Kopf
Das Oberlandesgericht Linz als Rekursgericht hat durch die Richter Dr.Edwin GITSCHTHALER als Vorsitzenden sowie Dr.Paul AMAN und Dr.Andreas NEUNDLINGER in der Konkurssache der Gemeinschuldnerin E*****, vertreten durch die SATTLEGGER• DORNINGER• STEINER& Partner Anwaltssocietät in Linz, über den Rekurs des Masseverwalters Dr.Erhard HACKL, Rechtsanwalt in Linz, gegen den Beschluss des Landesgerichtes Linz vom 6.4.2004, 38S10/04f-19, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.
Text
Begründung:
Die Gemeinschuldnerin verfügte bei der B***** über ein Wertpapierdepotkonto, welches zur Besicherung der ihr von dieser Bank gewährten Kredite verpfändet war. Mit Schreiben vom 4.2.2004 forderte der Masseverwalter die Bank auf, das Wertpapierdepot zu realisieren, was am 10.2.2004 durch Gutbuchung eines Gesamterlöses von €2.454,81 auf ein [Kredit-]Konto der Gemeinschuldnerin geschah. Die Konkursforderung der Bank übersteigt den Erlös des Wertpapierdepots bei weitem (zu FA42 in ON16 angemeldet und festgestellt: €262.656,47).
Am 26.2.2004 stellte der Masseverwalter ua den Antrag, seine Kosten für die Verwaltung und Verwertung der aus dem erwähnten Wertpapierdepot bestehenden Sondermasse gemäß §82d Z2 KO (4% von den ersten €250.000,-- des Erlöses) unter Anwendung des §82c KO (Verminderung um je 1% des Erlöses für eine „Anpassung an gerichtliche Veräußerung" und wegen „Verwirklichung weiterer Minderungstatbestände") mit €58,92 (2% des Erlöses von €2.454,81 zuzüglich 20% MWSt) zu bestimmen.
Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Erstgericht diesen Antrag ab, und zwar im Wesentlichen mit der auf die Entscheidung 2R28/02d des Oberlandesgerichtes Linz verweisenden Begründung, ein Entlohnungsanspruch nach §82d KO stehe nur dann zu, wenn die Verwertung der Sondermasse durch den Masseverwalter selbst und nicht durch den Pfandgläubiger erfolge.
Dagegen richtet sich der Rekurs des Masseverwalters mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss im Sinne einer Zuerkennung von Sondermassekosten im Betrage von €58,92 abzuändern. Er könne sich der in der Entscheidung 2R28/02d vertretenen Rechtsansicht nicht anschließen. §82c KO könne nicht im Sinne der Möglichkeit einer Honorarkürzung auf Null interpretiert werden, weil dies für Teilbereiche eine [Verpflichtung des Masseverwalters zur] Zwangsarbeit darstellen würde und damit verfassungswidrig wäre. Es könne auch nicht damit argumentiert werden, dass es sich um eine im Rahmen des Regelhonorars nach §82 KO mitentlohnte Tätigkeit handle, weil die Verwertung der Sondermasse genau hievon ausgenommen sei. Das Oberlandesgericht Wien habe in einem völlig identen Fall zu 28R152/02g ausgeführt, dass die Verwertung eines eine Sondermasse bildenden Wertpapierdepots einer gerichtlichen Verwertung (kridamäßigen Versteigerung) gleichkomme, weil auch bei einer solchen die [Verwertungs-]Tätigkeiten von einem Dritten und nicht vom Masseverwalter vorgenommen würden, und deshalb durch Anwendung des §82c KO das Sondermassehonorar nach §82d Z2 KO dem Honorar nach §82d Z1 KO [3% für die ersten €250.000,--] angeglichen. Ferner habe es in Hinblick darauf, dass die Verwertung eines Wertpapierdepots im Vergleich zu einer gerichtlichen Versteigerung einen erheblich geringeren Aufwand mache, eine weitere Kürzung gemäß §82c Z1 KO in der Höhe von 1% des Erlöses für gerechtfertigt erachtet. Diese Entscheidung sei sachgerecht.
Rekursbeantwortungen wurden nicht erstattet.
