TE OGH 2004/10/29 5Ob207/04h

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Veröffentlicht am 29.10.2004
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshof Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshof Dr. Floßmann, Dr. Baumann und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Grundbuchssache des Antragstellers Jakob D*****, vertreten durch Dr. Klaus Fattinger und Mag. Martin Prett, Rechtsanwälte in Villach, betreffend Eintragungen in der Einlage *****, über den Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichtes Klagenfurt als Rekursgericht vom 22. April 2004, AZ 2 R 120/04f, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichtes Villach vom 20. Jänner 2004, TZ 333/2004, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der Beschluss des Rekursgerichtes wird dahingehend abgeändert, dass die Eintragungsbewilligung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Text

Begründung:

Auf Grund eines (die sofortige Übergabe der Liegenschaft regelnden) Nachtrags vom 14. 12. 2000 zu einem am 30. 10. 1998 abgeschlossenen Übergabevertrag auf den Todesfall hat das Erstgericht auf Antrag des Übernehmers mit Beschluss vom 20. 1. 2004 (ua) die Einverleibung des Eigentumsrechts des Antragstellers an der übergebenen Liegenschaft sowie die Einverleibung eines von der Übernehmerin ausbedungenen Fruchtgenussrechts und Belastungs- und Veräußerungsverbots bewilligt.

Am 10. 2. 2004 wurde der Übergeberin gemäß § 238 Abs 2 AußStrG ein einstweiliger Sachwalter zur Wahrung ihrer Interessen im Grundbuchsverfahren bestellt. Über dessen Rekurs wies das Gericht zweiter Instanz das Eintragungsgesuch ab. Es begründete diese Entscheidung im Wesentlichen wie folgt:Am 10. 2. 2004 wurde der Übergeberin gemäß Paragraph 238, Absatz 2, AußStrG ein einstweiliger Sachwalter zur Wahrung ihrer Interessen im Grundbuchsverfahren bestellt. Über dessen Rekurs wies das Gericht zweiter Instanz das Eintragungsgesuch ab. Es begründete diese Entscheidung im Wesentlichen wie folgt:

Gemäß § 94 Abs 1 Z 2 GBG dürfe das Grundbuchsgericht die Verbücherung eines Vertrages dann nicht bewilligen, wenn sich Bedenken gegen die Verfügungsfähigkeit des Veräußerers ergeben. Bei Bestellung eines (einstweiligen) Sachwalters wegen einer psychischen Erkrankung oder wegen des Abbaus geistiger Fähigkeiten des bzw der Betroffenen sei der Schluss zulässig, dass dessen/deren Handlungsfähigkeit schon vor der Einleitung konkreter Schutzmaßnahmen gelitten haben kann. Bei der zeitlichen Erfassung dieses Zustands sei jedoch Vorsicht geboten. Da bei erwachsenen Menschen die volle Handlungsfähigkeit zu vermuten sei und andernfalls die Rechtssicherheit leiden könnte, sei die Indizwirkung einer Sachwalter-Bestellung für Bedenken iSd § 94 Abs 1 Z 2 GBG maximal auf ein Jahr vor dem Bestellungsakt auszudehnen, sofern nicht konkrete Belege für einen bereits länger anhaltenden Zustand beschränkter Handlungsfähigkeit des/der Betroffenen vorliegen (vgl NZ 2002/546; JBl 1997, 774).Gemäß Paragraph 94, Absatz eins, Ziffer 2, GBG dürfe das Grundbuchsgericht die Verbücherung eines Vertrages dann nicht bewilligen, wenn sich Bedenken gegen die Verfügungsfähigkeit des Veräußerers ergeben. Bei Bestellung eines (einstweiligen) Sachwalters wegen einer psychischen Erkrankung oder wegen des Abbaus geistiger Fähigkeiten des bzw der Betroffenen sei der Schluss zulässig, dass dessen/deren Handlungsfähigkeit schon vor der Einleitung konkreter Schutzmaßnahmen gelitten haben kann. Bei der zeitlichen Erfassung dieses Zustands sei jedoch Vorsicht geboten. Da bei erwachsenen Menschen die volle Handlungsfähigkeit zu vermuten sei und andernfalls die Rechtssicherheit leiden könnte, sei die Indizwirkung einer Sachwalter-Bestellung für Bedenken iSd Paragraph 94, Absatz eins, Ziffer 2, GBG maximal auf ein Jahr vor dem Bestellungsakt auszudehnen, sofern nicht konkrete Belege für einen bereits länger anhaltenden Zustand beschränkter Handlungsfähigkeit des/der Betroffenen vorliegen vergleiche NZ 2002/546; JBl 1997, 774).

