Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Hon. Prof. Dr. Neumayr und Dr. Schramm als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj. Matthias G*****, geboren am 6. März 1987, und der mj. Tabea G*****, geboren am 10. Juni 1992, beide *****, beide vertreten durch die Mutter Dr. Grete G*****, Beamtin, ebendort, vertreten durch Dr. Christine Kolbitsch, Rechtsanwältin in Wien, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses des Vaters Dr. Martin P*****, Rechtsanwalt, *****, gegen den Beschluss des Landesgerichtes St. Pölten als Rekursgericht vom 19. November 2003, GZ 37 R 356/03h, 37 R 357/03f-156, den Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Antrag des Vaters auf Aufhebung des Zurückweisungsbeschlusses vom 18. 5. 2004 wird abgewiesen.
Text
Begründung:
Mit Beschluss vom 18. 5. 2004 (ON 169) hat der Oberste Gerichtshof den außerordentlichen Revisionsrekurs des Vaters gegen den Beschluss des Rekursgerichts vom 19. 11. 2003 (ON 156) als verspätet zurückgewiesen. Der Oberste Gerichtshof ging davon aus, dass der Beschluss des Rekursgerichts dem Vater am 14. 1. 2004 zugestellt und das Rechtsmittel erst am 30. 1. 2004 zur Post gegeben wurde. Im Akt befindet sich die laut Telefaxkennung am 28. 1. 2004 um 15:35 Uhr an das Erstgericht übermittelte Telekopie der ersten Seite des außerordentlichen Revisionsrekurses des Vaters, die beim Erstgericht mit der Eingangsstampiglie vom 29. 1. 2004 versehen wurde (ON 2004). Der insgesamt zwölfseitige außerordentliche Revisionsrekurs, der mit 29. 1. 2004 datiert ist, langte am 2. 2. 2004 beim Erstgericht ein. Entsprechend dem Poststempel auf dem angeschlossenen Kuvert wurde die Postaufgabe mit "30. 1. 04" vermerkt (ON 163).
Nach Zustellung des Zurückweisungsbeschlusses des Obersten Gerichtshofes am 22. 6. 2004 (ON 169) gab der Vater am 28. 6. 2004 einen an den Obersten Gerichtshof gerichteten Antrag auf Aufhebung des Zurückweisungsbeschlusses zur Post. Dieser Antrag hat unter anderem folgenden Inhalt: "Am 28. 1. 2004 um 15.35 Uhr habe ich per fax den a.o. Revisionsrekurs an das BG ... abgesandt. Möglicherweise irrtümlich oder wegen eines technischen Problems ist allerdings nur die erste Seite des Revisionsrekurses abgesandt worden bzw angekommen. Ich halte nochmals fest, dass diese Eingabe am 28. 1.
2004, um 15.35 Uhr, abgesandt wurde. Eine Kopie meines Sendeberichtes
lege ich unter einem vor, nötigenfalls kann selbstverständlich auch
das Original dieses Sendeberichtes vorgelegt werden. Noch bevor das
BG ... mir einen Verbesserungsauftrag erteilt hat (z.B. wegen der
nicht vorhandenen Original-Unterschrift) habe ich den a.o
Revisionsrekurs, genauer gesagt den Verbesserungsschriftsatz, per
Post an das BG ... abgesandt (irrtümlich mit dem Datum 29. 1. 2004;
richtig hätte es natürlich heißen sollen 28. 1. 2004). In ON 161
befindet sich im Gerichtsakt meine Eingabe, auf welcher sich das
Datum 28. 1. 2004, 15.35 Uhr, findet, weiters findet sich der
Einlaufstempel des BG ... mit 29. 1. 2004 auf dieser Eingabe. Da die
Eingabe um 15.35 Uhr abgesandt wurde und zu dieser Zeit üblicherweise die Einlaufstelle nicht mehr besetzt ist, ist weiter nicht verwunderlich, dass am Einlaufstempel das Datum 29. 1. 2004 aufscheint, zumal erst am nächsten Tag das nach Dienstschluss des Vortages eingelangte Fax weiterbearbeitet werden konnte. Tatsächlich ist die Eingabe am 28. 1. 2004, um 15.35 Uhr, bei Gericht eingelangt. Die (unvollständige) Eingabe bei Gericht wäre jedenfalls vom Gericht zur Verbesserung rückzuleiten gewesen, sodass aufgrund des unmittelbar danach vorgelegten Verbesserungsschriftsatzes jedenfalls davon auszugehen ist, dass die Rechtsmittelfrist eingehalten wurde."
