TE OGH 2004/11/4 2Ob201/04d

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Veröffentlicht am 04.11.2004
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Österreichische Bundesbahnen, vertreten durch die Finanzprokuratur, *****, wider die beklagte Partei M***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Michael Prager, Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 434.203,20 sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Zwischenurteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 27. Mai 2004, GZ 1 R 71/04z-63, womit infolge der Berufungen beider Parteien das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 4. Februar 2004, GZ 16 Cg 270/01g-52, zum Teil bestätigt und zum Teil abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidung des Berufungsgerichtes wird aufgehoben und diesem eine neuerliche Entscheidung aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die klagende Partei begehrte mit der am 27. 12. 2001 beim Erstgericht eingelangten Klage die Zahlung von S 6,563.562,40 sA aus dem Titel des Schadenersatzes und der Produkthaftung. In der Folge wurde das Klagebegehren auf EUR 435.703,10 eingeschränkt. Die klagende Partei brachte vor, die beklagte Partei habe im Jahre 1996 Einspritzdüsen für Motoren von Dieseltriebfahrzeugen geliefert. Ab Jänner 1997 seien gehäuft Motorschäden bei diesen Fahrzeugen aufgetreten, deren Ursache zunächst unklar gewesen sei. Erst aufgrund umfangreicher Untersuchungen habe sich herausgestellt, dass die von der beklagten Partei gelieferten Einspritzdüsen die Schadensursache seien. Aufgrund nicht optimaler Einspritzung des Kraftstoffes sowie eines Materialfehlers hätten die Düsen kein optimales Einspritzbild erzeugt, was schließlich zu einem Kolbenreiber geführt habe. Dadurch seien der klagenden Partei Schäden in der Höhe des Klagsbetrages entstanden. In der Folge seien Verhandlungen mit dem Haftpflichtversicherer der beklagten Partei, dem H***** VaG (im Folgenden nur mehr als H***** bezeichnet) geführt worden. Dieser habe namens der beklagten Partei auf die Einrede der Verjährung bis 31. 12. 2001 verzichtet. Es werde Schadensersatz wegen Lieferung mangelhafter bzw ungeeigneter Einspritzdüsen, unzureichender Montageanleitung sowie Produkthaftung begehrt. Die Geltung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der beklagten Partei wurde bestritten und weiter vorgebracht, die beklagte Partei habe im März 1998 ihre Ersatzpflicht hinsichtlich dreier Schadensfälle anerkannt. Sie habe die Notwendigkeit bestätigt, die Düsen in jenen 26 Motoren auszutauschen, bei welchen noch kein Schaden aufgetreten sei. Die Beklagte habe im Rahmen der Reklamationen darauf hingewiesen, dass diese durch ihre Muttergesellschaft abgewickelt werden. Der H***** sei aus Sicht der klagenden Partei namens der beklagten Partei aufgetreten. Die beklagte Partei sei als Händler für Motorersatzteile Sachverständiger im Sinne des § 1299 ABGB, sie habe die Düsen als kompatibel zu den Originaldüsen angepriesen. Der Verjährungseinwand der beklagten Partei sei auch sittenwidrig, weil der H***** zumindest auch im Namen der Beklagten gehandelt habe. Die klagende Partei habe davon ausgehen können, dass ein Versicherungsverhältnis für den Schadensfall bestanden habe. Die beklagte Partei habe unter Verletzung ihrer Aufklärungspflichten die klagende Partei veranlasst, von einer rechtzeitigen Klagsführung abzusehen.

Die beklagte Partei wendete ein, es sei unrichtig, dass die von ihr gelieferten Düsen die Schäden der klagenden Partei verursacht hätten. Die gegenständlichen, von ihr zugekauften Einspritzdüsen seien Nachbauteile eines tschechischen Herstellers, dessen Stückpreis knapp EUR 10 betrage. Die Motoren seien ursprünglich mit anderen Einspritzdüsen versehen gewesen. Diese empfehle der Hersteller, sie kosteten EUR 40 pro Stück. Es sei die Geltung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der beklagten Partei vereinbart worden, wonach nur bei grobem Verschulden gehaftet werde; davon könne keine Rede sein. Die Forderung der klagenden Partei sei verjährt; der H***** habe namens der Muttergesellschaft der beklagten Partei verhandelt. Die beklagte Partei treffe keine Haftung als Zwischenhändler, das Begehren der klagenden Partei sei auch überhöht. Die klagende Partei habe um ein Anbot für ganz konkrete, mit den Artikelnummern der jeweiligen Hersteller versehene Bauteile ersucht. Sie habe sich Alternativbauteile der Firma Bosch und solche der beklagten Partei anbieten lassen. Die beklagte Partei habe keine Beratungspflicht getroffen, weil die klagende Partei bereits diese Düsen als fachkundiger Besteller angefordert habe. Der Verjährungsverzicht sei von dem H***** nur für die Muttergesellschaft der beklagten Partei abgegeben worden, aus der Sicht des H***** habe als Produktrisikoversicherer der Muttergesellschaft Anlass bestanden, den Schaden zu prüfen.

