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L3 FinanzrechtNorm
B-VG Art144 Abs1 / AnlaßfallSpruch
I. Die beschwerdeführende Partei ist durch den angefochtenen Bescheid, soweit damit die Vorschreibung eines Säumniszuschlags bestätigt wird, wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt worden.
Der Bescheid wird insoweit aufgehoben.
Das Land Oberösterreich ist schuldig, der beschwerdeführenden Partei zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit € 1.161,-- bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.
II. Im Übrigen wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Mit Bescheid des Gemeinderates der Marktgemeinde Gallspach wurde die von der beschwerdeführenden Partei, die eine Krankenanstalt betreibt, zu entrichtende Kommunalsteuer für das Jahr 2000 in bestimmter Höhe festgesetzt und für die nicht rechtzeitig entrichtete Kommunalsteuer ein Säumniszuschlag nach §166 der Oberösterreichischen Landesabgabenordnung 1996, LGBl. 107 (im Folgenden OÖ LAO), in der Höhe von 4 vH zur Entrichtung vorgeschrieben.
2. Der dagegen erhobenen Vorstellung gab die Oberösterreichische Landesregierung im angefochtenen Bescheid keine Folge. Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus, dass die Ausnahmebestimmung des §8 Z2 Kommunalsteuergesetz 1993, BGBl. 819 (im Folgenden KommStG), im vorliegenden Fall nicht zur Anwendung gelange, weil es sich bei der Vorstellungswerberin nicht um eine gemeinnützige Krankenanstalt im Sinne dieser Bestimmung handle.
3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in welcher die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung verfassungswidriger Gesetzesbestimmungen gerügt und der Antrag gestellt wird, den angefochtenen Bescheid kostenpflichtig aufzuheben.
4. Die belangte Behörde legte innerhalb der ihr gesetzten Frist die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie den angefochtenen Bescheid verteidigt und beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
5. Die Gemeinde Gallspach hat von der Erstattung einer Äußerung Abstand genommen.
II. Die Beschwerde ist, soweit der angefochtene Bescheid die Vorschreibung eines Säumniszuschlages bestätigt, begründet:
1. Mit Erkenntnis vom 21. Juni 2002, G32,33/02, hob der Verfassungsgerichtshof die §§164-169 der OÖ LAO 1996, LGBl. 107, als verfassungswidrig auf.
2. Gemäß Art140 Abs7 B-VG wirkt die Aufhebung eines Gesetzes auf den Anlassfall zurück. Es ist daher hinsichtlich des Anlassfalles so vorzugehen, als ob die als verfassungswidrig erkannte Norm bereits zum Zeitpunkt der Verwirklichung des dem Bescheid zugrunde gelegten Tatbestandes nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte.
3. Dem in Art140 Abs7 B-VG genannten Anlassfall (im engeren Sinn), anlässlich dessen das Gesetzesprüfungsverfahren tatsächlich eingeleitet worden ist, sind all jene Beschwerdefälle gleichzuhalten, die zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Gesetzesprüfungsverfahren (bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung) beim Verfassungsgerichtshof bereits anhängig waren (VfSlg. 10.616/1985, 11.711/1988).
4. Die nichtöffentliche Beratung des Verfassungsgerichtshofes im Gesetzesprüfungsverfahren fand am 21. Juni 2002 statt. Die vorliegende Beschwerde ist beim Verfassungsgerichtshof am 31. Mai 2002 eingelangt, war also zum Zeitpunkt der nichtöffentlichen Beratung schon anhängig; der ihr zugrunde liegende Fall ist somit einem Anlassfall gleichzuhalten.
5. Die belangte Behörde hat bei Erlassung des angefochtenen Bescheides - soweit sie die Verpflichtung zur Entrichtung eines Säumniszuschlages bestätigte - §166 der OÖ LAO 1996 angewendet.
Es ist nach Lage des Falles offenkundig, dass diese Anwendung für die Rechtsstellung der beschwerdeführenden Partei nachteilig war. Der Bescheid war daher, soweit mit ihm die Vorschreibung eines Säumniszuschlags bestätigt wird, aufzuheben.
6. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VfGG. Da der angefochtene Bescheid nicht zur Gänze aufgehoben wird, sind der beschwerdeführenden Partei nur die Hälfte der Kosten sowie der Ersatz der Eingabegebühr in der Höhe von € 180,-- zuzusprechen; in den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in Höhe von € 163,50 enthalten.
III. 1. Die Behandlung der Beschwerde wird, soweit sie sich gegen die Vorschreibung von Kommunalsteuer richtet, abgelehnt.
1.1. Der Verfassungsgerichtshof kann die Behandlung einer Beschwerde in einer nicht von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ausgeschlossenen Angelegenheit ablehnen, wenn sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (Art144 Abs2 B-VG).
1.2. Die Beschwerde behauptet ausschließlich die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit vor dem Gesetz durch Anwendung einer gesetzwidrigen generellen Norm. Vor dem Hintergrund der einschlägigen Rechtsprechung des Gerichtshofes (vgl. VfSlg. 10.188/1984 sowie die die beschwerdeführende Gesellschaft betreffenden hg. Beschlüsse vom 14. Oktober 1998, B1648/98, und vom 26. Juni 2002, B1547/01) lässt ihr Vorbringen die behauptete Rechtsverletzung, die Verletzung eines anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes oder die Verletzung in einem sonstigen Recht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm als so wenig wahrscheinlich erkennen, dass sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat: Dem Gesetzgeber ist es durch die Verfassung nicht verwehrt, eine Kommunalsteuerbefreiung für Krankenanstalten an die Voraussetzung der Gemeinnützigkeit des Rechtsträgers zu knüpfen, da solche Rechtsträger von Gesetzes wegen besondere Bedingungen und Verpflichtungen erfüllen müssen (vgl. §37 des Oberösterreichischen Krankenanstaltengesetzes iVm §46 BAO).
2. Die Angelegenheit ist auch nicht von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ausgeschlossen.
Demgemäß wurde beschlossen, von einer Behandlung der Beschwerde insoweit abzusehen.
IV. Diese Entscheidungen wurden gemäß §19 Abs4 Z3 sowie Abs3 Z1 VfGG in nichtöffentlicher Sitzung ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung getroffen.
Schlagworte
Bescheid Trennbarkeit, VfGH / Anlaßfall, VfGH / KostenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2002:B980.2002Dokumentnummer
JFT_09978875_02B00980_00