Kopf
Das Landesgericht Eisenstadt als Rekursgericht hat durch die Richter Mag. Manfred Zechmeister (Vorsitzender), Dr. Jürgen Rassi und Mag. Ursula Kirschbichler in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. R***** B*****, öffentlicher Notar, 7400 Oberwart, *****, vertreten durch Mag. Christoph Hatvagner, Rechtsanwalt in 7400 Oberwart, gegen die beklagten Parteien 1.) W***** B*****, Dienstnehmer, 2.) G***** B*****, Dienstnehmerin, beide 1190 Wien, *****, wegen Euro 423,83 s. A., über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Bezirksgerichtes Oberpullendorf vom 11.08.2004, GZ 2 C 418/04 p-5 (M 392/80) in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird Folge gegeben, der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.
Die Rekurskosten sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Mit Zahlungsbefehl des Erstgerichtes vom 20.05.1980 wurden die Beklagten verpflichtet, an Dr. L***** H***** den Betrag von S 5.832,-- samt S 148,-- an Kosten zu zahlen. Am 12.06.1980 wurde die Ausfertigung des Zahlungsbefehls für rechtskräftig und vollstreckbar erklärt. Aufgrund dieses Zahlungsbefehls wurde Dr. L***** H***** mit erstgerichtlichem Beschluss vom 26.06.1980 die Fahrnisexekution zur Hereinbringung dieser Beträge gegen die Beklagten bewilligt. Zur Hereinbringung von Euro 423,83 s.A. (das sind ATS 5.832,--) wurde Mag. R***** B***** am 04.02.2004 aufgrund des genannten Zahlungsbefehls vom Bezirksgericht Döbling als Exekutionsgericht die Forderungsexekution und die Fahrnisexekution gegen die Beklagten bewilligt. Am 20.02.2004 (in ON 2 wohl irrtümlich mit 20.01.2004 datiert) stellten die Beklagten den Antrag auf Aufhebung der Rechtskraft- und Vollstreckbarkeitsbestätigung des Zahlungsbefehls vom 20.05.1980 und erhoben gleichzeitig Einspruch gegen diesen Zahlungsbefehl. Die Kläger brachten in ihrem Antrag im Wesentlichen vor, dass sie 1980 an der im Zahlungsbefehl angeführten Adresse in Lockenhaus nur tageweise ortsabwesend gewesen seien und ihr Postkästchen immer sorgfältig und regelmäßig entleert hätten. Eine Verständigung über die Hinterlegung wäre ihnen sofort aufgefallen. Über eine Hinterlegung eines Schriftstückes hätte sie auch der örtliche Briefträger informiert. Bereits im Juni 1981 seien sie nach Wien gezogen, dies nach dem Verkauf des Hauses in Lockenhaus. Das Erstgericht hat darauf versucht, den Akt betreffend die Mahnklage bzw. den Exekutionsakt betreffend die Exekutionsbewilligung vom 26.06.1980 unter Beiziehung von Mag. Bencsics zu rekonstruieren. Dies misslang, weil die Akten mittlerweile vernichtet sind. Der Kläger konnte lediglich den Zahlungsbefehl und die Exekutionsbewilligung im Original vorlegen. Vom Kläger wurde auch weiters ein Schreiben der Beklagten vom 07.12.2003 vorgelegt, in dem diese gegenüber dem Klagevertreter bestreiten, dass es einen "Exekutionsbescheid" gebe. Ohne Durchführung eines weiteren Bescheinigungsverfahren, insbesondere