In der Verhandlung vom 4. 12. 2003 anerkannte die beklagte Partei den Betrag von EUR 1.500 als angemessene Kosten für den Austausch der Düsen, der in der Besprechung vom 25. 3. 1998 anerkannt worden sei. Über Antrag der klagenden Partei fällte das Erstgericht ein Teilanerkenntnisurteil über diesen Betrag.

Mit Teil- und Zwischenurteil (berichtigt mit Beschluss vom 4. 2. 2004) sprach das Erstgericht aus, die Klagsforderung bestehe hinsichtlich eines Teilbetrages von S 263.664 (= EUR 31.932,44) samt 5 % Zinsen ab 28. 5. 1998 dem Grunde nach zu Recht. Hinsichtlich des Restbetrages von S 5,535.366,34 (= EUR 402.270,76) samt Anhang bestehe die Klagsforderung nicht zu Recht; der Klagsteilbetrag von EUR 402.270,76 (= S 5,535.366,34) samt 5 % Zinsen aus EUR 319.501,64 vom 28. 5. 1998 bis 13. 7. 2000 und aus EUR 402.270,56 seit 18. 3. 2000 wurde abgewiesen, die Kostenentscheidung blieb der Endentscheidung vorbehalten.

Urteilsberichtigungsanträge beider Parteien behandelte das Erstgericht nicht.

Dabei wurden folgende Feststellungen getroffen:

Die von der klagenden Partei betriebenen Dieseltriebfahrzeuge der Reihe 5047 sind mit Motoren der Firma Mercedes ausgestattet. Zur regelmäßigen Wartung bedarf es des Wechsels von Einspritzdüsen. Üblicherweise werden diese Ersatzteile nicht mehr vom Produzenten des Originalmotors hergestellt, sondern von dritten Firmen im Zusammenwirken mit der Firma Mercedes, die dann, wenn diese im besonderen Maße als Ersatzteile geeignet sind, diese Firmen autorisiert. Insbesondere Produkte der Firma Bosch sind für diesen Einbau in den Motor Mercedes geeignet.

Die klagende Partei hat ein kompliziertes Beschaffungssystem. Sie benötigt zahlreiche Ersatzteile, welche bei ihr intern Nummern tragen, welche in einer technischen Spezialabteilung der klagenden Partei aus den Anbotskatalogen der Zulieferanten "destilliert" werden. Diese Abteilung der klagenden Partei beurteilt die technische Eignung und Spezifikation, setzt diese fest und verleiht interne Nummern. Diese internen Nummern gehen an die Beschaffungsabteilung, welche üblicherweise eine Ausschreibung veranstaltet. Grundlage der Ausschreibung zum Kauf von Ersatzteilen sind die Beschaffungsnummern der klagenden Partei, denen die entsprechenden technischen Spezifikationen angeschlossen sind.

Auch im Jahre 1996 führte die klagende Partei hinsichtlich der nunmehr streitgegenständlichen Düsen eine Ausschreibung durch. Daran beteiligte sich unter anderen die S***** GmbH & Co KG (im Folgenden nur mehr als S***** KG bezeichnet), die neben Produkten der Firma Bosch auch Produkte eines tschechischen Herstellers von nicht autorisierten Ersatzteilen anbot.

Bei der klagenden Partei ist es Übung, mit einem ausgewählten Lieferanten einen Rahmenvertrag zu schließen, in dessen Rahmen dann die einzelnen Bestellungen erfolgen. Die S***** KG vertrieb damals Produkte der deutschen Muttergesellschaft der beklagten Partei in Österreich. Diese beschloss, den österreichischen Markt durch eine eigene Gesellschaft zu beliefern, weshalb es zur Gründung der beklagten Partei kam. Der Geschäftsführer der beklagten Partei hat seinen "Sitz" bei der Muttergesellschaft in Deutschland. Im Hinblick auf diese neue Situation richtete die S***** KG an die klagende Partei am 13. 12. 1995 ein Schreiben wonach die beklagte Partei "in den Rahmenvertrag" (gemeint war das Anbot) zu den vereinbarten Konditionen einsteige. Mit Schreiben vom 29. 1. 1996 wurde das Anbot der beklagten Partei, das ident war mit dem Anbot der S***** KG und dem keine Allgemeinen Bedingungen der beklagten Partei angeschlossen waren, angenommen.

