TE OGH 2004/9/15 9ObA81/04h

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Veröffentlicht am 15.09.2004
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden, durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Univ. Doz. Dr. Bydlinski sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter Zeitler und Mag. Michael Zawodsky als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dragan M*****, vertreten durch Dr. Sebastian Mairhofer und Mag. Martha Gradl, Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagte Partei T***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Bernhard Steinbüchler und Mag. Harald Mühlleitner, Rechtsanwälte in St. Florian, wegen EUR 147,05 sA, infolge ordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 20. April 2004, GZ 12 Ra 35/04k-12, mit dem das Urteil des Landesgerichtes Linz als Arbeits- und Sozialgericht vom 27. August 2003, GZ 6 Cga 118/03f-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Der Kläger war zunächst vom 9. 5. 2000 bis 5. 1. 2001 bei der beklagten Partei beschäftigt. Er erhielt damals eine Arbeitskleidung, die er nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses weder zurückgeben noch hiefür etwas bezahlen musste.

Ab 9. 10. 2002 war der Kläger neuerlich bei der beklagten Partei beschäftigt. Wiederum wurden ihm diverse Arbeitskleidung sowie ein Schutzhelm ausgefolgt. Über diesen Vorgang stellte die beklagte Partei zwei Übernahmescheine aus, die der Kläger jeweils unterfertigte, ohne sie durchzulesen. Die Übernahmescheine enthalten folgenden Passus: "Wird das Dienstverhältnis innerhalb von 6 Monaten ab Ausgabedatum beendet, wird übernommene Arbeits- und Schutzbekleidung vom Lohn in Abzug gebracht". Auf diesen Umstand wurde der Kläger bei der Ausfolgung der Arbeitskleidung von der beklagten Partei nicht hingewiesen. Das (zweite) Arbeitsverhältnis endete am 20. 12. 2002 durch Arbeitgeberkündigung, da die Baustelle, auf der der Kläger eingesetzt war, mit den Weihnachtsfeiertagen geendet hat. Der Kläger versuchte anschließend mehrmals, die ihm zur Verfügung gestellte Arbeitskleidung zurückzugeben. Die beklagte Partei wollte aber lediglich den Schutzhelm, nicht jedoch die Arbeitskleidung zurücknehmen. Der Kläger wiederum war nur bereit, die gesamte Ausrüstung zurückzugeben. Schließlich zog die beklagte Partei von der Endabrechnung EUR 147,05 netto ab. Bei diesem Betrag handelt es sich um die Einkaufspreise der beklagten Partei für die Arbeitskleidung und den Schutzhelm.

Die Vorinstanzen haben dem Begehren auf Zahlung des noch offenen Arbeitslohns mangels Berechtigung der beklagten Partei zum vorgenommenen aufrechnungsweisen Lohnabzug im Ergebnis zu Recht stattgegeben. Die beklagte Partei setzt sich in ihrer Revision ausschließlich mit Fragen der (von ihr verneinten) Sittenwidrigkeit auseinander, auf die es jedoch im vorliegenden Fall nicht ankommt. Da die Revisionswerberin somit nicht aufzeigt, dass die Entscheidung von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO abhängig wäre, erweist sich ihr Rechtsmittel - ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulässigkeitsausspruchs des Berufungsgerichts - als unzulässig.Die Vorinstanzen haben dem Begehren auf Zahlung des noch offenen Arbeitslohns mangels Berechtigung der beklagten Partei zum vorgenommenen aufrechnungsweisen Lohnabzug im Ergebnis zu Recht stattgegeben. Die beklagte Partei setzt sich in ihrer Revision ausschließlich mit Fragen der (von ihr verneinten) Sittenwidrigkeit auseinander, auf die es jedoch im vorliegenden Fall nicht ankommt. Da die Revisionswerberin somit nicht aufzeigt, dass die Entscheidung von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des Paragraph 502, Absatz eins, ZPO abhängig wäre, erweist sich ihr Rechtsmittel - ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulässigkeitsausspruchs des Berufungsgerichts - als unzulässig.

