TE Vwgh Erkenntnis 2007/6/26 2004/13/0122

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Veröffentlicht am 26.06.2007
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;

Norm

BAO §115 Abs2;
BAO §184;
EStG 1988 §16 Abs1 Z8 litb;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Fuchs und Dr. Pelant als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Trefil LL.M., über die Beschwerde von 1. E, 2. A und 3. D, alle in W, alle vertreten durch Dr. Edgar Kollmann, Rechtsanwalt in 1160 Wien, Ottakringer Straße 57, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom 28. Juni 2004, GZ. RV/3841-W/02, betreffend einheitliche und gesonderte Feststellung der Einkünfte gemäß § 188 BAO für das Jahr 2000, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 381,90 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführer bilden eine Miteigentümergemeinschaft in Bezug auf eine von ihnen im Jahr 2000 unentgeltlich erworbene Liegenschaft in Wien. Strittig ist die Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die Absetzung für Abnutzung (AfA) nach § 16 Abs. 1 Z 8 lit. b EStG 1988 (fiktive Anschaffungskosten).

In der "Ertragsrechnung zum 31. Dezember 2000" wiesen die Beschwerdeführer eine AfA in Höhe von 120.000 S aus. Dazu wurde seitens des steuerlichen Vertreters in einem Beiblatt ausgeführt, es werde beantragt, für die unentgeltlich erworbene Liegenschaft die fiktiven Anschaffungskosten als Bemessungsgrundlage für die Berechnung der AfA anzusetzen. Die Liegenschaft habe "nach Auskunft meiner Mandantschaft" einen Verkehrswert von rd. 10 Mio. S. Nach Abzug eines Grundanteiles von 20 % errechne sich ein Wert für die Baulichkeit von 8 Mio. S und eine AfA (1,5 %) von 120.000 S.

In einem Vorhalt vom 17. Dezember 2001 vertrat das Finanzamt den Standpunkt, bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die AfA in Form der fiktiven Anschaffungskosten sei vom Ertragswert auszugehen. Demnach würde sich ausgehend vom Jahr 2000 eine AfA von 20.348 S ergeben (der Ansatz der Netto-Erträge von 126.162 S abzüglich 30 % Aufwendungen für Instandhaltung von 37.849 S führe unter Anwendung des Vervielfältigers zur Ermittlung des Gebäudeertragswertes "lt. Tabelle" für eine Restnutzungsdauer von 67 Jahren in Höhe von 19,24 zu einem Betrag von 1,695.640 S und nach Abzug eines 20 %-igen Grundanteiles zur AfA-Bemessungsgrundlage von 1,356.512 S).

In der Vorhaltsbeantwortung vom 28. Jänner 2002 wiesen die Beschwerdeführer darauf hin, dass sich die Ansicht des Finanzamtes, wonach für die Ermittlung der Bemessungsgrundlage der Ertragswert heranzuziehen sei, offensichtlich auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Juli 1999, 98/13/0109, 0158, stütze. Auf Grund dieses Erkenntnisses sei es aber noch nicht als gesicherte Rechtsprechung anzusehen, dass die fiktiven Anschaffungskosten unter ausschließlicher Heranziehung des Ertragswertes zu ermitteln seien.

Bei der Bewertung einer Ertragsquelle müsse auch auf die Zukunftserfolge Bedacht genommen werden. Gerade bei einem Zinshaus in Wien ergäben sich daraus Aspekte der Bewertung, die nicht unbedeutsam seien. So sei bei einem langfristigen "Betrachtungs-Zeitraum" sowohl bei der Nutzung durch Privatmieter als auch durch Geschäftsmieter mit einer Veränderung zu Gunsten des Hauseigentümers zu rechnen. Hiefür kämen "insbesondere Dachböden in Frage, sowie allenfalls Reklameflächen und schließlich Abstellflächen für Kraftfahrzeuge". Auch die Art der Organisation der Reinigung des Hauses könne nach Wegfall der Beschäftigung eines Hausbesorgers Erträge bringen. Durch Maßnahmen "des Gemeinwesens, beispielsweise Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel etc." könne sich die Attraktivität eines Hauses durch seine Lage stark steigern, wodurch die Ertragssituation verbessert werde. Für den Verkehrswert müsse bedacht werden, dass, "wenn ein Hauseigentümer sich entschließt, das Zinshaus in Teilen, sei es in Wohnungseigentum oder im einfachen Mieteigentum zu verkaufen," der Sachwert wichtig sei. Ein allfälliger Käufer einer einzelnen Wohnung werde seine Kaufpreisentscheidung sicherlich auch danach richten, in welchem Bauzustand sich ein Haus befinde, zumal er, wenn er Wohnungs- oder Miteigentümer werde, an den Renovierungskosten des Hauses mitzahlen müsse. Die seitens des Finanzamtes ermittelten fiktiven Anschaffungskosten von 1,695.640 S berücksichtigten keinesfalls die Einflussgröße "Sachwert". Allein in den Jahren 1996, 1997 und 1998 seien Instandsetzungsarbeiten in Höhe von insgesamt 837.788,55 S getätigt worden, die bei der Ermittlung des Sachwertes bzw. Ertragswertes in Höhe von 1,695.640 S nicht berücksichtigt worden seien.