unter Abstandnahme der beantragten Beweise (PV der Beklagten) hat das Erstgericht mit dem angefochtenen Beschluss die Rechtskraft- und Vollstreckbarkeitsbestätigung des erstgerichtlichen Zahlungsbefehls vom 20.05.1980, M 392/80 aufgehoben. Es ging dabei davon aus, dass den Behauptungen der Beklagten nicht entgegen gehalten werden könne, zumal Zustellnachweise und Akten nicht mehr vorliegen, weshalb die Vollstreckbarkeitsbestätigung aufzuheben sei. Dagegen richtet sich der Rekurs des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung. Ein Verfahrensmangel wird nicht geltend gemacht. Der Kläger beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung aufzutragen. Der Rekurs ist im Sinne des gestellten Aufhebungsantrages berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Eingangs ist darauf hinzuweisen, dass der Kläger die Rechtsnachfolge nach Dr. L***** H***** unter Hinweis und Vorlage der entsprechenden Firmenbucheintragungen ausreichend nachgewiesen hat. Mit Gesellschaftervertrag vom 02.03.1998 wurde nämlich als Offene Erwerbsgesellschaft die Firma „Öffentlicher Notar Dr. L***** H***** & Partner gegründet". Dabei wurde der Betrieb der Notariatskanzlei Dr. H***** in die Gesellschaft eingebracht, womit auch sämtliche Forderungen von Dr. H***** auf diese OEG übergingen. Mit 08.04.2000 wurde die OEG gelöscht und es kam zu einer Vermögensübernahme gemäß § 142 HGB durch Mag. B*****. Mag. B***** (im Folgenden: der Kläger) ist somit berechtigt, im ursprünglich von Dr. L***** H***** geführten Verfahren auf Klagsseite in das Prozessverhältnis einzutreten. Eine beschlussmäßige Richtigstellung der Parteienbezeichnung im Rekursverfahren war nicht erforderlich, weil das Erstgericht von einer derartigen Rechtsnachfolge schon ausgegangen ist und im Kopf seines Beschlusses bereits Mag. R***** B***** als Kläger angeführt hat.Eingangs ist darauf hinzuweisen, dass der Kläger die Rechtsnachfolge nach Dr. L***** H***** unter Hinweis und Vorlage der entsprechenden Firmenbucheintragungen ausreichend nachgewiesen hat. Mit Gesellschaftervertrag vom 02.03.1998 wurde nämlich als Offene Erwerbsgesellschaft die Firma „Öffentlicher Notar Dr. L***** H***** & Partner gegründet". Dabei wurde der Betrieb der Notariatskanzlei Dr. H***** in die Gesellschaft eingebracht, womit auch sämtliche Forderungen von Dr. H***** auf diese OEG übergingen. Mit 08.04.2000 wurde die OEG gelöscht und es kam zu einer Vermögensübernahme gemäß Paragraph 142, HGB durch Mag. B*****. Mag. B***** (im Folgenden: der Kläger) ist somit berechtigt, im ursprünglich von Dr. L***** H***** geführten Verfahren auf Klagsseite in das Prozessverhältnis einzutreten. Eine beschlussmäßige Richtigstellung der Parteienbezeichnung im Rekursverfahren war nicht erforderlich, weil das Erstgericht von einer derartigen Rechtsnachfolge schon ausgegangen ist und im Kopf seines Beschlusses bereits Mag. R***** B***** als Kläger angeführt hat.
