TE OGH 2004/7/6 6Bs272/04

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Veröffentlicht am 06.07.2004
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Kopf

Beschluss

Das Oberlandesgericht Innsbruck hat durch seinen 6. Senat in der Strafsache gegen Christian Wolfgang H ***** wegen des Verbrechens des sexuellen Missbrauches von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB und des Vergehens des Missbrauches eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 StGB über die Beschwerde des Genannten gegen den Beschluss des Landesgerichtes Innsbruck vom 3.6.2004, GZl. 24 Hv 62/02k-48, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:Das Oberlandesgericht Innsbruck hat durch seinen 6. Senat in der Strafsache gegen Christian Wolfgang H ***** wegen des Verbrechens des sexuellen Missbrauches von Unmündigen nach Paragraph 207, Absatz eins, StGB und des Vergehens des Missbrauches eines Autoritätsverhältnisses nach Paragraph 212, Absatz eins, StGB über die Beschwerde des Genannten gegen den Beschluss des Landesgerichtes Innsbruck vom 3.6.2004, GZl. 24 Hv 62/02k-48, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:

Spruch

Gemäß § 15 StPO wird der vorgenannte Beschluss a u f g e h o b e n und dem Erstrichter aufgetragen, dem Verteidiger die Akteneinsicht in die Bild- und Tonaufnahmen der nach § 162a StPO erfolgten Einvernahmen durch Anfertigung und Ausfolgung einer Kopie der Videokassette zu ermöglichen.Gemäß Paragraph 15, StPO wird der vorgenannte Beschluss a u f g e h o b e n und dem Erstrichter aufgetragen, dem Verteidiger die Akteneinsicht in die Bild- und Tonaufnahmen der nach Paragraph 162 a, StPO erfolgten Einvernahmen durch Anfertigung und Ausfolgung einer Kopie der Videokassette zu ermöglichen.

Der Einschreiter wird mit seiner (unzulässigen) Beschwerde auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Begründung:

Mit Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 3.10.2003, 24 Hv 62/02k-45, wurde Christian Wolfgang H***** des Verbrechens des sexuellen Missbrauches von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB und Vergehens des Missbrauches eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 StGB schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe von 20 Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil meldete der Verteidiger rechtzeitig Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung an. In der Hauptverhandlung hatte der Vorsitzende bekanntgegeben, dass für die Entscheidung des Kollegialgerichtes “nur die Video-Protokollierung der beiden Vernehmungen” herangezogen werde. Während der Frist zur Ausführung des Rechtsmittels stellte der Verteidiger den Antrag auf Herstellung von Videokopien der kontradiktorischen Einvernahme des Zeugen Friedrich S***** mit dem Hinweis, dass ausschließlich die Videoaufzeichnung und nicht die protokollarische Übertragung dem Beweisverfahren zugrundegelegt worden sei, weshalb es sich um das entscheidende Beweismittel handle. Zur Ausführung des Rechtsmittels sei es unabdingbar, dass er über die Videokopie verfüge.Mit Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 3.10.2003, 24 Hv 62/02k-45, wurde Christian Wolfgang H***** des Verbrechens des sexuellen Missbrauches von Unmündigen nach Paragraph 207, Absatz eins, StGB und Vergehens des Missbrauches eines Autoritätsverhältnisses nach Paragraph 212, Absatz eins, StGB schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe von 20 Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil meldete der Verteidiger rechtzeitig Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung an. In der Hauptverhandlung hatte der Vorsitzende bekanntgegeben, dass für die Entscheidung des Kollegialgerichtes “nur die Video-Protokollierung der beiden Vernehmungen” herangezogen werde. Während der Frist zur Ausführung des Rechtsmittels stellte der Verteidiger den Antrag auf Herstellung von Videokopien der kontradiktorischen Einvernahme des Zeugen Friedrich S***** mit dem Hinweis, dass ausschließlich die Videoaufzeichnung und nicht die protokollarische Übertragung dem Beweisverfahren zugrundegelegt worden sei, weshalb es sich um das entscheidende Beweismittel handle. Zur Ausführung des Rechtsmittels sei es unabdingbar, dass er über die Videokopie verfüge.

Der Vorsitzende wies diesen Antrag mit der Begründung ab, dass die Herausgabe von Kopien von Bild- und Tonaufzeichnungen kontradiktorischer Vernehmungen gesetzlich nicht vorgesehen sei. Dem Verteidiger bleibe es unbenommen, bei Gericht in diese Aufzeichnung Einsicht zu nehmen.

Gegen diesen Beschluss erhob der Verteidiger rechtzeitig Beschwerde, in der er auf den Verstoß gegen das Prinzip der Durchführung eines fairen Verfahrens bzw auf eine umfangreiche deutsche Lehre und Rechtsprechung verwies, wonach er einen Anspruch auf Herstellung einer Kopie solcher Aufzeichnungen habe. Er begehrt die Feststellung der Gesetzesverletzung und die Abänderung des Beschlusses im Sinne des Ausfolgungsantrages.

Die Beschwerde ist zufolge der durch § 114 Abs 1 StPO vorgenommenen Rechtsmitteleinschränkung unzulässig.Die Beschwerde ist zufolge der durch Paragraph 114, Absatz eins, StPO vorgenommenen Rechtsmitteleinschränkung unzulässig.

