TE OGH 2004/5/4 4Ob24/04i

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Veröffentlicht am 04.05.2004
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kodek als Vorsitzenden, durch die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Griß und Dr. Schenk und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel und Dr. Jensik als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W*****, vertreten durch Dr. Wolf Schuler, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagten Parteien 1. C***** GmbH, 2. C***** GmbH & Co KG, ***** beide vertreten durch Dr. Christian Klemm, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Gesamtstreitwert 36.340 EUR), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 10. Dezember 2003, GZ 4 R 220/03f-19, womit das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 25. September 2003, GZ 10 Cg 251/02y-11, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass die Entscheidung des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit 5.673,55 EUR (darin 1.061 EUR Barauslagen und 768,76 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Zweitbeklagte, deren persönlich haftende Gesellschafterin die Erstbeklagte ist, betreibt an mehreren Standorten in Österreich den Handel mit Waren aller Art. Sie bewarb in einem auch der Ausgabe der "Neuen Kronen-Zeitung" vom 3. 11. 2002 angeschlossenen Flugblatt eine Reihe von Elektrogeräten, darunter auch einen Videorecorder der Marke Philips um 199 EUR statt 399 EUR mit dem Hinweis "Angebote gültig vom 4. bis 7. 11. 2002 bzw solange der Vorrat reicht".

Der klagende Schutzverband begehrt von den Beklagten, es im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs zu unterlassen, Waren, insbesondere mit Stattpreisen im Zusammenhang mit Aktionsverkäufen, zu bewerben, wenn diese Waren nicht in einer für die zu erwartende Nachfrage ausreichenden Menge tatsächlich vorhanden sind, wie etwa im gegenständlichen Fall, als der im Flugblatt vom 3. 11. 2002 für den Aktionszeitraum vom 4. 11. bis 7. 11. 2002 zum Preis von EUR 199 statt EUR 399 beworbene Philips Videorecorder schon ca eine Stunde nach Beginn der Aktion am 4. 11. 2002 nicht mehr erhältlich war. Sie stellt überdies ein Urteilsveröffentlichungsbegehren. Die Angaben der Beklagten über ihr Warenangebot seien unrichtig und irreführend gewesen, sie hätten das angesprochene Publikum getäuscht, weil der beworbene Videorecorder bereits am 4. 11. ca 10.00 Uhr ausverkauft gewesen sei. Die Urteilsveröffentlichung sei zur Aufklärung des Publikums erforderlich.

Die Beklagten beantragen Klageabweisung. Sie hätten die zu Beginn der Verkaufsaktion vorhanden gewesenen 72 Stück Videorecorder entsprechend den Verkaufsergebnissen der vorangegangenen 11 Monate auf die einzelnen der 20 Filialen der Beklagten aufgeteilt. Infolge unerwartet starker Nachfrage seien die der Filiale Wals-Siezenheim zugeteilten vier Videorecorder bereits am späteren Vormittag verkauft gewesen. Die Beklagten hätten dennoch über einen ausreichenden Lagervorrat verfügt, weil im Aktionszeitraum insgesamt lediglich 63 Stück verkauft worden seien, die restlichen 9 Stück hätten sie erst nach dem 7. 11. 2002 verbilligt abgegeben.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte fest, der im Flugblatt der Beklagten beworbene Philips Videorecorder sei ein Auslaufmodell. In den der Verkaufsaktion vorangegangenen Monaten hätten die Beklagten seit 1. 1. 2002 insgesamt 14 Stück dieses Videorecorders in ihren 20 Filialen in Österreich verkauft. Sie hätten die zu Beginn der Verkaufsaktion am 4. 11. 2002 noch vorhanden gewesenen 72 Stück des Geräts unter Zugrundelegung der Verkaufsergebnisse seit 1. 1. 2002 auf ihre einzelnen Filialen aufgeteilt. Die Filiale Wals-Siezenheim habe vier Stück zugeteilt erhalten, in den vorangegangenen 12 Monaten habe diese Filiale kein einziges dieser Geräte verkauft. Als ein (namentlich genannter) Kunde der Beklagten um 10.00 Uhr des ersten Aktionstages den beworbenen Videorecorder in der Filiale Wals-Siezenheim habe erwerben wollen, seien die vier Stück bereits verkauft gewesen. Der Filialleiter habe durch EDV-Einsicht festgestellt, dass weitere fünf Geräte in der Filiale Wien-Mariahilferstraße auf Lager seien. Der dortige Filialleiter habe ihm nach telefonischer Kontaktaufnahme die Übersendung eines dieser Geräte zugesagt. Als der Kunde das bestellte und bereits bezahlte Gerät habe abholen wollen, habe sich jedoch herausgestellt, dass die Übersendung des Geräts aus einem Versehen der Filiale in Wien unterblieben und alle dort vorhanden gewesenen Geräte mittlerweile verkauft seien. Der Kunde in Salzburg habe daraufhin ein anderes Gerät zum Aktionspreis gekauft und einen Benzingutschein sowie einen 10 %igen Nachlass auf einen zugleich gekauften Kühlschrank erhalten. Der Kunde habe den Eindruck hinterlassen, damit zufriedengestellt zu sein, sodass kein weiterer Versuch unternommen worden sei, den Recorder von einer anderen Filiale zu bekommen. Rechtlich verneinte das Erstgericht eine Irreführung über die Vorratsmenge. Von den Verkaufszahlen der letzten 12 Monate ausgehend hätten die Beklagten annehmen dürfen, dass insgesamt und österreichweit eine hinreichende Stückzahl an Geräten vorhanden sei und der Filiale Wals-Siezenheim zur Verfügung stehe. Die tatsächliche Nachfrage in dieser Filiale sei nicht vorhersehbar gewesen.

