Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rohrer und Dr. Kuras sowie durch die fachkundigen Laienrichter Peter Ammer und Gerhard Prochaska als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Betriebsrat *****, vertreten durch Dr. Helga Hofbauer, Rechtsanwältin in Wien, wider die beklagte Partei Ö*****, vertreten durch Dr. Bernhard Krause, Rechtsanwalt in Wien, wegen Beistellung von Sacherfordernissen gemäß § 72 ArbVG, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 19. Mai 2004, GZ 9 Ra 25/04v-19, mit dem infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 6. Oktober 2003, GZ 10 Cga 167/02d-14, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rohrer und Dr. Kuras sowie durch die fachkundigen Laienrichter Peter Ammer und Gerhard Prochaska als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Betriebsrat *****, vertreten durch Dr. Helga Hofbauer, Rechtsanwältin in Wien, wider die beklagte Partei Ö*****, vertreten durch Dr. Bernhard Krause, Rechtsanwalt in Wien, wegen Beistellung von Sacherfordernissen gemäß Paragraph 72, ArbVG, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 19. Mai 2004, GZ 9 Ra 25/04v-19, mit dem infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 6. Oktober 2003, GZ 10 Cga 167/02d-14, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision der beklagten Partei wird teilweise Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie zu lauten haben:
"Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die im EDV-System der beklagten Partei bestehende Intranetfunktion "Mail an alle" mit der Einschränkung, dass die Datenmenge pro Mail 150 KByte nicht überschreiten darf, binnen 14 Tagen zur Verfügung zu stellen.
Das Mehrbegehren, die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die im EDV-System der beklagten Partei bestehende Intranetfunktion "Mail an alle" ohne Beschränkung zur Verfügung zu stellen, wird abgewiesen."
Die Kosten des Revisionsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit 23. 3. 2000 wurde bei der Beklagten für eine intensivere und rascherer interne Kommunikation ein "Intranet" eröffnet. Im Mai 2000 wurde jedoch verfügt, dass es nicht mehr möglich sei, die Gruppe "Mail an alle" als Adressat unberechtigt zu verwenden. Diese sei vielmehr dem Vorstandsbereich, der Bereichsleitung ORGA Wien und nach Rücksprache mit dem Leiter des EDV-Bereiches für vorgesehene Verwendungen vorbehalten. In dem bei der Beklagten verwendeten Programm findet sich in einem einzigen Adressbuch der größte Teil der Mitarbeiter. Es gibt aber auch verschiedene Verteilerlisten, die die Mitarbeiter bestimmter organisatorischer Gruppen zusammenfassen, und Postfächer für Gruppen ohne namentlich genau definierte Empfänger.
Grundsätzlich kann jeder Mitarbeiter die im Adressbuch gespeicherten Adressen und Verteilerlisten ohne Einschränkung nutzen und auch Attachements mitversenden. Das persönliche Postfach jedes Mitarbeiters ist mit 100 MByte begrenzt. Unter "Mail an alle" ist ein Massenmail gemeint, das an sämtliche der ca 1000 Mitarbeiter geht. Es ist aber auch möglich, im Adressfeld der Mails die etwa 10 Verteilerlisten auszuwählen, über die ebenfalls alle Mitarbeiter erreicht werden. Damit ist nur ein geringer Mehraufwand gegenüber der Verteilerliste "Mail an alle" verbunden. Die Datenmenge könnte bis zu 250 KByte betragen, ohne dass funktional oder technisch zusätzliche Maßnahmen erforderlich wären. Im Hinblick auf die möglicherweise negativen Auswirkungen sollte aber eine in der Praxis sinnvolle Größe von 100 bis 150 KByte nicht überschritten werden. Andernfalls muss damit gerechnet werden, dass vorbeugende Maßnahmen erforderlich sind, um die Wahrscheinlichkeit von Systemabstürzen zu reduzieren und Fehlerquellen auszuschließen.
