TE OGH 2004/5/17 1Ob86/04k

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Veröffentlicht am 17.05.2004
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj Jaqueline S*****, geboren am *****, und der mj Tanja S*****, geboren am *****, infolge Revisionsrekurses des gemäß § 212 Abs 2 ABGB zum Vertreter der Minderjährigen bestellten Magistrats der Stadt Wien, Amt für Jugend und Familie für den 21. Wiener Gemeindebezirk, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 15. Jänner 2004, GZ 48 R 96/03b-31, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Floridsdorf vom 12. November 2003, GZ 2 P 163/01g-25, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss, der in seinem Ausspruch über die Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung, soweit sie sich auf den Zeitraum vom 1. 8. bis 4. 11. 2003 bezieht, als nichtig als nicht in Beschwerde gezogen unberührt bleibt, wird dahin abgeändert, dass die Entscheidung des Erstgerichts auch in dem sich auf den Zeitraum vom 5. 11. bis 30. 11. 2003 beziehenden Ausspruch als nichtig aufgehoben wird.

Im Übrigen - also in der Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung, soweit sich diese auf die Zeit ab 1. 12. 2003 erstreckt - wird der Beschluss des Rekursgerichts bestätigt.

Text

Begründung:

Der Vater der beiden Minderjährigen war zur Zahlung eines monatlichen Unterhaltsbetrags von 109,01 EUR je Kind verpflichtet. Am 14. 8. 2003 beantragte der Unterhaltssachwalter namens der Minderjährigen die Erhöhung dieser Unterhaltsbeiträge auf je 254 EUR monatlich. Der Vater sprach sich gegen eine solche Erhöhung aus, weil er hohe Lebenshaltungskosten habe, gepfändet werde und kurz vor dem "Privatkonkurs" stehe.

Das Erstgericht erhöhte den vom Vater zu leistenden monatlichen Unterhaltsbetrag ab 1. 8. 2003 auf 225 EUR je Kind und wies das Erhöhungsmehrbegehren ab. Es legte seiner Entscheidung ein monatliches Durchschnittsnettoeinkommen des Vaters von 1.496,31 EUR zugrunde und nahm auf eine weitere gesetzliche Sorgepflicht Bedacht. Ausgaben des täglichen Lebens sowie Pfändungen könnten keine Schmälerung der Unterhaltsbemessungsgrundlage herbeiführen. Auf zukünftige Ereignisse sei nicht Bedacht zu nehmen.

Über Rekurs des Vaters hob das Rekursgericht die Entscheidung des Erstgerichts, soweit sich diese auf die Zeit vom 1. 8. bis 4. 11. 2003 bezieht, als nichtig auf; auch für die Zeit ab 5. 11. 2003 hob es den Beschluss auf und trug dem Erstgericht insoweit die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Es sprach aus, dass der Revisionsrekurs "hinsichtlich des aufhebenden Teils des Beschlusses" zulässig sei. Am 5. 11. 2003 sei über das Vermögen des Vaters das Schuldenregulierungsverfahren eröffnet worden, wobei dem Vater die Eigenverwaltung verblieben und für den 20. 1. 2004 die Prüfungs- und Zahlungsplantagsatzung anberaumt worden sei. Durch die Eröffnung des Schuldenregulierungsverfahrens sei das Pflegschaftsverfahren, soweit es sich auf den bis zur Eröffnung des Schuldenregulierungsverfahrens geschuldeten Unterhalt bezieht, ex lege unterbrochen. Die trotz der Unterbrechungswirkung ergangene Entscheidung sei demnach - soweit sie sich auf den Zeitraum vor Eröffnung des Schuldenregulierungsverfahrens beziehe - nichtig. Die für die Zeit nach Eröffnung des Schuldenregulierungsverfahrens geltend gemachten Unterhaltsansprüche unterlägen hingegen einer anderen Beurteilung, weil diese Ansprüche auch danach anhängig gemacht werden könnten und das Verfahren fortgesetzt werden könne. Der Oberste Gerichtshof habe die Rechtsprechung, dass die Unterhaltsbemessungsgrundlage durch die Konkurseröffnung über das Vermögen des Unterhaltspflichtigen grundsätzlich keine Änderung erfahre, in neueren Entscheidungen nicht mehr fortgeschrieben. Er habe in (zu § 7 Abs 1 Z 1 UVG ergangenen) Entscheidungen vielmehr ausgeführt, dass schon durch die Konkurseröffnung begründete Bedenken dahin bestünden, dass die titelmäßig festgestellte Leistungspflicht noch gegeben sei. Dies gelte auch für die Eröffnung eines Schuldenregulierungsverfahrens. Es sei fraglich, ob es bereits ein im Schuldenregulierungsverfahren zustande gekommener Zahlungsplan für sich allein rechtfertige, die diesem entsprechenden Zahlungen als Abzugspost von der Unterhaltsbemessungsgrundlage zu berücksichtigen.

Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil die Frage, ob das Erstgericht ein weiteres Ermittlungsverfahren, das die Ergebnisse des Schuldenregulierungsverfahrens zu berücksichtigen habe, durchführen müsse, vom Obersten Gerichtshof zu lösen sei.

Der Revisionsrekurs des Unterhaltssachwalters ist zulässig, aber nur teilweise berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

1. Zur Anfechtung der Entscheidung, soweit sich diese auf die Zeit bis einschließlich 30. 11. 2003 bezieht:

Vorauszuschicken ist, dass die Eröffnung eines Schuldenregulierungsverfahrens der Konkurseröffnung gleichzuhalten ist (EFSlg 99.507; 95.671 uva). Das Schuldenregulierungsverfahren ist gemäß §§ 181 ff KO ein Konkursverfahren, weshalb dessen Eröffnung das Verfahren zur Bemessung des bis dahin geschuldeten Unterhalts (als Konkursforderung) unterbricht (ÖA 1999, 294). Das Schuldenregulierungsverfahren über das Vermögen des Vaters wurde am 5. 11. 2003 eröffnet; daher sind die bis zu diesem Zeitpunkt fällig gewordenen Unterhaltsbeträge als Konkursforderungen zu behandeln (ÖA 1999, 294). Hiebei ist auf § 1418 letzter Satz ABGB Bedacht zu nehmen, wonach Alimente wenigstens ein Monat voraus bezahlt werden, sodass der für November 2003 fällig gewordene Unterhaltsbetrag zur Gänze Konkursforderung ist (Schubert in Konecny/Schubert, Kommentar zu den Insolvenzgesetzen, Rz 7 zu § 5 KO; Pichler, Konkurs-Privatkonkurs-Unterhalt, in ÖA 1995, 43; Georg E. Kodek, Handbuch Privatkonkurs, Rz 224). Dies hat zur Folge, dass die vom Rekursgericht ausgesprochene Nichtigkeit des Verfahrens bis einschließlich 30. 11. 2003 auszudehnen ist. Insoweit ist der Revisionsrekurs des Unterhaltssachwalters erfolgreich.

2. Entscheidung über den Unterhalt ab 1. 12. 2003:

Nach nunmehr einhelliger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs bestehen im Allgemeinen schon durch die Eröffnung des Konkurses - dem, wie erörtert, die Eröffnung des Schuldenregulierungsverfahrens gleichzuhalten ist - über das Vermögen eines Unterhaltspflichtigen begründete Bedenken dahin, dass die titelmäßig festgestellte Leistungspflicht von der materiellen Rechtslage abweicht (2 Ob 90/03d; JBl 2003, 461; EvBl 2003/92; 6 Ob 257/02s; SZ 74/138). Die Eröffnung eines Schuldenregulierungsverfahrens beeinflusst wie die Konkurseröffnung nicht nur die Einbringlichkeit einer titulierten Unterhaltsschuld, sondern in geradezu typischer Weise auch die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des (Gemein-)Schuldners als Grundlage für die Bemessung des laufenden Unterhalts (6 Ob 284/02m; SZ 74/138). Die Leistungsfähigkeit eines Unterhaltsschuldners orientiert sich vorerst einmal an dem ihm zur Verfügung stehenden tatsächlichen Nettoeinkommen, wovon unter Abzug bestimmter zweckgebundener Aufwendungen die Unterhaltsbemessungsgrundlage ermittelt wird (Schwimann, Unterhaltsrecht2 44). Schon deshalb kann keine Rede davon sein, dass - so die frühere, jedoch bis in die jüngste Zeit ergangene Rechtsprechung (ZIK 2003, 20; ÖA 2003, 122; 7 Ob 176/02m; ÖA 2002, 76; ÖA 2002, 175; EFSlg 95.672; ZIK 2001, 30; ÖA 1999, 54; ÖA 1999, 294) - die Unterhaltsbemessungsgrundlage durch die Eröffnung des Konkurses bzw eines Schuldenregulierungsverfahrens keine Änderung erfahre (so schon 7 Ob 260/03s; JBl 2003, 461; 6 Ob 257/02s; 6 Ob 284/02m).

