TE OGH 2004/10/12 1Ob16/04s

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Veröffentlicht am 12.10.2004
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der Antragstellerin Monika W*****, vertreten durch Dr. Andrea Wukovits, Rechtsanwältin in Wien, wider die Antragsgegner 1. Elfriede S*****, und 2. Ing. Wolfgang M*****, vertreten durch Wille & Brandstätter, Rechtsanwälte OEG in Wien, wegen Ersetzung einer Zustimmungserklärung gemäß § 835 ABGB infolge Revisionsrekurses der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 31. Oktober 2003, GZ 43 R 663/03y-13, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Floridsdorf vom 4. Juli 2003, GZ 1 Nc 3/03b-7, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben; dem Erstgericht wird die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Das Begehren der Antragstellerin auf Zuspruch von Revisionsrekurskosten wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die Antragstellerin, beide Antragsgegner, aber auch noch mehrere weitere Personen sind Miteigentümer zweier Liegenschaften, wobei auf einer von der Antragstellerin benutzten und durch Einzäunung von den restlichen Flächen getrennten Teilfläche ein ohne Baubewilligung errichtetes Einfamilienhaus steht.

Die Antragstellerin begehrte, angesichts der unberechtigten Verweigerung der Zustimmungserklärung zur Einbringung des Antrags auf Erteilung der Baubewilligung für das bestehende Gebäude durch die Antragsgegner diese Erklärung gemäß § 835 ABGB zu ersetzen. Das Haus sei bereits vor etwa 40 Jahren errichtet worden, also lange bevor die Antragstellerin ihre Miteigentumsanteile erworben habe. Sie bemühe sich nun um die Erteilung einer (nachträglichen) Baubewilligung, wobei der Einreichplan der Bauordnung für Wien gemäß von sämtlichen Miteigentümern zu unterfertigen sei. Außer den beiden Antragsgegnern hätten alle Miteigentümer den Einreichplan unterfertigt. Die Antragsgegner verweigerten die Unterzeichnung begründungslos.

Die Antragsgegner begehrten die Abweisung des Antrags der Antragstellerin, in eventu die Auferlegung einer Sicherheitsleistung von 15.000 EUR. Das aufgeführte Haus stelle einen "Schwarzbau" dar; es seien Unterlagen zur Bewertung dieses Baus nie vorgelegt worden und fehle insbesondere eine Baubeschreibung. Die angestrebte Baubewilligung sei für die Gesamtheit der Miteigentümer nachteilig, insbesondere im Falle der Veräußerung der Liegenschaften, denn der Bau schmälere deren Wert. Ohne Genehmigung des Bauwerks sei die Antragstellerin zu dessen Abtragung verhalten.

Das Erstgericht ersetzte die Zustimmungserklärung der Antragsgegner im Sinne des von der Antragstellerin gestellten Begehrens und wies den Antrag auf Auferlegung einer Sicherheitsleistung ab. Die ordnungsgemäße baubehördliche Genehmigung des von der Antragstellerin benützten Baus würde den Wert des Grundstücks schon nach allgemeiner Lebenserfahrung erhöhen. Die Einholung der Baubewilligung stelle eine "wichtige Veränderung" dar, die der besseren Benützung des "Hauptstammes" diene. Daher sei diese Veränderung unbedingt und ohne Auferlegung einer Sicherstellung richterlich zu genehmigen.

Das Rekursgericht änderte diese Entscheidung dahin ab, dass es den Antrag auf "Erteilung der Zustimmungserklärung" abwies. Es sprach aus, dass der Rekursstreitwert 20.000 EUR übersteige und dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. An einem Verfahren, in dem über die Miteigentumsanteile mehrerer Miteigentümer verfügt werde, seien alle Miteigentümer zu beteiligen. Die dem Bauansuchen der Antragstellerin zustimmenden Miteigentümer seien aber nicht als Antragsteller aufgetreten, weshalb eine wesentliche materielle Anspruchsvoraussetzung fehle, die nicht im Wege eines Verbesserungsverfahrens korrigiert werden könne.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Antragstellerin ist zulässig und berechtigt.