Das "Gelbe Brett" oder die "Mail-in-Datenbank" sind mit dem "Mail an alle" insoweit nicht vergleichbar, da dabei die Informationen entweder abgeholt werden müssen ("Gelbes Brett") oder eine manuelle Weiterverteilung ("Mail-In-Datenbank") erforderlich ist.
Der klagende Betriebsrat begehrt nunmehr, ihm den Zugang zu der Internetfunktion "Mail an alle" zur Verfügung zu stellen. Diese stelle ein ihm gemäß § 72 ArbVG zustehendes Sacherfordernis dar. Weder die Möglichkeit, die Mitarbeiter mit Rundschreiben über die Kanzlei informieren zu können noch das "Gelbe Brett" seien vergleichbar. Für einen Betriebsrat in einem Betrieb der Größe der Beklagten sei es durchaus angemessen, die EDV-Ausstattung adäquat zu nutzen. Damit sei auch keine Gefährdung des Betriebssystems verbunden.Der klagende Betriebsrat begehrt nunmehr, ihm den Zugang zu der Internetfunktion "Mail an alle" zur Verfügung zu stellen. Diese stelle ein ihm gemäß Paragraph 72, ArbVG zustehendes Sacherfordernis dar. Weder die Möglichkeit, die Mitarbeiter mit Rundschreiben über die Kanzlei informieren zu können noch das "Gelbe Brett" seien vergleichbar. Für einen Betriebsrat in einem Betrieb der Größe der Beklagten sei es durchaus angemessen, die EDV-Ausstattung adäquat zu nutzen. Damit sei auch keine Gefährdung des Betriebssystems verbunden.
Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete zusammengefasst ein, dass der klagende Betriebsrat schon durch die Möglichkeit von Rundschreiben bzw das "Gelbe Brett" oder die "Mail-in-Adressen" genügend Sachmittel zur Information der betriebsangehörigen Arbeitnehmer habe. Die vom klagenden Betriebsrat gewünschte Funktion "Mail an alle" sei technisch nicht möglich und würde zum Absturz des Systems führen, wenn an 1000 Mitarbeitern jeweils eine große Datenmenge geschickt werde.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren ohne Einschränkung statt. Es folgerte im Wesentlichen rechtlich, dass § 72 ArbVG auch einen Anspruch auf eine den Kommunikationsmöglichkeiten entsprechende Unterstützung des Betriebsrates umfasse. Das Versenden mit der Post sei unzeitgemäß und zeitraubend; das "Gelbe Brett" habe nicht den gleichen Effekt.Das Erstgericht gab dem Klagebegehren ohne Einschränkung statt. Es folgerte im Wesentlichen rechtlich, dass Paragraph 72, ArbVG auch einen Anspruch auf eine den Kommunikationsmöglichkeiten entsprechende Unterstützung des Betriebsrates umfasse. Das Versenden mit der Post sei unzeitgemäß und zeitraubend; das "Gelbe Brett" habe nicht den gleichen Effekt.
Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung der Beklagten nicht Folge. Für den Anspruch des Betriebsrates nach § 72 ArbVG sei eine Interessenabwägung zwischen der Größe und Leistungsfähigkeit des Betriebes und den Bedürfnissen der Belegschaftsorgane vorzunehmen. Im Hinblick auf die Größe des Betriebes sei aber das Begehren auf die Ausstattung des klagenden Betriebsrats mit der Funktion "Mail an alle" zur ordnungsgemäßen Erfüllung der Aufgaben des Betriebsrates sachgerecht. Hinsichtlich der Gefahr von Systemabstürzen könne die IT-Abteilung vorbeugende Maßnahmen treffen.Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung der Beklagten nicht Folge. Für den Anspruch des Betriebsrates nach Paragraph 72, ArbVG sei eine Interessenabwägung zwischen der Größe und Leistungsfähigkeit des Betriebes und den Bedürfnissen der Belegschaftsorgane vorzunehmen. Im Hinblick auf die Größe des Betriebes sei aber das Begehren auf die Ausstattung des klagenden Betriebsrats mit der Funktion "Mail an alle" zur ordnungsgemäßen Erfüllung der Aufgaben des Betriebsrates sachgerecht. Hinsichtlich der Gefahr von Systemabstürzen könne die IT-Abteilung vorbeugende Maßnahmen treffen.
