TE OGH 2004/6/16 13Os106/03

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Veröffentlicht am 16.06.2004
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Der Oberste Gerichtshof hat am 16. Juni 2004 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Ratz, Hon. Prof. Dr. Schroll, Dr. Kirchbacher und Dr. Schwab als weitere Richter in Gegenwart des Richters Mag. Redl als Schriftführer in der Strafsache gegen Alfred V***** wegen des Verbrechens der gleichgeschlechtlichen Unzucht mit Personen unter 18 Jahren nach § 209 StGB, AZ 9 c E Vr 13.248/96 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien, über den Antrag des Verurteilten auf Erneuerung des Strafverfahrens gemäß § 363a StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:Der Oberste Gerichtshof hat am 16. Juni 2004 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Ratz, Hon. Prof. Dr. Schroll, Dr. Kirchbacher und Dr. Schwab als weitere Richter in Gegenwart des Richters Mag. Redl als Schriftführer in der Strafsache gegen Alfred V***** wegen des Verbrechens der gleichgeschlechtlichen Unzucht mit Personen unter 18 Jahren nach Paragraph 209, StGB, AZ 9 c E römisch fünf r 13.248/96 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien, über den Antrag des Verurteilten auf Erneuerung des Strafverfahrens gemäß Paragraph 363 a, StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Dem Antrag des Alfred V***** auf Erneuerung des Strafverfahrens gemäß § 363a StPO wird Folge gegeben.Dem Antrag des Alfred V***** auf Erneuerung des Strafverfahrens gemäß Paragraph 363 a, StPO wird Folge gegeben.

Es werden das Urteil des Einzelrichters des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 21. Februar 1997, GZ 9 c E Vr 13.248/96-21, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch wegen des Verbrechens der gleichgeschlechtlichen Unzucht mit Personen unter 18 Jahren nach § 209 StGB und im Strafausspruch sowie das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien vom 22. Mai 1997, AZ 23 Bs 159/97 (ON 30) aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zur Erneuerung des Verfahrens an das Landesgericht für Strafsachen Wien verwiesen.Es werden das Urteil des Einzelrichters des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 21. Februar 1997, GZ 9 c E römisch fünf r 13.248/96-21, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch wegen des Verbrechens der gleichgeschlechtlichen Unzucht mit Personen unter 18 Jahren nach Paragraph 209, StGB und im Strafausspruch sowie das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien vom 22. Mai 1997, AZ 23 Bs 159/97 (ON 30) aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zur Erneuerung des Verfahrens an das Landesgericht für Strafsachen Wien verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem Urteil des Einzelrichters des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 21. Februar 1997, GZ 9 c E Vr 13.248/96-21, das auch Freisprüche enthält, wurde Alfred V***** des Verbrechens der gleichgeschlechtlichen Unzucht mit Personen unter 18 Jahren nach § 209 StGB (A.) sowie des Vergehens der Unterschlagung nach § 134 Abs 1 StGB (B.) schuldig erkannt und zu einer für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt.Mit dem Urteil des Einzelrichters des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 21. Februar 1997, GZ 9 c E römisch fünf r 13.248/96-21, das auch Freisprüche enthält, wurde Alfred V***** des Verbrechens der gleichgeschlechtlichen Unzucht mit Personen unter 18 Jahren nach Paragraph 209, StGB (A.) sowie des Vergehens der Unterschlagung nach Paragraph 134, Absatz eins, StGB (B.) schuldig erkannt und zu einer für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt.

Demnach hat er, soweit hier von Bedeutung (A.), ca Mitte November 1996 in Wien mit dem am 1. Dezember 1981 geborenen Gerard L***** durch Vornahme eines Mundverkehrs gleichgeschlechtliche Unzucht getrieben.

Der dagegen vom Angeklagten, der den Schuldspruch laut Punkt B. unbekämpft ließ, erhobenen Berufung gab das Oberlandesgericht Wien mit Urteil vom 22. Mai 1997, AZ 23 Bs 159/97 (ON 30), nicht Folge. Nach Ablauf der mit Beschluss des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 22. März 2000 im Verfahren AZ 1 d E Vr 1521/00 auf fünf Jahre verlängerten Probezeit wurde die Strafe mit Beschluss dieses Gerichtes vom 1. August 2002, GZ 9 c E Vr 13.248/96-37, endgültig nachgesehen.Der dagegen vom Angeklagten, der den Schuldspruch laut Punkt B. unbekämpft ließ, erhobenen Berufung gab das Oberlandesgericht Wien mit Urteil vom 22. Mai 1997, AZ 23 Bs 159/97 (ON 30), nicht Folge. Nach Ablauf der mit Beschluss des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 22. März 2000 im Verfahren AZ 1 d E römisch fünf r 1521/00 auf fünf Jahre verlängerten Probezeit wurde die Strafe mit Beschluss dieses Gerichtes vom 1. August 2002, GZ 9 c E römisch fünf r 13.248/96-37, endgültig nachgesehen.