Die Vorinstanzen sind völlig zu Recht davon ausgegangen, dass das Ansuchen um (nachträgliche) Baubewilligung für einen bereits bestehenden Bau eine "wichtige Veränderung" iSd § 834 ABGB darstellt und dass eine solche Veränderung den einstimmigen Beschluss aller Miteigentümer erfordert. Das wird von den Parteien auch nicht in Zweifel gezogen. Ist ein solcher einstimmiger Beschluss nicht zu erzielen, dann können die Miteigentümer, die die Mehrheit der Miteigentumsanteile innehaben, die Durchführung der von ihnen gewünschten Änderung begehren. Die überstimmten Minderheitseigentümer haben das Recht, Sicherstellung für künftige Schäden zu verlangen bzw aus der Gemeinschaft auszutreten. Wird ein solcher Austritt nicht gewünscht oder geschähe er zur Unzeit, dann hat gemäß § 835 ABGB letztlich der Richter im außerstreitigen Verfahren darüber zu entscheiden, ob eine Veränderung unbedingt, gegen Sicherstellung oder überhaupt nicht stattfinden soll (Gamerith in Rummel ABGB3 Rz 6, 6a, 7 und 8 zu § 834; Koziol/Welser, Bürgerliches Recht I12 265 f). Die Entscheidung nach § 835 ABGB kann erst nach Fassung eines Mehrheitsbeschlusses ergehen (Gamerith aaO Rz 3 zu § 835). Von einem solchen Mehrheitsbeschluss ist im vorliegenden Fall auszugehen, wurde doch das Bauansuchen der Antragstellerin von sämtlichen Miteigentümern - ausgenommen die Antragsgegner - unterfertigt. Wenngleich die nachträgliche Genehmigung einer eigenmächtig vorgenommenen Maßnahme - hier: Errichtung eines Baus - grundsätzlich nicht zulässig ist, gilt anderes in dem Fall, dass die eigenmächtige Maßnahme durch dritte Personen - hier: die Rechtsvorgänger der Antragstellerin - erfolgte und die Miteigentümer erstmalig entscheiden, es bei dieser eigenmächtigen Maßnahme zu belassen (Gamerith aaO). Es liegen also grundsätzlich alle Voraussetzungen für einen Antrag der Miteigentümermehrheit auf Ersetzung der Zustimmungserklärung der Antragsgegner durch das Gericht vor.

Im hier vorliegenden Fall ist eine Beantwortung der Frage, ob die von der Antragstellerin geplante "wichtige Veränderung" vom Standpunkt der Eigentümergesamtheit aus offenbar vorteilhaft, bedenklich oder nachteilig ist (vgl SZ 69/228), noch nicht möglich, weil an allen auf Rechtsgestaltung gerichteten Außerstreitverfahren alle Miteigentümer beteiligt sein müssen und es an diesem Erfordernis mangelt. Einem Miteigentümer - oder einem Teil der Miteigentümer - fehlt die Antragslegitimation, wenn der Antrag nicht gegen alle übrigen Miteigentümer gestellt wird. Die Miteigentümer bilden eine einheitliche Streitpartei iSd § 14 ZPO, weil es sich um ein den Parteien gemeinschaftliches Verhältnis handelt, das naturnotwendig nur gegen alle Gemeinschafter festgestellt werden kann (vgl SZ 70/159; MietSlg 38.062; 33.077; SZ 53/18; MietSlg 29.532; 27.082; RZ 1974, 48; MietSlg 27.630; Gamerith aaO Rz 14 zu § 835). Sind nicht alle Miteigentümer - sei es als Antragsteller oder als Antragsgegner - am Verfahren beteiligt, dann muss der von einem oder mehreren Miteigentümern gestellte Antrag iSd § 835 ABGB erfolglos bleiben; das Begehren ist abzuweisen (MietSlg 33.077; SZ 53/18; RZ 1974, 48; MietSlg 27.630; Gamerith aaO).Im hier vorliegenden Fall ist eine Beantwortung der Frage, ob die von der Antragstellerin geplante "wichtige Veränderung" vom Standpunkt der Eigentümergesamtheit aus offenbar vorteilhaft, bedenklich oder nachteilig ist vergleiche SZ 69/228), noch nicht möglich, weil an allen auf Rechtsgestaltung gerichteten Außerstreitverfahren alle Miteigentümer beteiligt sein müssen und es an diesem Erfordernis mangelt. Einem Miteigentümer - oder einem Teil der Miteigentümer - fehlt die Antragslegitimation, wenn der Antrag nicht gegen alle übrigen Miteigentümer gestellt wird. Die Miteigentümer bilden eine einheitliche Streitpartei iSd § 14 ZPO, weil es sich um ein den Parteien gemeinschaftliches Verhältnis handelt, das naturnotwendig nur gegen alle Gemeinschafter festgestellt werden kann vergleiche SZ 70/159; MietSlg 38.062; 33.077; SZ 53/18; MietSlg 29.532; 27.082; RZ 1974, 48; MietSlg 27.630; Gamerith aaO Rz 14 zu § 835). Sind nicht alle Miteigentümer - sei es als Antragsteller oder als Antragsgegner - am Verfahren beteiligt, dann muss der von einem oder mehreren Miteigentümern gestellte Antrag iSd § 835 ABGB erfolglos bleiben; das Begehren ist abzuweisen (MietSlg 33.077; SZ 53/18; RZ 1974, 48; MietSlg 27.630; Gamerith aaO).