In der Folge kam es zu einer technischen Besprechung zwischen Mitarbeitern der Parteien, in deren Rahmen allerdings die bereits getätigte Bestellung aufgrund des Anbotes der S***** KG (übernommen von der beklagten Partei) nicht geändert wurde. Schließlich kam es zur streitgegenständlichen Bestellung von Düsen, welche die beklagte Partei ohne weitere Kommentierung aufgrund der Ausschreibung und Spezifizierung der klagenden Partei lieferte. Die klagende Partei ließ die Düsen durch ihre Werkstätten in die Triebfahrzeugmotoren einbauen.

Im Jahre 1997 kam es zu einer signifikanten Häufung von schweren Motorschäden. Im Sommer dieses Jahres nahmen die Mitarbeiter der klagenden Partei Kontakt mit den Lieferanten auf, darunter auch mit der beklagten Partei als Lieferant der Einspritzdüsen. Die Verantwortung für untypische Schäden wurde von diesen abgelehnt.

Die Muttergesellschaft der beklagten Partei hat mit den Produkten des tschechischen Nachbauers von Ersatzteilen auch die Deutsche Bahn beliefert. In der Zeit der Besorgnis der beklagten Partei wurde bekannt, dass bei der Deutschen Bahn ebensolche schwere Schäden aufgetreten waren. Es kam zwischen den Vertretern der Deutschen Bahn und der Muttergesellschaft der beklagten Partei zu Besprechungen die zu einer vergleichsweisen Regelung durch Haftungsübernahme der Muttergesellschaft der beklagten Partei, vertreten durch den Versicherer H*****, führten. Über eine gegen den tschechischen Hersteller eingebrachte Klage ist bis heute noch nicht entschieden.

Von diesen Umständen erhielten die Mitarbeiter der klagenden Partei Kenntnis und nahmen auch Kontakt mit dem Werk der Deutschen Bahn auf. Dadurch erhärtete sich der Verdacht, die Schadensursache könne in ungeeigneten Düsen der beklagten Partei liegen. Im Jänner 1998 begann die klagende Partei mit dem Austausch von Düsen der beklagten Partei und dem Einbau von Bosch-Düsen. Nachdem dies geschehen war, kam es zu keinen weiteren vergleichbaren signifikanten Vorfällen. Die (damalige) Rechtsabteilung der klagenden Partei nahm Kontakt mit der beklagten Partei auf. Die beklagte Partei war intern von ihrer Muttergesellschaft angewiesen, solche Fälle an sie weiterzugeben. Die beklagte Partei verständigte daher die Klägerin, dass ihre Muttergesellschaft die weitere Abwicklung übernehme. Die Düsen waren nicht von der beklagten Partei, sondern von deren Muttergesellschaft aus Tschechien importiert worden. Die beklagte Partei ist ein reiner Handelsbetrieb, insbesondere vertreibt sie die Produkte ihrer Muttergesellschaft.

Die Muttergesellschaft der beklagten Partei hat einen Produkthaftplichtversicherungsvertrag mit dem H***** abgeschlossen. H***** ist nicht Versicherer der beklagten Partei.

Nach Einlangen der Reklamation der klagenden Partei bei der Muttergesellschaft der beklagten Partei schaltete sich deren Versicherer H***** ein. Strittig war die Ursache der Schäden der klagenden Partei. H***** war bestrebt, diese zu klären, um zu beurteilen zu können, ob auf ihren Versicherungsnehmer Produkthaftpflichtansprüche herankommen könnten. Die beklagte Partei hatte bereits "seinerzeit" in anderem Zusammenhang der klagenden Partei mitgeteilt, dass sie über ihre Mutter versichert sei. Diese Mitteilung war unrichtig. In der Folge fanden Direktgespräche zwischen dem H***** und der klagenden Partei und später der Finanzprokuratur statt. Die Mitarbeiter der Finanzprokuratur waren der Ansicht, die beklagte Partei sei über den H***** versichert. H***** war vor allem an der Ursachenklärung interessiert und nicht an der Offenlegung der juristisch interessanten Beziehungen. Aufgrund des Vertragsverhältnisses zwischen der Muttergesellschaft der beklagten Partei und dem H***** war dieser berechtigt, auch Verjährungsverzichte abzugeben. Er tat dies mehrfach, letztlich im Jahr 2001 mit einer Verzichtserklärung hinsichtlich des Einwandes der Verjährung bis 31. 12. 2001.

