TE OGH 2004/7/1 1Ob134/04v

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Veröffentlicht am 01.07.2004
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache des Antragstellers Leonardo C*****, vertreten durch Dr. Manfred Opetnik, Rechtsanwalt in Völkermarkt, wider die Antragsgegnerin Patricia P*****, vertreten durch Dr. Farhad Paya, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen Einräumung eines Notwegs infolge ordentlichen Revisionsrekurses des Antragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Rekursgericht vom 1. April 2004, GZ 2 R 95/04d-103, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Villach vom 23. Dezember 2003, GZ 24 Nc 10/00m-95, abgeändert wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller ist schuldig, der Antragsgegnerin die mit 333,12 EUR (darin 55,52 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu zahlen.

Text

Begründung:

Nach den Feststellungen der Vorinstanzen erwarb der (nunmehrige) Antragsteller während der Anhängigkeit dieses Verfahrens auf Grund des Kaufvertrags vom 31. 7. 2000 im Dezember 2000 Eigentum an der - nach dem Bauvorhaben des Käufers - notwegbedürftigen Liegenschaft. Ursprünglich war ein Kaufpreis von ATS 1 Mio vereinbart. Kraft eines Vertragsnachtrags vom 15. 12. 2000 wurde dieser Preis auf ATS 775.000 gesenkt. In diesem Kontext hatten sich die Vertragsparteien darauf geeinigt, dass die Verkäuferin "die allfälligen Voraussetzungen zur Errichtung des Erschließungsweges nicht zu schaffen" habe. Der Verkehrswert der notwegbedürftigen Liegenschaft "liegt wesentlich darüber". Nach einem Mitte 1996 erstatteteten Gutachten betrug er damals ATS 2,330.000. Der Antragsteller will ein teilweise abbruchreifes Gebäude auf seiner als "Bauland-Kurgebiet" gewidmeten Liegenschaft, das bereits 1978 in "desolatem Zustand" war, abtragen und ein Mehrfamilienhaus oder, sollte die Baubehörde das nicht bewilligen, ein Einfamilienhaus errichten. Der vorhandene, rund 18 m lange Zufahrtsweg beginnt mit einer "Durchfahrtsbreite" von 3 m und verengt sich in dessen Verlauf bis auf "rund 2,01 m" an seiner engsten Stelle. Um den Weg mit kleinen LKWs - als Voraussetzung einer von Gesichtspunkten der Wirtschaftlichkeit bestimmten Bauführung - befahren zu können, müsste er "eine durchschnittliche Breite von 3 m" haben. Die Herstellung eines solchen Wegs erforderte die Verwendung einer Grundfläche von 11 m² der Liegenschaft im Eigentum der Antragsgegnerin.

Das Erstgericht gab dem Antragsbegehren durch Einräumung der "Dienstbarkeit des Gehens und Fahrens als Notweg" - einem näher bezeichneten Lageplan entsprechend - statt und wies ein Mehrbegehren unbekämpft ab. Es erkannte den Antragsteller ferner schuldig, der Antragsgegnerin als Entschädigung für die Belastung deren Liegenschaft mit dem Notweg auf einer Grundfläche von 11 m² 2.750 EUR zu zahlen.

Das Gericht zweiter Instanz wies den im Rekurs erhobenen Ablehnungsantrag der Antragsgegnerin gegen den Erstrichter zurück und das Begehren auf Einräumung eines Notwegs zur Gänze ab. Es sprach ferner aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige, und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu, weil es "seine Zuständigkeit zur Entscheidung über den im Rechtsmittel gestellten Ablehnungsantrag ... entgegen Entscheidungen des OGH ... wahrgenommen" habe.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist unzulässig.

1. Vorweg ist festzuhalten, dass der Beschluss des Rekursgerichts über die Zurückweisung des Ablehnungsantrags gegen den Erstrichter unbekämpft in Rechtskraft erwuchs. Jene Rechtsfrage, derentwegen das Rekursgericht den Revisionsrekurs zuließ, bedarf somit keiner Lösung.