Mit Erkenntnis vom 9. Jänner 2003 (Lausch und Vasat gegen Österreich, Applikations nos. 39392/98 und 39829/98) stellte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) eine in der Verurteilung wegen § 209 StGB (Schuldspruch A.) gelegene Verletzung des Art 14 iVm Art 8 EMRK fest, weil die in der Strafbestimmung normierte Beschränkung der Strafbarkeit sexueller Kontakte auf nur (männliche) homosexuelle Partner sachlich nicht gerechtfertigt sei und außerdem das Recht auf Achtung des Privatlebens verletze.Mit Erkenntnis vom 9. Jänner 2003 (Lausch und Vasat gegen Österreich, Applikations nos. 39392/98 und 39829/98) stellte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) eine in der Verurteilung wegen Paragraph 209, StGB (Schuldspruch A.) gelegene Verletzung des Artikel 14, in Verbindung mit Artikel 8, EMRK fest, weil die in der Strafbestimmung normierte Beschränkung der Strafbarkeit sexueller Kontakte auf nur (männliche) homosexuelle Partner sachlich nicht gerechtfertigt sei und außerdem das Recht auf Achtung des Privatlebens verletze.

Unter Bezugnahme auf dieses Urteil beantragte Alfred V***** gemäß § 363a StPO die Erneuerung des Strafverfahrens.Unter Bezugnahme auf dieses Urteil beantragte Alfred V***** gemäß Paragraph 363 a, StPO die Erneuerung des Strafverfahrens.

Rechtliche Beurteilung

Ausgehend von der bezeichneten Entscheidung des EGMR sind die Voraussetzungen für die Erneuerung des Strafverfahrens gegeben:

Die Bestimmung des § 209 StGB wurde vom Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 21. Juni 2002 (G 6/02) unter Fristsetzung bis 28. Februar 2003 als verfassungswidrig aufgehoben. Durch das am 14. August 2002 in Kraft getretenen Strafrechtsänderungsgesetz 2002, BGBl I 2002/134, wurde die Strafbestimmung des § 209 StGB beseitigt. Der neu eingeführte § 207b StGB pönalisiert unter bestimmten, hier nicht erfüllten Voraussetzungen sexuellen Missbrauch von Jugendlichen. Zur Anwendbarkeit dieser Strafbestimmung normiert die Übergangsbestimmung (Art X), dass nach Aufhebung des Urteils erster Instanz unter anderem infolge Erneuerung des Strafverfahrens im Sinn der §§ 1 und 61 StGB vorzugehen ist.Die Bestimmung des Paragraph 209, StGB wurde vom Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 21. Juni 2002 (G 6/02) unter Fristsetzung bis 28. Februar 2003 als verfassungswidrig aufgehoben. Durch das am 14. August 2002 in Kraft getretenen Strafrechtsänderungsgesetz 2002, BGBl römisch eins 2002/134, wurde die Strafbestimmung des Paragraph 209, StGB beseitigt. Der neu eingeführte Paragraph 207 b, StGB pönalisiert unter bestimmten, hier nicht erfüllten Voraussetzungen sexuellen Missbrauch von Jugendlichen. Zur Anwendbarkeit dieser Strafbestimmung normiert die Übergangsbestimmung (Art römisch zehn), dass nach Aufhebung des Urteils erster Instanz unter anderem infolge Erneuerung des Strafverfahrens im Sinn der Paragraphen eins und 61 StGB vorzugehen ist.

Weil die Konventionsverletzung einen für den Verurteilten, dessen neuerliche Bestrafung wegen des in Rede stehenden Verhaltens nach dem Gesagten nicht mehr in Betracht kommt, nachteiligen Einfluss auf den Inhalt der strafgerichtlichen Entscheidung ausübt (§ 363a Abs 1 StPO) und nicht dem - mit dem Straffall bisher nicht befassten - Obersten Gerichtshof zuzurechnen ist, war in Stattgebung des Erneuerungsantrages und in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Beratung gemäß § 363b Abs 3 StPO wie aus dem Spruch ersichtlich zu entscheiden (vgl Reindl, WK-StPO § 363c Rz 8).Weil die Konventionsverletzung einen für den Verurteilten, dessen neuerliche Bestrafung wegen des in Rede stehenden Verhaltens nach dem Gesagten nicht mehr in Betracht kommt, nachteiligen Einfluss auf den Inhalt der strafgerichtlichen Entscheidung ausübt (Paragraph 363 a, Absatz eins, StPO) und nicht dem - mit dem Straffall bisher nicht befassten - Obersten Gerichtshof zuzurechnen ist, war in Stattgebung des Erneuerungsantrages und in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Beratung gemäß Paragraph 363 b, Absatz 3, StPO wie aus dem Spruch ersichtlich zu entscheiden vergleiche Reindl, WK-StPO Paragraph 363 c, Rz 8).

Bei der Strafneubemessung im Hinblick auf den unberührten Schuldspruch wird das Verschlechterungsverbot (§ 363b Abs 3 letzter Satz StPO, vgl Ratz, WK-StPO § 290 Rz 43 ff) zu beachten sein. Davon unabhängig ist, dass die Probezeit einer im erneuerten Verfahren bedingt nachgesehenen Strafe nicht von neuem zu laufen beginnt (vgl Ratz, WK-StPO § 290 Rz 55).Bei der Strafneubemessung im Hinblick auf den unberührten Schuldspruch wird das Verschlechterungsverbot (Paragraph 363 b, Absatz 3, letzter Satz StPO, vergleiche Ratz, WK-StPO Paragraph 290, Rz 43 ff) zu beachten sein. Davon unabhängig ist, dass die Probezeit einer im erneuerten Verfahren bedingt nachgesehenen Strafe nicht von neuem zu laufen beginnt vergleiche Ratz, WK-StPO Paragraph 290, Rz 55).

Anmerkung

E73705 13Os106.03

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2004:0130OS00106.03.0616.000

Dokumentnummer

JJT_20040616_OGH0002_0130OS00106_0300000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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