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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AsylG 1997 §7;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höß und den Hofrat Mag. Nedwed, die Hofrätin Dr. Pollak sowie die Hofräte Dr. N. Bachler und MMag. Maislinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. S. Giendl, über die Beschwerde des T, vertreten durch Mag. Peter Vogl, Rechtsanwalt in 4910 Ried im Innkreis, Claudistraße 5, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 13. Juli 2004, Zl. 248.931/0-VI/17/04, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einer Asylangelegenheit (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein georgischer Staatsangehöriger, gelangte am 1. November 2003 in das Bundesgebiet und stellte am 26. November 2003 einen Asylantrag.
Bei seiner Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 3. Dezember 2003 führte der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen zusammengefasst aus, er werde in Georgien aus rassischen Gründen verfolgt. Er gehöre der Volksgruppe der Abchasen an und sei schon 1992 als Kind aus Georgien geflohen. Er habe dann in der Russischen Föderation und anschließend in der Ukraine gelebt. Sein Vater sei 1993 als abchasischer Freiheitskämpfer gefallen. Bei einer Rückkehr nach Georgien würden er und seine Familie des Landesverrates bezichtigt werden, sollte man in Georgien in Erfahrung bringen, dass sein Vater als abchasischer Freiheitskämpfer gefallen sei.
Das Bundesasylamt wies den Asylantrag des Beschwerdeführers mit Bescheid vom 25. März 2004 gemäß § 7 Asylgesetz 1997 (AsylG) ab und sprach gemäß § 8 AsylG aus, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Georgien zulässig sei.
Begründend führte das Bundesasylamt aus, dass die Angaben des Beschwerdeführers zu seinem Fluchtgrund nicht glaubwürdig seien.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 6. April 2004 Berufung mit folgendem Inhalt:
"Ich möchte Berufung gegen den Bescheid 0336.448-BAT einbringen."
Mit Schreiben vom 13. Mai 2004 forderte die belangte Behörde den Beschwerdeführer zur Verbesserung seiner Berufung in Form der Nachreichung einer Berufungsbegründung innerhalb einer zweiwöchigen Frist nach Zustellung des Verbesserungsauftrages auf. Diese Aufforderung enthielt den Hinweis, dass bei Nichtbehebung des Mangels die Berufung als unzulässig zurückgewiesen werde.
In der Folge brachte der Beschwerdeführer bei der belangten Behörde und beim Bundesasylamt fristgerecht gleich lautende und in georgischer Sprache eigenhändig geschriebene Berufungsergänzungen mit nachstehendem Inhalt ein:
"Ich bitte Sie, mein Ansuchen um Asyl nochmals zu bearbeiten. Ich kann nicht nach Georgien zurückgehen, weil mein Leben in Gefahr ist. Ich werde verfolgt."
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 13. Juli 2004 wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 25. März 2004 gemäß "§ 13 Abs. 3 i. V.m. § 63 Abs. 3 AVG" als unzulässig zurück.
Begründend führte die belangte Behörde aus, dass der Berufung und dem auf Grund des Verbesserungsauftrags eingebrachten Schreiben des Beschwerdeführers nicht einmal eine Andeutung darüber zu entnehmen sei, worin die Unrichtigkeit des bekämpften Bescheides des Bundesasylamtes vom 25. März 2004 gelegen sein sollte; damit fehle es an einem begründeten Berufungsantrag. Der Beschwerdeführer sei somit dem Verbesserungsauftrag nicht nachgekommen. Das Vorbringen des Beschwerdeführers in seinem ergänzenden Schreiben reiche wohl nur zur Einbringung eines Asylantrages. Einer "mit einer Begründung versehenen Replik auf einen erstinstanzlichen Bescheid" werde es jedoch nicht gerecht.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Nach § 63 Abs. 3 AVG hat die Berufung den Bescheid zu bezeichnen, gegen den sie sich richtet, und einen begründeten Berufungsantrag zu enthalten.
Ein begründeter Berufungsantrag setzt voraus, dass die Berufung erkennen lässt, was die Partei anstrebt und womit sie ihren Standpunkt vertreten zu können glaubt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 11. Oktober 2000, Zl. 99/01/0130, mwN). Zutreffend ist die belangte Behörde zunächst davon ausgegangen, dass die Berufung vom 6. April 2004 die Voraussetzungen eines begründeten Berufungsantrages im Sinne des § 63 Abs. 3 AVG nicht erfüllte.
Entgegen der Ansicht der belangten Behörde kann den Berufungsergänzungen des Beschwerdeführers aber entnommen werden, worin er die Unrichtigkeit des erstinstanzlichen Bescheides erblickte. Trotz der knappen Formulierung lässt sich nämlich aus der Behauptung des Beschwerdeführers, eine Rückkehr nach Georgien wäre auf Grund seiner Verfolgung mit Gefahr für sein Leben verbunden, ableiten, dass er erkennbar die Beweiswürdigung des Bundesasylamtes, das seinen Ausführungen in erster Instanz keinen Glauben schenkte, als unrichtig bekämpfte. Implizit wurde damit durch den Beschwerdeführer auch zum Ausdruck gebracht, dass das Bundesasylamt in erster Instanz seine Flucht- und Refoulementgründe unrichtig beurteilt hat. Die belangte Behörde wäre daher verhalten gewesen, vom Vorliegen eines begründeten Berufungsantrages auszugehen und eine Sachentscheidung zu treffen (vgl. zu vergleichbaren Fallkonstellationen bereits die hg. Erkenntnisse vom 16. Dezember 1993, Zl. 93/01/0782, vom 21. Juni 1994, Zl. 94/20/0133, vom 10. Oktober 1994, Zl. 94/20/0285, und vom 15. März 1995, Zl. 94/01/0017).
Da es die belangte Behörde in Verkennung der Rechtslage unterlassen hat, eine Sachentscheidung zu treffen und stattdessen mit einer Zurückweisung der Berufung vorgegangen ist, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 20. Juni 2007
Schlagworte
Individuelle Normen und Parteienrechte Auslegung von Bescheiden und von Parteierklärungen VwRallg9/1 Inhalt der Berufungsentscheidung Voraussetzungen der meritorischen Erledigung Zurückweisung (siehe auch §63 Abs1, 3 und 5 AVG) Rechtliche Wertung fehlerhafter Berufungsentscheidungen Rechtsverletzung durch solche EntscheidungenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2006190278.X00Im RIS seit
27.07.2007