TE OGH 2004/7/6 7Ob137/04d

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Veröffentlicht am 06.07.2004
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Karl G*****, vertreten durch Dr. Reinhold Kloiber und Dr. Ivo Burianek, Rechtsanwälte in Mödling, wider die beklagte Partei Dr. Reinhard G*****, vertreten durch Dr. Reinhard Armster, Rechtsanwalt in Maria Enzersdorf wegen Feststellung (Streitwert: EUR 36.340), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 30. Juli 2003, GZ 11 R 26/03d-15, folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).Die außerordentliche Revision wird gemäß Paragraph 508 a, Absatz 2, ZPO mangels der Voraussetzungen des Paragraph 502, Absatz eins, ZPO zurückgewiesen (Paragraph 510, Absatz 3, ZPO).

Text

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Seit der Entscheidung eines verstärkten Senats des Obersten Gerichtshofs vom 17. 10. 1995, 1 Ob 612/95 (SZ 68/195) wird in ständiger Rechtsprechung die Bindungswirkung eines verurteilenden strafgerichtlichen Erkenntnisses für das Zivilgericht bejaht. Jedenfalls besteht insoweit Bindung an das strafgerichtliche Erkenntnis, als in einem der strafgerichtlichen Verurteilung folgenden Zivilprozess davon auszugehen ist, dass die im Strafurteil festgestellte Tat tatsächlich vom Verurteilten begangen wurde und dass dessen tatsächliche Handlungen für die Schadensfolge kausal waren (RIS-Justiz RS0113561). Dem Zivilrichter ist es verwehrt, vom Strafurteil abweichende Feststellungen über den Nachweis der strafbaren Handlung (hier: eine nicht lege artis durchgeführte Gallenblasenoperation, die zu zwei schweren Folgeoperationen führte), ihre Zurechnung und den Kausalzusammenhang zwischen der strafbaren Handlung und ihren Folgen zu treffen (EvBl 2000/190 = ZVR 2001/4 = RIS-Justiz RS0074219 [T13]; RS0113561; zuletzt: 10 Ob 50/03f). Diese Bindung des Zivilgerichtes an verurteilende strafgerichtliche Erkenntnisse wird durch deren materielle Rechtskraft bewirkt und besteht solange das strafgerichtliche Erkenntnis nicht beseitigt ist (RIS-Justiz RS0074219; insb 7 Ob 183/02s mwN).

Nach diesen Grundsätzen kann es - entgegen dem Standpunkt des Revisionswerbers - nicht darauf ankommen, ob der rechtskräftig strafgerichtlich verurteilte, nunmehr auch zivilrechtlich beklagte Arzt haftpflichtversichert ist, und ob das Strafurteil - wie er meint - "schon auf den ersten Blick" wegen der (in der Klagebeantwortung und der Berufung aufgezeigten) gravierenden Fehler der Strafgerichte "falsch sein muss". Insoweit sind daher keine erheblichen Rechtsfragen zu beantworten.

Es entspricht zwar auch stRsp, dass sich die Bindungswirkung des Strafurteils nicht auf den Haftpflichtversicherer, der im Strafprozess kein rechtliches Gehör hatte, erstreckt (SZ 69/131; RIS-Justiz RS0097968), und dass für den Bereich der Kfz-Haftpflichtversicherung auch keine Bindung an die strafgerichtliche Verurteilung des versicherten Lenkers besteht (2 Ob 337/00y; SZ 71/66 [mwN aus der Rsp und dem diese einhellig billigenden Schrifttum]).