Das Erstgericht ist offensichtlich von dem in ständiger Rechtsprechung vertretenen Rechtssatz ausgegangen, dass ein Rechtsmittel in dem Sinn die Vermutung der Rechtzeitigkeit für sich hat, solange nicht seine Verspätung durch die Aktenlage eindeutig ausgewiesen ist. Die Ergebnislosigkeit der Erhebungen wirkt demnach zum Vorteil des Rechtsmittelwerbers (SZ 46/86, EFSlg 47.090; 5 Ob 609/88; 7 Ob 2026/96 h uva). Weiters wird in ständiger Judikatur vertreten, dass der Rechtsmittelwerber dann den vollen Gegenbeweis führen muss, wenn eine öffentliche Urkunde vorliegt und vollen Beweis über die Verspätung macht (vgl. 7 Ob 2026/96 h; 7 Ob 609/76). So ist etwa ein Rückschein eine öffentliche Urkunde im Sinne des § 292 ZPO, die die Vermutung der Richtigkeit des beurkundeten Vorgangs (Zustellung) für sich hat. Diese Vermutung ist zwar widerlegbar, doch wäre die Bestreitung der Richtigkeit der öffentlichen Urkunde durch gegenteilige Behauptungen und Beweisanbote zu begründen (vgl. 5 Ob 217/01 z). Dabei fällt auch ein Rückschein über eine Hinterlegung unter den Begriff der öffentlichen Urkunde, die ein (widerlegbarer) Nachweis für die wirksame Zustellung ist (vgl. 5 Ob 217/01 z). Diese von der Rechtsprechung vertretenen Rechtssätze können auf den gegenständlichen Fall nicht 1:1 umgelegt werden. Einerseits ist darauf hinzuweisen, dass es hier nicht um die Beurteilung der Rechtzeitigkeit eines Rechtsmittels, sondern um einen Antrag auf Aufhebung der Rechtskraft- und Vollstreckbarkeitsbestätigung geht. Der Satz, dass ein Rechtsmittel jedenfalls die Vermutung der Rechtzeitigkeit für sich hat, kann für den Antrag auf Aufhebung der Vollstreckbarkeitsbestätigung nicht in der Weise verwertet werden, dass ergebnislose Erhebungen jedenfalls stets zugunsten des Antragstellers und damit auch zu Lasten des Klägers gehen. Andererseits schließt sich der Rekurssenat auch nicht der Rechtsmeinung im Rekurs an, wonach die Rechtskraft- und Vollstreckbarkeitsbestätigung eine öffentliche Urkunde über die Zustellung des gegenständlichen Zahlungsbefehls darstelle und die beklagten Antragsteller somit dazu zwinge, hier den vollen Gegenbeweis zu führen. Vielmehr muss hier auf die gegenseitige Interessenlage beider Streitteile abgezielt werden; einerseits nämlich auf die schutzwürdigen Interessen des Klägers, der eine hier bereits 24 Jahre alte Rechtskraft- und Vollstreckbarkeitsbestätigung im Original vorweisen kann, andererseits aber auch auf die Interessen der Beklagten, denen es im Verfahren allein schon aufgrund der Vernichtung der Akten und des durch den langen Zeitraum bedingten Beweisnotstandes nicht unmöglich gemacht werden darf, hier erfolgreich den Antrag auf Aufhebung der Vollstreckbarkeitsbestätigung zu stellen. Der Umstand, dass die Akten bereits vernichtet wurden, darf nicht einseitig zu Lasten einer der Streitteile dahin ausgelegt werden, dass ohne Durchführung eines Bescheinigungsverfahrens mit einer Beweislastentscheidung vorgegangen wird.Das Erstgericht ist offensichtlich von dem in ständiger Rechtsprechung vertretenen Rechtssatz ausgegangen, dass ein Rechtsmittel in dem Sinn die Vermutung der Rechtzeitigkeit für sich hat, solange nicht seine Verspätung durch die Aktenlage eindeutig ausgewiesen ist. Die Ergebnislosigkeit der Erhebungen wirkt demnach zum Vorteil des Rechtsmittelwerbers (SZ 46/86, EFSlg 47.090; 5 