2. Es entspricht der - zuletzt in der Entscheidung 3 Ob 183/03p (= JBl 2004, 320 [Egglmeier-Schmolke]) zusammengefassten - ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass die Normen des Notwegegesetzes einschränkend auszulegen sind. Danach muss der Erwerber einer Liegenschaft an sich selbst für deren zureichende Anbindung an das öffentliche Wegenetz sorgen und die Erfordernisse für deren ordentliche Bewirtschaftung oder Benützung "'bei seiner Planung in Rechnung'" stellen. Deshalb ist gemäß § 2 Abs 1 NWG das Begehren auf Einräumung eines Notwegs abzuweisen, wenn der Wegmangel auf einer auffallenden Sorglosigkeit des Grundeigentümers beruht. Darunter ist eine ungewöhnliche, schwerwiegende und subjektiv auch vorwerfbare Vernachlässigung der objektiv gebotenen Sorgfalt zu verstehen. Infolgedessen indiziert die Fehleinschätzung eines Wegbedarfs durch den Eigentümer der notleidenden Liegenschaft gewöhnlich eine auffallende Sorglosigkeit iSd § 2 Abs 1 NWG, soll doch die Nachlässigkeit eines Liegenschaftseigentümers durch das Notwegegesetz nicht gefördert werden und nur ein - infolge Schuldlosigkeit - schutzwürdiger Erwerber einer notleidenden Liegenschaft notwegberechtigt sein. Bereits der Erwerb einer Liegenschaft ohne vorherige Erkundigung über allfällige Wegeverbindungen kann eine auffallende Sorglosigkeit iSd § 2 Abs 1 NWG sein. Eine derart qualifizierte Säumnis ist indes dann nicht anzunehmen, wenn ein tatsächlich eingetretener Wegbedarf in seiner Art, seinem Ausmaß und seiner Intensität bei einer früheren vertraglichen Gestaltung der die notleidende(n) Liegenschaft(en) betreffenden Rechtsbeziehungen nicht leicht vorhersehbar war. Somit schließt allein der Erwerb einer Liegenschaft ohne ausreichende Anbindung an das öffentliche Wegenetz die Einräumung oder Erweiterung eines Notwegs lediglich dann aus, wenn besondere Umstände auf auffallende Sorglosigkeit des Erwerbers schließen lassen, ein Grundsatz, der insbesondere auch dann gilt, wenn die Liegenschaft bereits nach dem beim Erwerbsvorgang gültigen Flächenwidmungsplan Bauland war. Jede Beurteilung in dieser Hinsicht hängt letztlich von den besonderen Umständen des Einzelfalls ab. Jüngst wurde in der Entscheidung 5 Ob 1/04i betont, der Käufer einer Liegenschaft handle auffallend sorglos, wenn er den Mangel der Wegverbindung gekannt und sich damit abgefunden habe.2. Es entspricht der - zuletzt in der Entscheidung 3 Ob 183/03p (= JBl 2004, 320 [EgglmeierSchmolke]) zusammengefassten - ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass die Normen des Notwegegesetzes einschränkend auszulegen sind. Danach muss der Erwerber einer Liegenschaft an sich selbst für deren zureichende Anbindung an das öffentliche Wegenetz sorgen und die Erfordernisse für deren ordentliche Bewirtschaftung oder Benützung "'bei seiner Planung in Rechnung'" stellen. Deshalb ist gemäß § 2 Abs 1 NWG das Begehren auf Einräumung eines Notwegs abzuweisen, wenn der Wegmangel auf einer auffallenden Sorglosigkeit des Grundeigentümers beruht. Darunter ist eine ungewöhnliche, schwerwiegende und subjektiv auch vorwerfbare Vernachlässigung der objektiv gebotenen Sorgfalt zu verstehen. Infolgedessen indiziert die Fehleinschätzung eines Wegbedarfs durch den Eigentümer der notleidenden Liegenschaft gewöhnlich eine auffallende Sorglosigkeit iSd § 2 Abs 1 NWG, soll doch die Nachlässigkeit eines Liegenschaftseigentümers durch das Notwegegesetz nicht gefördert werden und nur ein - infolge Schuldlosigkeit - schutzwürdiger Erwerber einer notleidenden Liegenschaft notwegberechtigt sein. Bereits der Erwerb einer Liegenschaft ohne vorherige Erkundigung über allfällige Wegeverbindungen kann eine auffallende Sorglosigkeit iSd § 2 Absatz eins, NWG sein. Eine derart qualifizierte Säumnis ist indes dann nicht anzunehmen, wenn ein tatsächlich eingetretener Wegbedarf in seiner Art, seinem Ausmaß und seiner Intensität bei einer früheren vertraglichen Gestaltung der die notleidende(n) Liegenschaft(en) betreffenden Rechtsbeziehungen nicht leicht vorhersehbar war. Somit schließt allein der Erwerb einer Liegenschaft ohne ausreichende Anbindung an das öffentliche Wegenetz die Einräumung oder Erweiterung eines Notwegs lediglich dann aus, wenn besondere Umstände auf auffallende Sorglosigkeit des Erwerbers schließen lassen, ein Grundsatz, der insbesondere auch dann gilt, wenn die Liegenschaft bereits nach dem beim Erwerbsvorgang gültigen Flächenwidmungsplan Bauland war. Jede Beurteilung in dieser Hinsicht hängt letztlich von den besonderen Umständen des Einzelfalls ab. Jüngst wurde in der Entscheidung 5 Ob 1/04i betont, der Käufer einer Liegenschaft handle auffallend sorglos, wenn er den Mangel der Wegverbindung gekannt und sich damit abgefunden habe.

