TE Vfgh Erkenntnis 2002/11/25 G293/02

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Veröffentlicht am 25.11.2002
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Index

60 Arbeitsrecht
60/02 Arbeitnehmerschutz

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art140 Abs3
KarenzgeldG §1
KarenzgeldG §14
VfGG §62 Abs1 erster Satz

Leitsatz

Keine sachliche Rechtfertigung des Ausschlusses männlicher Personen vom Bezug einer Teilzeitbeihilfe auch im Karenzgeldgesetz unter Hinweis auf die Vorjudikatur

Spruch

Das Wort "Mütter" in §1 Z2 sowie in der Überschriftsbezeichnung zu Abschnitt 3 Karenzgeldgesetz (KGG), BGBl. I Nr. 47/1997, und §14 Abs1 KGG, BGBl. I Nr. 47/1997 idF BGBl. I Nr. 153/1999, werden als verfassungswidrig aufgehoben.

Die Aufhebung tritt mit Ablauf des 30. Juni 2003 in Kraft.

Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Wirksamkeit.

Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt I verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Das Oberlandesgericht Innsbruck begehrt mit Antrag vom 28.8.2002 die Aufhebung folgender Wortfolgen im

"Karenzgeldgesetz, ArtI des BG BGBl I 1997/47 idF des Art6 des ASRÄG 1997 BGBl I 1997/139, des Art2 des BG BGBl I 1998/6, des Art23 des GAFB BGBl I 1998/30, des Art3 des BG BGBl I 1998/148, des Art3 des BG BGBl I 1999/153, des BG BGBl I 1999/174, des BG BGBl I 2000/142 und des BG BGBl I 2001/103"

als verfassungswidrig:

"1.)

in §1 Z2 die Wortfolge 'Mütter';

2.)

in der Überschriftbezeichnung zu Abschnitt 3 die Wortfolge 'Mütter';

              3.)              die Bestimmung des §14 Abs1 KGG zur Gänze".

2. Begründend führt das OLG aus, daß es über den Anspruch eines Mannes auf Teilzeitbeihilfe nach dem KGG entscheiden müsse; der Antrag des Klägers auf Gewährung von Teilzeitbeihilfe sei von der Tiroler Gebietskrankenkasse sowie dem Erstgericht verneint worden, da ein solcher Anspruch nur Müttern zustehe.

3. Gegen die Beschränkung der Gewährung der Teilzeitbeihilfe auf Mütter hegt das anfechtende OLG folgende Bedenken:

"... Im zuvor erwähnten Erkenntnis [Anm.: VfSlg. 15.054/1997], aber auch im Erkenntnis vom 4.10.2000, GZ G71/00, hat der Verfassungsgerichtshof zu den vergleichbaren Bestimmungen der §§1, 4a Betriebshilfegesetz und §§102 Abs5, 102b Abs1 GSVG die Rechtsansicht vertreten, dass diese bekämpften Regelungen über die Teilzeitbeihilfe gleichheitswidrig seien, insoweit sie männliche Personen vom Bezug der Teilzeitbeihilfe ausschließen.

Diese Überlegungen des Verfassungsgerichtshofes, wonach eine sachlich nicht gerechtfertigte Differenzierung zu Lasten von männlichen Personen vorläge, sind auch auf die vom Berufungsgericht in Zweifel gezogenen Bestimmungen zu übertragen. Insbesondere ist für das Berufungsgericht nicht ersichtlich, inwieweit eine dem Art7 Abs1 B-VG entsprechende, sachliche Rechtfertigung dafür vorhanden sein soll, dass nur und ausschließlich unselbständig erwerbstätige Mütter in den Genuss der Teilzeitbeihilfe kommen sollen. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang darauf, dass nach den Bestimmungen des KGG das Karenzgeld sowohl der Mutter (vgl §2) als auch dem Vater (vgl §5) bei Vorliegen der entsprechenden gesetzlichen Voraussetzungen zu gewähren ist. In §10 KGG wird gleichfalls wiederum auf den Anspruch von Müttern und Vätern Rücksicht genommen sowie auch in §12 KGG auf beide Elternteile Bezug genommen wird.