Das Berufungsgericht gab dem Unterlassungs- und Urteilsveröffentlichungsbegehren statt. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei, weil der Entscheidung über den zu beurteilenden Einzelfall hinaus keine Bedeutung zukomme. Von den Feststellungen des Erstgerichts ausgehend bejahte das Berufungsgericht eine Irreführung des Verkehrs über die Vorratsmenge. Der Verbraucher erwarte, dass die beworbene Ware zum angekündigten Zeitpunkt in ausreichender Menge vorhanden sei, um die übliche und zu erwartende Nachfrage zu decken. Sei das angebotene Produkt bereits am ersten Tag der Aktionsfrist verkauft, müsse auf unzureichende Warenvorräte geschlossen werden. In einem solchen Fall müsse die Beklagte dartun, warum der Vorrat dennoch als für eine längere Zeit ausreichend anzusehen sei. In die Werbung dürften wohl auch Bestände einbezogen werden, die bei einer anderen Stelle, etwa der Zentrale, reserviert und jederzeit disponibel seien. Es müsse jedoch ein reibungsloser Nachschub gesichert sein. Im vorliegenden Fall sei das angebotene Gerät in der Filiale Wals-Siezenheim bereits um 10.00 Uhr des ersten Aktionstages ausverkauft gewesen. Dies rechtfertige die Annahme, dass die beworbene Ware nur in unzureichender Menge bereitgehalten worden sei. Dass der Videorecorder in einer anderen Filiale sogar noch nach Ende des Aktionszeitraumes vorhanden gewesen sei, vermöge die Annahme eines ausreichenden Warenvorrats der Filiale Wals-Siezenheim nicht zu begründen, weil diese nicht in der Lage gewesen sei, den reibungslosen Nachschub zu gewährleisten. Das Bereithalten von nur vier Geräten ohne funktionierenden Nachschub habe die durch die Werbeankündigung geweckten Erwartungen der Verbraucher enttäuscht und den Verkehr über den Warenvorrat in Irrtum geführt. Zur Aufklärung des irregeführten Publikums bestehe auch ein Interesse der Klägerin an der Urteilsveröffentlichung.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision der Beklagten ist zulässig, weil das Berufungsgericht die zur Irreführung über die Vorratsmenge entwickelten Grundsätze der Rechtsprechung unrichtig auf den zu beurteilenden Fall angewendet hat. Sie ist auch berechtigt.

Die von einem Gewerbetreibenden angebotenen Waren müssen - von zufälligen Lieferschwierigkeiten oder anderen unvorhersehbaren Ereignissen im Einzelfall abgesehen - nach ständiger Rechtsprechung in genügender Menge auch tatsächlich vorhanden und zu haben sein, weil dies vom Kunden erwartet wird (4 Ob 190/98i; 4 Ob 147/00x = ÖBl 2000, 259 - Computer-Verkaufsaktion). Der Oberste Gerichtshof hat auch bereits erkannt, dass die Erwartung des Kunden nur dahin geht, dass der Werbende mit der Sorgfalt eines redlichen Kaufmanns alles in seiner Macht Stehende getan hat, um einen der normalen Nachfrage genügenden Warenvorrat anbieten zu können (ÖBl 2000, 259 - Computer-Verkaufsaktion).

