TE Vwgh Erkenntnis 2007/5/31 2005/20/0617

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Veröffentlicht am 31.05.2007
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Index

E000 EU- Recht allgemein;
E3R E19103000;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

32003R0343 Dublin-II;
AsylG 1997 §24a Abs8 idF 2003/I/101;
AsylG 1997 §5;
EURallg;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak sowie den Hofrat Dr. Berger, die Hofrätin Dr. Pollak und die Hofräte Dr. Doblinger und MMag. Maislinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Thurin, über die Beschwerde der R, vertreten durch Dr. Stefan Kühteubl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Annagasse 3, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 12. Oktober 2005, Zl. 264.760/0-IV/44/05, betreffend §§ 5 und 5a Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige von Nigeria, brachte am 11. August 2005 einen Asylantrag ein. Aus dem Vergleich von Fingerabdrücken im Rahmen des "Eurodac"-Systems ergab sich, dass sie bereits am 21. Juni 2005 in Frankreich einen Asylantrag gestellt hatte. Vom Bundesasylamt wurde daraufhin ein Wiederaufnahmegesuch nach Art. 4 Abs. 5 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates (Dublin-Verordnung) an die Französische Republik gestellt.

Da Frankreich mit einem am 16. September 2005 beim Bundesasylamt eingelangten Schreiben einer Übernahme der Beschwerdeführerin zustimmte, wies das Bundesasylamt den Asylantrag mit Bescheid vom 20. September 2005 gemäß § 5 Abs. 1 Asylgesetz 1997 idF der AsylG-Novelle 2003 (AsylG) als unzulässig zurück und stellte fest, dass für die Prüfung des Asylantrages gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. c der Dublin-Verordnung Frankreich zuständig sei. Gleichzeitig wurde die Beschwerdeführerin gemäß § 5a Abs. 1 und 4 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Frankreich ausgewiesen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung der Beschwerdeführerin gemäß §§ 5, 5a AsylG abgewiesen.

In der Begründung des angefochtenen Bescheides führt die belangte Behörde u.a. aus, dass die Beschwerdeführerin am 11. August 2005 einen Asylantrag eingebracht habe, am 17. und 19. August 2005 niederschriftlich einvernommen worden sei und dass seitens des Bundesasylamtes "durch ein Ersuchen vom 17.08.2005" Konsultationen nach der Dublin-Verordnung eingeleitet worden seien. Am 16. September 2005 sei eine "Mitteilung des Innenministeriums der französischen Republik" eingelangt, wonach Frankreich die Zustimmung zur Übernahme der Asylwerberin erklärt habe. Der Bescheid des Bundesasylamtes vom 20. September 2005 sei der Beschwerdeführerin "am 24.09.2005 zugestellt" worden. Aus dem festgestellten Sachverhalt ergebe sich die Zuständigkeit Frankreichs gemäß § 16 Abs. 1 lit. c Dublin-Verordnung. In der Berufung würden "keine konkreten Mängel des Konsultationsverfahrens mit Frankreich behauptet".

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde erwogen:

In der Beschwerde wird u.a. vorgebracht, die belangte Behörde habe "keine ausreichenden Feststellungen zur Einhaltung der Frist nach § 24a Abs. 8 AsylG" getroffen.

Der im vorliegenden Fall anzuwendende § 24a Abs. 8 Asylgesetz 1997 idF der AsylG-Novelle 2003 lautet:

"(8) Entscheidet das Bundesasylamt nicht binnen zwanzig Tagen nach Einbringung des Antrages, dass der Asylantrag als unzulässig gemäß der §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, ist der Antrag zugelassen, es sei denn es werden Konsultationen gemäß der Verordnung Nr. 343/2003 (EG) des Rates vom 18. Februar 2003 geführt; Abs. 4 gilt. Die Abweisung des Asylantrages gemäß § 6 oder eine Entscheidung gemäß der §§ 7 oder 10 ersetzt die Entscheidung im Zulassungsverfahren. Satz 1 gilt nicht, wenn sich der Asylwerber dem Verfahren entzieht und das Verfahren eingestellt oder als gegenstandslos abgelegt wird."

