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10 VerfassungsrechtNorm
B-VG Art137 / AllgLeitsatz
Keine Folge für einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligenAnordnung in einem Klagsverfahren gegen den Bund wegen einesStaatshaftungsanspruchs mangels Zuständigkeit des VfGH bzw mangelsEignung für die vorläufige Sicherung des AnspruchesSpruch
Dem Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Anordnung wird keine Folge gegeben.
Begründung
Begründung:
1. a) Die Antragsteller, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung und deren geschäftsführende Gesellschafter, haben gestützt auf Art137 B-VG beim Verfassungsgerichtshof eine Klage gegen den Bund wegen € 7.555,61 s.A. wegen behaupteter "staatshaftungswürdige[r] Fehlleistung" des Gesetzgebers und "einer staatshaftungsbegründenden Fehlleistung des Obersten Gerichtshofes" eingebracht. Über diese Klage konnte bisher nicht entschieden werden, da die Entscheidung von der Beantwortung der dem EuGH in dessen Verfahren zur Rs. C-224/01 (vom Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien) vorgelegten Fragen abhängt.
b) Mit Eingabe vom 9. Oktober 2002 beantragen die klagenden Parteien die Erlassung einer einstweiligen Verfügung oder einstweiligen Anordnung des Inhalts, dass
"[b]is zur Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs über die Klage A2/01 ... den Firmenbuch- und den Exekutionsgerichten untersagt [wird], Rechtsschritte zur Erzwingung der Offenlegung der Bilanzen der Erstklägerin und zur exekutiven Durchsetzung bereits verhängter Beugestrafen zu setzen".
Unter einem wird von den Antragstellern "dringend angeregt, dem Europäischen Gerichtshof die Frage der Gemeinschaftsrechtskonformität der Offenlegungsrichtlinien zur Vorabentscheidung vorzulegen, weil im Falle einer solchen Vorlage über §90 a GOG dieselbe Wirkung für alle anhängigen Verfahren erzielt würde".
Begründend führen die Antragsteller hiezu aus, dass trotz Kenntnis der Firmenbuchgerichte von der Anhängigkeit der von ihnen beim Verfassungsgerichtshof eingereichten Klage und trotz Wissens um die datenschutzrechtliche Problematik der Offenlegung der Firmenbilanzen die (Erst-)Klägerin weiterhin von den Firmenbuchgerichten mit Aufträgen zur Offenlegung, Beugestrafen, Mahnungen, Zahlungsaufträgen "systematisch verfolgt" werde und bereits erste Exekutionsschritte gesetzt würden.
Da es der Sache nach nicht nur - so die Antragsteller weiter - um eine Staatshaftungssache, sondern auch um eine Kompetenzfrage gehe, nämlich um die Frage, ob der Oberste Gerichtshof über ihren außerordentlichen Revisionsrekurs entscheiden durfte, ohne dem Europäischen Gerichtshof (von den Antragstellern für maßgeblich erachtete) Fragen betreffend die Gemeinschafts(grund)rechtswidrigkeit der Pflicht zur Offenlegung der Abschlüsse nach der Ersten und Vierten gesellschaftsrechtlichen Richtlinie zur Vorabentscheidung vorzulegen, - und sich sohin auch "eine Frage des gesetzlichen Richters" stelle - komme dem Verfassungsgerichtshof als Kompetenzgerichtshof nach Art138 B-VG auch die Zuständigkeit zur Erlassung einer solchen einstweiligen Verfügung oder Anordnung zu.