... Ausgehend von diesen Überlegungen erscheint es dem Berufungsgericht auch nicht möglich, in verfassungskonformer Auslegung Ansprüche von Vätern dem §14 Abs1 KGG zu unterstellen. Die Gesetzesauslegung hat mit der Erforschung des Wortsinnes der Norm zu beginnen und innerhalb des durch den äußerst möglichen Wortsinn abgesteckten Rahmens nach der Bedeutung eines Ausdruckes im allgemeinen Sprachgebrauch oder dem des Gesetzgebers und in seinem Zusammenhang innerhalb der getroffenen Regelung zu fragen. Maßgebend ist also der sich in erster Linie aus dem Wortlaut ergebende objektive Sinngehalt einer Bestimmung. Auch eine weite Auslegung muss am äußersten Wortsinn der anzuwendenden Bestimmung ihre Grenze finden, die auch mit den sonstigen Interpretationsmethoden nicht überschritten werden darf. Dadurch ist die Grenze zwischen Wortinterpretation und ergänzender Rechtsfortbildung gezogen, welche den Gerichten nicht zusteht (vgl. die Belegstellen in Anm E 9 bis 10c zu §6 ABGB in MGA-ABGB 35. Auflage). Der im Gesetz erwähnte Begriff 'Mütter' bzw. 'Frau' ist derart eindeutig, dass er ohne Überschreitung der zuvor dargestellten Grenzen der Auslegung nicht anders als nach dem reinen Wortsinn interpretiert werden kann, wofür auch die im KGG selbst getroffenen Differenzierungen sprechen.

Zumal die Teilzeitbeihilfe, welche im Zuge des KUEG eingeführt wurde, eine Karenzgeldersatzleistung darstellt (vgl hiezu Dirschmied, KGG, 98), ist nicht ersichtlich, warum damit einerseits Karenzgeld beiden Elternteilen zustehen soll, nicht jedoch die Teilzeitbeihilfe als - wie dargestellt - Karenzgeldersatzleistung, wobei die Teilzeitbeihilfe im Wesentlichen die gleiche Funktion wie das Karenzgeld erfüllten soll (vgl. wiederum Dirschmied, aaO).

... Ausgehend davon ist das Berufungsgericht zusammenfassend der Meinung, dass die zitierten Bestimmungen dem in Art7 B-VG verankerten Differenzierungsverbot widersprechen, zumal - wie erwähnt - irgendwelche Gründe für die Ungleichbehandlung nach dem Geschlecht im Sinne einer sachlichen Rechtfertigung nicht erkennbar sind (vgl hiezu etwa Rill/Schäffer, Kommentar zum B-VG, RZ 32, 33 zu Art7 mwN).

Aufgrund dieser Überlegungen sieht sich demnach das Berufungsgericht verpflichtet, den aus dem Spruch ersichtlichen Aufhebungsantrag an den Verfassungsgerichtshof zu stellen."

4. Zum Anfechtungsumfang bringt das OLG Innsbruck folgendes vor:

"... Zur Formulierung des Anfechtungsantrages ist zu bemerken, dass die zu Punkt 1. und 2. thematisierten Begriffe aufgehoben werden könnten, ohne dass hiedurch eine andere Bedeutung der Bestimmung entstünde als jene, dass die Teilzeitbeihilfe generell für unselbständig Erwerbstätige zustünde, nämlich für Mütter und Väter. Anders verhält es sich mit der Bestimmung des §14 Abs1 KGG, die nur zur Gänze angefochten werden kann, um eine verfassungsmäßige Rechtslage herzustellen. Es würde nicht genügen, einzelne Wendungen oder Wortfolgen zu bekämpfen, deren Entfall die zitierte Bestimmung des §14 Abs1 KGG völlig sinnentleert machen würde. Würde die Bestimmung des §14 Abs1 KGG aufgehoben, sähe sich das Berufungsgericht im Übrigen in der Lage, in nunmehr möglicher Gesetzesauslegung einen Anspruch auf Teilzeitbeihilfe auch für unselbständig erwerbstätige Männer zu bejahen. Wenn nämlich in der aufrecht zu erhaltenden Bestimmung des §14 Abs2 bis 4 KGG mehrfach auf das Karenzgeld verwiesen wird, wäre in einem Umkehrschluss zu folgern, dass dann, wenn ein Karenzgeld mangels Anwartschaft nicht zusteht, eben die Teilzeitbeihilfe zu gewähren wäre. Abschließend meint also das Berufungsgericht, dass es sich an der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes orientiert hat, wonach der Umfang der zu prüfenden und im Fall der Rechtswidrigkeit aufzuhebenden Bestimmung derart abzugrenzen ist, dass einerseits nicht mehr aus dem Rechtsbestand ausgeschieden wird, als Voraussetzung für den Anlassfall ist, andererseits der verbleibende Teil keine Veränderung in seiner Bedeutung erfahren soll (vgl VfSlg 5.155/1977, 13.701/1994, 15.094/1997)."

