Index
10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §56;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger sowie die Hofräte Dr. Hinterwirth und Dr. Sulzbacher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde des G G W in R, vertreten durch Saxinger Chalupsky & Partner, Rechtsanwälte GmbH in 4020 Linz, Europaplatz 7, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 21. Juli 2006, Zl. Senat-MD-05-0091, betreffend Bestrafung wegen Übertretung des Düngemittelgesetzes 1994 (weitere Partei: Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer ist selbständig vertretungsbefugter handelsrechtlicher Geschäftsführer der D-Gartencenter GmbH mit dem Sitz in P. in Oberösterreich.
Das Bundesamt für Ernährungssicherheit teilte mit Schreiben vom 17. Februar 2004 der Bezirkshauptmannschaft L den gegen einen Verantwortlichen der genannten Gesellschaft bestehenden Verdacht einer Verwaltungsübertretung nach dem Düngemittelgesetz mit. Dieser Anzeige lässt sich entnehmen, dass bei dem am 6. November 2003 kontrollierten D-Gartencenter in B. in Niederösterreich das Produkt D-Naturdünger für Tomaten mit einem den Grenzwert nach § 2 Abs. 3 Düngemittelverordnung 1994 von 1 mg/kg TS überschreitenden Gehalt an Cadmium vorgefunden worden sei, wobei die "angetroffene Partie" 21 x 1 kg und die "bemusterte Partie" 3 x 1 kg betragen habe. Das Untersuchungsergebnis habe einen festgestellten Wert an Cadmium von 3,6 mg/kg TS ergeben.
Ein zunächst von der Bezirkshauptmannschaft L deshalb gegen den Beschwerdeführer erlassenes Straferkenntnis wurde mit Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 27. Juni 2005 wegen örtlicher Unzuständigkeit dieser Bezirkshauptmannschaft ersatzlos aufgehoben.
Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft M vom 12. September 2005 wurde über den Beschwerdeführer als gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen berufenes Organ der D-GmbH gemäß § 5 Abs. 2 Z 2 in Verbindung mit § 19 Abs. 1 Z 1 lit. a des Düngemittelgesetzes 1994 eine Geldstrafe von EUR 100,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 12 Stunden) verhängt und er wurde zur Tragung der Verfahrenskosten verpflichtet. Der Beschwerdeführer habe es zu verantworten, dass - wie von einem Organ des Bundesamtes für Ernährungssicherheit am 6. November 2003 festgestellt worden sei - zumindest vom 28. Mai 2003 bis 6. November 2003 - D-Naturdünger für Tomaten (21 x 1 kg) mit einem festgestellten Wert an Cadmium von 3,6 mg/kg TS im D-Gartencenter in B. in Verkehr gebracht worden sei, obwohl der Grenzwert gemäß § 2 Abs. 3 Düngemittelverordnung 1994 lediglich 1 mg/kg TS betragen habe.
Dagegen erhob der Beschwerdeführer eine Berufung, in der er - soweit für das Beschwerdeverfahren relevant - unter anderem die Feststellung zum Cadmiumgehalt von 3,6 mg/kg bekämpfte. Dem Akt sei nicht zu entnehmen, wie dieser Wert ermittelt worden sei, insbesondere ob alle 21 Packungen untersucht worden seien. Es sei nicht einmal erkennbar, ob der Wert aus einer Einzelmenge ermittelt und hochgerechnet oder "konkret festgestellt" worden sei. Im Übrigen gäbe es Feststellungstoleranzen.
Zu diesem Berufungsvorbringen äußerte sich das Bundesamt für Ernährungssicherheit über Aufforderung der belangten Behörde mit Schreiben vom 8. April 2006 wie folgt:
"Gemäß der bis 31.01.2004 geltenden und auch in der nunmehr geltenden Verordnung sind bei Original-Packungsgrößen bis 1 kg diese auch gleichzeitig die Endprobe. Von den drei Endproben wird eine der Untersuchung zugeführt und das daraus ermittelte Ergebnis ist für die vorgefundene und beprobte Menge (im gegenständlichen Fall 21 x 1 kg) gemäß Anlage 3 DMVO repräsentativ.
Der angezeigte Wert stellt den Mittelwert aus 3 Einzeluntersuchungen dar. Zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens galt als Cd-Höchstwert für organische Dünger 1 mg/kg TS. Somit wurde der Grenzwert durch das gegenständliche Produkt beträchtlich überschritten."
Dazu bemängelte der Beschwerdeführer in seiner Stellungnahme vom 23. Mai 2006, das Ergebnis der Einzeluntersuchungen sei ihm nicht bekannt. Dem Bundesamt für Ernährungssicherheit möge aufgetragen werden, die Einzeluntersuchungswerte mitzuteilen.
Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen, ohne weiteres Ermittlungsverfahren erlassenen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich (der belangten Behörde) vom 21. Juli 2006 wurde der Berufung keine Folge gegeben und das erstinstanzliche Straferkenntnis (mit zwei Formulierungsänderungen im Spruch) bestätigt.
Begründend führte die belangte Behörde zu der in der Berufung bekämpften Feststellung unter Bezugnahme auf die wiedergegebene Äußerung des Bundesamtes für Ernährungssicherheit aus, danach stehe fest, dass die Untersuchung "richtig" durchgeführt worden sei und "auf Grund der durchgeführten repräsentativen Untersuchung auch eine Beurteilung der gesamten vorgefundenen Menge des beanstandeten Produktes vorgenommen wurde".
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:
Die in Beschwerde gezogene Bestrafung des Beschwerdeführers stützt sich (in Verbindung mit § 9 Abs. 1 VStG) auf den Straftatbestand des § 19 Abs. 1 Z 1 lit. a Düngemittelgesetz 1994 (DMG). Danach begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu EUR 14.530,-- von der Bezirksverwaltungsbehörde zu bestrafen, wer (u.a.) Düngemittel entgegen § 5 DMG in Verkehr bringt. Unter "Inverkehrbringen" ist nach § 3 DMG auch das Vorrätighalten zum Verkauf, das Feilhalten und das Verkaufen zu verstehen. Gemäß dem (im Straferkenntnis als übertretene Norm genannten) § 5 Abs. 2 Z 2 DMG ist es verboten, Düngemittel in Verkehr zu bringen, die Verordnungen nach § 7 DMG (betreffend Schadstoffe) nicht entsprechen.
Während des angenommenen Tatzeitraumes - 28. Mai 2003 bis 6. November 2003 - stand die (u.a.) gemäß § 7 Abs. 2 DMG erlassene Düngemittelverordnung 1994, BGBl. Nr. 1007, in Kraft, nach deren § 2 Abs. 3 in Düngemitteln mit einem Anteil von jeweils mehr als 20 % organischer Substanz (i.d. TS) der Schwermetallgehalt hinsichtlich Cadmium den Grenzwert von 1 mg/kg TS nicht überschreiten durfte. In diesem Zusammenhang ist im Hinblick auf entsprechende Einwände des Beschwerdeführers im Verwaltungsstrafverfahren anzumerken, dass die belangte Behörde für die Frage der Strafbarkeit zu Recht auf die im Tatzeitpunkt geltenden Verwaltungsvorschriften, somit auf den genannten Grenzwert nach der Düngemittelverordnung 1994 - und nicht (wie die Erstbehörde in Abweichung vom Spruch in der Begründung ihres Bescheides) auf den durch die erst am 1. Februar 2004 in Kraft getretene Düngemittelverordnung 2004, BGBl. II Nr. 100, mit 3 mg/kg TS festgesetzten Grenzwert für den Cadmiumgehalt von organischen Düngern - abgestellt hat (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 15. September 2006, Zl. 2005/04/0073). Das wird in der Beschwerde auch nicht mehr in Frage gestellt. Ausgehend von den behördlichen Feststellungen wäre somit durch das Inverkehrbringen des D-Naturdüngers mit einem Cadmiumgehalt von 3,6 mg/kg TS der Tatbestand der von den Behörden für verletzt erachteten Verwaltungsvorschriften erfüllt.
Die Beschwerde bezweifelt die Zuständigkeit der Erstbehörde mit dem Hinweis, dass sich diese nach dem Sitz der D-GmbH zu richten hätte. Diesem Einwand ist zu erwidern, dass sich in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zwar der in der Beschwerde zitierte Rechtssatz findet, werde ein zur Vertretung nach außen befugtes Organ zur Verantwortung gezogen, sei als Tatort im Regelfall der Sitz der Unternehmensleitung anzunehmen. Das wurde aber - etwa auch in dem in der Beschwerde zitierten Erkenntnis vom 15. Sepetember 2005, Zl. 2003/07/0021 - mit der Aussage verknüpft, es sei hiebei stets auf das betreffende Tatbild Bedacht zu nehmen.
Die der gegenständlichen Bestrafung zugrundeliegende und dem Beschwerdeführer spruchgemäß angelastete Verwaltungsübertretung (Inverkehrbringen eines den Grenzwert für den Schwermetallgehalt überschreitenden Düngemittels) ist als im Sprengel der Erstbehörde in B. verübtes Begehungsdelikt anzusehen. Davon ausgehend wurde gemäß § 27 Abs. 1 VStG zu Recht die örtliche Zuständigkeit der Bezirkshauptmannschaft M angenommen. Auf den in einem anderen Verwaltungssprengel gelegenen Sitz der D-GmbH kommt es bei dieser Konstellation nicht an (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 25. Februar 2003, Zl. 2001/10/0257, mwN).
Den Schwerpunkt der Beschwerdeausführungen bildet die Kritik an der mangelnden Offenlegung der angewandten Untersuchungsmethode und der einzelnen Untersuchungsergebnisse. Die belangte Behörde hätte nach Auffassung des Beschwerdeführers von Amts wegen Ermittlungen über die Einhaltung des diesbezüglichen Verfahrens nach der Düngemittelprobenahmeverordnung bzw. Düngemittelverordnung durchführen müssen. Die im angefochtenen Bescheid erwähnte Stellungnahme des Bundesamtes für Ernährungssicherheit genüge dem Erfordernis der Nachvollziehbarkeit und Transparenz der Untersuchung nicht, weil "nach wie vor" nicht ersichtlich sei, wie hoch der Cadmiumgehalt in den Einzelproben gewesen sei, wie viele Packungen tatsächlich geprüft und ob naturwissenschaftlich unvermeidliche Toleranzen überhaupt berücksichtigt worden seien. Aus der Stellungnahme sei zudem nicht ersichtlich, welche Untersuchungsmethode gewählt worden sei, ob diese dem Stand der Technik und Wissenschaft entsprochen habe und ob diese Methode korrekt angewandt worden sei. Bei entsprechenden Ermittlungen hätte die belangte Behörde nach Auffassung des Beschwerdeführers zu dem Ergebnis kommen müssen, dass das vom Bundesamt für Ernährungssicherheit durchgeführte Verfahren zur Erhebung des Cadmiumgehaltes im D-Naturdünger für Tomaten gesetzwidrig bzw. verordnungswidrig gewesen sei und der Cadmiumgehalt den zulässigen Grenzwert nach der Düngemittelverordnung nicht überschritten habe. Mangels Offenlegung der einzelnen Untersuchungsschritte sei dem Beschwerdeführer auch die Möglichkeit genommen worden, dem Bundesamt für Ernährungssicherheit auf gleicher fachlicher Ebene entgegen zu treten und die Unrichtigkeit der Messergebnisse unter Beweis zu stellen.
Die Aufsichtsorgane des Bundesamtes für Ernährungssicherheit hatten im hier maßgeblichen Zeitpunk bei der Entnahme und Bildung von Proben (u.a.) von Düngemitteln das in der (bis 31. Jänner 2004 in Geltung gestandenen) Düngemittelprobenahmeverordnung, BGBl. Nr. 1008/1994, geregelte Verfahren anzuwenden (§ 1 Abs. 2). Diese Verordnung enthielt nähere Bestimmungen insbesondere über die Probenahmegeräte (§ 3), die Anzahl und den Umfang der Einzel- und Endproben (§§ 5, 7) sowie den Umfang der Sammelproben (§ 6). Weiters war die Vorgangsweise bei der Bildung der Proben (§ 8), die Behandlung und Verwendung der Endproben (§§ 9, 10) sowie der Inhalt des Probenahmeprotokolles (§ 11) geregelt. Schließlich bestimmte § 12 Abs. 2 hinsichtlich der Analysemethoden, dass bei der amtlichen Untersuchung von Düngemitteln, die nicht als EWG-Düngemittel bezeichnet werden dürfen, wissenschaftlich anerkannte Methoden anzuwenden seien.
Nun ist den von der belangten Behörde übernommenen Ausführungen des Bundesamtes zwar zu entnehmen, dass im Einklang mit dem Packungen bis 1 kg Inhalt betreffenden Punkt 2.2. des § 5 Abs. 2 der Düngemittelprobenahmeverordnung drei Originalpackungen als Endproben genommen wurden. Hinsichtlich des zusammengefassten Untersuchungsergebnisses ergibt sich allerdings nur, dass es den Mittelwert aus drei Einzeluntersuchungen darstellt. Angesichts dessen bemängelt die Beschwerde zu Recht, ohne Kenntnis der Einzeluntersuchungsergebnisse sei die Schlussfolgerung auf den angenommenen Wert von 3,6 mg/kg TS nicht nachvollziehbar. Mangels Darstellung der Vorgangsweise bei der Untersuchung und Offenlegung der Analysemethode wendet der Beschwerdeführer auch zu Recht ein, die Einhaltung der diesbezüglichen Vorschriften der genannten Verordnung sei nicht nachprüfbar. Angesichts dessen ist auf Basis der bisherigen Aktenlage die Verlässlichkeit des Untersuchungsergebnisses nicht beurteilbar. Vor diesem Hintergrund ist nicht auszuschließen, dass ergänzende Ermittlungen zu dieser Frage - wie in der Beschwerde behauptet - ergeben hätten, der damals erlaubte Grenzwert für den Cadmiumgehalt im gegenständlichen Düngemittel sei nicht überschritten worden.
Im Übrigen hat die belangte Behörde die Vorschrift des § 19 Abs. 4 DMG außer Acht gelassen, wonach eine Umwandlung der Geldstrafe in eine Freiheitsstrafe auch im Falle der Uneinbringlichkeit nicht stattfindet. Der Ausspruch einer Ersatzfreiheitsstrafe im erstinstanzlichen Straferkenntnis wäre daher von der belangten Behörde ersatzlos aufzuheben gewesen (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 15. Jänner 1998, Zl. 97/07/0164).
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen der zuletzt aufgezeigten, prävalierenden Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003. Das Mehrbegehren auf gesonderten Ersatz der Umsatzsteuer findet darin keine Deckung.
Wien, am 21. Juni 2007
Schlagworte
Begründungspflicht Beweiswürdigung und Beweismittel Begründung der Wertung einzelner Beweismittel Besondere Rechtsgebiete Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Umfang der Abänderungsbefugnis DiversesEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2006070118.X00Im RIS seit
23.07.2007