TE Vwgh Erkenntnis 2007/6/25 2004/17/0142

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Veröffentlicht am 25.06.2007
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Index

L80004 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan
Oberösterreich;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);

Norm

B-VG Art139;
B-VG Art144;
B-VG Art18 Abs2;
ROG OÖ 1994 §27 Abs1 idF 1999/032;
ROG OÖ 1994 §27 Abs1 Z2 idF 1999/032;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler, Dr. Zens und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schiffkorn, über die Beschwerde 1. des HH,

2. der IH, 3. des PH und 4. der KH, alle in A und alle vertreten durch Dr. Michael Metzler, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Landstraße 49, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 8. Jänner 2004, Zl. BauR-013206/1-2003-Kr/Mö, betreffend Ausnahme von der Entrichtung eines Aufschließungsbeitrags gemäß § 27 Oberösterreichisches Raumordnungsgesetz 1994 (mitbeteiligte Partei: Gemeinde Zell an der Pram, Hofmark 1, 4755 Zell an der Pram), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführenden Parteien haben dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1.1. Mit Bescheid vom 12. Mai 2003 wies der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde den Antrag der Beschwerdeführer auf Erteilung einer Ausnahme vom Aufschließungsbeitrag gemäß § 27 Oö ROG 1994 für das Grundstück Nr. 699 der EZ X, KG 48139 Zell an der Pram, als unbegründet ab. Für Parzellen, die im Bereich der Infrastrukturkreise nach dem örtlichen Entwicklungskonzept der mitbeteiligten Gemeinde lägen, seien keine Ausnahmen vom Aufschließungsbeitrag zu gewähren. Verwiesen wurde weiters auf die "anzustrebende Verdichtung der Ortskerne" sowie die "restriktive Festlegung der Siedlungsgrenze an allen Siedlungskörpern".

1.2. Mit Bescheid vom 9. September 2003 wies der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde die Berufung der Beschwerdeführer gegen diesen Bescheid als unbegründet ab.

1.3. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Vorstellung der Beschwerdeführer gegen den Bescheid des Gemeinderates vom 9. September 2003 abgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde nach Wiedergabe des Verfahrensganges und des § 27 Oö ROG 1994 aus, die Abgabenbehörden seien davon ausgegangen, dass die Interessen einer geordneten Siedlungsentwicklung im Sinne des § 27 Abs. 1 Z 3 Oö ROG 1994 der Erteilung der Ausnahmebewilligung entgegenstünden. Die belangte Behörde teile diese Auffassung, weil aus dem örtlichen Entwicklungskonzept eindeutig zu entnehmen sei, dass im Sinne einer geordneten Siedlungsentwicklung für Parzellen der im Entwicklungskonzept grafisch dargestellten Infrastrukturkreise der mitbeteiligten Gemeinde (und daher auch für die betroffene Parzelle Nr. 699) keine Ausnahmen vom Aufschließungsbeitrag erteilt würden. Als weitere Maßnahmen würden die restriktive Festlegung der Siedlungsgrenzen an allen Siedlungskörpern festgesetzt und die hohen Erschließungskosten für den Wohnbau als weiteres zwingendes Argument für die lückenlose Einhebung der Aufschließungsbeiträge festgestellt. Das Entwicklungskonzept definiere sohin Teilbereiche des Gemeindegebietes, denen hinsichtlich der geordneten Siedlungsentwicklung eine erhöhte Priorität zukommen solle. Die Erteilung der Ausnahme stehe daher dem öffentlichen Interessen einer geordneten Siedlungsentwicklung, das im örtlichen Entwicklungskonzept zum Ausdruck komme, entgegen. Die "eingebrachten Einwände gegen Bestimmungen des Örtlichen Entwicklungskonzeptes, die generell keine Ausnahme zuließen", gingen daher ins Leere.

1.4. Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer zunächst Beschwerde vor dem Verfassungsgerichtshof. Mit Beschluss vom 8. Juni 2004, B 241/04, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. In der über Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes ergänzten Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

1.5. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift mit dem Antrag erstattet, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen. Die Beschwerdeführer haben auf die Gegenschrift repliziert.

2. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

2.1. § 27 des Oberösterreichischen Raumordnungsgesetzes (im Folgenden: Oö ROG 1994), LGBl. Nr. 114/1993 in der Fassung durch die Novelle LGBl. Nr. 32/1999, regelt die Erteilung von Ausnahmebewilligungen vom Aufschließungsbeitrag (auszugsweise) wie folgt:

"(1) Die Gemeinde hat mit Bescheid eine Ausnahme vom Aufschließungsbeitrag zu erteilen, wenn

1. dies der Grundstückseigentümer binnen vier Wochen nach Zustellung der Vorschreibung beantragt,

2. den (Anm: richtig: dem) Interessen einer geordneten Siedlungsentwicklung, insbesondere solche, die im örtlichen Entwicklungskonzept zum Ausdruck kommen, nicht entgegenstehen und

3. das Grundstück keine Baulücke darstellt.

...

(1a) Die Einbringung des Antrags nach Abs. 1, Z 1 hat die Wirkung, dass die Einhebung des Aufschließungsbeitrags bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens über die Ausnahme gehemmt wird.

(2) Die Erteilung der Ausnahmebewilligung hat die Wirkung, dass auf dem Grundstück vor Ablauf von zehn Jahren weder bewilligungs- noch anzeigepflichtige Bauvorhaben errichtet werden dürfen. ...

(3) ..."

2.2. Der angefochtene Bescheid gründet auf der Annahme, dass das örtliche Entwicklungskonzept der mitbeteiligten Gemeinde für Grundstücke, die in den Infrastrukturkreisen liegen, die Erteilung einer Ausnahme nach § 27 Oö ROG 1994 grundsätzlich ausschließe. Das Interesse der geordneten Siedlungsentwicklung stehe daher im Sinne des § 27 Abs. 1 Z 2 Oö ROG 1994 der Erteilung der Bewilligung entgegen.

Die Beschwerdeführer halten dem entgegen, dass das gegenständliche Grundstück in Randlage des Siedlungsgebiets der mitbeteiligten Gemeinde liege und sich im Anschluss an dieses Grundstück kein weiteres Baugrundstück mehr befinde. Der herangezogene Versagungsgrund könne daher begrifflich nicht in Betracht kommen. Der Verweis auf das örtliche Entwicklungskonzept sei eine Scheinbegründung, weil § 27 Oö ROG 1994 zwar dem Entwicklungskonzept "eine Beurteilungskomponente einräumt, nicht jedoch eine per se 'Anwendung' vorschreibt, die eine Einzelbeurteilung im konkreten Fall überflüssig machen würde."

2.3. Strittig ist daher vor dem Verwaltungsgerichtshof - wie auch schon vor der belangten Behörde - allein die Frage, ob der von den Beschwerdeführern beantragten Ausnahme vom Aufschließungsbeitrag Interessen einer geordneten Siedlungsentwicklung, insbesondere solche, die im örtlichen Entwicklungskonzept zum Ausdruck kommen, entgegen stehen.

2.4. Zu dem Vorbringen der Beschwerdeführer, die Auslegung der belangten Behörde liefe darauf hinaus, dass eine Einzelfallbeurteilung nach § 27 Oö ROG 1994 durch das örtliche Entwicklungskonzept bzw. seine Auslegung durch die Abgabenbehörden und die belangte Behörde ausgeschlossen werde, ist darauf zu verweisen, dass der Spielraum, den das örtliche Entwicklungskonzept und der Flächenwidmungsplan den Abgabenbehörden bei der Beurteilung gemäß § 27 Oö ROG 1994, ob das Interesse der geordneten Siedlungsentwicklung der Erteilung der Ausnahme entgegen steht, belässt bzw. zu belassen hat, nicht generell umschrieben werden kann. Dieser Spielraum wird vielmehr je nach Ausgestaltung des örtlichen Entwicklungskonzepts unterschiedlich sein. Aufgabe der Abgabenbehörden ist es, ausgehend von den Determinanten des § 27 Abs. 1 Oö ROG 1994 an Hand der konkreten Vorgaben des Entwicklungskonzeptes begründet darzulegen, inwiefern auf Grund der konkreten Situation in der betreffenden Gemeinde in Verbindung mit den im Entwicklungskonzept festgeschriebenen Zielen eine Gefährdung einer geordneten Siedlungsentwicklung im Sinne des § 27 Oö ROG 1994 gegeben ist.