Ob 609/88; 7 Ob 2026/96 h uva). Weiters wird in ständiger Judikatur vertreten, dass der Rechtsmittelwerber dann den vollen Gegenbeweis führen muss, wenn eine öffentliche Urkunde vorliegt und vollen Beweis über die Verspätung macht vergleiche 7 Ob 2026/96 h; 7 Ob 609/76). So ist etwa ein Rückschein eine öffentliche Urkunde im Sinne des Paragraph 292, ZPO, die die Vermutung der Richtigkeit des beurkundeten Vorgangs (Zustellung) für sich hat. Diese Vermutung ist zwar widerlegbar, doch wäre die Bestreitung der Richtigkeit der öffentlichen Urkunde durch gegenteilige Behauptungen und Beweisanbote zu begründen vergleiche 5 Ob 217/01 z). Dabei fällt auch ein Rückschein über eine Hinterlegung unter den Begriff der öffentlichen Urkunde, die ein (widerlegbarer) Nachweis für die wirksame Zustellung ist vergleiche 5 Ob 217/01 z). Diese von der Rechtsprechung vertretenen Rechtssätze können auf den gegenständlichen Fall nicht 1:1 umgelegt werden. Einerseits ist darauf hinzuweisen, dass es hier nicht um die Beurteilung der Rechtzeitigkeit eines Rechtsmittels, sondern um einen Antrag auf Aufhebung der Rechtskraft- und Vollstreckbarkeitsbestätigung geht. Der Satz, dass ein Rechtsmittel jedenfalls die Vermutung der Rechtzeitigkeit für sich hat, kann für den Antrag auf Aufhebung der Vollstreckbarkeitsbestätigung nicht in der Weise verwertet werden, dass ergebnislose Erhebungen jedenfalls stets zugunsten des Antragstellers und damit auch zu Lasten des Klägers gehen. Andererseits schließt sich der Rekurssenat auch nicht der Rechtsmeinung im Rekurs an, wonach die Rechtskraft- und Vollstreckbarkeitsbestätigung eine öffentliche Urkunde über die Zustellung des gegenständlichen Zahlungsbefehls darstelle und die beklagten Antragsteller somit dazu zwinge, hier den vollen Gegenbeweis zu führen. Vielmehr muss hier auf die gegenseitige Interessenlage beider Streitteile abgezielt werden; einerseits nämlich auf die schutzwürdigen Interessen des Klägers, der eine hier bereits 24 Jahre alte Rechtskraft- und Vollstreckbarkeitsbestätigung im Original vorweisen kann, andererseits aber auch auf die Interessen der Beklagten, denen es im Verfahren allein schon aufgrund der Vernichtung der Akten und des durch den langen Zeitraum bedingten Beweisnotstandes nicht unmöglich gemacht werden darf, hier erfolgreich den Antrag auf Aufhebung der Vollstreckbarkeitsbestätigung zu stellen. Der Umstand, dass die Akten bereits vernichtet wurden, darf nicht einseitig zu Lasten einer der Streitteile dahin ausgelegt werden, dass ohne Durchführung eines Bescheinigungsverfahrens mit einer Beweislastentscheidung vorgegangen wird.
In vergleichbaren Situationen wurde im Zivilprozess das Institut des Anscheinsbeweises (Beweis des ersten Anscheins, Prima-Facie-Beweis) herangezogen, um den Beweisnotstand als Hindernis für die Durchsetzung berechtigter materiellrechtlicher Ansprüche auszuschalten. Schon das Gesetz bedient sich in einigen wenigen wichtigen Fällen dafür der gesetzlichen Vermutung und der Beweislastumkehr. Beides reicht aber nicht aus. Der Beweis wird durch die Komplizierung und Technisierung der tatsächlichen Verhältnisse und durch die immer komplexer werdenden gesetzlichen Tatbestände stets schwerer, der Beweisnotstand größer. Um trotzdem die Rechtsdurchsetzung nicht an Beweisschwierigkeiten scheitern zu lassen, haben Rechtsprechung und Lehre