Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling, Dr. Hradil, Dr. Hopf und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C***** SpA, *****, vertreten durch Petsch, Frosch & Klein, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei D*****-Bank Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Baier Lambert Rechtsanwälte OEG in Wien, wegen EUR 566.573,08 sA, infolge ordentlicher Revisionen der klagenden und der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 21. April 2004, GZ 2 R 43/04i-27, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 7. Jänner 2004, GZ 40 Cg 141/01i-22, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revisionen werden zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 1.911,60 (darin EUR 318,60 an USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
Im Zusammenhang mit einer Lieferung von Leder für Schuhwerk durch die klagende Partei stellte eine weißrussische Bank im Auftrag eines weißrussischen Unternehmens für die klagende Partei als Begünstigte ein unwiderrufliches Akkreditiv (bezeichnet als STANDBY L/C) aus. Dieses Akkreditiv wurde von der beklagten Partei als von der weißrussischen Bank beauftragter Zweitbank gegenüber der klagenden Partei bestätigt. In dem in englischer Sprache gehaltenen Bestätigungsschreiben vom 2. August 2001 gab die beklagte Partei den Ablauf des Akkreditivs mit 25. Dezember 2001, den Akkreditivbetrag mit ITL 1.100,000.000 sowie die Zulässigkeit von Teillieferungen bekannt. Im Zusammenhang mit der "Beschreibung der Waren/Leistungen" findet sich die Klausel "EXW Arzignano". Als erforderliche Dokumente werden in den Akkreditivbedingungen angeführt:
1. Transportdokument konsigniert an (im Original: "consigned to") [italienische Gesellschaft], Mailand
Rechtliche Beurteilung
Zur Revision der klagenden Partei:
Unter welchen Voraussetzungen eine Akkreditivbank bzw - wie hier - eine Bestätigungsbank Zahlung zu leisten hat, ergibt sich in erster Linie aus den Akkreditivbedingungen, wogegen allenfalls abweichende Vereinbarungen zwischen den Parteien des der Akkreditiveröffnung zugrunde liegenden "Grundgeschäfts" regelmäßig unbeachtlich sind. Hier hat die beklagte Partei in ihrer Akkreditivbestätigung unmissverständlich darauf hingewiesen, dass die Gültigkeit des Akkreditivs mit 25. 12. 2001 abläuft und Zahlung nur geleistet wird, wenn der Begünstigte innerhalb von 120 Tagen nach der Lieferung keine Zahlung aus dem Grundgeschäft erhalten hat. Damit war von vornherein klar, dass für Lieferungen innerhalb eines Zeitraums von 120 Tagen vor dem Ablauf Zahlung aus dem Akkreditiv nicht verlangt werden kann. Dies war der klagenden Partei offenbar auch bewusst, da sie nach den Feststellungen des Erstgerichts anlässlich der zweiten Bestellung eine Verlängerung der Laufzeit vorgeschlagen hatte, was jedoch von der italienischen Gesellschaft als Käuferin aus Kostengründen abgelehnt worden war.
Soweit sich die klagende Partei darauf beruft, die italienische Gesellschaft habe einer Datierung auch der zweiten Lieferung mit 3. 8. 2001 als "zurechenbarer Vertreter" der weißrussischen Akkreditivauftraggeberin ausdrücklich zugestimmt, so geht sie einerseits im Hinblick auf die Vertretungsbefugnis von einem nicht festgestellten Sachverhalt aus und verkennt andererseits das Wesen von Verpflichtungen aus einem Akkreditiv, die durch Erklärungen Dritter - auch des Akkreditivauftraggebers - nicht begründet werden können.