Dem Rekurs kommt keine Berechtigung zu.
Rechtliche Beurteilung
Der rekursgerichtlichen Entscheidung vom 24.4.2002 zu 2R28/02d (auszugsweise veröffentlicht in ZIK 2002/194 [138]) lag ebenfalls die über Aufforderung des Masseverwalters erfolgte Verwertung von– eine Sondermasse bildenden– Wertpapieren durch den Pfandgläubiger zugrunde. Die Verneinung eines Anspruchs des Masseverwalters auf eine besondere Entlohnung für diese Verwertung gemäß §82d KO wurde damals wie folgt begründet:
Die Gesetzesmaterialien zum IVEG zeigen, dass der Gesetzgeber jedenfalls bezüglich des §82d Z2 KO (außergerichtliche Veräußerung) eine Verwertung der Sondermasse durch den Masseverwalter (und nicht durch den Pfandgläubiger) im Auge hatte. So heißt es in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum §82d KO (1589 BlgNR 20.GP 14): „Die Regelung sieht eine einheitliche Bestimmung der Sondermassekosten durch die Exekutionsgerichte bei kridamäßiger Veräußerung sowie durch die Konkursgerichte bei freihändiger Veräußerung durch den Masseverwalter vor.... Bei Festlegung der Höhe der Entlohnung wurde berücksichtigt, dass die freihändige Verwertung für den Masseverwalter mit mehr Aufwand verbunden ist. Daher soll in diesem Fall der Masseverwalter mit einem etwas höheren Prozentsatz des erzielten Erlöses entlohnt werden als bei exekutiver Verwertung."
Der Bericht des Justizausschusses hielt zum §82d Z2 KO fest (1680 BlgNR 20.GP 2): „Die Entlohnung steht aber nur zu, wenn der Masseverwalter für die Verwertung tätig geworden ist". Dass eine Entlohnung nach §82d Z2 KO nur bei einer außergerichtlichen Verwertung der Sondermasse durch den Masseverwalter oder wenigstens unter seiner aktiven Beteiligung an den Verkaufsbemühungen zustehen soll, leuchtet auch bei ergebnisorientierter Betrachtung ein. Eine gegenteilige Sichtweise würde nämlich zu dem unverständlichen Effekt führen, dass ein Masseverwalter, der infolge einer Veräußerung der Pfandsache durch den dazu befugten Pfandgläubiger keinerlei Verwertungsaufwand hat, prinzipiell die gleiche Entlohnung erhielte wie ein Masseverwalter, der sich selbst um die Verwertung bemühen muss, und sogar (wegen der niedrigeren Prozentsätze des §82d Z1 KO) eine höhere als einer, der als betreibender Gläubiger eine kridamäßige Veräußerung durchführt.
Die Rechtsmeinung von Konecny/Riel (Entlohnung im Insolvenzverfahren [1999], Rz236), ein Anspruch auf Sondermassekosten bestehe nicht nur bei freihändiger Verwertung und kridamäßiger Veräußerung durch den Masseverwalter, sondern (wie schon nach der Rechtslage vor dem IVEG) auch dann, wenn die Sondermasse infolge Exekutionsführung eines absonderungsberechtigten Gläubigers während des Konkurses verwertet wird, gleichgültig ob der Masseverwalter dem Verfahren gemäß §119 Abs4 KO beigetreten ist oder namens der Konkursmasse die Rechte der verpflichteten Partei wahrnimmt (so zur alten Rechtslage OGH
3Ob85/95, SZ68/209= ZIK 1996, 174= RZ1996/40= RPflSlgE 1996/17;
3Ob137/98p, RdW 1999, 211= ZIK 1999, 60; RIS-Justiz RS0085095), steht
damit nicht in Widerspruch. Zum einen stützt sich diese Ansicht auf den Wortlaut des §125 Abs4 KO, der ohne Einschränkung von den Kosten spricht, die der Masseverwalter „anlässlich der gerichtlichen Veräußerung" zu beanspruchen hat, sodass sie nur für die Verwertung durch gerichtliche Veräußerung (und nicht auch für eine andere Verwertungsart) gelten kann. Zum anderen hat der Masseverwalter in diesen Fällen– wenn schon nicht als betreibender oder beigetretener Gläubiger, so doch wenigstens anstelle des Gemeinschuldners als verpflichtete Partei– am Exekutionsverfahren teilgenommen und insofern an der Verwertung mitgewirkt. Soweit Konecny/Riel (Entlohnung im Insolvenzverfahren, Rz257) die Nicht- oder bloß untergeordnete Mitwirkung des Masseverwalters an der Verwertung der Sondermasse als Grund für eine Verminderung der Sondermassekosten nach §82c KO anführen und damit implizit davon ausgehen, dass die Nicht- oder bloß untergeordnete Mitwirkung an der Verwertung einem Entlohnungsanspruch des Masseverwalters nach §82d KO nicht entgegenstehe, vermag ihnen das Rekursgericht mangels nachvollziehbarer Begründung nicht zu folgen. Sie verweisen nämlich dazu (in FN466) auf den Bericht des Justizausschusses (1680 BlgNR 20. GP 2), der allerdings mit dem Satz „Die Entlohnung steht aber nur zu, wenn der Masseverwalter für die Verwertung tätig geworden ist" geradezu das Gegenteil zum Ausdruck bringt.