Es besteht aber in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Oberstaatsanwaltschaft Innsbruck Anlass, aufsichtsbehördlich der Verletzung des Grundrechtes des “fair trial” gemäß Art. 6 MRK zu begegnen.Es besteht aber in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Oberstaatsanwaltschaft Innsbruck Anlass, aufsichtsbehördlich der Verletzung des Grundrechtes des “fair trial” gemäß Artikel 6, MRK zu begegnen.

Rechtliche Beurteilung

Das Recht auf Akteneinsicht ist in § 45 StPO geregelt, wobei dem Untersuchungsrichter lediglich vorbehalten bleibt, die in § 45 Abs 2 StPO genannten Aktenstücke von der Einsichtnahme auszunehmen. Nach dieser Bestimmung umfasst das Recht der Akteneinsicht auch die Ausfolgung (Übergabe) von Abschriften (Ablichtungen). Der Begriff “Abschriften” bzw “Ablichtungen” ist zeitgemäß auszulegen, sohin im Sinne der jeweils gegebenen technischen Möglichkeiten (Achammer, WK StPO, § 45 Rz 14).Das Recht auf Akteneinsicht ist in Paragraph 45, StPO geregelt, wobei dem Untersuchungsrichter lediglich vorbehalten bleibt, die in Paragraph 45, Absatz 2, StPO genannten Aktenstücke von der Einsichtnahme auszunehmen. Nach dieser Bestimmung umfasst das Recht der Akteneinsicht auch die Ausfolgung (Übergabe) von Abschriften (Ablichtungen). Der Begriff “Abschriften” bzw “Ablichtungen” ist zeitgemäß auszulegen, sohin im Sinne der jeweils gegebenen technischen Möglichkeiten (Achammer, WK StPO, Paragraph 45, Rz 14).

Die technischen Aufzeichnungen einer kontradiktorischen Vernehmung stellen im Verhältnis zu dem der Einsicht zugänglichen Akt nicht eine Beilage oder einen der Einsicht nicht zugänglichen Behelf dar, sondern ergänzen die zwingend vorgeschriebene Protokollierung nach §§ 101, 104 StPO. Sie garantieren im späteren Erkenntnisverfahren ein Mindestmaß an Unmittelbarkeit (ÖJZ-LSK 1999/94). Dies bedeutet, dass das Recht auf Einsicht in den Akt und auf Übergabe von Kopien auch diese im Rahmen der Vernehmung des § 162a StPO entstandenen Videoaufzeichnungen einschließt (Mayerhofer StPO5, § 162a Anm 13). Damit hat der Verteidiger aber das Recht, im Rahmen der Akteneinsicht eine Kopie der Videokassette ausgefolgt zu erhalten. Eine Verweigerung des Rechtes auf Akteneinsicht durch Übergabe von Kopien, die für die wirksame Rechtsdurchsetzung, insbesonders für die Erhebung von Rechtsmitteln unerlässlich sind, verstößt gegen Art. 6 MRK (Kerschner, Art. 6 MRK und Zivilrecht, JBl 1999/689, unter Berufung auf 6 Ob 148/98b = RdW 1999, 79). Diesem Grundsatz kommt allgemeine Bedeutung im Verfahrensrecht, sohin auch im Strafprozessrecht zu, sodass das Oberlandesgericht gehalten ist, aus Anlass der Beschwerde des Angeklagten dieser Verletzung des Grundrechtes auf “fair trial” nach Art. 6 MRK gemäß § 15 StPO durch Abänderung der Entscheidung zu begegnen.Die technischen Aufzeichnungen einer kontradiktorischen Vernehmung stellen im Verhältnis zu dem der Einsicht zugänglichen Akt nicht eine Beilage oder einen der Einsicht nicht zugänglichen Behelf dar, sondern ergänzen die zwingend vorgeschriebene Protokollierung nach Paragraphen 101,, 104 StPO. Sie garantieren im späteren Erkenntnisverfahren ein Mindestmaß an Unmittelbarkeit (ÖJZ-LSK 1999/94). Dies bedeutet, dass das Recht auf Einsicht in den Akt und auf Übergabe von Kopien auch diese im Rahmen der Vernehmung des Paragraph 162 a, StPO entstandenen Videoaufzeichnungen einschließt (Mayerhofer StPO5, Paragraph 162 a, Anmerkung 13). Damit hat der Verteidiger aber das Recht, im Rahmen der Akteneinsicht eine Kopie der Videokassette ausgefolgt zu erhalten. Eine Verweigerung des Rechtes auf Akteneinsicht durch Übergabe von Kopien, die für die wirksame Rechtsdurchsetzung, insbesonders für die Erhebung von Rechtsmitteln unerlässlich sind, verstößt gegen Artikel 6, MRK (Kerschner, Artikel 6, MRK und Zivilrecht, JBl 1999/689, unter Berufung auf 6 Ob 148/98b = RdW 1999, 79). Diesem Grundsatz kommt allgemeine Bedeutung im Verfahrensrecht, sohin auch im Strafprozessrecht zu, sodass das Oberlandesgericht gehalten ist, aus Anlass der Beschwerde des Angeklagten dieser Verletzung des Grundrechtes auf “fair trial” nach Artikel 6, MRK gemäß Paragraph 15, StPO durch Abänderung der Entscheidung zu begegnen.

Anmerkung

EI00130 6bs2724

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OLG0819:2004:0060BS00272.04.0706.000

Dokumentnummer

JJT_20040706_OLG0819_0060BS00272_0400000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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