2. Der Bund (Bundesminister für Justiz) hat von der ihm gebotenen Gelegenheit, zum Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung Stellung zu nehmen, Gebrauch gemacht und dessen Zurück-, in eventu Abweisung begehrt. Ungeachtet der nach Meinung der beklagten Partei dem Verfassungsgerichtshof fehlenden Zuständigkeit zur Entscheidung dieser Rechtssache überhaupt, sei die Erlassung einer einstweiligen Verfügung oder Anordnung in einem Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof auch prozessual nicht vorgesehen (vgl. §35 Abs1 VfGG iVm der subsidiär zur Anwendung gelangenden ZPO). Daran ändere auch der Umstand nichts, dass der Verfassungsgerichtshof in mehreren Beschlüssen (vgl. VfGH 10.3.2001, G69/01; 14.3.2001, B1224/00; 9.10.2002, B1344/02) zu erkennen gegeben habe, dass das Gemeinschaftsrecht die Befugnisse des Verfassungsgerichtshofes erweitert haben könnte und daher allenfalls zu fragen wäre, ob der Verfassungsgerichtshof eine einstweilige Anordnung im Gefolge der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (insb. EuGH Rs. C-213/89, Factortame I, Slg. 1990, I-2433, Rz 19 ff.) unmittelbar auf das Gemeinschaftsrecht stützen könnte. Denn es seien auch die Voraussetzungen, die nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. VfGH 14.3.2001, B1224/00) dazu vorliegen müssten, in der gegenständlichen Rechtssache nach Auffassung des Bundes nicht erfüllt: Es fehle den Einschreitern an einem sich unmittelbar aus dem Gemeinschaftrecht ergebenden Recht, das (vorläufig) zu sichern wäre.
Hinzu komme, dass es in der gegenständlichen Rechtssache um die Zuerkennung eines Staatshaftungsanspruches gehe, der vom Verfassungsgerichtshof theoretisch - wenn die Voraussetzungen überhaupt vorlägen - als insofern "endgültiges Prozessziel" unabhängig von der beantragten einstweiligen Anordnung zuerkannt werden könnte. Auch deshalb wäre die Erlassung einer einstweiligen Verfügung oder Anordnung unzulässig.
3. Unvorgreiflich der Entscheidung der Frage, ob der Verfassungsgerichtshof überhaupt aufgrund des Art137 B-VG zur Entscheidung über den in der Hauptsache geltenden gemachten Anspruch zuständig ist, war dem Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Anordnung keine Folge zu geben:
a) Weder das B-VG noch eine andere Verfassungsbestimmung, noch auch das VfGG oder die im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof nach §35 VfGG sinngemäß anzuwendenden Bestimmungen der ZPO und des EGZPO enthalten eine Regelung, die die Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes zur Erlassung einer von den klagenden Parteien begehrten einstweiligen Anordnung (Verfügung) begründen könnten. Wie die Antragsteller insbesondere aus Art138 B-VG anderes ableiten zu können glauben, bleibt unerfindlich.
b) Aber auch wenn der Antrag so zu verstehen sein sollte, dass eine unmittelbar auf Gemeinschaftsrecht gegründete einstweilige Anordnung für die Dauer des verfassungsgerichtlichen Verfahrens begehrt wird, vermag dies den Antragstellern nicht zum Erfolg zu verhelfen.
Denn selbst unter der Annahme, dass der Verfassungsgerichtshof zur Erlassung entsprechender einstweiliger Anordnungen zur Sicherung von gemeinschaftsrechtlich begründeten Rechtspositionen auch ohne innerstaatliche gesetzliche Kompetenzzuweisung allein kraft Gemeinschaftsrechts berufen sein sollte, würde es im vorliegenden Fall an einer wesentlichen Voraussetzung für die Erlassung einer einstweiligen Anordnung des von den Klägern begehrten Inhalts fehlen:
Im Klagsverfahren geht es nämlich um einen Anspruch nach Art eines Schadenersatzes für eine behaupteterweise bereits geschehene Gemeinschaftsrechtswidrigkeit, während der nunmehr gestellte Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Anordnung für die vorläufige Sicherung eben dieses Anspruches nicht geeignet ist.
c) Da somit die Voraussetzungen zur Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes durch den Verfassungsgerichtshof nicht vorliegen, war dem darauf zielenden Antrag schon deshalb keine Folge zu geben.
3. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Schlagworte
EU-Recht, VfGH / Klagen, VfGH / Verfügung einstweilige, StaatshaftungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2002:A2.2001Zuletzt aktualisiert am
06.10.2009