TE Vwgh Erkenntnis 2007/5/30 2003/06/0180

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 30.05.2007
beobachten
merken

Index

L80007 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan Tirol;
L82000 Bauordnung;
L82007 Bauordnung Tirol;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §56;
AVG §68 Abs1;
BauO Tir 1998 §26 Abs6;
BauO Tir 1998 §26 Abs7;
BauO Tir 2001 §26 Abs3 lita;
BauRallg;
ROG Tir 1984 §15 Abs6;
ROG Tir 2001 §42 Abs3;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Rosenmayr und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Khozouei, über die Beschwerde des GDZ in K, vertreten durch Dr. Christian Harisch, Dr. Christian Brugger, Mag. Franz J. Teufl, Mag. Bernhard Wimmer & Dr. Sonja Schindlholzer, Rechtsanwälte in 5020 Salzburg, Hofhaymerallee 42, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 17. September 2003, Zl. Ve1-8-1/54-2, betreffend Versagung einer Baubewilligung (mitbeteiligte Partei: Stadtgemeinde K, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist Eigentümer eines im Gebiet der Stadtgemeinde K liegenden Grundstücks, auf welchem sich ein Wohnhaus befindet. Das Grundstück liegt nach dem geltenden Flächenwidmungsplan im Freiland.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde K vom 23. Februar 2000 wurde dem Beschwerdeführer die baubehördliche Bewilligung für den Zu- und Umbau des bestehenden Gebäudes zwecks Erweiterung auf vier Wohnungen für den ganzjährigen Wohnbedarf bewilligt. In diesem Bescheid wird das Bauvorhaben u.a. wie folgt beschrieben:

"Zusätzlich verbaute Grundfläche: 42,38 m2. Zusätzlich umbauter Raum: 445,82 m3 (davon 306,86 m3 über Gelände = 22,37 % < 25 % zulässig)."

Mit weiterem Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde K vom 21. Juni 2001 wurde über Ansuchen des Beschwerdeführers die baubehördliche Bewilligung für weitere Änderungen des bestehenden Wohnhauses, insbesondere für einen zusätzlichen Wintergarten, erteilt. In der Beschreibung dieses Bauvorhabens im angeführten Bescheid wird u.a. wie folgt ausgeführt:

"Mit den in der vorliegenden Tektur enthaltenen zusätzlichen Kubaturen im Bereich des Wintergartens wird die zulässige Erweiterung der ursprünglichen Baumasse um 25 % voll ausgeschöpft. ... Zusätzliche Baumasse lt. § 61 (3) TROG 1997: 86,59 m3"

Mit Baugesuch vom 25. März 2002 beantragte der Beschwerdeführer die Erteilung der baubehördlichen Bewilligung für die Umschließung der bestehenden Terrasse im Erdgeschoß zum Zweck der Wohnraumerweiterung bei seinem Wohnhaus. Dieses Ansuchen wurde mit Bescheid des Bürgermeisters vom 4. Februar 2003 gemäß § 26 Abs. 4 lit. a der Tiroler Bauordnung 2001 iVm § 42 Abs. 3 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2001 abgewiesen. Diese Entscheidung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass das ursprüngliche Gebäude des Beschwerdeführers eine Baumasse vom 1.371,75 m3 aufgewiesen habe, dies ergebe sich aus der Baubewilligung für Zu- und Umbaumaßnahmen vom 23. Februar 2000. Im Spruch dieses Bescheides werde festgestellt, dass eine zusätzliche Baumasse im Sinn des § 61 Abs. 2 TROG 2001 von 306,86 m3 entstehe und dass diese 306,86 m3 22,37 % der ursprünglichen Baumasse ausmachten. Daraus errechne sich die oben genannte ursprüngliche Baumasse von 1.371,75 m3. Mit Bescheid vom 21. Juni 2001 seien Änderungen bei den beabsichtigten Zu- und Umbaumaßnahmen bewilligt worden. Auch dieser Bescheid sei rechtskräftig. Im Spruch dieses Bescheides vom 21. Juni 2001 werde festgestellt, dass mit den in der Tektur enthaltenen zusätzlichen Kubaturen im Bereich des Wintergartens die zulässige Erweiterung der ursprünglichen Baumasse um 25 % voll ausgeschöpft sei und dass die zusätzliche Baumasse im Sinne des § 61 Abs. 3 TROG 1997 86,59 m3 betrage. Die ursprüngliche Baumasse des Gebäudes des Beschwerdeführers sei daher bereits um 25 % erweitert worden. Die Rechtskraft der diesbezüglichen, im Spruch der Bescheide enthaltenen Feststellungen stehe einer nachträglichen Überprüfung der rechnerischen Richtigkeit dieser Berechnung entgegen. Mit dem nunmehr gegenständlichen Ansuchen solle die ursprüngliche Baumasse um weitere 35 m3 erweitert werden. Dem stehe jedoch § 42 Abs. 3 TROG 2001 i.V.m. § 26 Abs. 4 lit. a TROG 2001 entgegen.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung des Beschwerdeführers wurde vom Stadtrat der Stadtgemeinde K mit Bescheid vom 7. Juli 2003 abgewiesen. Auch dieser Bescheid wurde zusammengefasst damit begründet, dass die Baubehörde bei ihrer Beurteilung, ob die ursprüngliche Baumasse mit den beantragten Vorhaben um mehr als 25 % erweitert werde, an die "Rechtskraft" der "Feststellungen" der Bescheide vom 23. Februar 2000 und vom 21. Juni 2001 gebunden sei, weshalb dem Antrag keine Folge zu geben sei.

Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen Bescheid Vorstellung, die mit dem angefochtenen Bescheid vom 17. September 2003 als unbegründet abgewiesen wurde. Der angefochtene Bescheid wurde zusammengefasst nach Darstellung des Verfahrensganges und der Rechtsvorschriften im Wesentlichen damit begründet, dass der der materiellen Rechtskraft fähige Abspruch eines Bescheides nicht nur aus dem Spruch des Bescheides allein, sondern auch aus dem Spruch in Verbindung mit der Begründung bestehe. Sowohl der Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde K vom 23. Februar 2000 als auch jener des Bürgermeisters der Stadtgemeinde K vom 21. Juni 2001 seien rechtskräftig. Die Baumassenberechnungen des Beschwerdeführers unterschieden sich von denjenigen, die die Behörde angestellt habe, bezüglich der an den Nebengebäuden und Nebenanlagen mit Bescheid vom 21. Juni 2001 genehmigten Änderungen. Der Beschwerdeführer habe eine Baumassenvergrößerung von 21,41 % errechnet, während die Baubehörde festgestellt habe, dass die zulässige Erweiterung der ursprünglichen Baumasse um 25 % voll ausgeschöpft sei. Diese Feststellung sei zwar nicht im Spruch des Bescheides vom 21. Juni 2001 getroffen worden, sie sei aber maßgeblicher Bestandteil der die rechtliche Beurteilung tragenden Gründe. Die Baubehörde habe ihren Baumassenberechnungen die jeweils eingereichten Verfahrensunterlagen zugrundezulegen, die Sache, über die im Spruch und in den tragenden Gründen der Baubescheide vom 23. Februar 2000 und vom 21. Juni 2001 rechtskräftig und damit bindend abgesprochen worden sei, sei unverändert geblieben. Wenn der Beschwerdeführer ausführe, dass die ursprünglich bewilligten Zu- und Umbaumaßnahmen tatsächlich so ausgeführt worden seien, dass es damit auch zu einer Änderung der Baumasse gekommen sei, dann müsste die Baubehörde von Amts wegen einschreiten und ein Verfahren zur Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes durchführen, mit diesem Argument könne aber nicht die Annahme der Ausschöpfung der höchstzulässigen Baumasse bekämpft werden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, den angefochtenen Bescheid wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 26 Abs. 3 lit. a der Tiroler Bauordnung 2001, LGBl. Nr. 94 (TBO 2001), ist das Bauansuchen ohne weiteres Verfahren abzuweisen, wenn bereits auf Grund des Ansuchens offenkundig ist, dass das Bauvorhaben dem Flächenwidmungsplan, einem Bebauungsplan oder örtlichen Bauvorschriften widerspricht.