Im Bescheid über die Feststellung der Einkünfte für das Jahr 2000 wurden die Einkünfte unter Ansatz der AfA in Höhe von 20.348 S lt. Vorhalt vom 17. Dezember 2001 ermittelt.

In der Berufung wurde festgehalten, das Finanzamt habe der Berechnung der AfA den Ertragswert zu Grunde gelegt, wobei dieser wiederum aus den Hauptmietzinseinnahmen abgeleitet worden sei. Bereits in der Vorhaltsbeantwortung vom 28. Jänner 2002 sei auf die Notwendigkeit hingewiesen worden, bei der Bewertung einer Ertragsquelle auch auf die Zukunftserfolge Bedacht zu nehmen. Selbst wenn nach Ansicht des Finanzamtes der Sachwert von untergeordneter Bedeutung sein sollte, entspräche die Ertragswertberechnung nicht den Tatsachen. Die gegenständliche Liegenschaft verfüge über eine vermietbare Fläche von 783,94 m2. Der "Einfachheit halber mit dem Kategoriezins A von EUR 4,24 errechnet, ergibt dies einen monatlichen Hauptmietzins von EUR 3.323,70, was einem Hauptmietzins p.a. von rund EUR 39.884,40 entspricht". Nach Abzug eines 30 %-igen Instandhaltungsaufwandes errechne sich vervielfacht mit 19,24 ein Ertragswert von rd. 7,4 Mio. S. Nach Abzug eines Grundanteiles von 20 % verbleibe ein Gebäudewert von 5,920.000 S, "was einer Abschreibung von S 88.800,00 p.a. entspricht".

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge. Im Beschwerdefall, in dem "weder eine kürzere Restnutzungsdauer des Gebäudes als die gesetzliche nachgewiesen wurde noch der 20 %ige Anteil des Grund und Bodens strittig ist", sei allein die Frage Streitgegenstand, ob das Finanzamt die Höhe der die Bemessungsgrundlage bildenden fiktiven Anschaffungskosten dem Gesetz entsprechend ermittelt habe. Die fiktiven Anschaffungskosten könnten nur geschätzt werden, wobei jeder Schätzung ein gewisses Maß an Ungenauigkeit anhafte. Zur Schätzungsmethode habe der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung die auch im vorliegenden Fall vom Finanzamt angewandte Methode des Ertragswertverfahrens als tauglich befunden. Der "Marktpreis" von Dauermietobjekten orientiere sich aus der Sicht eines an der Weitervermietung interessierten Erwerbers am Ertragswert, weshalb auch nach Ansicht der belangten Behörde die fiktiven Anschaffungskosten in erster Linie vom Ertragswert abzuleiten seien. Im Übrigen sei weder in den Beilagen zur Steuererklärung noch in der Berufung eine nachvollziehbare Sachwertberechnung durchgeführt worden.

Die in der Berufung vorgenommene Berechnung des Ertragswertes mit 7,4 Mio. S gehe von einer vermietbaren Fläche von 783,94 m2 aus, wobei der monatliche Hauptmietzins "der Einfachheit halber" mit dem Kategoriezins A von 4,24 EUR angesetzt worden sei. Nach der Lebenserfahrung und der Aktenlage (Erhaltungsbeitrag gemäß § 45 MRG in Höhe von 24.670,68 S) sei allerdings davon auszugehen, dass sich in dem Mietobjekt nicht nur "Kategorie-A-Wohnungen" befänden, was im Übrigen auch nicht behauptet werde. Die Berufung gehe auch nicht auf den gegenwärtigen Zustand des Hauses ein. Es würden auch keine Aufwendungen für (künftige) Kategorieanhebungen abgezogen. Das Mietobjekt befinde sich außerdem in einer Gegend, in welcher bereits eine ausreichende Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel vorhanden sei, sodass entgegen dem Berufungsvorbringen aus diesem Grund in Zukunft mit keiner verbesserten Ertragssituation gerechnet werden könne. Es sei auch unverständlich, inwiefern die Art der Organisation der Reinigung nach Wegfall der Beschäftigung eines Hausbesorgers "Erträge bringen sollte, wie dies in der Berufung vorgebracht wird, wenn sowieso in diesem Miethaus kein Hausbesorger beschäftigt wird (siehe Fragebogen vom 14.7.2000"). Die vorgebrachten Argumente seien damit nicht geeignet, den Nachweis dafür zu erbringen, dass die Ertragswertmethode zu einem unrichtigen Ergebnis führe oder eine andere Bewertungsmethode geeigneter wäre.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Erstattung einer Gegenschrift und Aktenvorlage durch die belangte Behörde in dem nach § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

In der Beschwerde wird vorgebracht, das Finanzamt habe unrichtigerweise bei der Berechnung der Abschreibung den Ertragswert zu Grunde gelegt, dieser "wiederum wurde aus den Hauptmietzinseinnahmen abgeleitet, und hat daher das Finanzamt die Höhe der die Bemessungsgrundlage bildenden fiktiven Anschaffungskosten dem Gesetz nicht entsprechend angesetzt". Die belangte Behörde habe diesen Bescheid zu Unrecht bestätigt.