Am 25. 3. 1998 fand eine Konferenz in einer Werkstätte in St. Pölten statt, an der die Rechtsreferentin der klagenden Partei und unter anderem der Geschäftsführer der beklagten Partei teilnahmen. Zu diesem Zeitpunkt waren bereits drei abgebrochene Düsen, die der beklagten Partei vorgelegt worden waren, zur Begutachtung übergeben. Der Geschäftsführer der beklagten Partei versuchte die Verantwortung für den gesamten Schaden abzuwenden und wies auf weitere technische Aufklärungen hin. Er beruhigte die Mitarbeiter der klagenden Partei, weil ohnedies die Schadensklärung durch den Versicherer der Muttergesellschaft der beklagten Partei vorgenommen werde und bejahendenfalls eine Entschädigung über die Versicherung erfolgen werde. Hinsichtlich der drei abgebrochenen Düsen gestand er ausdrücklich zu, dass die beklagte Partei dafür haften werde. Dies dem Grunde nach, ohne eine tatsächliche Schadenssumme anzuerkennen.

"Im Verfahren sind keine Momente hervorgekommen, dass die beklagte Partei wusste oder hätte wissen müssen, dass die von ihr an die klagende Partei verkauften tschechischen Düsen zwar Verwendung bei der klagenden Partei nicht, oder nur nach entsprechender Nachjustierung geeignet sind. Aus der Sicht des Sachverständigen ergibt sich als Ursache der Schäden der klagenden Partei zumindest nach den Möglichkeiten dieses Verfahrens, dass die verwendeten Nachbaueinspritzdüsen im gegenständlichen Verwendungsfall nicht die hydraulischen Anforderungen an die dynamische Abdichtfunktion am Ende des Einspritzvorganges erfüllen und zur Überhitzung und zum Ausfall führen."

Bei nicht autorisierten Nachbaueinspritzdüsen kann es vorkommen, dass das dynamische Zusammenwirken der einzelnen Komponenten des Einspritzsystems nicht sichergestellt ist. Dadurch kann es zu Auswirkungen eines gestörten Verbrennungsprozesses infolge der bei der Motorentwicklung wichtigen zeitlichen und räumlichen Parameter der Kraftstoffeinbringung in den Brennraum kommen. Dieses für die Motorenentwicklung, insbesondere den Verbrennungsprozess beim Dieselmotor wichtige Detail wird von der Einspritzdüse wesentlich beeinflusst. Es ist ein Resultat der zeitlich-räumlichen Verteilung der Kraftstoffkonzentration im Brennraum bei der Stahlausbreitung. Der Verbrennungsprozess wird mit dem Einspritzbeginn eingeleitet und mit dem Einspritzende abgeschlossen. Die gebildeten Tropfenspektren sind unter verschiedenen einspritzbegleitenden Faktoren ein Maß für die Güte des Verbrennungsprozessablaufes. Auch bei durchaus positivem Materialbefund über die streitgegenständlichen Düsen bedarf es bei nicht autorisierten Nachbaudüsen unter Umständen, "und offensichtlich bei der gegenständlichen sehr wohl", einer Nachjustierung und Optimierung.

Das Schadensbild, wie streitgegenständlich, ist ein in der Literatur und Technik typisch bekanntes, das auf die mangelnde Nachjustierung und Kompatibilität zurückzuführen ist.

Auf diesen Umstand wurde die klagende Partei weder von der S***** KG noch von der beklagten Partei hingewiesen.

Der im Spruch des Urteils anerkannte Betrag entspreche den Kosten für die drei anerkannten Düsen, welche noch zur Höhe zu überprüfen seien.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, die AGB der beklagten Partei seien nicht wirksam vereinbart worden. Die Berechtigung des Verjährungseinwandes der beklagten Partei verneinte das Erstgericht wegen Verstoßes gegen die guten Sitten.