Nun könnte man von Seiten des Masseverwalters noch einwenden, wenn ihm schon für die außergerichtliche Verwertung der Sondermasse durch den Pfandgläubiger keine Entlohnung nach §82d KO zustehe, dann zumindest für die in dieser Bestimmung ebenfalls erwähnte Verwaltung und Verteilung der Sondermasse. Im vorliegenden Fall ist aber auch hinsichtlich dieser Teilbereiche keine „besondere" und damit im Sinne des §82d KO entlohnungsrelevante Tätigkeit zu erkennen. Die der Verwaltung der Sondermasse zuzuordnende Prüfung, ob das von der Gläubigerin in Anspruch genommene Absonderungsrecht wirksam und anfechtungsfest begründet wurde, gehört zu der in jedem Konkursverfahren vorkommenden Tätigkeit des Masseverwalters und wird daher schon mit der Regelentlohnung nach §82 Abs1 und2 KO abgegolten; überhaupt besteht für die bloße Verwaltung der Sondermasse kein besonderer Entlohnungsanspruch (Konecny/Riel, Entlohnung im Insolvenzverfahren, Rz83f und241). Dasselbe gilt im Ergebnis für die der Verteilungsphase zuzurechnende Kontrolle der Abrechnung des von der Gläubigerin erzielten Verwertungserlöses, kann man doch diese Tätigkeit gleichermaßen unter dem Aspekt einer Prüfung der berechtigten Höhe der nach Berücksichtigung des Pfanderlöses verbleibenden Konkursforderung der Gläubigerin und damit als von der Entlohnung nach §82 Abs1 und2 KO abgedeckte Standardaufgabe des Masseverwalters sehen. Im Übrigen ist aus dem Wortlaut des §82d KO („für die besondere Verwaltung, Verwertung und Verteilung einer Sondermasse") und aus den bereits zitierten Gesetzesmaterialien abzuleiten, dass der Gesetzgeber nicht schon Einzeltätigkeiten des Masseverwalters in Zusammenhang mit einer Sondermasse mit einer besonderen Entlohnung bedenken wollte, sondern nur einen Gesamtkomplex von Verwaltungs-, Verwertungs- und Verteilungsaktivitäten, der insbesondere auch eine Verwertung der Sondermasse durch den Masseverwalter (oder zumindest eine nennenswerte Mitwirkung des Masseverwalters an der Verwertung) beinhalten muss.