Im vorliegenden Fall habe sich die Übergeberin vom 11. 12. 2000 bis 15. 12. 2000 (also auch im Zeitpunkt der Unterfertigung des Nachtrags zum Übergabevertrag am 14. 12. 2000) wegen eines Drucks und leichten Schmerzes in der Schläfengegend in stationärer Behandlung des LKH Villach befunden, wobei sie in psychischer Hinsicht ängstlich gewirkt habe. Die Unterfertigung des Vertrages am Amtssitz des Notars während des Krankenhausaufenthalts erwecke Bedenken gegen die Geschäftsfähigkeit der Betroffenen schon im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses. Der von der Betroffenen (mittlerweile) vorgelegte Arztbrief und neuropsychiatrische Befund (mit dem die Übergeberin bescheinigen wollte, im klaren Bewusstsein gehandelt zu haben) könne diese Bedenken nicht zerstreuen, weil der Sachwalter ausgeführt habe, dass die Betroffene um ihre finanziellen Angelegenheiten nicht mehr exakt Bescheid wisse, die Höhe ihrer Pension nicht angeben könne und auch die Währungsumstellung kaum wahrgenommen habe. Auch die Preise des täglichen Lebens seien ihr nicht geläufig. Dazu hätten weder der Arztbrief noch der neurologische Befund Stellung genommen. Es liege also das Eintragungshindernis des § 94 Abs 1 Z 2 GBG vor.Im vorliegenden Fall habe sich die Übergeberin vom 11. 12. 2000 bis 15. 12. 2000 (also auch im Zeitpunkt der Unterfertigung des Nachtrags zum Übergabevertrag am 14. 12. 2000) wegen eines Drucks und leichten Schmerzes in der Schläfengegend in stationärer Behandlung des LKH Villach befunden, wobei sie in psychischer Hinsicht ängstlich gewirkt habe. Die Unterfertigung des Vertrages am Amtssitz des Notars während des Krankenhausaufenthalts erwecke Bedenken gegen die Geschäftsfähigkeit der Betroffenen schon im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses. Der von der Betroffenen (mittlerweile) vorgelegte Arztbrief und neuropsychiatrische Befund (mit dem die Übergeberin bescheinigen wollte, im klaren Bewusstsein gehandelt zu haben) könne diese Bedenken nicht zerstreuen, weil der Sachwalter ausgeführt habe, dass die Betroffene um ihre finanziellen Angelegenheiten nicht mehr exakt Bescheid wisse, die Höhe ihrer Pension nicht angeben könne und auch die Währungsumstellung kaum wahrgenommen habe. Auch die Preise des täglichen Lebens seien ihr nicht geläufig. Dazu hätten weder der Arztbrief noch der neurologische Befund Stellung genommen. Es liege also das Eintragungshindernis des Paragraph 94, Absatz eins, Ziffer 2, GBG vor.

Diese Entscheidung enthält den Ausspruch, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes EUR 20.000 übersteigt und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Letzteres wurde mit dem Hinweis auf die klare Rechtsprechung begründet.

Gegen den rekursgerichtlichen Beschluss hat der Antragsteller außerordentlichen Revisionsrekurs mit dem Begehren erhoben, die erstinstanzliche Entscheidung wiederherzustellen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs erweist sich als zulässig und berechtigt.

Dem Rechtsmittelwerber (der sehr ausführlich die Krankengeschichte der Betroffenen - seiner Mutter - darlegt) ist beizupflichten, dass sich die Entscheidung des Rekursgerichtes nicht mit der einschlägigen Judikatur vereinbaren lässt.