Rechtliche Beurteilung
Die ordentliche Revision erachtete das Berufungsgericht als zulässig. Die gegen dieses Urteil erhobene Revision der Beklagten ist im Hinblick auf die allgemeine Bedeutung der vorliegenden Fragestellung zulässig. Sie ist auch teilweise berechtigt.
Nach § 72 ArbVG sind dem Betriebsrat zur ordnungsgemäßen Erfüllung seiner Aufgaben neben Räumlichkeiten, Kanzlei- und Geschäftserfordernissen auch sonstige Sacherfordernisse in einem der Größe des Betriebes und den Bedürfnissen des Betriebsrates angemessenen Ausmaß vom Betriebsinhaber unentgeltlich zur Verfügung zu stellen.Nach Paragraph 72, ArbVG sind dem Betriebsrat zur ordnungsgemäßen Erfüllung seiner Aufgaben neben Räumlichkeiten, Kanzlei- und Geschäftserfordernissen auch sonstige Sacherfordernisse in einem der Größe des Betriebes und den Bedürfnissen des Betriebsrates angemessenen Ausmaß vom Betriebsinhaber unentgeltlich zur Verfügung zu stellen.
Ausgangspunkt für die Beurteilung des Umfanges dieses Anspruches ist der Zweck dieser Bestimmung, die ordnungsgemäße Erfüllung der Aufgaben des Betriebsrates, also der ihm zustehenden Befugnisse (vgl dazu auch Strasser/Jabornegg ArbVG3 § 72 Anm 2), zu ermöglichen. Das Ausmaß selbst ist entsprechend der Größe des Betriebes und den Bedürfnissen des Betriebsrates begrenzt. Grundsätzlich zuzustimmen ist den Vorinstanzen, wenn sie davon ausgehen, dass dann, wenn in einem Betrieb ohnehin bereits ein internes Computer-Kommunikationsnetz errichtet wurde ("Intranet"), auch dem Betriebsrat der Zugang dazu und die Möglichkeit der Verständigung der anderen Arbeitnehmer einzuräumen ist (vgl in diesem Zusammenhang allerdings zum Internetanschluss Preiss in Cerny/Gahleitner/Kundter/ Preiss/Schneller, Arbeitsverfassungsgesetz Band 23, 592). Wurde doch auch der Zugang zu einem Telefonanschluss und die Tragung der Gesprächsgebühren im Rahmen des § 72 ArbVG zuerkannt (vgl Preiss aaO, 593, RIS-Justiz RS0051082 = SZ 64/99 = ZAS 1992/16, 131 [Resch]). Dem Zugang zu einem ohnehin bereits vorhandenen System stehen ja auch keine wesentlichen Interessen des Betriebs entgegen.Ausgangspunkt für die Beurteilung des Umfanges dieses Anspruches ist der Zweck dieser Bestimmung, die ordnungsgemäße Erfüllung der Aufgaben des Betriebsrates, also der ihm zustehenden Befugnisse vergleiche dazu auch Strasser/Jabornegg ArbVG3 Paragraph 72, Anmerkung 2), zu ermöglichen. Das Ausmaß selbst ist entsprechend der Größe des Betriebes und den Bedürfnissen des Betriebsrates begrenzt. Grundsätzlich zuzustimmen ist den Vorinstanzen, wenn sie davon ausgehen, dass dann, wenn in einem Betrieb ohnehin bereits ein internes Computer-Kommunikationsnetz errichtet wurde ("Intranet"), auch dem Betriebsrat der Zugang dazu und die Möglichkeit der Verständigung der anderen Arbeitnehmer einzuräumen ist vergleiche in diesem Zusammenhang allerdings zum Internetanschluss Preiss in Cerny/Gahleitner/Kundter/ Preiss/Schneller, Arbeitsverfassungsgesetz Band 23, 592). Wurde doch auch der Zugang zu einem Telefonanschluss und die Tragung der Gesprächsgebühren im Rahmen des Paragraph 72, ArbVG zuerkannt vergleiche Preiss aaO, 593, RIS-Justiz RS0051082 = SZ 64/99 = ZAS 1992/16, 131 [Resch]). Dem Zugang zu einem ohnehin bereits vorhandenen System stehen ja auch keine wesentlichen Interessen des Betriebs entgegen.