den Anscheinsbeweis entwickelt. Dabei handelt es sich nicht um einen Beweis im technischen Sinn, sondern um die Anwendung allgemein gültiger Erfahrungssätze, mit deren Hilfe von einer leicht erweislichen Tatsache auf das Vorhandensein der typischerweise damit verknüpften Tatsache des gesetzlichen Tatbestandes geschlossen wird. Bisher hat der Anscheinsbeweis noch keine gesetzliche Regelung gefunden, ist aber in Rechtsprechung und Lehre anerkannt (vgl. Fasching, Lehrbuch² Rz 893). Der Anscheinsbeweis ist eine Verschiebung des Beweisthemas von der tatbestandsmäßig geforderten Tatsache auf eine leicht erweisliche Tatsache, die mit ihr in einem typischen Erfahrungszusammenhang steht. Die wichtigsten Anwendungsgebiete sind dort, wo formelhafte, typische Kausalabläufe bestehen oder wo typische Verhaltensweisen stets gleichartige und zuverlässige Schlüsse auf bestimmte innere Zustände eines Menschen zulassen, also beim Beweis des Kausalzusammenhangs oder des Verschuldens. Es spricht darüber hinaus jedoch nichts dagegen, das Institut des Anscheinsbeweises auch im Verfahrensrecht zur Klärung von einem unklaren Sachverhalt anzuwenden, weil auch oft hier Fragen des Beweisnotstandes und der Beweislast eine bedeutende Rolle spielen. So auch im gegenständlichen Fall. In diesem Sinn ist festzuhalten, dass grundsätzlich ein Anschein für die Zustellung an die Beklagten (ohne dass es dadurch zu einer Beweislastumkehr kommt) durch das Vorliegen der Rechtskraft- und Vollstreckbarkeitsbestätigung im Original gegeben ist. Es ist bei einem typischen Erfahrungszusammenhang durchaus darauf zu schließen, dass ein Rechtspfleger eine Rechtskraft- und Vollstreckbarkeitsbestätigung in der Regel erst dann erteilen wird, wenn der entsprechende Zustellschein im Akt erliegt. Mit der Rechtskraft- und Vollstreckbarkeitsbestätigung beurkundet das Gerichtsorgan, dass die formellen Voraussetzungen für die Vollstreckbarkeit gegeben sind, weil der Exekutionstitel einerseits wirksam (also zugestellt) wurde und andererseits gegen ihn kein die Vollstreckbarkeit hemmender Rechtszug mehr offen steht (vgl. Jakusch in Angst, EO Rz 95 zu § 7). Die Bestätigung der Wirksamkeit ist somit ein Indiz dafür, dass eine Zustellung des Zahlungsbefehls im (mittlerweile vernichteten Akt) gegeben war. Die Beklagten haben nun die Möglichkeit, diesen Prima-Facie-Beweis zu entkräften und zwar durch den Beweis, dass der typisch formelhafte Geschehensablauf im konkreten Fall aber nicht zwingend ist, sondern dass durchaus auch die ernste Möglichkeit eines atypischen Verlaufs besteht. Sie müssen somit nicht den Gegenbeweis führen. Freilich reicht der Gegenbeweis im vorliegenden Fall aus, um den Antrag der Beklagten zu bewilligen. Aus dem Vorbringen der Beklagten geht hervor, dass diese eine Zustellung überhaupt bestreiten bzw. die Vorschriftswidrigkeit der Hinterlegung (etwa mangels Hinterlegungsanzeige) in den Raum stellen. Diesbezüglich hat das Erstgericht eine Vernehmung im Bescheinigungsverfahren unterlassen. Dies wurde zwar vom Rekurswerber nicht als Verfahrensmangel geprüft. Es liegt jedoch aufgrund der unrichtig gelösten Rechtsfrage (Beweislast) ein sekundärer Verfahrensmangel des Erstgerichts vor, der - wie hier - mit Rechtsrüge geltend gemacht werden kann bzw. vom Rechtsmittelgericht bei Vorliegen einer ordnungsgemäßen Rechtsrüge auch von Amts wegen