TE Vwgh Erkenntnis 2007/6/20 2006/19/0229

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Veröffentlicht am 20.06.2007
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1997 §15;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höß sowie den Hofrat Mag. Nedwed, die Hofrätin Dr. Pollak und die Hofräte Dr. N. Bachler und MMag. Maislinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. S. Giendl, über die Beschwerde des G, vertreten durch Mag. Josef Phillip Bischof, Mag. Wilfried Embacher, Mag. Dr. Roland Kier und Univ. Prof. Dr. Richard Soyer, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Kärntner Ring 6, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenats vom 17. Oktober 2005, Zl. 225.305/0-IV/11/01, betreffend §§ 7 und 15 Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Afghanistans und Hazara, beantragte am 6. August 2001 Asyl und wurde dazu am selben Tag vor dem Bundesasylamt vernommen. Bei dieser Gelegenheit wurde die Identität seines Vaters mit "HASHEMI Ramezan, erschossen 1998 (Taliban)" protokolliert. Nach einer weiteren Einvernahme am 23. Oktober 2001 wies das Bundesasylamt den Asylantrag mit Bescheid vom 9. November 2001 gemäß § 7 Asylgesetz (AsylG) ab (Spruchpunkt I) und erklärte die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan für nicht zulässig (Spruchpunkt II).

Gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides richtete sich die mit Schriftsatz vom 4. Februar 2005 ergänzte Berufung, in der der Beschwerdeführer unter anderem vorbrachte, sein Vater sei "Alaqedar" (Gemeindevorsteher) des Dorfes Sar-e-Jai, Gemeinde Nourak, Distrikt Jaghori, Provinz Ghazni, gewesen.

Mit Schriftsatz vom 19. Mai 2005 erhob der Beschwerdeführer Berufung gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 4. Mai 2005, mit dem seine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 15 AsylG um ein weiteres Jahr, nicht aber seinem Antrag entsprechend um fünf Jahre, verlängert worden war.

Über diese Berufungen verhandelte die belangte Behörde am 18. Mai 2005 und am 11. Oktober 2005 in Anwesenheit des Sachverständigen Dr. Rasuly, der zwischen den beiden Verhandlungen in Afghanistan Nachforschungen angestellt und deren Ergebnis in einem "Gutachten zum Vater des BW, Babai Ghader Ali" vom 11. September 2005 der belangten Behörde vorgelegt hatte. Darin wurde u.a. festgehalten, dass "Ramazan Hashemi, 'der Vater des BW', ... aus dem Dorf Toghluq" stamme, "am Leben" sei und die Bevölkerung nicht habe bestätigen können, dass er je "den offiziellen Titel Alaqadar (Sub-Distriktsleiter)" getragen habe. Beim zweiten Verhandlungstermin gab der Beschwerdeführer auf diesbezügliche Frage des Verhandlungsleiters zunächst an, sein Vater heiße Ramasan Babai; im Rahmen der darauf folgenden Erörterung des "Gutachtens" brachte der Beschwerdeführer vor, er wisse nicht, wie der Name Hashemi in die Niederschrift des Bundesasylamtes gekommen sei, da sein Vater Ramasan Babai heiße und aus Nourak stamme.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufungen gemäß § 7 AsylG (Spruchpunkt 1.) und § 66 Abs. 4 AVG (Spruchpunkt 2.) ab.

Dagegen wendet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

1. Die belangte Behörde legte ihrer Entscheidung, in der in einer ausführlichen Beweiswürdigung dem Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers (mit Auswirkung für beide Spruchpunkte des angefochtenen Bescheides) die Glaubwürdigkeit abgesprochen wurde, vor allem auch das "Gutachten" des Sachverständigen zugrunde. Die Möglichkeit¸ dass es bei den Nachforschungen des Sachverständigen in Afghanistan zu einer Verwechslung betreffend den Vater des Beschwerdeführers gekommen sein könnte (was der Sachverständige in der Verhandlung nicht ausgeschlossen hatte), wurde jedoch nicht thematisiert. Insbesondere wurde in dem Bescheid auch nicht dargelegt, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers, sein Vater heiße nicht Ramasan Hashemi sondern Ramasan Babai und er stamme aus Nourak (nicht aus Toghluq), unglaubwürdig gewesen sei. Der angefochtene Bescheid leidet somit an einem Begründungsmangel, bei dessen Vermeidung die belangte Behörde möglicherweise zu einem für den Beschwerdeführer günstigen Bescheid hätte kommen können.

Betreffend die Abweisung zu Spruchpunkt 2. wird überdies auf das hg. Erkenntnis vom 17. Oktober 2006, Zl. 2005/20/0459, verwiesen, wonach das Ausmaß der Befristung einer Aufenthaltsberechtigung nach § 15 AsylG eine prognostische Einschätzung der weiteren absehbaren Entwicklung der Verhältnisse im jeweiligen Herkunftsstaat voraussetzt. Das Fehlen einer derartigen Einschätzung auf der Basis von Feststellungen zur allgemeinen Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan stellt einen weiteren Begründungsmangel dar.

2. Der angefochtene Bescheid war daher in beiden Spruchpunkten gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

3. Von der Durchführung der beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.

4. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 20. Juni 2007

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2006190229.X00

Im RIS seit

27.07.2007
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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