Gemäß § 42 Abs. 3 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2001 (TROG 2001), LGBl. Nr. 93, sind im Freiland Umbauten anderer als land- und forstwirtschaftlicher Gebäude sowie Zubauten zu solchen Gebäuden zulässig, mit denen die Baumasse gegenüber dem ursprünglichen Gebäude um insgesamt nicht mehr als 25 v.H. vergrößert wird, wobei eine Vergrößerung der Baumasse um höchstens 300 m3 jedenfalls zulässig ist.

Zunächst ist den Baubehörden und der belangten Behörde dahingehend zuzustimmen, dass bei der Beurteilung, ob mit einem Umbau oder Zubau zu einem Gebäude die Baumasse gemäß § 42 Abs. 3 TROG 2001 gegenüber dem ursprünglichen Gebäude um insgesamt nicht mehr als 25 v.H. vergrößert wird, alle Zubauten zum ursprünglichen Gebäude zusammenzurechnen sind (vgl. zur Vorgängerbestimmung, nämlich dem § 15 Abs. 6 TROG 1984, etwa das hg. Erkenntnis vom 17. Juni 1993, Zl. 93/06/0079). Auch trifft die Auffassung der belangten Behörde und der Baubehörden zu, dass bei der Beurteilung des Ausmaßes der der Berechnung gemäß § 42 Abs. 3 erster Satz leg. cit. zugrunde zu legenden Vergrößerung auf die diesbezüglichen Baubewilligungsbescheide (allenfalls: Bauanzeigen gemäß § 20 Abs. 2 TBO 2001) und nicht darauf abzustellen ist, in welchem Ausmaß eine tatsächliche Vergrößerung der Baumasse in der Natur erfolgt ist.

Der Verwaltungsgerichtshof kann der Auffassung der Baubehörden und der belangten Behörde allerdings nicht dahingehend folgen, dass sie bei ihrer Entscheidung gemäß § 42 Abs. 3 TROG 2001 hinsichtlich die Frage der Ausschöpfung der höchstzulässigen Baumasse an die Feststellungen der Baumasse des ursprünglichen Gebäudes sowie der mit den Bescheiden vom 23. Februar 2000 und vom 21. Juni 2001 genehmigten Vergrößerungen an die diesbezüglichen Feststellungen in diesen Bescheiden gebunden gewesen sei. Mit diesem Baubewilligungsbescheiden wurde dem Beschwerdeführer nämlich bloß jeweils gemäß § 26 Abs. 6 und 7 der Tiroler Bauordnung 1998, LGBl. Nr. 15/1998 die öffentlichrechtliche Befugnis erteilt, die darin näher umschriebenen baulichen Maßnahmen vorzunehmen. Dies war die verwaltungsrechtliche Angelegenheit und der Verfahrensgegenstand dieser Bescheide, der jeweils durch sie ihre Erledigung gefunden hat, nur darauf erstreckt sich deren Rechtskraft (vgl. dazu in ähnlichen Fällen die von Walter/Thienel, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze I, 2. Auflage 1998, E 77 f zu § 68 AVG dargestellte hg. Rechtsprechung).

Die Beurteilung der Baumasse des ursprünglichen Gebäudes sowie deren Veränderungen erfolgte in den diesbezüglichen Verfahren als Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes in den zu diesen Bescheiden führenden Verwaltungsverfahren. Den angeführten Bescheiden kann jedoch nicht die Bedeutung entnommen werden, darin wäre über ein bestimmtes Ausmaß der ursprünglichen Baumasse sowie der genehmigten Erweiterung der Baumasse auf verbindliche Weise abgesprochen worden. Dies hat die belangte Behörde und haben die Baubehörden im vorliegenden Fall verkannt. Sie werden daher im fortgesetzten Verfahren das Ausmaß der ursprünglichen Baumasse sowie das Ausmaß der seither erfolgten Vergrößerungen auf eine dem § 45 Abs. 2 und 3 AVG entsprechende Weise festzustellen haben.

Nach dem Gesagten war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 30. Mai 2007

Schlagworte

Baubewilligung BauRallg6 Maßgebender Bescheidinhalt Inhaltliche und zeitliche Erstreckung des Abspruches und der Rechtskraft Rechtskraft Besondere Rechtsgebiete Baurecht Rechtskraft Umfang der Rechtskraftwirkung Allgemein Bindung der Behörde

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2003060180.X00

Im RIS seit

10.07.2007
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten