TE OGH 2004/9/13 1Nc84/04z

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Veröffentlicht am 13.09.2004
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Wilhelm P***** GmbH & Co KG, *****, vertreten durch Dr. Walter Kerle, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen EUR 15,447.857,22 sA, AZ 17 Cg 211/03a des Landesgerichts Innsbruck, folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

1. Der Antrag der klagenden Partei, das Amtshaftungsverfahren zur Verhandlung und Entscheidung an den Obersten Gerichtshof zu delegieren, wird zurückgewiesen.

2. Zur Entscheidung über den Antrag der beklagten Partei, die mit den Schriftsätzen vom 29. 9. 2003 (ON 199), 16. 12. 2003 (ON 201), 4. 3. 2004 (ON 205), 15. 4. 2004 (ON 218) und 27. 4. 2004 (ON 219) erklärten Klageänderungen "als unzulässig zurückzuweisen", wird das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien als zuständig bestimmt.

Text

Begründung:

Die durch einen Verfahrenshilfeanwalt vertretene klagende Partei machte ursprünglich einen Amtshaftungsanspruch von mehr als 910 Mio S auf Grund eines ihrer Ansicht nach gesetzwidrigen Beschlusses des Landesgerichts Wels auf Eröffnung des Konkurses über ihr Vermögen geltend. Ein Teilbegehren von S 697,890.296,78 wurde rechtskräftig abgewiesen (ON 93, 102, 109).

Mit Schriftsatz vom 29. 9. 2003 brachte die klagende Partei (auch) zum hier geltend gemachten Amtshaftungsanspruch vor, er werde nunmehr (auch) auf schuldhaft rechtswidrige Verhaltensweisen zahlreicher richterlicher Organe von Landesgerichten und aller vier Oberlandesgerichte gestützt. Die Organe der beklagten Partei griffen "laufend durch Entscheidungen in die anhängigen Amtshaftungsverfahren ein, um diese für die beklagte Partei zu einem günstigen Ergebnis ... zu führen" (ON 199).

Mit Schriftsatz vom 16. 12. 2003 erklärte die klagende Partei durch ihren Verfahrenshilfeanwalt, hilfsweise auch aus dem rechtswidrigen Verhalten von Organen des Landesgerichts Innsbruck sowie des Oberlandesgerichts Innsbruck Amtshaftungsansprüche gegen die beklagte Partei geltend zu machen. Das Klagebegehren werde daher hilfsweise - vorbehaltlich späterer Ausdehnung - auch auf das in diesem Schriftsatz angeführte "anspruchsbegründende Vorbringen" gestützt. Im Einzelnen brachte sie vor, ihr Geschäftsführer sei vom Landesgericht Innsbruck zu Unrecht strafgerichtlich verurteilt und in der Folge in Haft genommen worden. Dadurch habe die beklagte Partei versucht, in das Amtshaftungsverfahren einzugreifen und das Beweisverfahren zu verhindern. Darüber hinaus sei das vorliegende Verfahren entgegen Art 6 EMRK seit 15 Jahren beim Landesgericht Innsbruck anhängig. Sollte die klagende Partei deshalb teilweise oder sogar zur Gänze den anspruchsbegründenden Sachverhalt nicht mehr beweisen können, weil wichtige Beweismittel nach so langer Zeit nicht mehr zur Verfügung stehen, drohe ihr der Prozessverlust. Die Höhe des dadurch verursachten Schadens entspreche der Höhe des Klagebetrags (ON 201). Mit Schriftsatz vom 4. 3. 2004 ergänzte die klagende Partei den anspruchsbegründenden Sachverhalt im Einzelnen ferner dahin, dass die "für dieses Verfahren entscheidungswesentlichen Geschäftsunterlagen der klagenden Partei aufgrund der offensichtlich mangelhaften Verwahrung durch die Organe der beklagten Partei heute nicht mehr vorhanden bzw nicht mehr auffindbar" seien (ON 205). Mit Schriftsatz vom 15. 4. 2004 brachte die klagende Partei vor, sie stütze das Klagebegehren "nunmehr nicht nur 'hilfsweise'" auch "auf das in den Schriftsätzen vom 16. 12. 2003 und 4. 03. 2004 angeführte anspruchsbegründende Vorbringen hinsichtlich der rechtwidrigen Vorgänge des Landes- und des Oberlandesgerichtes Innsbruck". Sie beantragte überdies, "dieses Verfahrens an ein anderes Gericht gemäß § 9 Abs 4 AHG" zu delegieren (ON 218).Mit Schriftsatz vom 16. 12. 2003 erklärte die klagende Partei durch ihren Verfahrenshilfeanwalt, hilfsweise auch aus dem rechtswidrigen Verhalten von Organen des Landesgerichts Innsbruck sowie des Oberlandesgerichts Innsbruck Amtshaftungsansprüche gegen die beklagte Partei geltend zu machen. Das Klagebegehren werde daher hilfsweise - vorbehaltlich späterer Ausdehnung - auch auf das in diesem Schriftsatz angeführte "anspruchsbegründende Vorbringen" gestützt. Im Einzelnen brachte sie vor, ihr Geschäftsführer sei vom Landesgericht Innsbruck zu Unrecht strafgerichtlich verurteilt und in der Folge in Haft genommen worden. Dadurch habe die beklagte Partei versucht, in das Amtshaftungsverfahren einzugreifen und das Beweisverfahren zu verhindern. Darüber hinaus sei das vorliegende Verfahren entgegen Artikel 6, EMRK seit 15 Jahren beim Landesgericht Innsbruck anhängig. Sollte die klagende Partei deshalb teilweise oder sogar zur Gänze den anspruchsbegründenden Sachverhalt nicht mehr beweisen können, weil wichtige Beweismittel nach so langer Zeit nicht mehr zur Verfügung stehen, drohe ihr der Prozessverlust. Die Höhe des dadurch verursachten Schadens entspreche der Höhe des Klagebetrags (ON 201). Mit Schriftsatz vom 4. 3. 2004 ergänzte die klagende Partei den anspruchsbegründenden Sachverhalt im Einzelnen ferner dahin, dass die "für dieses Verfahren entscheidungswesentlichen Geschäftsunterlagen der klagenden Partei aufgrund der offensichtlich mangelhaften Verwahrung durch die Organe der beklagten Partei heute nicht mehr vorhanden bzw nicht mehr auffindbar" seien (ON 205). Mit Schriftsatz vom 15. 4. 2004 brachte die klagende Partei vor, sie stütze das Klagebegehren "nunmehr nicht nur 'hilfsweise'" auch "auf das in den Schriftsätzen vom 16. 12. 2003 und 4. 03. 2004 angeführte anspruchsbegründende Vorbringen hinsichtlich der rechtwidrigen Vorgänge des Landes- und des Oberlandesgerichtes Innsbruck". Sie beantragte überdies, "dieses Verfahrens an ein anderes Gericht gemäß Paragraph 9, Absatz 4, AHG" zu delegieren (ON 218).

Mit Schriftsatz vom 27. 4. 2004 dehnte die klagende Partei ihr Begehren schließlich noch um einen Euro aus und behauptete, zumindest in dieser Höhe sei der durch das in den Schriftsätzen vom 16. 12. 2003 und 4. 3. 2004 vorgebrachte anspruchsbegründende Organverhalten verursachte Schaden vergrößert worden. Überdies werde beantragt, der Oberste Gerichtshof "wolle dieses Verfahren" zur Verhandlung und Entscheidung an sich selbst delegieren, habe er doch den Antrag der klagenden Partei, das Amtshaftungsverfahren zur Verhandlung und Entscheidung an den "US-District Court for the Northern District of California" zu delegieren, mit Beschluss vom 29. 1. 2004 (1 Nc 91/03b - ON 204) zurückgewiesen. Da "Ersatzansprüche gegen alle vier OLG in Österreich" erhoben würden, sei "eine Delegierung an ein Gericht in diesen vier OLG-Sprengeln jedenfalls nicht möglich" (ON 219). Die beklagte Partei beantragte mit Schriftsatz von 6. 5. 2004, "die Klagsänderung gem. Schriftsätzen der klagenden Partei vom 29. 9. 2003, 16. 12. 2003, 4. 3. 2004, 16. 4. 2004 (richtig offenkundig: 15. 4. 2004) und 27. 4. 2004 als unzulässig zurückzuweisen" (ON 220). Mit Verfügung vom 26. 8. 2004 legte das Erstgericht den Akt dem Obersten Gerichtshof "zur Entscheidung über den Delegierungsantrag ON 218" vor (ON 229).

Rechtliche Beurteilung

Der erkennende Senat hat erwogen:

Zu 1.:

Obgleich das Erstgericht die Akten lediglich "zur Entscheidung über den Delegierungsantrag ON 218" vorlegte, ist auch über den in ON 219 gestellten Antrag, der Oberste Gerichtshof "wolle dieses Verfahren" zur Verhandlung und Entscheidung an sich selbst delegieren, abzusprechen. Da es an jeglicher Rechtsgrundlage mangelt, auf deren Boden der Oberste Gerichtshof über eine Amtshaftungsklage - funktionell als Erstgericht - verhandeln und entscheiden könnte, ist der darauf abzielende Delegierungsantrag zurückzuweisen.

Zu 2.:

Die beklagte Partei beantragte, die mit den im Spruch bezeichneten Schriftsätzen erklärte "Klagsänderung ... als unzulässig zurückzuweisen".

Der erkennende Senat sprach bereits in der in diesem Verfahren ergangenen Entscheidung vom 29. 1. 2004 (1 Nc 91/03b) aus, dass durch § 9 Abs 4 AHG alle Gerichte, aus deren Verhalten ein Amtshaftungsanspruch abgeleitet wird, von jeder Entscheidung über diesen Anspruch ausgeschlossen sein sollen. Die auf Prozessbehauptungen der klagenden Partei beruhenden Sachverhalte, die dem Antrag der beklagten Partei auf Nichtzulassung der "Klagsänderung" zugrunde liegen, betreffen (auch) Entscheidungen und sonstige Verhaltensweisen richterlicher Organe des Landesgerichts und des Oberlandesgerichts Innsbruck. Nach der eingangs referierten Leitlinie dürfen diese Gerichte die Frage nach dem Vorliegen von Klageänderungen nicht selbst beurteilen und über deren Zulässigkeit oder Unzulässigkeit nicht selbst absprechen. Zunächst ist indes nur über den aus Punkt 2 des Spruchs ersichtlichen Antrag der beklagten Partei zu entscheiden und insoweit an ein Landesgericht außerhalb des Sprengels des Oberlandesgerichts Innsbruck zu delegieren. Sollte nämlich in diesem Zwischenverfahren ausgesprochen werden, dass Klageänderungen, insoweit sie sich auf schuldhaft rechtswidrige Verhaltensweisen richterlicher Organe des Landesgerichts und des Oberlandesgerichts Innsbruck beziehen, unzulässig seien, bestünde kein aus § 9 Abs 4 AHG ableitbares Hindernis für die Enderledigung des vorliegenden Amtshaftungsverfahrens durch das Landesgericht Innsbruck.Der erkennende Senat sprach bereits in der in diesem Verfahren ergangenen Entscheidung vom 29. 1. 2004 (1 Nc 91/03b) aus, dass durch Paragraph 9, Absatz 4, AHG alle Gerichte, aus deren Verhalten ein Amtshaftungsanspruch abgeleitet wird, von jeder Entscheidung über diesen Anspruch ausgeschlossen sein sollen. Die auf Prozessbehauptungen der klagenden Partei beruhenden Sachverhalte, die dem Antrag der beklagten Partei auf Nichtzulassung der "Klagsänderung" zugrunde liegen, betreffen (auch) Entscheidungen und sonstige Verhaltensweisen richterlicher Organe des Landesgerichts und des Oberlandesgerichts Innsbruck. Nach der eingangs referierten Leitlinie dürfen diese Gerichte die Frage nach dem Vorliegen von Klageänderungen nicht selbst beurteilen und über deren Zulässigkeit oder Unzulässigkeit nicht selbst absprechen. Zunächst ist indes nur über den aus Punkt 2 des Spruchs ersichtlichen Antrag der beklagten Partei zu entscheiden und insoweit an ein Landesgericht außerhalb des Sprengels des Oberlandesgerichts Innsbruck zu delegieren. Sollte nämlich in diesem Zwischenverfahren ausgesprochen werden, dass Klageänderungen, insoweit sie sich auf schuldhaft rechtswidrige Verhaltensweisen richterlicher Organe des Landesgerichts und des Oberlandesgerichts Innsbruck beziehen, unzulässig seien, bestünde kein aus Paragraph 9, Absatz 4, AHG ableitbares Hindernis für die Enderledigung des vorliegenden Amtshaftungsverfahrens durch das Landesgericht Innsbruck.

Das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien ist für die betroffene Zwischenentscheidung als zuständig zu bestimmen, weil dem Prozessvorbringen der klagenden Partei keine konkreten Anhaltspunkte dafür zu entnehmen sind, dass die in diesem Verfahren maßgebenden Themen richterliche Organe des Landesgerichts oder des Oberlandesgerichts Wien beträfen.

Anmerkung

E74448 1Nc84.04z

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2004:0010NC00084.04Z.0913.000

Dokumentnummer

JJT_20040913_OGH0002_0010NC00084_04Z0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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