Index
10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §71 Abs1 Z1;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 2005/01/0246Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Blaschek und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Matt, über den Antrag des M L (auch L) in W, geboren 1977, vertreten durch Mag. Daniela Ehrlich, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Helferstorferstraße 5, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der Beschwerde gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 10. November 2004, Zl. 253.535/0-IX/49/04, betreffend § 63 Abs. 5 AVG, sowie über die damit verbundene Beschwerde gegen diesen Bescheid (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), den Beschluss gefasst:
Spruch
1. Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird gemäß § 46 Abs. 1 VwGG nicht stattgegeben.
2. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 51,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 10. November 2004 wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers vom 29. September 2004 gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 8. September 2004 gemäß § 63 Abs. 5 AVG als verspätet zurück.
Über die Zustellung dieses Bescheides wurde von der belangten Behörde die folgende "Beurkundung gemäß § 23 Abs. 2 Zustellgesetz" vorgenommen:
"Der Berufungswerber war zuletzt Fasangasse 55/3, 1030 Wien, aufhältig. Es wurde versucht, den o.a. Bescheid des UBAS an diese bekannte Adresse zuzustellen.
Die Zustellung kam nicht zustande, da die RSa-Sendung von der Post mit dem Vermerk 'unbekannt/verzogen' rückübermittelt wurde.
Laut Meldeauskunft des Zentralmelderegisters vom 14. Dezember 2004 ist der Berufungswerber an der genannten Adresse aufrecht gemeldet.
Der Berufungswerber hat es bis dato unterlassen, entsprechend der Bestimmung des § 8 Abs. 1 Zustellgesetz der Behörde unverzüglich die Änderung seiner bisherigen Abgabestelle mitzuteilen, obwohl er von dem ihn betreffenden Asylverfahren Kenntnis hatte.
Da die Feststellung einer neuen Abgabestelle nicht möglich ist, wird gemäß § 8 Abs. 2 iVm § 23 Abs. 1 Zustellgesetz hiemit der oben angeführte Bescheid des UBAS vom 10. November 2004, Zl.: 253.535/0-IX/49/04, ohne vorausgehenden Zustellversuch
am 15. Dezember 2004
bei der Behörde selbst hinterlegt, bei dieser zur Abholung bereit gehalten, und gilt gemäß § 23 Abs. 4 Zustellgesetz mit diesem Tag als zugestellt.
Ein Vorgehen entsprechend der Bestimmung des § 23 Abs. 3 Zustellgesetz ist nicht zweckmäßig, da dem Zusteller keine Personen bekannt sind, von denen angenommen werden könnte, dass sie mit dem Empfänger in Verbindung treten könnten."
Mit einem Schreiben vom "14.11.05", beim Verwaltungsgerichtshof eingelangt mit Telefax am 14. Februar 2005, beantragte der Beschwerdeführer Wiedereinsetzung in die Beschwerdefrist und die Gewährung von Verfahrenshilfe (für die Erhebung einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof), die mit hg. Beschluss vom 18. April 2005 bewilligt wurde.
Mit dem vorliegenden Schriftsatz vom 6. Juni 2005 beantragte der Beschwerdeführer, vertreten durch den Verfahrenshelfer, unter gleichzeitiger Nachholung der Beschwerde gegen den oben genannten Bescheid die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist. Begründet wurde dieser Antrag damit, der Beschwerdeführer habe vom Zustellvorgang unverschuldet keine Kenntnis erlangt. Er habe mit 6. Oktober 2004 seinen Wohnsitz von der Anschrift Zollergasse 15 (1070 Wien) nach Fasangasse 55/3 (1030 Wien) verlegt; dort sei er auch gemeldet gewesen. Der Beschwerdeführer habe den Wohnsitzwechsel zuvor "bei der Caritas Wien bekannt gegeben"; eine Verpflichtung den Wechsel der Wohnsitzanschrift der Asylbehörde bekannt zu geben, "war dem Beschwerdeführer nicht bekannt". Er (der Beschwerdeführer) sei der Überzeugung gewesen, durch die "polizeiliche Meldung" und die "Bekanntgabe der Caritas" alle Meldepflichten erfüllt zu haben. Aus diesem Grund habe er keine Veranlassung gehabt, den Anschlag an der Amtstafel der Behörde regelmäßig in Augenschein zu nehmen. Erst durch eine Akteneinsichtnahme seiner bevollmächtigten Vertreterin am 10. Februar 2005 sei ihm die Zustellung bekannt geworden. Die durch öffentliche Bekanntmachung bewirkte Zustellung stelle (für den Beschwerdeführer) ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis dar. Dass er (der Beschwerdeführer) seinen Wohnsitzwechsel der belangten Behörde nicht bekannt gegeben habe, sei ihm nicht als Verschulden zur Last zu legen, "da ihm eine Belehrung hinsichtlich einer solchen Meldepflicht nicht erinnerlich ist und er ohnedies einen Eintrag im Melderegister veranlasste und der Caritas Wien Bescheid gab". Der belangten Behörde sei die "richtige Zustelladresse ohnedies bekannt, da ein Zustellversuch erfolgte".
Darüber hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:
Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt hat. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
Der Beschwerdeführer bringt in seinem Wiedereinsetzungsantrag übereinstimmend mit der von der belangten Behörde am 14. Dezember 2004 eingeholten Anfrage über die Meldedaten im zentralen Melderegister vor, er sei an der Anschrift 1030 Wien, Fasangasse 55/3, seit 6. Oktober 2004 als Hauptwohnsitz gemeldet gewesen, er übergeht allerdings mit Stillschweigen, dass ihm der angefochtene Bescheid an dieser Abgabestelle nicht zugestellt werden konnte, weil er nach dem Bericht des Zustellers "unbekannt verzogen" war. An welcher Anschrift die belangte Behörde dem Beschwerdeführer den angefochtenen Bescheid danach hätte zustellen können, bzw. welche Ermittlungen die belangte Behörde zu einer neuen Abgabestelle geführt hätte, wird im Wiedereinsetzungsantrag nicht dargelegt.
Maßgeblich für die zur Fristversäumung führende Unkenntnis von der Zustellung des Bescheides durch Hinterlegung bei der Behörde war - wie dies im Wiedereinsetzungsantrag auch zugestanden wird - die Unterlassung der rechtzeitigen Bekanntgabe der Änderung der Abgabestelle, wozu der Beschwerdeführer nach § 8 Abs. 1 Zustellgesetz verpflichtet gewesen wäre, und worüber er nach der Aktenlage in Ladungsbescheiden vom 15. April 2004 und vom 30. Juli 2004 und auch bei seiner Einvernahme durch das Bundesasylamt am 8. September 2004 (insgesamt sohin drei Mal) belehrt worden war.
Mit dem Vorbringen, an der Unterlassung der rechtzeitigen Bekanntgabe der Änderung der Abgabestelle sei dem Beschwerdeführer deshalb kein Verschulden zur Last zu legen, weil ihm eine Belehrung darüber "nicht erinnerlich ist", bzw. weil er "der Caritas Wien Bescheid gab", vermag der Beschwerdeführer (Wiedereinsetzungswerber) vor dem Hintergrund der hg. Rechtsprechung nicht darzustellen, es handle sich nur um einen minderen Grad des Versehens (vgl. hiezu etwa den hg. Beschluss vom 22. Dezember 2005, Zlen. 2005/20/0367, 0518, und das hg. Erkenntnis vom 18. April 2002, Zl. 2001/01/0559). Dass der Beschwerdeführer an der Mitteilung seiner geänderten Abgabestelle gehindert gewesen wäre (bzw. allenfalls wodurch) wird im Wiedereinsetzungsantrag nicht behauptet. Schon im Hinblick auf die ihm erteilte Belehrung wäre aber zu erwarten gewesen, dass der Beschwerdeführer der Behörde seine geänderte Abgabestelle rechtzeitig bekannt gibt. Von Asylwerbern, die in Österreich Schutz vor behaupteter Verfolgung suchen, ist zu erwarten, dass sie an dem Verfahren, in dem über diese Schutzgewährung entschieden werden soll, mitwirken. Das (im Wiedereinsetzungsantrag nicht in Abrede gestellte) Vorgehen des Beschwerdeführers, mit den Asylbehörden nicht in Kontakt zu treten, weicht von der zumutbaren Sorgfalt, die von einem an der Verfahrensabwicklung interessierten Asylwerber zu erwarten ist, extrem ab und war daher grob sorgfaltswidrig (vgl. zum diesbezüglichen Verschuldensmaßstab etwa die hg. Erkenntnisse vom 24. Mai 2005, Zl. 2004/01/0558, und vom 21. April 2005, Zl. 2005/20/0080).
Dem Wiedereinsetzungsantrag war daher gemäß § 46 Abs. 1 VwGG nicht stattzugeben und die verspätete Beschwerde gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.
Wien, am 26. Juni 2007
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2005010034.X00Im RIS seit
16.10.2007