Am 6. 7. 2004 brachte der Vater weiters beim Erstgericht einen Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einbringung des außerordentlichen Revisionsrekurses ein (ON 171). Diesen Antrag hat das Erstgericht mit Beschluss vom 9. 7. 2004 abgewiesen und in seiner Begründung unter anderem ausgeführt, dass es zur Fristwahrung keineswegs genügen könne, bloß die erste Seite, also gleichsam das "Deckblatt" eines Rechtsmittels am letzten Tag der Rechtsmittelfrist zu faxen, ohne dass auf dieser Seite auf den Inhalt des Rechtsmittels näher eingegangen werde. Die im strafgerichtlichen Verfahren übliche Rechtsmittelanmeldung sei dem zivilgerichtlichen Verfahren unbekannt. Ein Hinnnehmen der Vorgangsweise des Antragstellers würde zu einer Aushöhlung sämtlicher Fristen führen, da das Gericht nicht mehr kontrollieren könne, ob der Rechtsmittelwerber das Rechtsmittel tatsächlich innerhalb offener Frist erstellt oder bloß ein Deckblatt gefaxt und die Ausformulierung des Rechtsmittels an sich erst nach Fristablauf vorgenommen habe.
Rechtliche Beurteilung
Der Antrag des Vaters auf Aufhebung des Zurückweisungsbeschlusses vom 18. 5. 2004 ist nicht berechtigt.
Nach seiner nunmehrigen Rechtsprechung hat der Oberste Gerichtshof in analoger Anwendung der §§ 419, 430 und 522 ZPO einem Berichtigungsantrag (Aufhebungs- oder Wiederaufnahmeantrag) des Rechtsmittelwerbers Folge zu geben, den gefassten Zurückweisungsbeschluss aufzuheben und über das Rechtsmittel sachlich zu entscheiden, wenn sich die Umstände, aufgrund derer das Rechtsmittel als verspätet zurückgewiesen wurde, nachträglich als unrichtig herausstellen (RIS-Justiz RS0041446). Diese Vorgangsweise ist auch für das Außerstreitverfahren zu übernehmen (vgl 8 Ob 280/01m zum Insolvenzverfahren).Nach seiner nunmehrigen Rechtsprechung hat der Oberste Gerichtshof in analoger Anwendung der Paragraphen 419,, 430 und 522 ZPO einem Berichtigungsantrag (Aufhebungs- oder Wiederaufnahmeantrag) des Rechtsmittelwerbers Folge zu geben, den gefassten Zurückweisungsbeschluss aufzuheben und über das Rechtsmittel sachlich zu entscheiden, wenn sich die Umstände, aufgrund derer das Rechtsmittel als verspätet zurückgewiesen wurde, nachträglich als unrichtig herausstellen (RIS-Justiz RS0041446). Diese Vorgangsweise ist auch für das Außerstreitverfahren zu übernehmen vergleiche 8 Ob 280/01m zum Insolvenzverfahren).
Ein irrtümlich als verspätet behandeltes Rechtsmittel liegt jedoch hier nicht vor. Wohl sieht der Oberste Gerichtshof ein innerhalb offener Frist mittels Telefax übermitteltes und sodann durch Vorlage des gleichlautenden unterfertigten Originals verbessertes Rechtsmittel als rechtzeitig an (SZ 65/162; RIS-Justiz RS0006955). In der Entscheidung 9 ObA 116/03d wurde in einem arbeitsgerichtlichen Verfahren die Verbesserbarkeit auch für den Fall bejaht, dass die Übertragung des insgesamt 22 Seiten umfassenden Schriftsatzes auf Seite 11 mitten im Satz unterbrochen wurde. Dies wurde damit begründet, dass es sich bei dem per Telefax aufgegebenen Rechtsmittel ganz offensichtlich um kein "leeres" handelte, weshalb (auch) wegen der fehlenden Seiten ein Verbesserungsauftrag zu erteilen gewesen wäre.