Rechtliche Beurteilung

Nach den Feststellungen der Vorinstanzen hat der Kläger bei Übernahme der ihm von der beklagten Partei zur Verfügung gestellten Arbeitskleidung und eines Schutzhelms zwei Übernahmescheine - ungelesen - unterfertigt, auf deren Inhalt er nicht hingewiesen worden war. Unter diesen Umständen erweist sich die Auffassung des Klägers, es sei keine Vereinbarung über einen Einbehalt bzw Lohnabzug getroffen worden, als zutreffend. Bei der Beurteilung von Willenserklärungen oder von allenfalls mit Rechtsfolgewillen verbundenen sonstigen Handlungen kommt es stets auf den Empfängerhorizont, also darauf an, welches Verständnis ein redlicher Erklärungsempfänger unter Berücksichtigung der Begleitumstände gewinnen durfte (vgl nur die Nachweise bei Rummel in Rummel I3 § 863 ABGB Rz 8). Geht man von der üblichen Funktion eines Übernahmescheins sowie davon aus, dass der Kläger auf darin enthaltene besondere Klauseln nicht hingewiesen wurde, durfte der für die beklagte Partei handelnde Mitarbeiter der Unterfertigung der Übernahmescheine durch den Kläger lediglich die Bedeutung zumessen, dass dieser damit den Erhalt bestimmter Bekleidungs- und Ausrüstungsgegenstände quittieren wollte, wogegen er die (bewusste) Übernahme einer (bedingten) Zahlungspflicht durch den Kläger nicht erwarten durfte. In diesem Sinne hat der Oberste Gerichtshof zu - vorher nicht vereinbarten - Klauseln auf Lieferscheinen wiederholt die Auffassung vertreten, die widerspruchslose Entgegennahme und Unterfertigung einer derartigen Urkunde könne angesichts ihrer verkehrsüblichen Funktion nicht als Einverständnis des Übernehmers mit dessen über die Empfangsbestätigung hinausgehenden Inhalt gedeutet werden (NZ 1998, 136 mit Literaturnachweisen; SZ 55/134; RIS-Justiz RS0014148 ua). Derartige Urkunden dienen ihrer Funktion nach nicht dem Abschluss rechtsgeschäftlicher Vereinbarungen, weshalb sie auch nicht auf das Vorhandensein entsprechender Klauseln untersucht werden müssen (EvBl 1994/113 mwN).Nach den Feststellungen der Vorinstanzen hat der Kläger bei Übernahme der ihm von der beklagten Partei zur Verfügung gestellten Arbeitskleidung und eines Schutzhelms zwei Übernahmescheine - ungelesen - unterfertigt, auf deren Inhalt er nicht hingewiesen worden war. Unter diesen Umständen erweist sich die Auffassung des Klägers, es sei keine Vereinbarung über einen Einbehalt bzw Lohnabzug getroffen worden, als zutreffend. Bei der Beurteilung von Willenserklärungen oder von allenfalls mit Rechtsfolgewillen verbundenen sonstigen Handlungen kommt es stets auf den Empfängerhorizont, also darauf an, welches Verständnis ein redlicher Erklärungsempfänger unter Berücksichtigung der Begleitumstände gewinnen durfte vergleiche nur die Nachweise bei Rummel in Rummel I3 Paragraph 863, ABGB Rz 8). Geht man von der üblichen Funktion eines Übernahmescheins sowie davon aus, dass der Kläger auf darin enthaltene besondere Klauseln nicht hingewiesen wurde, durfte der für die beklagte Partei handelnde Mitarbeiter der Unterfertigung der Übernahmescheine durch den Kläger lediglich die Bedeutung zumessen, dass dieser damit den Erhalt bestimmter Bekleidungs- und Ausrüstungsgegenstände quittieren wollte, wogegen er die (bewusste) Übernahme einer (bedingten) Zahlungspflicht durch den Kläger nicht erwarten durfte. In diesem Sinne hat der Oberste Gerichtshof zu - vorher nicht vereinbarten - Klauseln auf Lieferscheinen wiederholt die Auffassung vertreten, die widerspruchslose Entgegennahme und Unterfertigung einer derartigen Urkunde könne angesichts ihrer verkehrsüblichen Funktion nicht als Einverständnis des Übernehmers mit dessen über die Empfangsbestätigung hinausgehenden Inhalt gedeutet werden (NZ 1998, 136 mit Literaturnachweisen; SZ 55/134; RIS-Justiz RS0014148 ua). Derartige Urkunden dienen ihrer Funktion nach nicht dem Abschluss rechtsgeschäftlicher Vereinbarungen, weshalb sie auch nicht auf das Vorhandensein entsprechender Klauseln untersucht werden müssen (EvBl 1994/113 mwN).

Wurde somit die von der beklagten Partei ins Treffen geführte Klausel auf den Übernahmescheinen nicht Vertragsinhalt, so erübrigt sich die Frage nach der Gültigkeit einer derartigen Vereinbarung unter dem Gesichtspunkt der Sittenwidrigkeit.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 2 ASGG iVm § 50 Abs 1 und § 40 Abs 1 ZPO. Der Kläger hat in seiner Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision nicht hingewiesen, sodass sich sein Schriftsatz nicht als zweckmäßige Rechtsverfolgungsmaßnahme im Sinne des § 41 Abs 1 ZPO darstellt.Die Kostenentscheidung beruht auf Paragraph 2, ASGG in Verbindung mit Paragraph 50, Absatz eins und Paragraph 40, Absatz eins, ZPO. Der Kläger hat in seiner Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision nicht hingewiesen, sodass sich sein Schriftsatz nicht als zweckmäßige Rechtsverfolgungsmaßnahme im Sinne des Paragraph 41, Absatz eins, ZPO darstellt.

Textnummer

E74605

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2004:009OBA00081.04H.0915.000

Im RIS seit

15.10.2004

Zuletzt aktualisiert am

13.06.2012
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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