TE Vwgh Erkenntnis 2007/5/30 2006/19/1405

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Veröffentlicht am 30.05.2007
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1997 §10 idF 2003/I/101;
AsylG 1997 §3;
AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8 Abs1;
AsylG 1997 §9;

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn):2007/19/0902 E 15. Dezember 2010

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höß sowie den Hofrat Mag. Nedwed, die Hofrätin Dr. Pollak und die Hofräte Dr. N. Bachler und MMag. Maislinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. S. Giendl, über die Beschwerde 1.) der N, 2.) der P, geboren 1989, 3.) des W und

4.) des S, alle in Wien und vertreten durch Dr. Günter Schandor, Rechtsanwalt in 1120 Wien, Arndtstraße 98/1, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 20. September 2006, Zlen. 305.233-C1/E1-IV/44/06, 305.239-C1/E1-IV/44/06, 305.238- C1/E1-IV/44/06 und 305.237-C1/E1-IV/44/06, betreffend § 7 Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die Beschwerdeführer sind Geschwister und Staatsangehörige von Afghanistan.

Ein Asylantrag des Vaters der Beschwerdeführer, ebenfalls afghanischer Staatsangehöriger, vom 23. September 2001 wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 18. November 2002 gemäß § 7 Asylgesetz 1997 (AsylG) abgewiesen, wobei gemäß § 8 Abs. 1 AsylG festgestellt wurde, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Vaters der Beschwerdeführer nach Afghanistan nicht zulässig ist. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 5. August 2005 wurde dem Vater der Beschwerdeführer zuletzt eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 3 i.V.m. § 15 Abs. 2 AsylG bis zum 4. August 2008 erteilt.

Der Vater der Beschwerdeführer stellte am 19. Dezember 2005 beim Bundesasylamt einen "Antrag auf Einreise und Asylgewährung für meine vier minderjährigen Kinder". Für die sich zum damaligen Zeitpunkt in Pakistan aufhaltenden Beschwerdeführer wurden durch die österreichische Botschaft Islamabad Visa der Kategorie "D" mit Befristung vom 5. April 2006 bis 4. August 2006 erteilt.

Die inzwischen volljährige Erstbeschwerdeführerin führte in ihrer Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 29. Juni 2006 aus, dass sie und ihre drei Geschwister zu ihrem Vater nach Österreich gekommen seien um hier mit ihm zu leben. Ihre Mutter sei verstorben. Die Erstbeschwerdeführerin machte für sich keine eigenen Fluchtgründe geltend. Unter Verweis auf den ihrem Vater gewährten subsidiären Schutz begehrte die Erstbeschwerdeführerin in dieser Einvernahme den "gleichen Schutz wie er".

In einer Einvernahme vom selben Tag führte der Vater der Zweitbeschwerdeführerin sowie des Dritt- und Viertbeschwerdeführers als deren gesetzlicher Vertreter vor dem Bundesasylamt aus, dass diese "den gleichen Schutz wie ich" bekommen sollten, nachdem er in einer vorangehenden Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 27. April 2006 für diese noch "Asyl" begehrt hatte.

Mit Bescheiden vom 23. August 2006 wies das Bundesasylamt die Asylanträge der Beschwerdeführer vom 20. Dezember 2005 gemäß § 7 AsylG ab (Spruchpunkt I), erklärte deren Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 AsylG für nicht zulässig (Spruchpunkt II) und erteilte den Beschwerdeführern befristete Aufenthaltsberechtigungen gemäß § 8 Abs. 3 in Verbindung mit § 15 Abs. 2 AsylG bis zum 4. August 2008 (Spruchpunkt III).

Gegen die Abweisung ihrer Asylanträge gemäß § 7 AsylG erhoben die Beschwerdeführer Berufungen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde diese Berufungen gemäß § 7 AsylG ab.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

In seinem "Antrag auf Einreise und Asylgewährung für meine vier minderjährigen Kinder" vom 19. Dezember 2005 verwies der Vater der Beschwerdeführer eingangs auf den Bescheid des Bundesasylamtes vom 5. August 2005, mit dem ihm zuletzt eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 4. August 2008 erteilt wurde. Er beantragte darin für seine sich in Pakistan aufhaltenden Kinder "das gleich(e) Aufenthaltsrecht nach dem Asylgesetz".

Daraus ergibt sich bereits, dass der Vater der Beschwerdeführer für diese keinen Asylantrag gemäß § 3 AsylG gestellt, sondern vielmehr als subsidiär Schutzberechtigter die Gewährung des gleichen Schutzumfanges für seine Kinder begehrt hat. Bestätigt wird dieses Auslegungsergebnis durch die Einvernahme der inzwischen volljährigen Erstbeschwerdeführerin vom 29. Juni 2006 vor dem Bundesasylamt, in der diese den gleichen - nämlich subsidiären - Schutz beantragte, der auch ihrem Vater gewährt wurde. Dass die Erstbeschwerdeführerin am 27. April 2006 zu ihren "Fluchtgründen" einvernommen wurde, vermag daran nichts zu ändern, wurde doch anlässlich der Einvernahme kein Asylantrag gestellt. Für die Zweitbeschwerdeführerin sowie den Dritt- und Viertbeschwerdeführer stellte ihr Vater zwar anlässlich der Einvernahme vom 27. April 2006 "Asylanträge", nahm diese aber in der folgenden Einvernahme am 29. Juni 2006 dahingehend zurück, dass er als subsidiär Schutzberechtigter "den gleichen Schutz" für seine Kinder geltend machte und für diese keine eigenen Fluchtgründe vorbrachte.