In der Begründung des angefochtenen Beschlusses wurde ohnehin darauf hingewiesen, dass die Indizwirkung der Bestellung eines (einstweiligen) Sachwalters für den über seine bücherlichen Rechte Verfügenden idR nicht ausreicht, um Bedenken iSd § 94 Abs 1 Z 2 GBG zu begründen, wenn zwischen dem Abschluss des zu verbüchernden Rechtsgeschäfts und der Bestellung des Sachwalters mehr als ein Jahr liegt. Das gebietet einerseits die gesetzlich zu vermutende volle Geschäftsfähigkeit eines erwachsenen Menschen, andererseits würde die Rechtssicherheit leiden, wenn bücherliche Verfügungen allzu leichtfertig durch Bedenken gegen die Diskretions- oder Dispositionsfähigkeit des Verfügenden erschwert werden, die im Grundbuchsverfahren ja nur einer kursorischen Überprüfung zugänglich sind. Ein Eintragungshindernis kann sich demnach nur aus "beachtlichen" Bedenken ergeben; sie müssen schwerwiegend und plausibel sein. Liegt die eine Einschränkung der Diskretions- oder Dispositionsfähigkeit des/der Betroffenen indizierende Bestellung eines Sachwalters lange nach dem Verfügungsakt, bedarf es folglich konkret belegter anderer Verdachtsmomente, dass dem/der Betroffenen schon früher - bei Abgabe der rechtsgeschäftlichen Erklärung - die Geschäftsfähigkeit fehlte (siehe zu all dem 5 Ob 108/97m = NZ 1998, 90/408 mit Anm von Hoyer).In der Begründung des angefochtenen Beschlusses wurde ohnehin darauf hingewiesen, dass die Indizwirkung der Bestellung eines (einstweiligen) Sachwalters für den über seine bücherlichen Rechte Verfügenden idR nicht ausreicht, um Bedenken iSd Paragraph 94, Absatz eins, Ziffer 2, GBG zu begründen, wenn zwischen dem Abschluss des zu verbüchernden Rechtsgeschäfts und der Bestellung des Sachwalters mehr als ein Jahr liegt. Das gebietet einerseits die gesetzlich zu vermutende volle Geschäftsfähigkeit eines erwachsenen Menschen, andererseits würde die Rechtssicherheit leiden, wenn bücherliche Verfügungen allzu leichtfertig durch Bedenken gegen die Diskretions- oder Dispositionsfähigkeit des Verfügenden erschwert werden, die im Grundbuchsverfahren ja nur einer kursorischen Überprüfung zugänglich sind. Ein Eintragungshindernis kann sich demnach nur aus "beachtlichen" Bedenken ergeben; sie müssen schwerwiegend und plausibel sein. Liegt die eine Einschränkung der Diskretions- oder Dispositionsfähigkeit des/der Betroffenen indizierende Bestellung eines Sachwalters lange nach dem Verfügungsakt, bedarf es folglich konkret belegter anderer Verdachtsmomente, dass dem/der Betroffenen schon früher - bei Abgabe der rechtsgeschäftlichen Erklärung - die Geschäftsfähigkeit fehlte (siehe zu all dem 5 Ob 108/97m = NZ 1998, 90/408 mit Anmerkung von Hoyer).

In dem zu 5 Ob 206/04m entschiedenen Fall (der dieselben Personen betraf und zur Zurückweisung des außerordentlichen Revisionsrekurses des Antragstellers führte) hatten sich Bedenken iSd § 94 Abs 1 Z 2 GBG aus der zeitlichen Nähe von Verfügungsakt und Sachwalter-Bestellung (weniger als ein Jahr) und einem lange dauernden Krankenhaus-Aufenthalt der Betroffenen (vom 18. 1. 2003 bis 24. 3. 2003) ergeben. Hier lässt sich als Verdachtsmoment lediglich der Umstand verwerten, dass sich die Übergeberin vom 11. 12. 2000 bis 15. 12. 2000 einer stationären Behandlung im LKH Villach unterzog. Die dabei erhobenen Befunde rechtfertigen bei bloß kursorischer Überprüfung (wie dies den grundbuchsrichterlichen Kognitionsmöglichkeiten entspricht) die Annahme einer gestörten Diskretions- oder Dispositionsfähigkeit nicht. Die Betroffene wirkte bei der Aufnahme zwar in psychischer Hinsicht ängstlich, war aber ansprechbar und hatte auch selbst keine Sprachstörungen; der stationäre Verlauf war komplikationslos, wesentliche neurologische Defizite waren nicht feststellbar, die Entlassung erfolgte in zufriedenstellendem Allgemeinbefinden. Dass sich die Betroffene vorher wie nachher mit Symptomen eines cerbralen Multiinfarktgeschehens wiederholt im Krankenhaus befand (als Beleg hiefür wurden mit den Rechtsmittelschriften zahlreiche Arztbriefe vorgelegt), verleiht den Bedenken gegen ihre Geschäftsfähigkeit kein zusätzliches Gewicht, weil der Zustand im Zeitpunkt des jetzt zu verbüchernden Rechtsgeschäfts maßgeblich ist. Damals war die Betroffene für die sie behandelnden Ärzte (und offenbar auch für den Notar, vor dem die Vertragsurkunde unterschrieben wurde) "unauffällig" (Arztbrief vom 31. 1. 2001).In dem zu 5 Ob 206/04m entschiedenen Fall (der dieselben Personen betraf und zur Zurückweisung des außerordentlichen Revisionsrekurses des Antragstellers führte) hatten sich Bedenken iSd Paragraph 94, Absatz eins, Ziffer 2, GBG aus der zeitlichen Nähe von Verfügungsakt und Sachwalter-Bestellung (weniger als ein Jahr) und einem lange dauernden Krankenhaus-Aufenthalt der Betroffenen (vom 18. 1. 2003 bis 24. 3. 2003) ergeben. Hier lässt sich als Verdachtsmoment lediglich der Umstand verwerten, dass sich die Übergeberin vom 11. 12. 2000 bis 15. 12. 2000 einer stationären Behandlung im LKH Villach unterzog. Die dabei erhobenen Befunde rechtfertigen bei bloß kursorischer Überprüfung (wie dies den grundbuchsrichterlichen Kognitionsmöglichkeiten entspricht) die Annahme einer gestörten Diskretions- oder Dispositionsfähigkeit nicht. Die Betroffene wirkte bei der Aufnahme zwar in psychischer Hinsicht ängstlich, war aber ansprechbar und hatte auch selbst keine Sprachstörungen; der stationäre Verlauf war komplikationslos, wesentliche neurologische Defizite waren nicht feststellbar, die Entlassung erfolgte in zufriedenstellendem Allgemeinbefinden. Dass sich die Betroffene vorher wie nachher mit Symptomen eines cerbralen Multiinfarktgeschehens wiederholt im Krankenhaus befand (als Beleg hiefür wurden mit den Rechtsmittelschriften zahlreiche Arztbriefe vorgelegt), verleiht den Bedenken gegen ihre Geschäftsfähigkeit kein zusätzliches Gewicht, weil der Zustand im Zeitpunkt des jetzt zu verbüchernden Rechtsgeschäfts maßgeblich ist. Damals war die Betroffene für die sie behandelnden Ärzte (und offenbar auch für den Notar, vor dem die Vertragsurkunde unterschrieben wurde) "unauffällig" (Arztbrief vom 31. 1. 2001).

Die Verweigerung der Verbücherung des gegenständlichen Übergabsvertrages aus dem Grund des § 94 Abs 1 Z 2 GBG war bei dieser Sachlage unvertretbar (vgl die schon zitierte Entscheidung 5 Ob 108/97m).Die Verweigerung der Verbücherung des gegenständlichen Übergabsvertrages aus dem Grund des Paragraph 94, Absatz eins, Ziffer 2, GBG war bei dieser Sachlage unvertretbar vergleiche die schon zitierte Entscheidung 5 Ob 108/97m).

Textnummer

E75144

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2004:0050OB00207.04H.1029.000

Im RIS seit

28.11.2004

Zuletzt aktualisiert am

22.03.2012
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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