aufgegriffen werden muss. Das ist hier der Fall. Das Erstgericht hat mangels Bescheinigungsverfahren keinerlei Feststellungen getroffen, woraus ersichtlich sein könnte, dass den Beklagten die Entkräftung des Anscheinsbeweises oder gar der Gegenbeweis gelungen ist. Vielmehr ist das Erstgericht hier von einem non liquet, also einem Zustand der Beweislosigkeit ausgegangen. Würde dies aber tatsächlich vorliegen, wäre der Antrag - unter Heranziehung der oben aufgezeigten Grundsätze - abzuweisen. Mangels aufgenommener Beweise kann im jetzigen Verfahrensstadium aber nicht beurteilt werden, ob es den Beklagten gelingt, den Anschein der Zustellung zu vernichten. Im fortgesetzten Verfahren wird sich das Erstgericht somit - unter Einbeziehung der Gegenseite - mit den angebotenen Beweismitteln der Antragsteller auseinanderzusetzen und ein Bescheinigungsverfahren durchzuführen haben und dann im Sinne der aufgezeigten Rechtsgrundsätze zu entscheiden haben.In vergleichbaren Situationen wurde im Zivilprozess das Institut des Anscheinsbeweises (Beweis des ersten Anscheins, Prima-Facie-Beweis) herangezogen, um den Beweisnotstand als Hindernis für die Durchsetzung berechtigter materiellrechtlicher Ansprüche auszuschalten. Schon das Gesetz bedient sich in einigen wenigen wichtigen Fällen dafür der gesetzlichen Vermutung und der Beweislastumkehr. Beides reicht aber nicht aus. Der Beweis wird durch die Komplizierung und Technisierung der tatsächlichen Verhältnisse und durch die immer komplexer werdenden gesetzlichen Tatbestände stets schwerer, der Beweisnotstand größer. Um trotzdem die Rechtsdurchsetzung nicht an Beweisschwierigkeiten scheitern zu lassen, haben Rechtsprechung und Lehre den Anscheinsbeweis entwickelt. Dabei handelt es sich nicht um einen Beweis im technischen Sinn, sondern um die Anwendung allgemein gültiger Erfahrungssätze, mit deren Hilfe von einer leicht erweislichen Tatsache auf das Vorhandensein der typischerweise damit verknüpften Tatsache des gesetzlichen Tatbestandes geschlossen wird. Bisher hat der Anscheinsbeweis noch keine gesetzliche Regelung gefunden, ist aber in Rechtsprechung und Lehre anerkannt vergleiche Fasching, Lehrbuch² Rz 893). Der Anscheinsbeweis ist eine Verschiebung des Beweisthemas von der tatbestandsmäßig geforderten Tatsache auf eine leicht erweisliche Tatsache, die mit ihr in einem typischen Erfahrungszusammenhang steht. Die wichtigsten Anwendungsgebiete sind dort, wo formelhafte, typische Kausalabläufe bestehen oder wo typische Verhaltensweisen stets gleichartige und zuverlässige Schlüsse auf bestimmte innere Zustände eines Menschen zulassen, also beim Beweis des Kausalzusammenhangs oder des Verschuldens. Es spricht darüber hinaus jedoch nichts dagegen, das Institut des Anscheinsbeweises auch im Verfahrensrecht zur Klärung von einem unklaren Sachverhalt anzuwenden, weil auch oft hier Fragen des Beweisnotstandes und der Beweislast eine bedeutende Rolle spielen. So auch im gegenständlichen Fall. In diesem Sinn ist festzuhalten, dass grundsätzlich ein Anschein für die Zustellung an die Beklagten (ohne dass es dadurch zu einer Beweislastumkehr kommt) durch das Vorliegen der Rechtskraft- und Vollstreckbarkeitsbestätigung im Original gegeben ist. Es ist bei einem typischen Erfahrungszusammenhang durchaus darauf zu schließen, dass ein Rechtspfleger eine Rechtskraft- und