Bei dieser Sachlage ist davon auszugehen, dass die Beschwerdeführer auch nach ihrer Einreise in das Bundesgebiet nur die Gewährung jenes subsidiären Schutzes angestrebt haben, der ihrem Vater bereits gewährt worden ist. Asylanträge haben sie hingegen - trotz missverständlicher Protokollierung anlässlich der Einvernahme des Vaters der Beschwerdeführer am 27. April 2006 - nicht gestellt.

Es bleibt zu prüfen, ob eine solche - auf die Erlangung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten - eingeschränkte Antragstellung im Familienverfahren zulässig ist.

Die in diesem Zusammenhang maßgeblichen Bestimmungen des AsylG 1997 in der hier anzuwendenden Fassung der AsylG-Novelle 2003, BGBl. I Nr. 101, lauten wie folgt:

"Familienverfahren

§ 10. (1) Familienangehörige (§ 1 Z 6) eines

1.

Asylberechtigten;

2.

subsidiär Schutzberechtigten (§§ 8 in Verbindung mit 15) oder

3.

Asylwerbers

stellen einen Antrag auf Gewährung desselben Schutzes. Für Ehegatten gilt dies überdies nur dann, wenn die Ehe spätestens innerhalb eines Jahres nach der Einreise des Fremden geschlossen wird, der den ersten Asylantrag eingebracht hat.

(2) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Asylberechtigten mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens im Sinne des Art. 8 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, mit dem Angehörigen in einem anderen Staat nicht möglich ist.

(3) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines im Bundesgebiet befindlichen Familienangehörigen eines subsidiär Schutzberechtigten mit Bescheid den gleichen Schutzumfang zu gewähren, es sei denn, dem Antragsteller ist gemäß § 3 Asyl zu gewähren. Abs. 2 gilt.

(4) Befindet sich der Familienangehörige eines subsidiär Schutzberechtigten im Ausland, kann der Antrag auf Gewährung desselben Schutzes gemäß § 16 drei Jahre nach Schutzgewährung gestellt werden.

(5) Die Behörde hat Asylanträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen und es erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Dies ist entweder die Gewährung von Asyl oder subsidiärem Schutz, wobei die Gewährung von Asyl vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Antragsteller erhält einen gesonderten Bescheid."

Schon der Wortlaut des Abs. 1 der genannten Regelung ("Antrag auf Gewährung desselben Schutzes") spricht dafür, dass es primäres Ziel des Familienverfahrens ist, den von dieser Regelung umfassten Familienangehörigen (§ 1 Z 6 AsylG) den gleichen Schutzumfang zu gewähren. In einem Fall wie dem vorliegenden, in dem einem Familienangehörigen der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden ist, entspricht es somit dem gesetzgeberischen Willen, diese Begünstigung auch seinen (zum Zeitpunkt der Antragstellung unverheiratet minderjährigen) Kindern zukommen zu lassen.

Allerdings sieht § 10 Abs. 3 AsylG auch vor, dass die Zuerkennung (lediglich) des gleichen Schutzumfanges dann nicht in Betracht kommt, wenn "dem Antragsteller ... gemäß § 3 Asyl zu gewähren" ist. Mit dieser Regelung wird konsequent dem (nachrangigen) Charakter von subsidiärem Schutz Rechnung getragen, der also nur dann zur Anwendung gelangen soll, wenn einem Antragsteller nicht vorrangig Asyl zuzuerkennen ist. Das bedeutet freilich nicht, dass die Asylbehörde in jedem Fall gehalten ist, einen Antrag von Familienangehörigen auf Gewährung desselben Schutzes von Amts wegen in Richtung des Vorliegens von Asylgründen zu prüfen. Vielmehr lässt der Verweis des Abs. 3 leg cit. auf § 3 AsylG erkennen, dass eine derartige Prüfung nur im Falle eines Asylantrages (also einer über die Zuerkennung von subsidiärem Schutz hinausgehenden Antragstellung) zu erfolgen hat, wäre doch sonst zu erwarten gewesen, dass der Gesetzgeber nicht auf die das Erfordernis eines Asylantrages festlegende Bestimmung ("§ 3 Asylantrag") verwiesen, sondern einen Bezug zu den die inhaltlichen Voraussetzungen für die Asylgewährung umschreibenden Reglungen der §§ 7 und 9 AsylG hergestellt hätte (vgl. im Ergebnis gleich lautend Feßl/Holzschuster, Asylgesetz 1997 idF der

3. Ergänzung, 233, Fn 9 zu § 10).

Nichts anderes kann aber gelten, wenn die Familienangehörigen eines subsidiär Schutzberechtigten - wie im vorliegenden Fall - sich bei Antragstellung noch im Ausland befunden (§10 Abs. 4 AsylG) und nach ihrer Einreise in das Bundesgebiet keine auf die Asylgewährung gerichteten Anträge gestellt haben.

Dem Bundesasylamt kam somit mangels eines Asylantrages nach § 3 AsylG keine Zuständigkeit zur Entscheidung nach § 7 AsylG zu. Diese Unzuständigkeit des Bundesasylamtes hätte die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid veranlassen müssen, Spruchpunkt I der Bescheide des Bundesasylamtes ersatzlos zu beheben. Da die belangte Behörde jedoch die Absprüche des Bundesasylamtes zu § 7 AsylG bestätigt hat, war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 25. April 1996, 93/07/0082).

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333. Ein gesonderter Zuspruch der in der Beschwerde verzeichneten Umsatzsteuer findet in diesen Bestimmungen keine Deckung. Zudem waren die Beschwerdeführer auf Grund bewilligter Verfahrenshilfe von der Gebühr nach § 24 Abs. 3 VwGG befreit. Das diesbezügliche Mehrbegehren war daher abzuweisen.

Wien, am 30. Mai 2007

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2006191405.X00

Im RIS seit

02.10.2007

Zuletzt aktualisiert am

20.05.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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