Zum Schadensersatzanspruch der Klägerin selbst führte das Erstgericht aus, diese habe nicht "geeignete" Düsen für ihre Motoren ausgeschrieben und gekauft, sondern ganz spezifische Produktnummern mit entsprechender spezifischer technischer Spezifikation. Die näheren technischen Umstände seien der beklagten Partei als reinem Handelsunternehmen nicht bekannt gewesen. Der Beklagten könne nicht zugemutet werden, Anleitungen und Analysen zu vertriebenen Produkten zu geben, wenn ihnen diese selbst nicht bekannt seien. Es wäre bei den gegenständlichen Düsen auch kaum möglich, eine genaue Anleitung zur Nachjustierung zu geben, weil dies auf Laborebene ausprobiert werden müsste. Abhilfe könnten nur autorisierte Düsen schaffen. Da die beklagte Partei keine Aufklärungspflicht verletzt habe, sei die Klage im Wesentlichen abzuweisen.

Entgegen der Ansicht der klagenden Partei sei am 25. 3. 1998 kein konstitutives Anerkenntnis erfolgt. Wohl aber liege ein deklaratives Anerkenntnis vor, weshalb diese Ansprüche nicht verjährt seien, der Höhe nach bedürften sie allerdings noch einer genaueren Überprüfung.

Das von beiden Teilen angerufene Berufungsgericht änderte die angefochtene Entscheidung dahin ab, dass es mit Zwischenurteil aussprach, die eingeklagte Forderung bestehe dem Grunde nach zu Recht; die Kostenentscheidung blieb dem Endurteil vorbehalten; es sprach aus, die ordentliche Revision sei nicht zulässig.

Das Berufungsgericht führte zur Rechtsfrage aus, nach ständiger Rechtsprechung treffe den Verkäufer eines an sich fehlerfreien Produktes, dessen Verwendung in spezifischen Teilbereichen zu Schädigungen führen könne, die Nebenverpflichtung zur Anleitung und Aufklärung. Die Schutzwürdigkeit des Bestellers oder Käufers sei nicht schon dadurch ausgeschlossen, dass er sachkundig sei oder sachverständig beraten werde. Wenn allerdings der Unternehmer oder Verkäufer vernünftigerweise erwarten dürfe, dass dem Besteller die mit dem Gebrauch des Gutes verbundenen Gefahren aufgrund seiner Sachkunde bekannt seien, brauche er ihn nicht zu warnen. Auch wenn die Lieferung einer tauglichen Betriebsanleitung nicht Gegenstand ausdrücklicher Erörterung der Vertragsteile gewesen sei, so habe sich die Leistungspflicht der beklagten Partei nicht in der Lieferung der Einspritzdüsen erschöpft, sondern hätte sie eine geeignete Gebrauchs- bzw Bedienungsanleitung mitzuliefern gehabt.

Den Beweis eines ursächlichen Zusammenhanges zwischen dem schuldhaften Verhalten und dem eingetretenen Schadenserfolg habe die klagende Partei erbracht. Ein verständiger Käufer in der Lage der Klägerin hätte die Warnung aufgrund einer geeigneten Gebrauchs- bzw Bedienungsanleitung beachtet und eine allenfalls erforderliche Nachjustierung der Einspritzdüsen vornehmen lassen.