Für den vorliegenden Fall ist daraus jedoch nichts zu gewinnen, weil sich diese Rsp auf den Grundgedanken des § 24 KHVG 1987 (nunmehr § 28 KHVG 1994) stützt, wonach ein auf denselben Sachverhalt gegründeter Schadenersatzanspruch gegenüber dem Versicherten und dem Versicherer einheitlich beurteilt werden soll, soweit und solange dies möglich ist (RIS-Justiz RS0110240; zuletzt: 2 Ob 320/02a). Hier kann der in § 28 KHVG 1994 (früher: § 24 KHVG 1987) normierten Rechtskrafterstreckung aber - anders als in den Fällen, die der zit Rsp zugrunde liegen - schon mangels Anwendbarkeit leg cit keine Bedeutung zukommen; damit können einander bei der Beurteilung des Schadenersatzanspruches gegen den versicherten Schädiger auch nicht die Bindungswirkung des rechtskräftigen Strafurteils einerseits und die Rechtskrafterstreckung eines das Klagebegehren abweisenden Urteils nach leg cit andererseits gegenüberstehen (wobei [nach der zit Rsp] letzterer gegenüber ersterer der Vorzug zu geben wäre, weil die ausdrückliche gesetzliche Regelung der bloß aus allgemeinen verfahrensrechtlichen Grundsätzen ableitbaren Bindungswirkung vorgehen muss [vgl dazu: SZ 71/66 mwN]).Für den vorliegenden Fall ist daraus jedoch nichts zu gewinnen, weil sich diese Rsp auf den Grundgedanken des Paragraph 24, KHVG 1987 (nunmehr Paragraph 28, KHVG 1994) stützt, wonach ein auf denselben Sachverhalt gegründeter Schadenersatzanspruch gegenüber dem Versicherten und dem Versicherer einheitlich beurteilt werden soll, soweit und solange dies möglich ist (RIS-Justiz RS0110240; zuletzt: 2 Ob 320/02a). Hier kann der in Paragraph 28, KHVG 1994 (früher: Paragraph 24, KHVG 1987) normierten Rechtskrafterstreckung aber - anders als in den Fällen, die der zit Rsp zugrunde liegen - schon mangels Anwendbarkeit leg cit keine Bedeutung zukommen; damit können einander bei der Beurteilung des Schadenersatzanspruches gegen den versicherten Schädiger auch nicht die Bindungswirkung des rechtskräftigen Strafurteils einerseits und die Rechtskrafterstreckung eines das Klagebegehren abweisenden Urteils nach leg cit andererseits gegenüberstehen (wobei [nach der zit Rsp] letzterer gegenüber ersterer der Vorzug zu geben wäre, weil die ausdrückliche gesetzliche Regelung der bloß aus allgemeinen verfahrensrechtlichen Grundsätzen ableitbaren Bindungswirkung vorgehen muss [vgl dazu: SZ 71/66 mwN]).

Somit fehlt der vom Revisionswerber geforderten "ganz allgemeinen" Übertragung dieser Rsp (über die "abgelehnte Bindung für den [Kfz-]Haftpflichtversicherer und den rechtskräftig verurteilten Lenker") auf den vorliegenden Sachverhalt schon deshalb die Grundlage, weil "die sich aus § 24 KHVG 1987 [§ 28 KHVG 1994] ergebenden Besonderheiten" - mangels Anwendbarkeit leg cit auch auf diese Fallgestaltung (ärztlicher Kunstfehler) - hier ebenfalls "nicht zu berücksichtigen waren" (vgl RIS-Justiz RS0110240 letzter Satz [zur Fallgestaltung: Fußballfoul]).Somit fehlt der vom Revisionswerber geforderten "ganz allgemeinen" Übertragung dieser Rsp (über die "abgelehnte Bindung für den [Kfz-]Haftpflichtversicherer und den rechtskräftig verurteilten Lenker") auf den vorliegenden Sachverhalt schon deshalb die Grundlage, weil "die sich aus Paragraph 24, KHVG 1987 [§ 28 KHVG 1994] ergebenden Besonderheiten" - mangels Anwendbarkeit leg cit auch auf diese Fallgestaltung (ärztlicher Kunstfehler) - hier ebenfalls "nicht zu berücksichtigen waren" vergleiche RIS-Justiz RS0110240 letzter Satz [zur Fallgestaltung: Fußballfoul]).

Nach den eingangs dargelegten Grundsätzen ist vielmehr iSd stRsp zwingend davon auszugehen, dass der Kläger die Tat, deretwegen er (rechtskräftig) verurteilt wurde, begangen hat, und dass der Schuldspruch in allen seinen Teilen dieser Rechtskraft teilhaft wurde, also nicht bloß in der Feststellung der strafbaren Handlung nach deren objektiven Merkmalen, sondern auch in der Feststellung der konkreten Sachverhaltselemente und in der Subsumtion unter einen bestimmten Tatbestand (RIS-Justiz RS0074219 [T6 und T15], zuletzt: 7 Ob 180/02z mwN). Diese Wirkung der materiellen Rechtskraft des Schuldspruches könnte nur durch eine erfolgreiche Wiederaufnahme beseitigt werden (RIS-Justiz RS0112232 [T2]).

Die zuletzt behauptete Abweichung von der Rsp des Obersten Gerichtshofes zum angeblich fehlenden Feststellungsinteresse ist ebenfalls nicht zu erkennen:

Lehre und Rechtsprechung bejahen ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung dann, wenn ein aktueller Anlass zur präventiven Klärung des strittigen Rechtsverhältnisses besteht, was insbesondere dann der Fall ist, wenn das Rechtsverhältnis durch eine ernsthafte Unsicherheit gefährdet erscheint, etwa wenn der Beklagte - wie hier - ein Recht des Klägers hartnäckig bestreitet (RIS-Justiz RS0039007 [T5] = 6 Ob 335/00h mwN). Die Feststellungsklage dient aber nicht nur dem Ausschluss der Gefahr der Anspruchsverjährung, sondern auch der Vermeidung späterer Beweisschwierigkeiten und der Klarstellung der Haftungsfrage (RIS-Justiz RS0038976). Sie soll vorbeugenden Rechtsschutz gewähren und ist daher immer schon dann zulässig, wenn aufgrund des Verhaltens des Beklagten eine erhebliche objektive Ungewissheit über den Bestand des Rechts entstanden ist und diese Ungewissheit durch die Rechtskraftwirkung des Feststellungsurteils beseitigt werden kann (9 Ob 53/03i mwN). Wie auch der erkennende Senat dazu erst jüngst (E v 16. 6. 2004, 7 Ob 120/04d mwN) bekräftigt hat, sind Klagen auf Feststellung der Ersatzpflicht für künftige Schäden nach jüngerer Rechtsprechung selbst dann zulässig, wenn noch gar kein feststellbarer Schaden eingetreten ist und nur die Möglichkeit besteht, dass das schädigende Ereignis einen künftigen Schadenseintritt ermöglichen kann (RIS-Justiz RS0040838 [T8]). Dass bereits eingetretene Schäden mit Leistungsklage geltend zu machen sind, hindert die Feststellungsklage dann nicht, wenn durch den Leistungsanspruch der Feststellungsanspruch - auch wegen künftig eintretender Nachteile - nicht erschöpft ist (RIS-Justiz RS0038817 [T9]).

Soweit der Beklagte aber geltend macht, die Vorinstanzen hätten auf die krankheitsbedingte Anlage des Klägers noch weiter eingehen und auch die Quote, mit der der Beklagte zu haften habe feststellen müssen, entfernt er sich außerdem von der Tatsachengrundlage der angefochtenen Entscheidung; dieser ist nämlich ohnehin zu entnehmen, dass der im Einzelnen bezeichnete Kunstfehler des Beklagten (Seite 7 der Berufungsentscheidung) zu einer schweren Bauchfellentzündung, zur Verschlechterung der bereits vorbestehenden Pankreatitis [Anm:

Entzündung der Bauchspeicheldrüse] und damit zu zwei schweren Folgeoparationen, sohin zu an sich schweren Gesundheitsschädigungen des Klägers mit mehr als 24-tägiger Berufsunfähigkeit und Gesundheitsschädigung geführt hat. Alle künftigen Schäden aus dieser Fehlbehandlung sind - wie nunmehr feststeht - dem Beklagten zuzurechnen (vgl EvBl 2000/190 = ZVR 2001/4 [hinsichtlich der Zurechnung von Krankheitserscheinungen, die durch einen Unfall nur deshalb ausgelöst werden, weil die Anlage zur Krankheit beim Verletzten bereits vorhanden war]).Entzündung der Bauchspeicheldrüse] und damit zu zwei schweren Folgeoparationen, sohin zu an sich schweren Gesundheitsschädigungen des Klägers mit mehr als 24-tägiger Berufsunfähigkeit und Gesundheitsschädigung geführt hat. Alle künftigen Schäden aus dieser Fehlbehandlung sind - wie nunmehr feststeht - dem Beklagten zuzurechnen vergleiche EvBl 2000/190 = ZVR 2001/4 [hinsichtlich der Zurechnung von Krankheitserscheinungen, die durch einen Unfall nur deshalb ausgelöst werden, weil die Anlage zur Krankheit beim Verletzten bereits vorhanden war]).

Die außerordentliche Revision ist somit mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage unzulässig.

Anmerkung

E74081 7Ob137.04d

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2004:0070OB00137.04D.0706.000

Dokumentnummer

JJT_20040706_OGH0002_0070OB00137_04D0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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