Vollstreckbarkeitsbestätigung in der Regel erst dann erteilen wird, wenn der entsprechende Zustellschein im Akt erliegt. Mit der Rechtskraft- und Vollstreckbarkeitsbestätigung beurkundet das Gerichtsorgan, dass die formellen Voraussetzungen für die Vollstreckbarkeit gegeben sind, weil der Exekutionstitel einerseits wirksam (also zugestellt) wurde und andererseits gegen ihn kein die Vollstreckbarkeit hemmender Rechtszug mehr offen steht vergleiche Jakusch in Angst, EO Rz 95 zu Paragraph 7,). Die Bestätigung der Wirksamkeit ist somit ein Indiz dafür, dass eine Zustellung des Zahlungsbefehls im (mittlerweile vernichteten Akt) gegeben war. Die Beklagten haben nun die Möglichkeit, diesen Prima-Facie-Beweis zu entkräften und zwar durch den Beweis, dass der typisch formelhafte Geschehensablauf im konkreten Fall aber nicht zwingend ist, sondern dass durchaus auch die ernste Möglichkeit eines atypischen Verlaufs besteht. Sie müssen somit nicht den Gegenbeweis führen. Freilich reicht der Gegenbeweis im vorliegenden Fall aus, um den Antrag der Beklagten zu bewilligen. Aus dem Vorbringen der Beklagten geht hervor, dass diese eine Zustellung überhaupt bestreiten bzw. die Vorschriftswidrigkeit der Hinterlegung (etwa mangels Hinterlegungsanzeige) in den Raum stellen. Diesbezüglich hat das Erstgericht eine Vernehmung im Bescheinigungsverfahren unterlassen. Dies wurde zwar vom Rekurswerber nicht als Verfahrensmangel geprüft. Es liegt jedoch aufgrund der unrichtig gelösten Rechtsfrage (Beweislast) ein sekundärer Verfahrensmangel des Erstgerichts vor, der - wie hier - mit Rechtsrüge geltend gemacht werden kann bzw. vom Rechtsmittelgericht bei Vorliegen einer ordnungsgemäßen Rechtsrüge auch von Amts wegen aufgegriffen werden muss. Das ist hier der Fall. Das Erstgericht hat mangels Bescheinigungsverfahren keinerlei Feststellungen getroffen, woraus ersichtlich sein könnte, dass den Beklagten die Entkräftung des Anscheinsbeweises oder gar der Gegenbeweis gelungen ist. Vielmehr ist das Erstgericht hier von einem non liquet, also einem Zustand der Beweislosigkeit ausgegangen. Würde dies aber tatsächlich vorliegen, wäre der Antrag - unter Heranziehung der oben aufgezeigten Grundsätze - abzuweisen. Mangels aufgenommener Beweise kann im jetzigen Verfahrensstadium aber nicht beurteilt werden, ob es den Beklagten gelingt, den Anschein der Zustellung zu vernichten. Im fortgesetzten Verfahren wird sich das Erstgericht somit - unter Einbeziehung der Gegenseite - mit den angebotenen Beweismitteln der Antragsteller auseinanderzusetzen und ein Bescheinigungsverfahren durchzuführen haben und dann im Sinne der aufgezeigten Rechtsgrundsätze zu entscheiden haben.
Der Vollständigkeit halber ist auszuführen, dass es hier - entgegen der Ansicht des Klägers - nur auf die Zustellung des Titels ankommt und nicht darauf, ob und wann die Beklagten Kenntnis von der Existenz eines Zahlungsbefehls erlangten. Diese Zustellung kann auch nicht durch die Übermittlung einer Kopie des Titels durch den Kläger an die Gegenseite substituiert werden.
Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.Der Kostenvorbehalt gründet sich auf Paragraph 52, ZPO.
Landesgericht Eisenstadt
Anmerkung
EES00044 13R237.04gEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LG00309:2004:01300R00237.04G.1029.000Dokumentnummer
JJT_20041029_LG00309_01300R00237_04G0000_000