II. Die Bundesregierung hat keine Äußerung erstattet; sie weist aber darauf hin, daß bei Aufhebung des gesamten §14 Abs1 KGG keine Zugangsvoraussetzungen für Teilzeitbeihilfe mehr bestünden, womit das Legalitätsgebot verletzt und die Vollziehbarkeit in Frage gestellt wäre. Für den Fall der Aufhebung stellt die Bundesregierung den Antrag, für das Außerkrafttreten eine Frist bis 30. Juni 2003 zu bestimmen, um "die notwendigen legistischen Vorkehrungen treffen zu können".

III. Die Rechtslage stellt sich folgendermaßen dar:

1. Mit BGBl. I Nr. 47/1997 wurde das Karenzgeldgesetz (im folgenden kurz: KGG) erlassen; als Karenzgeldleistungen waren nach §1 KGG vorgesehen:

"1.

das Karenzgeld;

2.

die Teilzeitbeihilfe für unselbständig erwerbstätige Mütter;

3.

der Zuschuß zum Karenzgeld oder zur Teilzeitbeihilfe;

4.

die Wiedereinstellungsbeihilfe."

Abschnitt 3 lautete:

"Teilzeitbeihilfe für unselbständig erwerbstätige Mütter

§14. (1) Anspruch auf Teilzeitbeihilfe haben Mütter, die mangels Erfüllung der Anwartschaft keinen Anspruch auf Karenzgeld haben, wenn infolge der Entbindung auf Grund eines Dienst(Ausbildungs-, Lehr-)verhältnisses ein Anspruch auf Wochengeld entstanden ist.

(2) Die Teilzeitbeihilfe gebührt in der halben Höhe des Karenzgeldes gemäß §7. Die §§2 Abs2 Z3, 10 Abs1 und 4 sowie 11 Abs1 gelten mit der Maßgabe, daß an die Stelle des Karenzgeldes die Teilzeitbeihilfe tritt.

(3) Die Teilzeitbeihilfe ruht während des Aufenthaltes im Ausland unter den gemäß §9 für das Karenzgeld geltenden Voraussetzungen.

(4) Bei der Beurteilung des Anspruches des Vaters auf Karenzgeld gemäß §5 steht die Teilzeitbeihilfe dem Anspruch der Mutter auf Karenzgeld gleich."

Das Gesetz ist mit 1.7.1997 in Kraft getreten und gilt für Ansprüche aufgrund von Geburten nach dem 30.6.1997.

2. Die Novellen BGBl. I Nr. 139/1997 und 6/1998 änderten weder §1 noch §14 KGG.

3. Mit der Novelle BGBl. I Nr. 30/1998 wurde §14 Abs1 KGG neu gefaßt; er lautete:

"(1) Anspruch auf Teilzeitbeihilfe haben Mütter, die mangels Erfüllung der Anwartschaft keinen Anspruch auf Karenzgeld haben, wenn infolge der Entbindung auf Grund eines Dienst(Ausbildungs-, Lehr-)verhältnisses ein Anspruch auf Wochengeld entstanden ist oder wegen Weiterzahlung der für Frauen im Ausbildungsdienst nach dem Heeresgebührengesetz 1992 (HGG 1992), BGBl. Nr. 422, vorgesehenen Bezüge kein solcher Anspruch entstanden ist."

§14 Abs1 KGG in dieser Fassung trat am 1.1.1998 in Kraft.

4. Die Novelle BGBl. I Nr. 148/1998 hatte für die hier angefochtenen Bestimmungen keine Auswirkungen; hingegen änderte die Novelle BGBl. I Nr. 153/1999 §14 Abs1 und Abs2 KGG; diese lauten wie folgt:

"(1) Anspruch auf Teilzeitbeihilfe hat eine Frau, die mangels Erfüllung der Anwartschaft keinen Anspruch auf Karenzgeld hat, wenn infolge der Entbindung auf Grund eines Dienst-, freien Dienst-, Ausbildungs- oder Lehrverhältnisses ein Anspruch auf Wochengeld entstanden ist oder wegen Weiterzahlung der für Frauen im Ausbildungsdienst nach dem Heeresgebührengesetz 1992 (HGG 1992), BGBl. Nr. 422, vorgesehenen Bezüge kein solcher Anspruch entstanden ist.