Ausgehend von diesen Grundsätzen habe das Erstgericht zutreffend eine Haftung der beklagten Partei aus dem mit der klagenden Partei abgeschlossenen Kaufvertrag aus dem Titel des Schadenersatzes und damit insbesondere auch die Passivlegitimation der beklagten Partei bejaht. Anders verhalte es sich mit der Ansicht des Erstgerichtes, wonach die beklagte Partei hinsichtlich der Folgeschäden im Umfang der Abweisung aus dem Titel des Schadenersatzes nicht hafte. Gehe man von den schlüssigen und wohlbegründeten Ausführungen des Sachverständigen in Verbindung mit den darauf basierenden Feststellungen des Erstgerichtes aus, so sei zu berücksichtigen, dass die beklagte Partei in ihrem Produktkatalog unstrittig unter der Überschrift "Nummernvergleichsliste" auch für die gegenständlichen Nachbaueinspritzdüsen zunächst in einer Spalte die Produktnummer des Originalersatzteiles der Firma Mercedes und unmittelbar daneben die Produktnummer von "M*****" anführe. Deshalb könne kein Zweifel daran bestehen, dass die Beklagte damit implizit die Kompatibilität der M*****-Düsen mit den Originalersatzteilen der Firma Mercedes-Benz und damit den Umstand zugesichert habe, dass die von ihr vertriebenen Ersatzteile dem autorisierten Teil entsprechen. Die Argumentation des Erstgerichtes, wonach es die Sorgfaltspflichten eines bloßen Handelsunternehmens überspannen hieße, wenn man Aufklärungspflichten verlangte, vermöge "unter dem Gesichtspunkt der zitierten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes iVm den bisherigen Beweisergebnissen nicht zu überzeugen. Aus obigen Erwägungen im Zusammenhang mit den vom Erstgericht aufgrund des Sachverständigengutachtens iVm den Beilagen ./U und ./V im Einklang mit den Grundsätzen der Beweiswürdigung getroffenen Feststellungen (§ 500a ZPO)" folge aber, dass die Klagsforderung von EUR 434.203,20 sA dem Grunde nach zu Recht bestehe. Inwieweit die mangelnde Kompatibilität der von der beklagten Partei gelieferten Nachbaueinspritzdüsen oder allenfalls die verwendeten Halterungen für die in concreto eindeutig festgestellte schadenskausale Unbrauchbarkeit der gelieferten Nachbaueinspritzdüsen mitursächlich gewesen sei, könne demnach dahingestellt bleiben. Das Erstgericht werde daher im fortzusetzenden Verfahren detaillierte Feststellungen zur Höhe der Klagsforderungen zu treffen und eine abschließende rechtliche Beurteilung vorzunehmen haben.Ausgehend von diesen Grundsätzen habe das Erstgericht zutreffend eine Haftung der beklagten Partei aus dem mit der klagenden Partei abgeschlossenen Kaufvertrag aus dem Titel des Schadenersatzes und damit insbesondere auch die Passivlegitimation der beklagten Partei bejaht. Anders verhalte es sich mit der Ansicht des Erstgerichtes, wonach die beklagte Partei hinsichtlich der Folgeschäden im Umfang der Abweisung aus dem Titel des Schadenersatzes nicht hafte. Gehe man von den schlüssigen und wohlbegründeten Ausführungen des Sachverständigen in Verbindung mit den darauf basierenden Feststellungen des Erstgerichtes aus, so sei zu berücksichtigen, dass die beklagte Partei in ihrem Produktkatalog unstrittig unter der Überschrift "Nummernvergleichsliste" auch für die gegenständlichen Nachbaueinspritzdüsen zunächst in einer Spalte die Produktnummer des Originalersatzteiles der Firma Mercedes und unmittelbar daneben die Produktnummer von "M*****" anführe. Deshalb könne kein Zweifel daran bestehen, dass die Beklagte damit implizit die Kompatibilität der M*****-Düsen mit den Originalersatzteilen der Firma Mercedes-Benz und damit den Umstand zugesichert habe, dass die von ihr vertriebenen Ersatzteile dem autorisierten Teil entsprechen. Die Argumentation des Erstgerichtes, wonach es die Sorgfaltspflichten eines bloßen Handelsunternehmens überspannen hieße, wenn man Aufklärungspflichten verlangte, vermöge "unter dem Gesichtspunkt der zitierten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes in Verbindung mit den bisherigen Beweisergebnissen nicht zu überzeugen. Aus obigen Erwägungen im Zusammenhang mit den vom Erstgericht aufgrund des Sachverständigengutachtens in Verbindung mit den Beilagen ./U und ./V im Einklang mit den Grundsätzen der Beweiswürdigung getroffenen Feststellungen (Paragraph 500 a, ZPO)" folge aber, dass die Klagsforderung von EUR 434.203,20 sA dem Grunde nach zu Recht bestehe. Inwieweit die mangelnde Kompatibilität der von der beklagten Partei gelieferten Nachbaueinspritzdüsen oder allenfalls die verwendeten Halterungen für die in concreto eindeutig festgestellte schadenskausale Unbrauchbarkeit der gelieferten Nachbaueinspritzdüsen mitursächlich gewesen sei, könne demnach dahingestellt bleiben. Das Erstgericht werde daher im fortzusetzenden Verfahren detaillierte Feststellungen zur Höhe der Klagsforderungen zu treffen und eine abschließende rechtliche Beurteilung vorzunehmen haben.