Soweit sich die klagende Partei auf Art 13 lit b ERA und eine unterlassene bzw verspätete Rüge der eingereichten Dokumente durch die beklagte Partei beruft, ist ihr entgegenzuhalten, dass es hier nicht um die Frage geht, ob die vorgelegten Dokumente nach ihrer "äußeren Aufmachung" den Akkreditivbedingungen entsprochen haben, sondern darum, dass der betreffende Geschäftsfall schon in zeitlicher Hinsicht eindeutig vom Akkreditiv nicht erfasst war. Da die Lieferung erst am 11. 10. 2001 erfolgt ist, war von vornherein klar, dass die klagende Partei von der beklagten Partei dafür Zahlung nicht verlangen kann, und zwar ganz unabhängig von der Vorlage bestimmter Urkunden. Hat die klagende Partei aber nun die zweite Lieferung ohne ausreichende Sicherheit durchgeführt, kann sie einen Zahlungsausfall nicht der beklagten Partei anlasten, die für eine zu diesem Zeitpunkt erfolgende Lieferung keine Zahlung mehr versprochen hatte. Sie kann sich insbesondere nicht darauf berufen, dass die von ihr inhaltlich bewusst tatsachenwidrig erstellten Dokumente den Anschein einer "rechtzeitigen" Lieferung erweckt hätten (vgl nur RIS-Justiz RS0018006, SZ 67/111). Da Art 13 ERA nur die formale Übereinstimmung der Dokumente mit den Akkreditivbedingungen regelt, ist die in lit b vorgesehene Frist auf andere Einwendungen nicht zu übertragen. Die Frage nach einer Übereinstimmung der Dokumente mit den Akkreditivbedingungen stellt sich nicht.Soweit sich die klagende Partei auf Artikel 13, Litera b, ERA und eine unterlassene bzw verspätete Rüge der eingereichten Dokumente durch die beklagte Partei beruft, ist ihr entgegenzuhalten, dass es hier nicht um die Frage geht, ob die vorgelegten Dokumente nach ihrer "äußeren Aufmachung" den Akkreditivbedingungen entsprochen haben, sondern darum, dass der betreffende Geschäftsfall schon in zeitlicher Hinsicht eindeutig vom Akkreditiv nicht erfasst war. Da die Lieferung erst am 11. 10. 2001 erfolgt ist, war von vornherein klar, dass die klagende Partei von der beklagten Partei dafür Zahlung nicht verlangen kann, und zwar ganz unabhängig von der Vorlage bestimmter Urkunden. Hat die klagende Partei aber nun die zweite Lieferung ohne ausreichende Sicherheit durchgeführt, kann sie einen Zahlungsausfall nicht der beklagten Partei anlasten, die für eine zu diesem Zeitpunkt erfolgende Lieferung keine Zahlung mehr versprochen hatte. Sie kann sich insbesondere nicht darauf berufen, dass die von ihr inhaltlich bewusst tatsachenwidrig erstellten Dokumente den Anschein einer "rechtzeitigen" Lieferung erweckt hätten vergleiche nur RIS-Justiz RS0018006, SZ 67/111). Da Artikel 13, ERA nur die formale Übereinstimmung der Dokumente mit den Akkreditivbedingungen regelt, ist die in Litera b, vorgesehene Frist auf andere Einwendungen nicht zu übertragen. Die Frage nach einer Übereinstimmung der Dokumente mit den Akkreditivbedingungen stellt sich nicht.