3. Der (nunmehrige) Antragsteller erwarb die - nach dessen Bauvorhaben - notwegbedürftige Liegenschaft weit unter deren Verkehrswert. Das auf der Liegenschaft befindliche Bauwerk war bereits 1978 - als eine Rechtsvorgängerin des Antragstellers diese kaufte - in desolatem Zustand. Bereits damals bestand demnach an sich Bedarf nach einem Weg, dessen Breite die Zufahrt mit kleinen LKWs zur Ermöglichung von wirtschaftlich tragbaren Bauarbeiten ermöglicht hätte. Mit dem Mangel einer solchen Wegdimension hatte sich die Rechtsvorgängerin des Antragstellers offenkundig abgefunden. Demzufolge konnte der Antragsteller von vornherein nicht damit rechnen, er werde einen Notweg zu Lasten der Antragsgegnerin jedenfalls erstreiten können. Relevant sind ferner Erwägungen, die den Erwerbsvorgang des Antragstellers betreffen. Dieser kaufte die Liegenschaft im Jahr 2000 - inklusive der nach den Erwartungen der Vertragsparteien von ihm im anhängigen Verfahren aufzuwendenden Kosten - um umgerechnet 72.672,83 EUR. Der Antragsgegnerin hätte er, wäre es bei der Entscheidung des Erstgerichts verblieben, eine Entschädigung von 2.750 EUR für die Begründung einer Notwegdienstbarkeit zahlen müssen. In der Differenz zwischen 75.422,83 EUR und dem Verkehrswert der Liegenschaft, der bereits 1996 umgerechnet 169.327,70 EUR betrug, läge der aus dem Erwerbsvorgang lukrierte Vermögensvorteil des Antragstellers. Demgemäß hat er sich - für den Fall, dass er mit seinem Notwegebegehren scheiterte, - mit dem Mangel eines für eine wirtschaftliche Bauführung ausreichenden Zufahrtswegs abgefunden; zudem wäre es ihm im Zusammenhang mit dem Liegenschaftserwerb durchaus zumutbar gewesen, zur Abwendung der drohenden höheren Baukosten an die Antragsgegnerin mit einem für sie interessanten Angebot zur Ablösung der für ihn erforderlichen Grundfläche heranzutreten, dem sie gegebenenfalls nicht widerstanden hätte. Ein solches Angebot hätte er ohne weiteres aus dem beim Erwerb der Liegenschaft lukrierten Vermögensvorteil finanzieren können. Der unter 2. erörterte Zweck des Notwegegesetzes umfasst nicht auch das Interesse des Erwerbers einer - wegen dessen Bauvorhabens - einer breiteren Zufahrt bedürftigen Liegenschaft an der Erhaltung eines beim Erwerb erzielten Vermögensvorteils.

4. Der erkennende Senat vermag im Licht des eingangs referierten Kernsachverhalts und aller bisherigen Erwägungen nicht zu erkennen, dass dem Rekursgericht bei der Anwendung der - im angefochtenen Beschluss richtig wiedergegebenen - Leitlinien der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs auf die Umstände dieses Falls eine krasse Fehlbeurteilung als Voraussetzung der Zulässigkeit des Revisionsrekurses unterlaufen sein könnte. Das Rechtsmittel ist somit mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 14 Abs 1 AußStrG, von deren Lösung die Entscheidung abhinge, zurückzuweisen.4. Der erkennende Senat vermag im Licht des eingangs referierten Kernsachverhalts und aller bisherigen Erwägungen nicht zu erkennen, dass dem Rekursgericht bei der Anwendung der - im angefochtenen Beschluss richtig wiedergegebenen - Leitlinien der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs auf die Umstände dieses Falls eine krasse Fehlbeurteilung als Voraussetzung der Zulässigkeit des Revisionsrekurses unterlaufen sein könnte. Das Rechtsmittel ist somit mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 14 Absatz eins, AußStrG, von deren Lösung die Entscheidung abhinge, zurückzuweisen.

5. Der gemäß § 3 RATG als Kostenbemessungsgrundlage maßgebende Wert des Gegenstands, auf den sich die Leistung bezieht, wurde in der Verhandlungstagsatzung vom 8. 11. 2000 mit ATS 30.000 (= 2.180.19 EUR) bewertet (ON 15 S. 1). Auf dieser Basis sind der Antragsgegnerin, die auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses des Antragstellers hinwies, die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung gemäß § 25 NWG (RIS-Justiz RS0071351) zuzuerkennen. Nicht maßgebend ist insoweit der Bewertungsausspruch des Rekursgerichts, auf den die Antragsgegnerin ihr Kostenverzeichnis stützte.5. Der gemäß Paragraph 3, RATG als Kostenbemessungsgrundlage maßgebende Wert des Gegenstands, auf den sich die Leistung bezieht, wurde in der Verhandlungstagsatzung vom 8. 11. 2000 mit ATS 30.000 (= 2.180.19 EUR) bewertet (ON 15 S. 1). Auf dieser Basis sind der Antragsgegnerin, die auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses des Antragstellers hinwies, die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung gemäß § 25 NWG (RIS-Justiz RS0071351) zuzuerkennen. Nicht maßgebend ist insoweit der Bewertungsausspruch des Rekursgerichts, auf den die Antragsgegnerin ihr Kostenverzeichnis stützte.

Textnummer

E74044

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2004:0010OB00134.04V.0701.000

Im RIS seit

31.07.2004

Zuletzt aktualisiert am

13.01.2011
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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