Im vorliegenden Fall wurde dem Vater im Schuldenregulierungsverfahren die Eigenverwaltung (d.i. die Verwaltung der Konkursmasse) gemäß § 186 Abs 1 KO zugestanden. Gemäß § 187 Abs 1 Z 5 KO ist in einem solchen Fall der Schuldner nicht zur Empfangnahme des pfändbaren Teils der Einkünfte aus einem Arbeitsverhältnis berechtigt und darf darüber auch nicht verfügen. Es mangelt ihm demnach in Ansehung des pfändbaren Teils seiner Einkünfte - genau so wie nach Eröffnung des Konkurses - an jeglicher Verfügungsmöglichkeit. Die Ansicht, die Leistungsfähigkeit eines Unterhaltspflichtigen sei nicht eingeschränkt, sofern er nach der Konkurseröffnung (bzw Eröffnung eines Schuldenregulierungsverfahrens) weiterhin Einkünfte aus unselbständiger Arbeit beziehe, kann somit in Anbetracht seiner mangelnden Fähigkeit zur Verfügung über den pfändbaren Teil seiner Einkünfte nicht aufrecht erhalten werden (vgl Schubert aaO, Rz 8 zu § 5 KO). Es kommt daher entgegen der vor der erwähnten Rechtsprechungsänderung vertretenen Ansicht sehr wohl darauf an, was bzw wieviel dem (Gemein-)Schuldner vom Masseverwalter - dem Gesetz entsprechend (siehe nur 6 Ob 284/02m) - überlassen wurde bzw zur Rückzahlung welcher Schulden er im Weg eines im Schuldenregulierungsverfahren zustandegekommenen Zahlungsplans verpflichtet ist (siehe Gitschthaler, Unterhaltsrecht, Rz 234). Diese konkursrechtlichen Maßnahmen haben, zumal sie die Verfügungsmöglichkeit des Unterhaltsschuldners gesetzlich gravierend einschränken, entgegen zuvor vertretener Ansicht auch Einfluss auf die Unterhaltsbemessungsgrundlage und damit auch auf die Festsetzung der Unterhaltsverpflichtung. Angesichts des erörterten Judikaturwandels kann die gegenteilige Auffassung (wie sie etwa ZIK 2003, 20; ÖA 2003, 122; ÖA 2002, 76 uva zu Grunde liegt), die Verpflichtung des Unterhaltspflichtigen zur Zahlung von Schulden nach einem Zahlungsplan bzw die Konkurseröffnung habe an sich keinen Einfluss auf die Ermittlung der Unterhaltsbemessungsgrundlage, nicht aufrecht erhalten werden. Die Unterhaltsbemessungsgrundlage ändert sich vielmehr aufgrund eines im Schuldenregulierungsverfahren festgelegten Zahlungsplans; die danach zurückzuzahlenden Schulden sind eben grundsätzlich als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig, dient doch der Zahlungsplan gerade dazu, die Arbeitskraft und Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen nach dessen Erfüllung wieder herzustellen. Dies widerspricht auch nicht dem "ehernen Grundsatz des Unterhaltsrechts", dass Schulden des Geldunterhaltspflichtigen die Bemessungsgrundlage an sich nicht mindern (ÖA 2003, 122 uva), handelt es sich doch dabei um berücksichtigungswürdige (abzugsfähige) Schulden, also solche, die er eingegangen ist, um ihn wieder in die Lage zu versetzen, nach der Schuldenregulierung unbelastetes Einkommen zur Deckung seiner Unterhaltsverpflichtungen zur Verfügung zu haben.Im vorliegenden Fall wurde dem Vater im Schuldenregulierungsverfahren die Eigenverwaltung (d.i. die Verwaltung der Konkursmasse) gemäß § 186 Abs 1 KO zugestanden. Gemäß § 187 Abs 1 Z 5 KO ist in einem solchen Fall der Schuldner nicht zur Empfangnahme des pfändbaren Teils der Einkünfte aus