Zur Revision der beklagten Partei:
Ob Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur rechtsmissbräuchlichen Garantie- und Akkreditivabrufung fehlt bzw uneinheitlich ist, ist für den vorliegenden Fall ohne jede Relevanz, da hinsichtlich der ersten Lieferung von einem Rechtsmissbrauch durch die klagende Partei keine Rede sein kann, steht doch fest, dass sie am 3. 8. 2001 Waren im Wert des vom Berufungsgericht zuerkannten Betrags geliefert hat. Zutreffend hat schon das Berufungsgericht darauf hingewiesen, dass die beklagte Partei die Begleichung der gerechtfertigten Forderung nicht unter Hinweis auf eine versuchte Täuschung hinsichtlich einer weiteren Forderung ablehnen kann. Auch in ihrer Revision führt die beklagte Partei dazu nichts Stichhaltiges aus. Auch wenn die klagende Partei einen höheren Betrag als den ihr zustehenden abgerufen hat, hat die beklagte Partei - wie auch sonst jeder Schuldner - Zahlung in Höhe der tatsächlich bestehenden Verpflichtung zu leisten. Die Frage, ob die klagende Partei bei ihrem Abruf die Zahlung des gesamten Akkreditivbetrags oder nur eines Teilbetrags begehrt hat, ist im vorliegenden Fall ganz eindeutig zu beantworten, da die klagende Partei ausdrücklich die "teilweise Ausnützung" im Betrag von ITL 1.096,844.884 begehrte. War dieses Begehren zu hoch, hat die beklagte Partei eben nur Zahlung in Höhe des tatsächlich Geschuldeten zu leisten. Insoweit kommt ein Rechtsmissbrauch schon definitionsgemäß nicht in Betracht. Die Frage der Akkreditivkonformität der vorgelegten Dokumente stellt im Regelfall keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO dar, da sie ganz von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls abhängt. Gemäß Art 28 lit a sublit iii. ERA haben die Banken bei einem Straßentransport - sofern im Akkreditiv nichts anderes vorgeschrieben ist - ein wie auch immer bezeichnetes Dokument des verlangten Typs anzunehmen, das den "im Akkreditiv vorgeschriebenen" Verladeort und Bestimmungsort ausweist. Schon daraus ergibt sich eindeutig, dass das geforderte Transportdokument nur dann einen Verlade- und Bestimmungsort auszuweisen hat, wenn ein solcher bereits im Akkreditiv (namentlich) vorgeschrieben wurde. Dies ist hier nicht der Fall. Das geforderte Transportdokument wird im Akkreditiv ausschließlich dadurch beschrieben, dass es an die bezeichnete italienische Gesellschaft "konsigniert" sein muss. Sollte sich der akkreditivgemäße Verladeort aus dem Hinweis auf die Lieferbedingung "EXW Arzignano" ergeben, so hat dem die klagende Partei ohnehin dadurch Rechnung getragen, dass sich die entsprechende Klausel ebenso auf dem Transportdokument findet. Wurde nun die Übernahme des Transportguts durch den Frachtführer auf dem eine entsprechende Klausel aufweisenden Frachtdokument bestätigt, so kann dies vernünftigerweise nur so verstanden werden, dass damit die Abholung der Ware in Arzignano nachgewiesen ist. Soweit sich die beklagte Partei auf das vermeintliche Fehlen eines Bestimmungsorts beruft, wurde ein solcher in den Akkreditivbedingungen nicht genannt. Der Forderung, das Transportdokument an die italienische Gesellschaft in Mailand zu "konsignieren", hat die klagende Partei dadurch Rechnung getragen, dass auf dem Transportdokument diese Gesellschaft mit den Worten "Consigned to" als Empfängerin ("Consignee") ausgewiesen wird. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, das Transportdokument entspreche den Akkreditivbedingungen, ist somit nicht zu beanstanden.Ob Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur rechtsmissbräuchlichen Garantie- und Akkreditivabrufung fehlt bzw uneinheitlich ist, ist für den vorliegenden Fall ohne jede Relevanz, da hinsichtlich der ersten Lieferung von einem Rechtsmissbrauch durch die klagende Partei keine Rede sein kann, steht doch fest, dass sie am 3. 8. 