TE Vfgh Beschluss 2002/11/25 A142/02

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Veröffentlicht am 25.11.2002
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Index

10 Verfassungsrecht
10/07 Verfassungsgerichtshof, Verwaltungsgerichtshof

Norm

B-VG Art137 / Allgemeines
VfGG §85 Abs2

Leitsatz

Keine Folge für einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Anordnung in einem Klagsverfahren gegen den Bund wegen eines Staatshaftungsanspruchs mangels Zuständigkeit des VfGH bzw mangels Eignung für die vorläufige Sicherung des Anspruches

Spruch

Dem Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Anordnung wird keine Folge gegeben.

Begründung

Begründung:

1. a) Die Antragsteller, acht Kapitalgesellschaften, haben gestützt auf Art137 B-VG beim Verfassungsgerichtshof eine Klage gegen den Bund wegen € 151.934,25 s.A. wegen behaupteter "staatshaftungswürdige[r] Fehlleistung" des Gesetzgebers und einer "staatshaftungsbegründenden Fehlleistung des Oberlandesgerichts [Wien] als sich selbst als an die Judikatur des OGH gebunden fühlendes Letztgericht, in eventu des OGHs" eingebracht.

b) In der Klage wird auch der Antrag gestellt, eine einstweiligen Verfügung oder Anordnung des Inhalts zu erlassen, dass

"[b]is zur Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs über die Klage A2/01, in eventu bis zur Entscheidung über diese Klage, ... den Firmenbuch- und den Exekutionsgerichten untersagt [wird], Rechtsschritte zur Erzwingung der Offenlegung der Bilanzen der Klägerinnen und zur exekutiven Durchsetzung bereits verhängter Beugestrafen gegen ihre Geschäftsführer und Vorstände zu setzen".

Unter einem wird von den Antragstellern "dringend angeregt, dem Europäischen Gerichtshof die Frage der Gemeinschaftsrechtskonformität der Offenlegungsrichtlinien zur Vorabentscheidung vorzulegen, weil im Falle einer solchen Vorlage über §90 a GOG dieselbe Wirkung für alle anhängigen Verfahren erzielt würde".

Begründend führen die Antragsteller hiezu aus, dass trotz Kenntnis der Firmenbuchgerichte über die datenschutzrechtliche Problematik der Offenlegung der Firmenbilanzen die Kläger weiterhin von den Firmenbuchgerichten mit Aufträgen zur Offenlegung, Beugestrafen, Mahnungen, Zahlungsaufträgen "systematisch verfolgt" werden und bereits erste Exekutionsschritte gesetzt würden.

Da es der Sache nach nicht nur - so die Antragsteller weiter - um eine Staatshaftungssache, sondern auch um eine Kompetenzfrage gehe, nämlich um die Frage, ob der Oberste Gerichtshof entscheiden durfte, ohne dem Europäischen Gerichtshof (von den Antragstellern für maßgeblich erachtete) Fragen betreffend die Gemeinschafts(grund)rechtswidrigkeit der Pflicht zur Offenlegung der Abschlüsse nach der Ersten und Vierten gesellschaftsrechtlichen Richtlinie zur Vorabentscheidung vorzulegen, - und sich so hin auch "eine Frage des gesetzlichen Richters" stelle - komme dem Verfassungsgerichtshof als Kompetenzgerichtshof nach Art138 B-VG auch die Zuständigkeit zur Erlassung einer solchen einstweiligen Verfügung oder Anordnung zu.

2. Unvorgreiflich der Entscheidung der Frage, ob der Verfassungsgerichtshof überhaupt aufgrund des Art137 B-VG zur Entscheidung über den in der Hauptsache geltenden gemachten Anspruch zuständig ist, war dem Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Anordnung keine Folge zu geben:

a) Weder das B-VG noch eine andere Verfassungsbestimmung, noch auch das VfGG oder die im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof nach §35 VfGG sinngemäß anzuwendenden Bestimmungen der ZPO und des EGZPO enthalten eine Regelung, die die Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes zur Erlassung einer von den klagenden Parteien begehrten einstweiligen Anordnung (Verfügung) begründen könnten. Wie die Antragsteller insbesondere aus Art138 B-VG anderes ableiten zu können glauben, bleibt unerfindlich.

b) Aber auch wenn der Antrag so zu verstehen sein sollte, dass eine unmittelbar auf Gemeinschaftsrecht gegründete einstweilige Anordnung für die Dauer des verfassungsgerichtlichen Verfahrens begehrt wird, vermag dies den Antragstellern nicht zum Erfolg zu verhelfen:

Denn selbst unter der Annahme, dass der Verfassungsgerichtshof zur Erlassung entsprechender einstweiliger Anordnungen zur Sicherung von gemeinschaftsrechtlich begründeten Rechtspositionen auch ohne innerstaatliche gesetzliche Kompetenzzuweisung allein kraft Gemeinschaftsrechts berufen sein sollte, würde es im vorliegenden Fall an einer wesentlichen Voraussetzung für die Erlassung einer einstweiligen Anordnung des von den Klägern begehrten Inhalts fehlen:

Im Klagsverfahren geht es nämlich um einen Anspruch nach Art eines Schadenersatzes für eine behaupteterweise bereits geschehene Gemeinschaftsrechtswidrigkeit, sodass eine einstweilige Verfügung oder Anordnung des begehrten Inhalts für die vorläufige Sicherung eben dieses Anspruches nicht geeignet ist.

c) Da somit die Voraussetzungen zur Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes durch den Verfassungsgerichtshof nicht vorliegen, war dem darauf zielenden Antrag schon deshalb keine Folge zu geben.

3. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

EU-Recht, VfGH / Klagen, VfGH / Verfügung einstweilige, Staatshaftung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2002:A142.2002

Dokumentnummer

JFT_09978875_02A00142_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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