In dem vom Rekurswerber angeführten Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien vom 19.12.2003 zu 28R152/02g wurde auf diese Argumentation nicht eingegangen; offenbar war dort die rekursgerichtliche Entscheidung 2R28/02d nicht bekannt, zumal sie nicht einmal Erwähnung fand. Das Oberlandesgericht Wien ging unter Zitierung von Chalupsky/Duursma-Kepplinger (in Bartsch/Pollak/Buchegger, Österreichisches Insolvenzrecht4III [2002], §82d KO Rz5) davon aus, es sei nicht Anspruchsvoraussetzung für eine Entlohnung nach §82d KO, dass der Masseverwalter die Verwertung selbst durchgeführt oder als betreibender Gläubiger initiiert habe. Die erwähnten Autoren verweisen zu dieser Aussage lediglich auf ihre vorangehenden Ausführungen („siehe dazu auch Rz4"). Dort werden die Arten der Verwertung einer Sondermasse behandelt, wobei insbesondere der Differenzierung zwischen kridamäßiger Veräußerung und (sonstiger) exekutiver Zwangsversteigerung breiter Raum gewidmet wird; die Variante einer freihändigen Veräußerung durch den Pfandgläubiger (und nicht durch den Masseverwalter) bleibt hingegen völlig unerörtert. Insofern entbehrt die Ansicht von Chalupsky/Duursma-Kepplinger, der Anspruch auf eine Entlohnung nach §82d KO setze nicht voraus, dass der Masseverwalter die Verwertung selbst durchgeführt habe, letztlich einer nachvollziehbaren Begründung, vor allem auch in Auseinandersetzung mit den oben wiedergegebenen Gesetzesmaterialien zum IVEG. Soweit das Oberlandesgericht Wien Verwaltungs- und Verteilungshandlungen des Masseverwalters in Zusammenhang mit der Sondermasse ins Treffen führt (Entgegennahme einer Anzeige nach §97 Abs2 KO und Überprüfung ihres Inhalts; Prüfung des Bestands und der allfälligen Anfechtbarkeit des Absonderungsrechts; Kontrolle der vertragsgemäßen Anrechnung des Verwertungserlöses, Antrag auf Zuweisung des Erlöses an den Absonderungsgläubiger), ergeben sich daraus keine neuen Gesichtspunkte. Im Übrigen vertreten auch Chalupsky/Duursma-Kepplinger (aaO) die Meinung, dass die Verwaltung der Sondermasse für sich allein keinen Entlohnungsanspruch nach §82d KO begründet.
In Hinblick darauf sieht sich das Rekursgericht durch die Entscheidung 28R152/02g des Oberlandesgerichtes Wien nicht veranlasst, von seiner zu 2R28/02d vertretenen Auffassung abzugehen, dass eine besondere Entlohnung nach §82d KO nur dann gebührt, wenn (neben Verwaltungs- und Verteilungsaktivitäten) auch eine Verwertung der Sondermasse durch den Masseverwalter stattgefunden oder dieser zumindest in nennenswerter Weise an der Verwertung mitgewirkt hat. Der letztgenannte Tatbestand wird durch die bloße Aufforderung an den Pfandgläubiger, das in seiner Gewahrsame befindliche Absonderungsgut zu realisieren und den Erlös gutzuschreiben (Schreiben vom 4.2.2004, im Akt erliegend als Beilage zu ON10), noch nicht hergestellt. Fehlt es aber an den Voraussetzungen für die Zuerkennung einer Entlohnung nach §82d KO, dann stellt sich auch die Frage nach deren allfälliger Verminderung nach §82c KO nicht. Das Argument der „verfassungswidrigen Zwangsarbeit" vermag schon deshalb nicht zu überzeugen, weil es im Wesen des Pauschalentlohnungssystems der KO liegt, dass nicht jede von einem Masseverwalter erbrachte Einzelleistung entlohnungsrelevant wird. Dass einzelne Verwaltungs- und Verteilungstätigkeiten in Zusammenhang mit einer Sondermasse (ohne Hinzutreten von nennenswerten Verwertungshandlungen) durchaus als Teil der von der Entlohnung nach §82 Abs1 und2 KO abgedeckten Agenden eines Masseverwalters aufgefasst werden können, wurde schon zu 2R28/02d aufgezeigt.
Es konnte sohin dem Rekurs kein Erfolg beschieden sein. Die Unzulässigkeit eines weiteren Rechtszugs ergibt sich aus §171 KO in Verbindung mit §528 Abs2 Z3 ZPO.
Oberlandesgericht Linz, Abt.2,
Anmerkung
EL00081 2R106.04bEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OLG0459:2004:00200R00106.04B.0630.000Dokumentnummer
JJT_20040630_OLG0459_00200R00106_04B0000_000