2001 Waren im Wert des vom Berufungsgericht zuerkannten Betrags geliefert hat. Zutreffend hat schon das Berufungsgericht darauf hingewiesen, dass die beklagte Partei die Begleichung der gerechtfertigten Forderung nicht unter Hinweis auf eine versuchte Täuschung hinsichtlich einer weiteren Forderung ablehnen kann. Auch in ihrer Revision führt die beklagte Partei dazu nichts Stichhaltiges aus. Auch wenn die klagende Partei einen höheren Betrag als den ihr zustehenden abgerufen hat, hat die beklagte Partei - wie auch sonst jeder Schuldner - Zahlung in Höhe der tatsächlich bestehenden Verpflichtung zu leisten. Die Frage, ob die klagende Partei bei ihrem Abruf die Zahlung des gesamten Akkreditivbetrags oder nur eines Teilbetrags begehrt hat, ist im vorliegenden Fall ganz eindeutig zu beantworten, da die klagende Partei ausdrücklich die "teilweise Ausnützung" im Betrag von ITL 1.096,844.884 begehrte. War dieses Begehren zu hoch, hat die beklagte Partei eben nur Zahlung in Höhe des tatsächlich Geschuldeten zu leisten. Insoweit kommt ein Rechtsmissbrauch schon definitionsgemäß nicht in Betracht. Die Frage der Akkreditivkonformität der vorgelegten Dokumente stellt im Regelfall keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des Paragraph 502, Absatz eins, ZPO dar, da sie ganz von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls abhängt. Gemäß Artikel 28, Litera a, Sub-Litera, i, i, i, ERA haben die Banken bei einem Straßentransport - sofern im Akkreditiv nichts anderes vorgeschrieben ist - ein wie auch immer bezeichnetes Dokument des verlangten Typs anzunehmen, das den "im Akkreditiv vorgeschriebenen" Verladeort und Bestimmungsort ausweist. Schon daraus ergibt sich eindeutig, dass das geforderte Transportdokument nur dann einen Verlade- und Bestimmungsort auszuweisen hat, wenn ein solcher bereits im Akkreditiv (namentlich) vorgeschrieben wurde. Dies ist hier nicht der Fall. Das geforderte Transportdokument wird im Akkreditiv ausschließlich dadurch beschrieben, dass es an die bezeichnete italienische Gesellschaft "konsigniert" sein muss. Sollte sich der akkreditivgemäße Verladeort aus dem Hinweis auf die Lieferbedingung "EXW Arzignano" ergeben, so hat dem die klagende Partei ohnehin dadurch Rechnung getragen, dass sich die entsprechende Klausel ebenso auf dem Transportdokument findet. Wurde nun die Übernahme des Transportguts durch den Frachtführer auf dem eine entsprechende Klausel aufweisenden Frachtdokument bestätigt, so kann dies vernünftigerweise nur so verstanden werden, dass damit die Abholung der Ware in Arzignano nachgewiesen ist. Soweit sich die beklagte Partei auf das vermeintliche Fehlen eines Bestimmungsorts beruft, wurde ein solcher in den Akkreditivbedingungen nicht genannt. Der Forderung, das Transportdokument an die italienische Gesellschaft in Mailand zu "konsignieren", hat die klagende Partei dadurch Rechnung getragen, dass auf dem Transportdokument diese Gesellschaft mit den Worten "Consigned to" als Empfängerin ("Consignee") ausgewiesen wird. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, das Transportdokument entspreche den Akkreditivbedingungen, ist somit nicht zu beanstanden.
Zur Kostenentscheidung:
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 50 Abs 1, 40 Abs 1 und 41 Abs 1 ZPO. Die beklagte Partei hat in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision der klagenden Partei hingewiesen und deren Zurückweisung beantragt, sodass sich die Revisionsbeantwortung als zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig darstellt. Die klagende Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung hingegen selbst zu tragen, da sich darin kein Hinweis auf die Unzulässigkeit der Revision der beklagten Partei findet.Die Kostenentscheidung beruht auf den Paragraphen 50, Absatz eins,, 40 Absatz eins und 41 Absatz eins, ZPO. Die beklagte Partei hat in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision der klagenden Partei hingewiesen und deren Zurückweisung beantragt, sodass sich die Revisionsbeantwortung als zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig darstellt. Die klagende Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung hingegen selbst zu tragen, da sich darin kein Hinweis auf die Unzulässigkeit der Revision der beklagten Partei findet.
Anmerkung
E746019Ob83.04bSchlagworte
Kennung XPUBL - XBEITRDiese Entscheidung wurde veröffentlicht inRdW 2005,96 = ÖBA 2005,282 = Apathy, ÖBA 2009,199XPUBLENDEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2004:0090OB00083.04B.0915.000Zuletzt aktualisiert am
20.03.2009