(2) Die Teilzeitbeihilfe gebührt in der halben Höhe des Karenzgeldes gemäß §7. Die §§2 Abs2 Z3, 6, 10 Abs1 und 4 sowie 11 gelten mit der Maßgabe, daß an die Stelle des Karenzgeldes die Teilzeitbeihilfe und an die Stelle des vollen Karenzgeldbezuges der Teilzeitbeihilfebezug tritt."

§14 Abs1 und 2 KGG ist mit 1.1.2000 in Kraft getreten und gilt für Ansprüche auf Grund von Geburten nach dem 31.12.1999.

5. Die Novellen BGBl. I Nr. 174/1999 und 142/2000 haben die angefochtenen Bestimmungen nicht verändert; mit BGBl. I Nr. 103/2001 entfiel im §14 Abs3 KGG der Ausdruck "während des Aufenthaltes im Ausland" und es wurde dem §14 folgender Absatz 5 angefügt:

"(5) Für Ansprüche auf Grund von Geburten vom 1. Juli 2000 bis 31. Dezember 2001 gilt ab 1. Jänner 2002, dass abweichend von Abs2 die Teilzeitbeihilfe auf Antrag in der Höhe des Karenzgeldes gebührt, wenn kein Einkommen gemäß §8 KBGG erzielt wird, das den Grenzbetrag gemäß §2 Abs1 Z3 KBGG übersteigt."

§14 idF dieses Gesetzes ist am 1.1.2002 in Kraft getreten.

IV. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Zur Zulässigkeit:

1.1. Gemäß Art89 Abs2 B-VG hat ein zur Entscheidung in zweiter Instanz zuständiges Gericht, falls es gegen die Anwendung eines Gesetzes aus dem Grund der Verfassungswidrigkeit Bedenken hat, beim Verfassungsgerichtshof die Aufhebung dieses Gesetzes zu beantragen (vgl. auch Art140 Abs1 erster Satz B-VG).

Wie der Verfassungsgerichtshof mehrfach ausgesprochen hat, hält er sich nicht für berechtigt, bei der Prüfung der Frage, ob die Vorschrift, deren Verfassungswidrigkeit behauptet wird, für die Entscheidung des Gerichtes präjudiziell ist, das Gericht an eine bestimmte Auslegung zu binden und damit auf diese Art der gerichtlichen Entscheidung indirekt vorzugreifen. Ein Mangel der Präjudizialität liegt daher nur dann vor, wenn die zur Prüfung beantragte Bestimmung ganz offenbar und schon begrifflich überhaupt nicht - dh. denkunmöglich - als eine Voraussetzung des vom antragstellenden Gericht zu fällenden Urteils in Betracht kommen kann (vgl. VfSlg. 6278/1970 und die dort angeführte Rechtsprechung, ferner zB VfSlg. 7999/1977, 8136/1977, 8318/1978, 8871/1980, 9284/1981, 9811/1983, 9911/1983, 10.296/1984, 10.357/1985, 10.640/1985, 11.565/1987, 12.189/1989).

Im vorliegenden Fall ist nichts hervorgekommen, was an der Präjudizialität der zur Aufhebung beantragten Gesetzesstellen zweifeln ließe.

1.2. Das Gericht hat aber auch die angefochtenen Normen noch mit hinreichender Deutlichkeit bezeichnet:

Der Verfassungsgerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, daß (Gerichts-)Anträge nach Art140 B-VG das - nach Auffassung des antragstellenden Gerichtes verfassungswidrige - Gesetz, welches seinem "ganzen Inhalte" nach oder in "bestimmte(n) Stellen" (§62 Abs1 Satz 1 VfGG) angefochten wird, so präzise zu bezeichnen haben, daß nicht

offenbleibt, welche Gesetzesvorschriften nach Auffassung des Antragstellers tatsächlich der Aufhebung verfallen sollen (vgl. zB VfSlg. 12.062/1989).

