechend erheben müssen.
Dem ist zu entgegnen, dass eine Berücksichtigung solcher Momente in den maßgeblichen Bestimmungen des Statutes 2004 nicht vorgesehen ist und die Bestimmungen des Statutes 2004 auch in einer Gesamtschau nicht die vom Beschwerdeführer gewünschte Auslegung zulassen, dass er unter Berücksichtigung der von ihm vorgetragenen Umstände zur Teilnahme am Pensionsfonds nicht verpflichtet sei.
Da sich bereits aus den Ausführungen in der Beschwerde gegen den zweitangefochtenen Bescheid ergibt, dass die vom Beschwerdeführer behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, war diese Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 30. Mai 2007
Schlagworte
Anspruch auf bescheidmäßige Erledigung und auf Zustellung, Recht der Behörde zur Bescheiderlassung Feststellungsbescheide Besondere RechtsgebieteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2007060006.X00Im RIS seit
17.07.2007