Zu dieser Bestimmung hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass die Einleitung des Konsultationsverfahrens eine Hemmung des Laufes der 20-tägigen Entscheidungsfrist bewirkt, der verbliebene Teil der Frist jedoch nach Abschluss des Konsultationsverfahrens weiter läuft (Fortlaufshemmung; vgl. die Erkenntnisse vom 31. Mai 2005, Zl. 2005/20/0038 und Zl. 2005/20/0095; zuletzt etwa das Erkenntnis vom 23. November 2006, Zl. 2005/20/0427). Der Zeitpunkt des Beginns der Konsultationen nach der Dublin-Verordnung ist im Bescheid offenzulegen, um den Asylwerber in die Lage zu versetzen, die Einhaltung der gesetzlichen Frist des § 24a Abs. 8 AsylG zu überprüfen (vgl. das Erkenntnis vom 27. September 2005, Zl. 2005/01/0313).

Die belangte Behörde hält den auf die Einhaltung der Frist bezogenen Beschwerdeausführungen in der Gegenschrift entgegen, dass sie die für die Überprüfung der 20-Tage-Frist des § 24a Abs. 8 AsylG relevanten Ereignisse im angefochtenen Bescheid datumsmäßig festgestellt habe. Diese Feststellungen beruhen jedoch hinsichtlich des Zeitpunktes des Beginns der Konsultationen - festgestellt wurde deren Einleitung am 17. August 2005 - auf einer unrichtigen Rechtsansicht.

Im vorliegenden Fall kann dem vorgelegten Verwaltungsakt entnommen werden, dass das Bundesasylamt Erstaufnahmestelle Ost am 17. August 2005 an das Dublin Büro des Bundesasylamtes herangetreten ist, um die Einleitung eines Konsultationsverfahrens nach der Dublin-Verordnung zu veranlassen. Am selben Tag wurde vom Bundesasylamt versucht, eine e-mail-Nachricht mit dem Wiederaufnahmegesuch nach der Dublin-Verordnung an einen mit der Abkürzung "dublinfr" bezeichneten Empfänger zu senden. Dieser Sendeversuch schlug jedoch laut einer entsprechenden e-mail-Mitteilung vom selben Tag fehl, weil die Nachricht nicht zugestellt werden konnte. Eine neuerliche Übermittlung des Wiederaufnahmegesuches, diesmal per Telefax, erfolgte erst am 2. September 2005. Das Schreiben des Innenministeriums der französischen Republik vom 16. September 2005, mit dem dem Wiederaufnahmegesuch entsprochen wurde, führt als Betreff dieses am 2. September 2005 eingelangte Schreiben an.

Konsultationen werden im Sinne des § 24a Abs. 8 AsylG erst geführt, wenn die Einleitung des Konsultationsverfahrens nach außen in Erscheinung tritt. Dies ist nicht etwa schon dann der Fall wenn eine Abteilung des Bundesasylamtes das Dublin Büro derselben Behörde um Einleitung eines Konsultationsverfahrens ersucht, sondern erst dann, wenn das Wiederaufnahmegesuch nach der Dublin-Verordnung an den in Betracht kommenden Mitgliedstaat gestellt worden ist. Grundsätzlich beginnt das Führen des Konsultationsverfahrens - und damit die Fortlaufshemmung der 20- Tage-Frist gemäß § 24a Abs. 8 AsylG - daher erst mit der Zustellung des Wiederaufnahmegesuches an den betreffenden Mitgliedstaat.

Da das Konsultationsverfahren im vorliegenden Fall somit erst am 2. September 2005 (Zustellung des Wiederaufnahmegesuches an das französische Innenministerium) begonnen wurde, während der Asylantrag der Beschwerdeführerin bereits am 11. August 2005 eingebracht worden war, kam eine Fortlaufshemmung der für die Zurückweisung gemäß § 5 AsylG maßgeblichen zwanzigtägigen Frist nicht mehr in Betracht. Die belangte Behörde hat somit verkannt, dass der Asylantrag infolge Fristablaufes gemäß § 24a Abs. 8 AsylG zugelassen war und nicht mehr nach § 5 leg. cit. zurückgewiesen werden konnte, weswegen der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 31. Mai 2007

Schlagworte

Besondere Rechtsgebiete Gemeinschaftsrecht Verordnung EURallg5 Rechtsgrundsätze Fristen VwRallg6/5

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2005200617.X00

Im RIS seit

11.07.2007
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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