Im vorliegenden Antrag werden die Gesetzesbestimmungen, deren Aufhebung beantragt wird, zwar mit allen zum KGG ergangenen Novellen und insofern undeutlich bezeichnet; allerdings gibt das antragstellende Gericht die zur Aufhebung beantragten Bestimmungen unter Pkt. 4.1. seines Antrags wörtlich wieder, woraus eindeutig ersichtlich ist, daß §14 Abs1 KGG in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 153/1999 Gegenstand der Anfechtung ist.

1.3. Der Antrag erweist sich somit insgesamt als zulässig.

2. In der Sache:

Das Bedenken des Oberlandesgerichtes Innsbruck erweist sich als zutreffend:

2.1. Der Verfassungsgerichtshof hat im Erkenntnis VfSlg. 15.054/1997 auf Antrag des Oberlandesgerichtes Wien das Wort "weibliche" in §1 Abs1 Betriebshilfegesetz, das Wort "weiblichen" in §1 Abs3 BHG und die Worte "die Mutter" in §4a Abs1 BHG aufgehoben. Er führte dazu aus, daß das Betriebshilfegesetz der Gruppe der nach §1 BHG anspruchsberechtigten Frauen durch die Gewährung einer Geldleistung in Gestalt der Teilzeitbeihilfe, die in der Höhe des halben Karenzurlaubsgeldes nach dem AlVG gebührte, für einen Zeitraum von maximal zwei Jahren die Unterbrechung ihrer Berufstätigkeit zum Zwecke der Betreuung des Kindes erleichtere, aber alle Personen männlichen Geschlechts vom Bezug dieser Teilzeitbeihilfe ausschließe, ohne daß dafür ein sachlicher Grund erkennbar sei. Der Verfassungsgerichtshof bekräftigte diese Rechtsansicht im Erkenntnis vom 4.10.2000, G71/00 (VfSlg. 15.961/2000), worin er die Nachfolgebestimmungen des BHG im GSVG, die ebenfalls Personen männlichen Geschlechts von der dort normierten Teilzeitbeihilfe ausschlossen, aufhob.

2.2. Ebenso verhält es sich mit der im KGG geregelten Teilzeitbeihilfe. §14 KGG schließt - gleich den vom Verfassungsgerichtshof als verfassungswidrig erkannten Bestimmungen im BHG bzw. GSVG - in völlig undifferenzierter Weise männliche Personen vom Empfang dieser Leistung aus. Dem Verfassungsgerichtshof ist (den Bedenken des antragstellenden Gerichtes folgend) auch in diesem Fall kein sachlicher Grund für diese rein nach dem Geschlecht einer Person unterscheidende Regelung erkennbar.

2.3. Zur Herstellung einer verfassungskonformen Rechtslage ist es erforderlich, den gesamten §14 Abs1 KGG als verfassungswidrig aufzuheben; bei Aufhebung lediglich einzelner Wörter oder Wortfolgen verbliebe ein unverständlicher Gesetzestorso. Auch wird durch die Aufhebung des §14 Abs1 KGG der Anspruch als solches aufgrund der verbleibenden Absätze 2 bis 5 KGG nicht beseitigt, weshalb die Vollziehbarkeit weiterhin gewährleistet bleibt. Gleichzeitig waren auch die Worte "Mütter" in §1 Z2 sowie in der Überschriftsbezeichnung zu Abschnitt 3 KGG als verfassungswidrig aufzuheben, damit die Leistung künftig auch Vätern zusteht.

3. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

4. Da gleichwohl ein nahtloser Anschluß der notwendig gewordenen legistischen Vorkehrungen ermöglicht werden soll, ist gem. Art140 Abs5 dritter Satz B-VG eine Frist in dem von der Bundesregierung beantragten Ausmaß für das Außerkrafttreten der aufgehobenen Bestimmungen zu setzen.

5. Der Ausspruch, daß frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Wirksamkeit treten, beruht auf Art140 Abs6 erster Satz

B-VG.

6. Die Verpflichtung des Bundeskanzlers zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche erfließt aus Art140 Abs5 erster Satz B-VG und §64 Abs2 VfGG.

7. Dies konnte gem. §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung entschieden werden.

Schlagworte

geschlechtsspezifische Differenzierungen, Gleichheit Frau-Mann, Karenzgeld, VfGH / Formerfordernisse, VfGH / Verwerfungsumfang

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2002:G293.2002

Dokumentnummer

JFT_09978875_02G00293_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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