Als Bemessungsgrundlage für die AfA bestimmt § 16 Abs. 1 Z 8 lit. a EStG 1988 grundsätzlich die tatsächlichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten, während in lit. b dieser Vorschrift Regelungen zur Bemessungsgrundlage für den Fall des unentgeltlichen Erwerbs des Gebäudes getroffen werden. Nach dem ersten Satz dieser Bestimmung ist diesfalls der gesamte Einheitswert für den letzten Feststellungszeitpunkt vor dem unentgeltlichen Erwerb zu Grunde zu legen, während nach § 16 Abs. 1 Z 8 lit. b zweiter Satz EStG 1988 auf Antrag auch die fiktiven Anschaffungskosten im Zeitpunkt des unentgeltlichen Erwerbes (§ 6 Z 9) anzusetzen sind.

Ist die Feststellung des abgabenrechtlich erheblichen Sachverhaltes durch einen Akt der Schätzung vorzunehmen, was bei der Ermittlung fiktiver Anschaffungskosten regelmäßig der Fall ist, dann obliegt den Abgabenbehörden die Beachtung der Grundsätze, die der Verwaltungsgerichtshof in seiner zur Bestimmung des § 184 BAO ergangenen Judikatur erarbeitet hat. Hiezu zählen die Verpflichtungen der Behörde zur Wahl jener (gegebenenfalls auch mit anderen Methoden kombinierten) Schätzungsmethode, die im konkreten Einzelfall das Ziel der größtmöglichen Annäherung an die Wirklichkeit am Besten erreichen kann, zur Auseinandersetzung mit relevanten Behauptungen des Steuerpflichtigen, zur Wahrung des Parteiengehörs und zur ausreichenden Begründung aller Schätzungsergebnisse (vgl. das hg. Erkenntnis vom 31. Mai 2006, 2002/13/0073, mwN).

Im Beschwerdefall hat die belangte Behörde - wie auch in der Beschwerde ausgeführt wird - die fiktiven Anschaffungskosten im Einklang mit dem Finanzamt aus den Hauptmietzinseinnahmen des Jahres 2000 abgeleitet. Die Tauglichkeit der Wertermittlung nach dem Ertragswert für vermietete Gebäude hat der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrmals zum Ausdruck gebracht (vgl. zuletzt das hg. Erkenntnis vom 23. Mai 2007, 2004/13/0091, mwN). Gerade für Häuser mit Objekten, deren Mietzinsbildung gesetzlichen Beschränkungen unterliegt, hat der Verwaltungsgerichtshof dem Bauzeitwert des Gebäudes Relevanz für die Wertermittlung nach § 16 Abs. 1 Z 8 lit. b zweiter Satz EStG 1988 regelmäßig abgesprochen und vielmehr eine solche Ermittlung der fiktiven Anschaffungskosten als sachgerecht beurteilt, welcher der mit einem bestimmten Multiplikator vervielfachte Zinsertrag zu Grunde liegt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 10. August 2005, 2002/13/0132, mwN). Der belangten Behörde ist somit keine Unschlüssigkeit bei der Ermittlung der fiktiven Anschaffungskosten vorzuwerfen, wenn diese dabei auf einen Sachwert oder auch den - nicht näher erläuterten - "Verkehrswert" der Liegenschaft von 10 Mio. S lt. den Angaben in den Beilagen zur Steuererklärung nicht weiter Bedacht nahm.

In der Beschwerde wird von den Beschwerdeführern zwar gerügt, die belangte Behörde habe entgegen dem Vorbringen im Berufungsverfahren bestimmte Einflussgrößen in Hinblick auf die Zukunftserfolge nicht entsprechend berücksichtigt, sie unterlassen aber (ebenso wie im Verwaltungsverfahren) eine Darstellung, inwieweit solche "Zukunftserfolge" konkret für das vorliegende Mietobjekt zu erwarten oder bewertungsmäßig fassbar wären. Wenn den Ausführungen im angefochtenen Bescheid, wonach gemäß der Lebenserfahrung und der Aktenlage davon auszugehen sei, dass sich im gegenständlichen Miethaus nicht nur Wohnungen der Kategorie A befänden, in der Beschwerde entgegengehalten wird, "für die Berechnung der gegenständlichen Liegenschaft" sei "lediglich einfachheitshalber" der Kategoriezins A herangezogen worden, wird damit der (nur) hypothetische Charakter dieser Berechnung, die zu einem Ertragswert von rd. 7,4 Mio. S führte, ohnedies auch eingeräumt.

Der Verwaltungsgerichtshof vermag damit nicht zu erkennen, dass der angefochtene Bescheid mit einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit oder einem wesentlichen Verfahrensmangel belastet wäre. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen. Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 26. Juni 2007

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2004130122.X00

Im RIS seit

23.07.2007
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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