einem Arbeitsverhältnis berechtigt und darf darüber auch nicht verfügen. Es mangelt ihm demnach in Ansehung des pfändbaren Teils seiner Einkünfte - genau so wie nach Eröffnung des Konkurses - an jeglicher Verfügungsmöglichkeit. Die Ansicht, die Leistungsfähigkeit eines Unterhaltspflichtigen sei nicht eingeschränkt, sofern er nach der Konkurseröffnung (bzw Eröffnung eines Schuldenregulierungsverfahrens) weiterhin Einkünfte aus unselbständiger Arbeit beziehe, kann somit in Anbetracht seiner mangelnden Fähigkeit zur Verfügung über den pfändbaren Teil seiner Einkünfte nicht aufrecht erhalten werden vergleiche Schubert aaO, Rz 8 zu § 5 KO). Es kommt daher entgegen der vor der erwähnten Rechtsprechungsänderung vertretenen Ansicht sehr wohl darauf an, was bzw wieviel dem (Gemein-)Schuldner vom Masseverwalter - dem Gesetz entsprechend (siehe nur 6 Ob 284/02m) - überlassen wurde bzw zur Rückzahlung welcher Schulden er im Weg eines im Schuldenregulierungsverfahren zustandegekommenen Zahlungsplans verpflichtet ist (siehe Gitschthaler, Unterhaltsrecht, Rz 234). Diese konkursrechtlichen Maßnahmen haben, zumal sie die Verfügungsmöglichkeit des Unterhaltsschuldners gesetzlich gravierend einschränken, entgegen zuvor vertretener Ansicht auch Einfluss auf die Unterhaltsbemessungsgrundlage und damit auch auf die Festsetzung der Unterhaltsverpflichtung. Angesichts des erörterten Judikaturwandels kann die gegenteilige Auffassung (wie sie etwa ZIK 2003, 20; ÖA 2003, 122; ÖA 2002, 76 uva zu Grunde liegt), die Verpflichtung des Unterhaltspflichtigen zur Zahlung von Schulden nach einem Zahlungsplan bzw die Konkurseröffnung habe an sich keinen Einfluss auf die Ermittlung der Unterhaltsbemessungsgrundlage, nicht aufrecht erhalten werden. Die Unterhaltsbemessungsgrundlage ändert sich vielmehr aufgrund eines im Schuldenregulierungsverfahren festgelegten Zahlungsplans; die danach zurückzuzahlenden Schulden sind eben grundsätzlich als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig, dient doch der Zahlungsplan gerade dazu, die Arbeitskraft und Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen nach dessen Erfüllung wieder herzustellen. Dies widerspricht auch nicht dem "ehernen Grundsatz des Unterhaltsrechts", dass Schulden des Geldunterhaltspflichtigen die Bemessungsgrundlage an sich nicht mindern (ÖA 2003, 122 uva), handelt es sich doch dabei um berücksichtigungswürdige (abzugsfähige) Schulden, also solche, die er eingegangen ist, um ihn wieder in die Lage zu versetzen, nach der Schuldenregulierung unbelastetes Einkommen zur Deckung seiner Unterhaltsverpflichtungen zur Verfügung zu haben.

Dem Revisionsrekurs des Unterhaltssachwalters ist sohin insoweit ein Erfolg zu versagen. Das Erstgericht wird das Ergebnis des Schuldenregulierungsverfahrens, insbesondere den Zahlungsplan, bei der Ermittlung der Unterhaltsbemessungsgrundlage berücksichtigen und sodann neuerlich entscheiden müssen.

Textnummer

E73309

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2004:0010OB00086.04K.0517.000

Im RIS seit

16.06.2004

Zuletzt aktualisiert am

12.01.2011
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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