Zu Recht habe aber das Erstgericht den Verjährungseinwand der beklagten Partei als unberechtigt abgetan. Auf den Verjährungseinwand könne nach ständiger Rechtsprechung verzichtet werden, die trotz des Verzichts erhobene Verjährungseinrede verstoße dann wider Treu und Glauben. Die Replik der Arglist sei dann berechtigt, wenn die Fristversäumnis auf ein Verhalten des Gegners zurückzuführen sei. Es verstoße auch ein Verhalten des Schuldners gegen die guten Sitten, aufgrund dessen der Gläubiger nach objektiven Maßstäben der Auffassung sein könne, sein Anspruch werde entweder ohne Rechtsstreit befriedigt oder nur mit sachlichen Einwendungen bekämpft, sodass er aus diesen Gründen eine rechtzeitige Klagsführung unterlassen habe. Die replicatio doli müsse nicht ausdrücklich erhoben werden, es genüge das Vorbringen der sie begründenden Tatsachen. Es könne kein Zweifel daran bestehen, dass die klagende Partei Ersatzforderungen ausschließlich gegen die beklagte Partei geltend gemacht habe und dies vom H***** so verstanden worden sei. Mangels entsprechender Klarstellungen im Schriftverkehr oder anlässlich der zahlreichen Gespräche wären der H***** bzw die Beklagte verpflichtet gewesen, den Umstand aufzuklären, dass der H***** nicht Haftpflichtversicherer der Beklagten gewesen sei. Die Einwände der mangelnden Passivlegitimation sowie der Verjährung seien von der beklagten Partei wider Treu und Glauben erhoben worden und infolge ihres irreführenden Verhaltens nicht beachtlich.

Ob die Klagsforderung hinsichtlich eines Teilbetrages allenfalls auch wegen eines Anerkenntnisses der beklagten Partei berechtigt sei, könne dahingestellt bleiben.

Die ordentliche Revision erachtete das Berufungsgericht für nicht zulässig, weil nicht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abgewichen worden sei und keine Rechtsfragen von über den Einzelfall hinausgehender Bedeutung zu lösen seien.

Gegen dieses Urteil richtet sich die außerordentliche Revision der beklagten Partei aus den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass das Klagebegehren abgewiesen werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die klagende Partei hat in der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung beantragt, das Rechtsmittel der beklagten Partei zurückzuweisen, in eventu ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung zur Haftung des Zwischenhändlers abgewichen ist, sie ist im Sinne ihres Aufhebungsantrags auch berechtigt.

Der Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wurde geprüft, er ist mit Ausnahme jener Mängel, die im Folgenden noch darzulegen sein werden, nicht gegeben (§ 510 Abs 3 ZPO).

Unter dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung macht die beklagte Partei geltend, sie sei reine Zwischenhändlerin, die klagende Partei verfüge über die bei Spezialabteilungen vorauszusetzende Sachkundigkeit. Die beklagte Partei habe gar nicht gewusst, dass die Düsen zur Verwendung bei der klagenden Partei nicht oder nur nach entsprechender Nachjustierung geeignet seien. Die beklagte Partei könne daher überhaupt keine Warnpflicht treffen. Weiters habe das Berufungsgericht die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage der Verjährung falsch angewendet bzw fehle eine solche in diesen Fall.

Hiezu wurde erwogen:

Wie das Berufungsgericht an sich zutreffend dargelegt hat, ergibt sich aus ergänzender Vertragsauslegung die Pflicht des Verkäufers einer Ware, die zu ihrer sachgemäßen Verwendung besondere Kenntnisse voraussetzt, die vom Käufer nicht erwartet werden können, dem Käufer die entsprechende Anleitung zu geben, unter Umständen hat er dem Käufer eine schriftliche Bedienungsanweisung auszufolgen (RIS-Justiz RS0020063; Aicher in Rummel2, ABGB, § 1061 Rz 32). Die Sachkundigkeit des Käufers schließt die Warnpflicht nicht aus. Wenn allerdings der Verkäufer vernünftigerweise erwarten darf, dass dem Besteller die mit dem Gebrauch des Gutes verbunden Gefahren aufgrund der nach der Lage des Falles vorauszusetzenden Sachkunde bekannt sind, braucht er nicht zu warnen (8 Ob 573/93 = RdW 1994, 104). Den (bloßen) Zwischenhändler trifft allerdings grundsätzlich keine Pflicht, eigene kostspielige Versuche zur Prüfung der Tauglichkeit einer Ware bei gewissen Verwendungen vorzunehmen. (RIS-Justiz RS0023638; RS0020098; Aicher, aaO, § 1061 ABGB Rz 32).

Berücksichtigt man nun im vorliegenden Fall, dass die beklagte Partei lediglich Zwischenhändler war und sie vernünftigerweise erwarten durfte, dass der klagenden Partei aufgrund ihrer besonderen Sachkunde die mit dem Gebrauch des Gutes verbundenen Gefahren bekannt waren, bestand nach Ansicht des erkennenden Senates keine Warnpflicht der beklagten Partei.

