TE OGH 2004/7/1 1Nc67/04z

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Veröffentlicht am 01.07.2004
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Kartellrechtssache der Antragstellerin g***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Maximilian Eiselsberg u.a., Rechtsanwälte in Wien, wider die Antragsgegnerin Ö***** AG, *****, vertreten durch Dr. Peter Huber, Rechtsanwalt in Wien, die mit Rekursen beider Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Kartellgericht vom 15. Jänner 2004, GZ 26 Kt 9, 10/01-71, zu 16 Ok 9/04 dem Obersten Gerichtshof vorgelegt wurde, über die Anzeige von Befangenheitsgründen des Kommerzialrats Dr. Erich Haas vom 14. Juni 2004 den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Befangenheitsanzeige wird stattgegeben.

Text

Begründung:

Der nach der Geschäftsverteilung als Senatsmitglied des 16. Senats des Obersten Gerichtshofs berufene fachmännische Laienrichter Kommerzialrat Dr. Erich Haas teilte gemäß § 22 GOG seine Befangenheit mit, weil er Angestellter der Antragsgegnerin ist.

Die Befangenheitsanzeige ist berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 43 KartG entscheiden das Kartellgericht und der Oberste Gerichtshof als Kartellobergericht in Angelegenheiten nach dem Kartellgesetz im Verfahren außer Streitsachen. Da das Außerstreitgesetz über die Ablehnung eines Richters keine Regelung trifft, finden nach gesicherter Rechtsprechung im Verfahren die §§ 19 bis 25 JN Anwendung (SZ 54/96; EFSlg 63.901; Mayr in Rechberger ZPO², Vor § 19 JN). Dem steht auch nicht die Bestimmung des § 102 KartG über die Ablehnung von fachkundigen Laienrichtern entgegen, nach der diese auch deshalb abgelehnt werden können, weil ihnen die Voraussetzungen für die Ernennung fehlen oder Umstände vorliegen, mit denen das Amt eines fachkundigen Laienrichters unvereinbar ist. In Auslegung der ähnlichen Bestimmung des § 34 ASGG wird aus dem Wort "auch" der Schluss gezogen, dass über diese besonderen Ablehnungsgründe hinaus auch die allgemeinen Ablehnungs- und Ausschließungsgründe der §§ 19 und 20 JN Geltung haben (RIS-Justiz RS0107529). Dass für den Bereich des Kartellgesetzes anderes gelten müsste, ist nicht ersichtlich, zumal sich - wie bereits dargestellt - die Verweisung auf die Bestimmungen der JN aus dem Gesetz selbst ergibt.

Für den Bereich des ASGG regelt dessen § 11 Abs 4 die Zusammensetzung der über die Ablehnung eines Richters entscheidenden Senate auch für den Bereich des Obersten Gerichtshofs dahin, dass der Senat aus drei Richtern zu bestehen habe. Eine vergleichbare Bestimmung enthält das Kartellgesetz auch in seinem § 92 Abs 2 über den "Dreiersenat des Kartellobergerichts" nicht. Gemäß § 89 Abs 1 Z 2 KartG setzen sich die "einfachen" Senate "in Ausübung der Kartellgerichtsbarkeit" beim Obersten Gerichtshof aus einem Richter als Vorsitzendem, zwei weiteren Richtern und zwei fachkundigen Laienrichtern zusammen. Wie sich aus der schon zitierten Bestimmung des § 11 Abs 4 ASGG ergibt, erachtet es der Gesetzgeber nicht dem Sinn der Laiengerichtsbarkeit entsprechend, dass über Befangenheitsanzeigen unter Zuziehung der fachkundigen Laienrichter zu entscheiden sei. Derartiges kann auch nicht § 23 JN entnommen werden, der zur Entscheidung über die Ablehnung eines Richters des Gerichtshofs den Gerichtshof beruft, ohne dabei nach der Art der Hauptsache zu differenzieren. Es finden sich somit keinerlei Anhaltspunkte dafür, der Gesetzgeber habe die Wendung "in Ausübung der Kartellgerichtsbarkeit" (§ 89 Abs 1 KartG) derart weit verstehen wollen, dass darunter auch die Entscheidungen über Befangenheitsanzeigen fielen. Mangels einer bestehenden Sonderregelung im Kartellgesetz ist daher auf die allgemeine Bestimmung des § 6 OGHG zurückzugreifen, nach der der Oberste Gerichtshof grundsätzlich in aus fünf Berufsrichtern bestehenden Senaten entscheidet.

In der Sache selbst ist vorerst darauf zu verweisen, dass der Dienstnehmer einer der Parteien ohne Hinzutreten weiterer Umstände, wie etwa, dass er deren gesetzlicher Vertreter ist, vom Richteramt nicht im Sinn der taxativ aufgezählten Gründe des § 20 JN ausgeschlossen ist (SZ 43/104; 9 ObA 83/97i; RIS-Justiz RS0045952).

Allerdings kann die Dienstnehmereigenschaft grundsätzlich Befangenheit im Sinn des § 19 JN begründen, wenn - je nach Größe des Unternehmens und der Position des Laienrichters in diesem - der Anschein entstehen könnte, der Richter lasse sich bei der Entscheidung von anderen als rein sachlichen Gesichtspunkten leiten. Zeigt der Richter in einem derartigen Fall selbst seine Befangenheit an, ist unter Beachtung des Interesses an der Wahrung des Ansehens der Justiz kein strenger Prüfungsmaßstab anzulegen und grundsätzlich die Befangenheit zu bejahen (6 Nd 510/01; RIS-Justiz RS0046053).

Der Befangenheitsgrund des § 19 Z 2 JN ist daher gegeben.

Textnummer

E73954

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2004:0010NC00067.04Z.0701.000

Im RIS seit

31.07.2004

Zuletzt aktualisiert am

12.01.2011
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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