Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ernst S*****, vertreten durch Aigner & Fischer Rechtsanwaltspartnerschaft in Ried im Innkreis, wider die beklagten Parteien 1. I***** GmbH, ***** und 2. ***** Versicherung AG, ***** beide vertreten durch Dr. Roman Moser, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen EUR 26.227,69 sA und Feststellung, über die Revision der erstbeklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 20. Jänner 2004, GZ 6 R 226/03b-36, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 27. September 2003, GZ 91 Cg 1068/01i-32, zum Teil bestätigt und zum Teil abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die erstbeklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 499,39 (darin enthalten Umsatzsteuer von EUR 83,23, keine Barauslagen) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger wurde bei einem Verkehrsunfall am 20. 4. 1998 schwer verletzt. Zu dem Unfall kam es dadurch, dass Wilfried F***** mit dem von der erstbeklagten Partei gehaltenen und bei der zweitbeklagten Partei haftpflichtversicherten LKW auf die Gegenfahrbahn geriet und gegen die vom Kläger gelenkte Sattelzugmaschine stieß. Das Alleinverschulden trifft Wilfried F*****. Vor Klagseinbringung zahlte die zweitbeklagte Partei Schmerzengeld in der Höhe von insgesamt S 262.500.
Mit Teilanerkenntnisurteil vom 17. 3. 2003 stellte das Erstgericht fest, dass die zweitbeklagte Partei, eingeschränkt auf die vertraglich festgelegte Versicherungssumme, dem Kläger gegenüber für alle zukünftigen Schäden aus dem Unfall vom 20. 4. 1998 haftet.
Der Kläger begehrt die Verurteilung der beklagten Parteien zur ungeteilten Hand zur Zahlung von EUR 26.227,69 sA und die Feststellung der Haftung der erstbeklagten Partei für alle künftigen Schäden.
Die beklagten Parteien wendeten unter anderem Verjährung des Feststellungsanspruches hinsichtlich der erstbeklagten Partei ein:
Zur Verjährungseinrede erwiderte der Kläger, dass die Zweitbeklagte auf diese bis 31. 12. 2001 verzichtet habe. Dieser Verzicht gelte auch für die erstbeklagte Partei. Der Klagevertreter sei mit der zweitbeklagten Partei bis 12. 7. 2001 in ständigen Vergleichsverhandlungen gestanden.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren vollinhaltlich statt, wobei es unter anderem feststellte, dass die zweitbeklagte Partei mit Schreiben vom 17. 4. 2001 gegenüber dem Klagevertreter auf die Einrede der Verjährung bis 31. 12. 2001 verzichtete.
Zur Frage des Verjährungseinwandes führte das Erstgericht aus, dieser sei unberechtigt, weil gemäß § 27 Abs 2 KHVG 1994 die Verjährung des Schadenersatzanspruches gegen den Versicherer auch in Beziehung zum Versicherungsnehmer unterbrochen werde.
Das von den beklagten Parteien angerufene Berufungsgericht wies einen Teil des Klagebegehrens wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurück. Einen geringfügigen Teil wies es ab. Im Wesentlichen bestätigte es aber die angefochtene Entscheidung; es sprach aus, der Wert des Entscheidungsgegenstandes übersteige EUR 20.000, die ordentliche Revision sei zulässig.
Auch das Berufungsgericht verneinte die Berechtigung des Verjährungseinwandes. Das Vorbringen des Klägers, dass der Klagevertreter mit der zweitbeklagten Partei bis 12. 7. 2001 in ständigen Vergleichsverhandlungen gestanden sei und dass die zweitbeklagte Partei erst anlässlich eines Telefongesprächs vom 12. 7. 2001 ein Abgehen vom eingewendeten Mitverschulden dezidiert abgelehnt habe, sei seitens der beklagten Parteien nicht bestritten worden. Infolge dieser Vergleichsverhandlungen sei eine Ablaufshemmung vorgelegen. Diese habe gemäß § 27 Abs 2 Satz 3 KHVG 1994 auch für die erstbeklagte Partei gewirkt, und zwar auch hinsichtlich des Teils, der mit dem Feststellungsbegehren geltend gemachten zukünftigen Ansprüche, der die Deckungsverpflichtung der zweitbeklagten Partei übersteige. Es sei daher auch der Einwand der erstbeklagten Partei, das Feststellungsbegehren wäre ihr gegenüber mit der vertraglichen Versicherungssumme zu beschränken gewesen, unberechtigt.
Die ordentliche Revision erachtete das Berufungsgericht für zulässig, weil zur Frage, ob ein vom Haftpflichtversicherer erklärter Verjährungsverzicht bzw von ihm vorgenommene Vergleichsverhandlungen eine Hemmung der Verjährung für den Versicherungsnehmer auch für jene Ansprüche bewirke, die die Deckungsverpflichtung des Versicherers überstiegen, keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes vorliege.
Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision der erstbeklagten Partei insoweit, als ihre unbegrenzte Haftung ausgesprochen wurde. Begehrt wird die Abänderung der angefochtenen Entscheidung dahin, dass das Feststellungsbegehren auch ihr gegenüber auf die vertraglich festgelegte Versicherungssumme beschränkt und das darüber hinausgehende Begehren abgewiesen werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die klagende Partei hat Revisionsbeantwortung erstattet und beantragt, das Rechtsmittel der erstbeklagten Partei zurückzuweisen, in eventu ihm nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der erstbeklagten Partei ist aus dem vom Berufungsgericht aufgezeigten Grund zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.
Die erstbeklagte Partei macht in ihrem Rechtsmittel geltend, die Verzichtserklärung der zweitbeklagten Partei hinsichtlich der Verjährungseinrede könne nur in dem Ausmaß, wie sie auch gegenüber der zweitbeklagten Partei wirke, gelten. Die Bindung des Verzichtes des Versicherers gegenüber dem Versicherungsnehmer reiche nicht weiter, als die Erklärung von der zweitbeklagten Partei abgegeben worden sei. Bei richtiger rechtlicher Beurteilung hätte daher das Berufungsgericht zum Ergebnis gelangen müssen, dass der Anspruch der klagenden Partei auf Feststellung der Haftung über die vertraglich festgesetzte Versicherungssumme hinausgehend verjährt sei. Zumindest sei ein Verzicht im Voraus für diesen Teil unwirksam.
Hiezu wurde erwogen:
Gemäß § 27 Abs 2 Satz 3 KHVG 1994 bewirkt die Hemmung oder die Unterbrechung der Verjährung des Schadenersatzanspruches gegen den ersatzpflichtigen Versicherten auch die Hemmung oder die Unterbrechung der noch laufenden Verjährung des Schadenersatzanspruches gegen den Versicherer und umgekehrt. Die Hemmung oder Unterbrechung der Verjährung des Direktanspruches wirkt auf den Anspruch gegen den Versicherungsnehmer auch insoweit, als der Anspruch des Dritten die Versicherungssumme übersteigt. Die von der erstbeklagten Partei vertretene gegenteilige Ansicht widerspräche dem gesetzgeberischen Zweck der Direktklage gegen den Versicherer. Es entstünde nämlich gerade in den Fällen schwerster Schäden die Gefahr eines Rechtsverlusts, weil der Geschädigte vielfach nicht vorauszusehen vermag, für welchen Teil seines Gesamtanspruches der Versicherungsnehmer wegen Erschöpfung der Deckungssumme schließlich selbst einzustehen haben werde und in welchem Umfang er daher gezwungen sein könnte, durch geeignete Rechtshandlungen auch insoweit der drohenden Verjährung zu begegnen. Der Gesetzgeber hat vielmehr bewusst den Anspruch gegen den Schädiger und gegen den Versicherer gekoppelt, um zu verhindern, dass dem Verletzten Nachteile dadurch entstehen, dass Regulierungsverhandlungen über den Schadensausgleich in aller Regel nur mit dem Versicherer geführt werden, während der Versicherungsnehmer selbst untätig bleibt und daher eine Unterbrechung oder Hemmung der für ihn laufenden Verjährungsfrist nicht erfolgt.
Diese Rechtsansicht entspricht der ganz eindeutigen Lehre und Rechtsprechung zur insoweit durchaus vergleichbaren Bestimmung des § 3 Z 3 Satz 4 dPflVG (Stiefel/Hofmann, Kraftfahrversicherung17, § 3 PflVG Rz 3; Hentschel, Straßenverkehrsrecht37, § 14 StVG Rz 5; Becker/Böhme, Kraftverkehrs-Haftpflicht-Schäden22, Rz K 22; BGH NJW 1982, 176 = VersR 1982, 546; VersR 1984, 441).Diese Rechtsansicht entspricht der ganz eindeutigen Lehre und Rechtsprechung zur insoweit durchaus vergleichbaren Bestimmung des § 3 Ziffer 3, Satz 4 dPflVG (Stiefel/Hofmann, Kraftfahrversicherung17, § 3 PflVG Rz 3; Hentschel, Straßenverkehrsrecht37, § 14 StVG Rz 5; Becker/Böhme, Kraftverkehrs-Haftpflicht-Schäden22, Rz K 22; BGH NJW 1982, 176 = VersR 1982, 546; VersR 1984, 441).
Es ist daher - wie das Berufungsgericht schon zutreffend ausgeführt hat - auch das gegen den erstbeklagten Halter gerichtete Klagebegehren schon wegen der mit dem Versicherer geführten Vergleichsverhandlungen im Hinblick darauf, dass die Klage nach deren Scheitern unverzüglich am 10. 8. 2001 beim Erstgericht eingebracht wurde, auch hinsichtlich des die Versicherungssumme übersteigenden Feststellungsbegehrens nicht verjährt.
Der unberechtigten Revision der erstbeklagten Partei war deshalb keine Folge zu geben.
Die Entscheidung über die Kosten gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.
Textnummer
E73164European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2004:0020OB00097.04K.0429.000Im RIS seit
29.05.2004Zuletzt aktualisiert am
24.03.2011