Diese Kundenerwartung wurde im vorliegenden Fall erfüllt: Die Beklagte - ein Unternehmen mit österreichweitem Filialnetz - hatte die zu Beginn der Verkaufsaktion vorhandenen 72 Videorecorder unter Berücksichtigung der Verkaufsergebnisse der letzten zehn Monate seit 1. 1. 2002 (in diesen zehn Monaten waren insgesamt 14 Stück dieser Geräte verkauft worden) auf die einzelnen Filialen aufgeteilt, wobei die Filiale, in der das Gerät am 4. 11. 2002 um 10.00 Uhr nicht mehr erhältlich war, vier Geräte erhielt, obwohl sie in den zehn Monaten davor kein einziges dieser Geräte verkauft hatte. Insgesamt neun Geräte wurden erst nach Ende des Aktionszeitraums verkauft, waren daher am 4. 11. 2002 für Kunden des Filialnetzes der Beklagten verfügbar, sodass auch die nicht vorhergesehene Nachfragesteigerung der Filiale Wals-Siezenheim aus dem Warenvorrat der übrigen Filialen hätte abgedeckt werden können. Die Beklagte hat daher die im Aktionszeitraum zu erwartende Nachfrage durchaus richtig eingeschätzt und für einen ausreichenden Warenvorrat gesorgt.

Dass das für den Kunden der Filiale Wals-Siezenheim in der Filiale Wien-Mariahilferstraße bestellte (und dort auch lagernde) Gerät durch einen Fehler der Filiale Mariahilferstraße nicht geliefert, sondern anderweitig verkauft wurde, vermag auch unter dem Blickwinkel des Erfordernisses eines reibungslosen Nachschubs eine Irreführung im Sinn des § 2 UWG nicht herbeizuführen. Eine Irreführung für die Vorratsmenge im Sinn dieser Bestimmung setzt nämlich voraus, dass die angebotene Ware nicht in ausreichender Menge vorhanden und aus diesem Grund für den Kunden nicht erhältlich ist. Dies ist nach den Feststellungen der Vorinstanzen nicht der Fall. Am Ende des Aktionszeitraums waren im Filialnetz der Beklagten noch insgesamt neun Geräte vorhanden. Dass eines dieser Geräte für den Kunden der Filiale Wals-Siezenheim hätte besorgt werden können, unterliegt keinem Zweifel. Ein weiterer Versuch, das Aktionsgerät bei einer anderen Filiale zu bestellen, ist nach den Feststellungen deshalb unterblieben, weil der Kunde den Eindruck hinterließ, mit dem angebotenen Gerät einer anderen Firma, einem Benzingutschein und einem Nachlass von 10 % auf einen zugleich gekauften Kühlschrank zufriedengestellt zu sein.Dass das für den Kunden der Filiale Wals-Siezenheim in der Filiale Wien-Mariahilferstraße bestellte (und dort auch lagernde) Gerät durch einen Fehler der Filiale Mariahilferstraße nicht geliefert, sondern anderweitig verkauft wurde, vermag auch unter dem Blickwinkel des Erfordernisses eines reibungslosen Nachschubs eine Irreführung im Sinn des Paragraph 2, UWG nicht herbeizuführen. Eine Irreführung für die Vorratsmenge im Sinn dieser Bestimmung setzt nämlich voraus, dass die angebotene Ware nicht in ausreichender Menge vorhanden und aus diesem Grund für den Kunden nicht erhältlich ist. Dies ist nach den Feststellungen der Vorinstanzen nicht der Fall. Am Ende des Aktionszeitraums waren im Filialnetz der Beklagten noch insgesamt neun Geräte vorhanden. Dass eines dieser Geräte für den Kunden der Filiale Wals-Siezenheim hätte besorgt werden können, unterliegt keinem Zweifel. Ein weiterer Versuch, das Aktionsgerät bei einer anderen Filiale zu bestellen, ist nach den Feststellungen deshalb unterblieben, weil der Kunde den Eindruck hinterließ, mit dem angebotenen Gerät einer anderen Firma, einem Benzingutschein und einem Nachlass von 10 % auf einen zugleich gekauften Kühlschrank zufriedengestellt zu sein.

Den Beklagten ist daher keine nach § 2 UWG unzulässige Irreführung anzulasten.Den Beklagten ist daher keine nach Paragraph 2, UWG unzulässige Irreführung anzulasten.

Der Revision war Folge zu geben und - in Abänderung der Entscheidung des Berufungsgerichts - das klageabweisende Urteil des Erstgerichts wiederherzustellen.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens beruht auf §§ 41 und 50 ZPO.Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens beruht auf Paragraphen 41 und 50 ZPO.

Textnummer

E73148

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2004:0040OB00024.04I.0504.000

Im RIS seit

03.06.2004

Zuletzt aktualisiert am

22.02.2012
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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