Dennoch kommt dem Revisionsrekurs Berechtigung zu:

Das Außerstreitverfahren ist weit weniger formalistisch als der streitige Zivilprozess. Es ist im weitesten Sinn vom Grundsatz der Amtswegigkeit beherrscht. Das Gericht hat gemäß § 2 Abs 2 Z 4 AußStrG unter anderem darüber zu wachen, dass kein Rechtsgeschäft ohne Zuziehung derjenigen, deren Vernehmung oder Einwilligung zu dessen Gültigkeit notwendig ist, abgeschlossen werde. Daraus ist abzuleiten, dass der Außerstreitrichter darauf zu dringen hat, dass alle Personen, deren Beteiligung an einem Verfahren unbedingt nötig ist, auch diesem Verfahren beigezogen werden (vgl WoBl 1993, 231; MietSlg 44.539; 35.661; Korinek/Krejci, Handbuch zum MRG 518 FN 128; Fasching, Lehrbuch² Rz 1197). Dies kann allerdings nicht so weit führen, dass das Gericht weitwendige Nachforschungen anzustellen oder gar die Parteien von Amts wegen - sei es als Antragsteller oder Antragsgegner - selbst zu benennen hätte, denn eine solche Vorgangsweise würde dem auch im außerstreitigen Verfahren zur Regelung der Gemeinschaftsverhältnisse zwischen Miteigentümern herrschenden Antragsprinzip (Gamerith aaO Rz 15 zu § 835) widersprechen. Es ist Sache des jeweiligen Antragstellers, nach entsprechender Anleitung bzw Aufforderung durch das Außerstreitgericht dafür zu sorgen, dass die noch nicht am Verfahren beteiligten Miteigentümer auf seiner Seite als Partei ins Verfahren eintreten bzw muss er sie ansonsten als Antragsgegner ausdrücklich benennen. Wird diese Vorgangsweise nicht eingehalten, dann hat es dabei zu bleiben, dass der Antrag nach § 835 ABGB erfolglos bleibt und das Begehren abzuweisen ist, denn eine amtswegige Berichtigung der Parteien ist auch im Außerstreitverfahren nicht zulässig (vgl WoBl 2001, 123).Das Außerstreitverfahren ist weit weniger formalistisch als der streitige Zivilprozess. Es ist im weitesten Sinn vom Grundsatz der Amtswegigkeit beherrscht. Das Gericht hat gemäß § 2 Abs 2 Ziffer 4, AußStrG unter anderem darüber zu wachen, dass kein Rechtsgeschäft ohne Zuziehung derjenigen, deren Vernehmung oder Einwilligung zu dessen Gültigkeit notwendig ist, abgeschlossen werde. Daraus ist abzuleiten, dass der Außerstreitrichter darauf zu dringen hat, dass alle Personen, deren Beteiligung an einem Verfahren unbedingt nötig ist, auch diesem Verfahren beigezogen werden (vgl WoBl 1993, 231; MietSlg 44.539; 35.661; Korinek/Krejci, Handbuch zum MRG 518 FN 128; Fasching, Lehrbuch² Rz 1197). Dies kann allerdings nicht so weit führen, dass das Gericht weitwendige Nachforschungen anzustellen oder gar die Parteien von Amts wegen - sei es als Antragsteller oder Antragsgegner - selbst zu benennen hätte, denn eine solche Vorgangsweise würde dem auch im außerstreitigen Verfahren zur Regelung der Gemeinschaftsverhältnisse zwischen Miteigentümern herrschenden Antragsprinzip (Gamerith aaO Rz 15 zu § 835) widersprechen. Es ist Sache des jeweiligen Antragstellers, nach entsprechender Anleitung bzw Aufforderung durch das Außerstreitgericht dafür zu sorgen, dass die noch nicht am Verfahren beteiligten Miteigentümer auf seiner Seite als Partei ins Verfahren eintreten bzw muss er sie ansonsten als Antragsgegner ausdrücklich benennen. Wird diese Vorgangsweise nicht eingehalten, dann hat es dabei zu bleiben, dass der Antrag nach § 835 ABGB erfolglos bleibt und das Begehren abzuweisen ist, denn eine amtswegige Berichtigung der Parteien ist auch im Außerstreitverfahren nicht zulässig vergleiche WoBl 2001, 123).

Dem Revisionsrekurs ist stattzugeben: das Erstgericht wird die Antragstellerin im Sinne obiger Ausführungen anleiten müssen.

Das Kostenersatzbegehren der Revisionsrekurswerberin ist zurückzuweisen, weil im Außerstreitverfahren - von hier nicht maßgeblichen Ausnahmen abgesehen - kein Kostenersatz vorgesehen ist.

Textnummer

E74907

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2004:0010OB00016.04S.1012.000

Im RIS seit

11.11.2004

Zuletzt aktualisiert am

12.01.2011
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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