Nach der Judikatur des Obersten Gerichtshofes darf im Zivilprozess
eine inhaltliche Verbesserung eines "Rechtsmittels" nur dann verfügt
werden, wenn sich der Schriftsatz nicht in der bloßen Benennung des
Rechtsmittels oder in der Erklärung erschöpft, die Entscheidung zu
bekämpfen. Andernfalls bestünde die Gefahr, dass durch bewusst
unvollständige Erhebung des Rechtsmittels eine Verbesserungsfrist
erschlichen und damit eine vom österreichischen Zivilprozess
grundsätzlich abgelehnte Teilung von Anmeldung des Rechtsmittels und
späterer Rechtsmittelausführung innerhalb eigener Frist erreicht
würde (RIS-Justiz RS0036478). Dieser Grundsatz gilt - wenn auch in
weniger strikter Form, insbesondere bei nicht anwaltlich vertretenen Parteien (7 Ob 570/95, 10 Ob 506/96) - auch im Außerstreitverfahren (5 Ob 624/89 = RIS-Justiz RS0036478 [T1]).
Im vorliegenden Fall hat der Vater, der selbst Rechtsanwalt ist, am 28. 1. 2004 lediglich die erste Seite des außerordentlichen Revisionsrekurses mit der Bezeichnung der Beteiligten und des Rechtsmittels, aber ohne inhaltliche Ausführungen an das Erstgericht gefaxt. Ein auf diese Art übermittelter "Schriftsatz" gilt nur in dem Umfang als eingegangen, in dem er vom Empfangsgerät ausgedruckt ist, soweit nicht eine technische Störung des Empfangsgeräts vorliegt (vgl BGH NJW 1994, 2097 zum Zeitpunkt der Übermittlung). Bei bloßer Übermittlung des "Deckblatts" des Rechtsmittels bestand kein Anlass für das Erstgericht, einen Verbesserungsauftrag zu erlassen. Mangels Verbesserbarkeit war der Vater aber auch nicht berechtigt, den Schriftsatz aus eigenem nach Ablauf der Rechtsmittelfrist durch Übermittlung einer "Rechtsmittelausführung" fristwahrend zu vervollständigen. Als Datum der Rechtsmittelerhebung ist vielmehr der 30. 1. 2004, also das Datum der Postaufgabe des vollständigen Rechtsmittelschriftsatzes anzusehen.Im vorliegenden Fall hat der Vater, der selbst Rechtsanwalt ist, am 28. 1. 2004 lediglich die erste Seite des außerordentlichen Revisionsrekurses mit der Bezeichnung der Beteiligten und des Rechtsmittels, aber ohne inhaltliche Ausführungen an das Erstgericht gefaxt. Ein auf diese Art übermittelter "Schriftsatz" gilt nur in dem Umfang als eingegangen, in dem er vom Empfangsgerät ausgedruckt ist, soweit nicht eine technische Störung des Empfangsgeräts vorliegt vergleiche BGH NJW 1994, 2097 zum Zeitpunkt der Übermittlung). Bei bloßer Übermittlung des "Deckblatts" des Rechtsmittels bestand kein Anlass für das Erstgericht, einen Verbesserungsauftrag zu erlassen. Mangels Verbesserbarkeit war der Vater aber auch nicht berechtigt, den Schriftsatz aus eigenem nach Ablauf der Rechtsmittelfrist durch Übermittlung einer "Rechtsmittelausführung" fristwahrend zu vervollständigen. Als Datum der Rechtsmittelerhebung ist vielmehr der 30. 1. 2004, also das Datum der Postaufgabe des vollständigen Rechtsmittelschriftsatzes anzusehen.
Demnach erweist sich der Antrag des Vaters auf Aufhebung des Zurückweisungsbeschlusses nicht als berechtigt.
Anmerkung
E74568 10Ob34.04d-2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2004:0100OB00034.04D.0914.000Dokumentnummer
JJT_20040914_OGH0002_0100OB00034_04D0000_000