Nicht geteilt wird allerdings die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, dass es Sache der Beklagte wäre, durch eine verstärkte technische Absicherung des "Intranets" auch eine unbeschränkte Nutzung dieses Kommunikationsmittels durch den Betriebsrat zu ermöglichen. Hat doch der Oberste Gerichtshof beispielsweise im Zusammenhang mit dem Anspruch auf Beistellung eines Personenkraftwagens auch ausgesprochen, dass eine Beistellung nur entsprechend der Leistungsfähigkeit des Betriebes und den Bedürfnissen des Betriebsrates verlangt werden kann (vgl RIS-Justiz RS0019570 = SZ 60/32 = ZAS 1988, 175 [Kerschner]). Die Bedürfnisse des Betriebsrates sind von diesem zu behaupten und nachzuweisen. Wesentliche Bedürfnisse des Betriebsrates, die im Hinblick auf die derzeit bestehenden technisch bedingten Beschränkungen (150 KByte oder 10 Verteilerlisten) nicht erfüllt werden könnten, wurden vom klagenden Betriebsrat nicht nachgewiesen. Andererseits wurden bei Einhaltung dieser Beschränkung auch keine Interessen des Betriebes von der Beklagten nachgewiesen, die gegen eine solche Verwendung durch den Betriebsrat sprechen würden. Warum es zur Wahrung solcher Interessen erforderlich wäre, dass der Betriebsrat gehalten wäre, eine Versendung durch Anwählen der zehn verschiedenen Verteilerlisten zu bewirken, vermag die Beklagte nicht darzustellen.Nicht geteilt wird allerdings die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, dass es Sache der Beklagte wäre, durch eine verstärkte technische Absicherung des "Intranets" auch eine unbeschränkte Nutzung dieses Kommunikationsmittels durch den Betriebsrat zu ermöglichen. Hat doch der Oberste Gerichtshof beispielsweise im Zusammenhang mit dem Anspruch auf Beistellung eines Personenkraftwagens auch ausgesprochen, dass eine Beistellung nur entsprechend der Leistungsfähigkeit des Betriebes und den Bedürfnissen des Betriebsrates verlangt werden kann vergleiche RIS-Justiz RS0019570 = SZ 60/32 = ZAS 1988, 175 [Kerschner]). Die Bedürfnisse des Betriebsrates sind von diesem zu behaupten und nachzuweisen. Wesentliche Bedürfnisse des Betriebsrates, die im Hinblick auf die derzeit bestehenden technisch bedingten Beschränkungen (150 KByte oder 10 Verteilerlisten) nicht erfüllt werden könnten, wurden vom klagenden Betriebsrat nicht nachgewiesen. Andererseits wurden bei Einhaltung dieser Beschränkung auch keine Interessen des Betriebes von der Beklagten nachgewiesen, die gegen eine solche Verwendung durch den Betriebsrat sprechen würden. Warum es zur Wahrung solcher Interessen erforderlich wäre, dass der Betriebsrat gehalten wäre, eine Versendung durch Anwählen der zehn verschiedenen Verteilerlisten zu bewirken, vermag die Beklagte nicht darzustellen.
Insgesamt war daher dem Klagebegehren in dem eingeschränkten Umfang stattzugeben, es im Übrigen jedoch soweit es auf eine ungeschränkte Nutzung gerichtet ist, abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 58 sowie 50 und 43 ZPO.Die Kostenentscheidung gründet sich auf die Paragraphen 58, sowie 50 und 43 ZPO.
Textnummer
E75024European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2004:008OBA00092.04V.1020.000Im RIS seit
19.11.2004Zuletzt aktualisiert am
07.05.2012