Allerdings ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, es sei unstrittig, dass die beklagte Partei in ihrem Produktkatalog unter der Überschrift "Nummernvergleichsliste" auch für die gegenständlichen Nachbaueinspritzdüsen zunächst in einer Spalte die Produktnummern des Originalersatzteiles der Firma Mercedes-Benz und unmittelbar daneben die Produktnummer von "M*****" angeführt habe. Deshalb könne kein Zweifel daran bestehen, dass die beklagte Partei implizit die Kompatibilität der M*****-Düsen mit den Originalersatzteilen der Firma Mercedes-Benz und damit den Umstand zugesichert habe, dass die von ihr vertriebenen Ersatzteile den autorisierten Teilen entsprechen. Diese Rechtsansicht ist grundsätzlich zutreffend. Geht man von einer (schlüssigen) Zusage der Kompatibilität der gegenständlichen Düsen mit den Originalersatzteilen bzw autorisierten Ersatzteilen aus, dann wären die von der beklagten Partei gelieferten Düsen mangelhaft und wäre die beklagte Partei grundsätzlich verpflichtet, der klagenden Partei die Mängelfolgeschäden zu ersetzen. Auch beim Ersatz von Mängelfolgeschäden gilt hinsichtlich des Verschuldens die Beweislastumkehr des § 1298 ABGB (RIS-Justiz RS0018459). Allerdings beruhen die Annahmen des Berufungsgerichtes weder auf Tatsachenfeststellungen des Erstgerichtes, noch auf eigenen (nach Beweisergänzung) getroffenen Feststellungen, noch auf einer Außerstreitstellung oder einem Zugeständnis der beklagten Partei. Das Berufungsgericht darf aber auch ergänzende Feststellungen nur nach Beweiswiederholung bzw Beweisergänzung treffen (RS0043026). Die seiner rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegte Feststellung ist daher für die Entscheidung derzeit unbeachtlich, doch wird das Berufungsgericht diesen Aspekt im fortgesetzten Verfahren mit den Parteien zu erörtern und bei widerstreitendem Vorbringen darüber Feststellungen nach Beweiswiederholung bzw Beweisergänzung zu treffen habe.

Für den Fall einer schlüssigen Kompatibilitätszusage leidet aber die Entscheidung des Berufungsgerichtes auch deshalb an einem Mangel, weil es die Beweisrüge der beklagten Partei in ihrer Berufungsbeantwortung zur Frage der Schadensursache nicht behandelt hat.

Zutreffend sind die Ausführungen der Vorinstanzen zur Frage der Verjährung. Die Verjährungseinrede verstößt nach ständiger Rechtsprechung gegen Treu und Glauben, wenn die Fristversäumnis des Berechtigten auf ein Verhalten des Gegners zurückzuführen ist (RIS-Justiz RS0014838), etwa wenn sich der Schuldner so verhalten hat, dass der Gläubiger mit Recht annehmen durfte, der Schuldner werde sich im Fall der Klagsführung nach Ablauf der Verjährungsfrist auf sachliche Einwendungen beschränken (M. Bydlinski in Rummel3, ABGB, § 1501 Rz 2 mwN). Dies ist hier der Fall, weil die beklagte Partei von ihrer Muttergesellschaft angewiesen war, Reklamationsfälle an diese weiterzugeben; sie verständigte auch die klagende Partei, dass die Muttergesellschaft die weitere Abwicklung übernehme. Von der Muttergesellschaft wurde dann der H***** eingeschaltet, der mit der klagenden Partei in der Sache selbst verhandelte und auch mehrere Verjährungsverzichtserklärungen abgab. Weiters hat die beklagte Partei bereits früher der klagenden Partei mitgeteilt, dass sie über ihre Muttergesellschaft versichert sei. Schließlich beruhigte der Geschäftsführer der beklagten Partei die Mitarbeiter der klagenden Partei bei der Besprechung vom 25. 3. 1998 damit, dass ohnedies die Schadensklärung durch den Versicherer von der Muttergesellschaft vorgenommen werde und bejahendenfalls eine Entschädigung über diese erfolgen werde. In Anbetracht dieser Umstände verstoßt der Verjährungseinwand der beklagten Partei gegen Treu und Glauben.

Aus den oben angeführten Gründen war die Entscheidung des Berufungsgerichtes aufzuheben und diesem eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufzutragen.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

Textnummer

E75118

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2004:0020OB00201.04D.1104.000

Im RIS seit

04.12.2004

Zuletzt aktualisiert am

24.03.2011
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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