Es trifft zwar zu, dass ein genereller Ausschluss der Erteilung von Ausnahmebewilligungen gemäß § 27 Oö ROG 1994 für das gesamte Bauland im Gemeindegebiet durch das örtliche Entwicklungskonzept in einem Spannungsverhältnis mit § 27 Oö ROG 1994 stünde. Ob eine derartige generelle Ausschlussbestimmung für die Erteilung von Ausnahmen tatsächlich gesetzwidrig wäre, hängt aber einerseits davon ab, wie restriktiv der Flächenwidmungsplan bei der Baulandwidmung gestaltet wurde, und wäre - worauf es im vorliegenden Zusammenhang entscheidend ankommt - in einem Verordnungsprüfungsverfahren vom Verfassungsgerichtshof zu beurteilen. Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Ablehnungsbeschluss vom 8. Juni 2004 jedoch keine Bedenken gegen die anzuwendenden Rechtsgrundlagen geäußert sondern vielmehr festgehalten, dass die dem örtlichen Entwicklungskonzept - ebenso wie § 27 Oö ROG 1994 - zu Grunde liegenden Ziele der Baulandmobilisierung und der gleichzeitigen Verdichtung der Bebauung innerhalb der im Funktionsplan festgelegten Grenzen der Baulandentwicklung auch die Vorschreibung eines Aufschließungsbeitrages für ein in Randlage befindliches Grundstück im Interesse einer geordneten Siedlungsentwicklung rechtfertigten. Im Beschwerdefall ist vor allem maßgeblich, dass die mitbeteiligte Gemeinde eine restriktive Festlegung der Siedlungsgrenzen als Ziel der örtlichen Raumplanung festgelegt hat. Auch Grundstücken in Randlage kommt bei einer derartigen Raumplanungsstrategie entscheidende Bedeutung für die geordnete Siedlungsentwicklung zu. Es trifft daher insbesondere auch nicht zu, dass bei Grundstücken in Randlage der herangezogene Versagungstatbestand "begrifflich" nicht in Betracht komme (vgl. zum Gesichtspunkt der Konzentration der Wohnbebauung unter Ausnützung der bestehenden Straßen und Kanalstränge im Zusammenhang mit der Auslegung des § 27 Oö ROG 1994 das hg. Erkenntnis vom 29. Mai 2006, Zl. 2005/17/0253).

Es bestehen daher gegen die von der belangten Behörde ihrer Entscheidung zu Grunde gelegte Verordnung des Gemeinderats (das örtliche Entwicklungskonzept) keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Auch in der ergänzten Beschwerde werden keine Gesichtspunkte aufgezeigt, die etwa Bedenken hinsichtlich der Ausgestaltung der im Entwicklungskonzept der mitbeteiligten Gemeinde festgelegten Infrastrukturkreise oder der Festlegung des Baulands hervorrufen könnten, die zu einer neuerlichen Befassung des Verfassungsgerichtshofes im Wege eines Verordnungsprüfungsantrags durch den Verwaltungsgerichtshof Anlass geben müssten.

Daraus folgt aber, dass der belangten Behörde nicht entgegen getreten werden kann, wenn sie aus dem örtlichen Entwicklungskonzept abgeleitet hat, dass das Interesse der geordneten Siedlungsentwicklung im Sinne des § 27 Abs. 1 Z 2 Oö ROG 1994 der beantragten Ausnahmebewilligung entgegen stehe.

2.5. Aus den dargelegten Erwägungen ergibt sich, dass die Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in ihren Rechten weder wegen der geltend gemachten noch wegen einer vom Verwaltungsgerichtshof aus eigenem aufzugreifenden Rechtswidrigkeit verletzt worden ist.

Die Beschwerde war infolgedessen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

2.6. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 25. Juni 2007

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2004170142.X00

Im RIS seit

15.08.2007
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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