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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §74 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Bayjones, Dr. Grünstäudl und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Papst, über die Beschwerde der B GmbH in W, vertreten durch Roschek & Biely, Rechtsanwälte OEG in 1010 Wien, Jasomirgottstraße 6, gegen den Bescheid des Bundesvergabeamtes vom 27. September 2005, Zl. 02N-147/03-93, betreffend Nachprüfung eines Vergabeverfahrens (mitbeteiligte Partei: Republik Österreich - Bund, vertreten durch den Bundeskanzler, Ballhausplatz 2, 1014 Wien), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesvergabeamtes vom 27. September 2005 wurden die Anträge der Beschwerdeführerin, die mitbeteiligte Partei zum Ersatz der ihr durch das Nachprüfungsverfahren entstandenen Kosten von EUR 23.662,83, in eventu zur Leistung eines angemessenen Kostenbeitrages zu den Vertretungskosten von insgesamt EUR 12.478,62, in eventu "jedenfalls" zum Ersatz der von ihr entrichteten Pauschalgebühren und Barauslagen von EUR 3.352,80 zu verpflichten, gemäß § 177 Abs. 5 BVergG 2002 iVm § 74 AVG zurückgewiesen.
Begründend führte die belangte Behörde aus, beim Vergabeverfahren "Kauf einer Generallizenz für eine massentaugliche Bürgerkartenumgebung-Software" handle es sich um einen Lieferauftrag im Sinne des § 2 BVergG 2002, bei dem der geschätzte Auftragswert den einschlägigen Schwellenwert gemäß § 9 Abs. 1 Z. 1 BVergG 2002 bei weitem überschreite. Die Beschwerdeführerin habe für ihre mit Schriftsatz vom 23. Dezember 2003 gestellten Anträge auf Nachprüfung gemäß § 163 Abs. 1 leg. cit. und auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung gemäß § 177 leg. cit. jeweils Pauschalgebühren von EUR 1.600,--, somit insgesamt EUR 3.200,-- entrichtet. Dem Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung sei mit Bescheid vom 29. Dezember 2003, dem Antrag auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung mit Bescheid vom 24. Februar 2004 stattgegeben worden und die Entscheidung der mitbeteiligen Partei, den Zuschlag dem Alternativangebot Nr. 2 der I. GmbH erteilen zu wollen, für nichtig erklärt worden. Erst nach Erlassung dieser beiden Bescheide habe die Beschwerdeführerin erstmals mit Schreiben vom 19. Juli 2005 die Zuerkennung des aus dem Spruch ersichtlichen Kostenersatzes gestellt. Der begehrte Kostensatz von insgesamt EUR 23.662,63 setze sich laut der vorgelegten Honorarnote aus EUR 16.974,30 an Honorar und aus EUR 3.352,80 an Barauslagen, davon EUR 3.200,-- Pauschalgebühren nach dem BVergG 2002, zusammen, wobei die Behörde auch einen angemessenen Pauschbetrag zusprechen könne, der sich bei einem mit EUR 21.800,--
anzusetzenden Streitwert auf EUR 9.152,82 belaufe.
Nach Wiedergabe des zur Begründung dieses Antrages erstatteten Vorbringens führte die belangte Behörde in rechtlicher Hinsicht zum Kostenersatzbegehren, soweit es die entrichteten Pauschalgebühren betraf, Folgendes aus:
Gemäß § 74 Abs. 2 zweiter Satz AVG sei der Kostenersatzanspruch so rechtzeitig zu stellen, dass der Abspruch über die Kosten in den Bescheid aufgenommen werden könne. Zur zeitgerechten Geltendmachung des Kostenersatzanspruches nach dieser Bestimmung genüge es, wenn die Behörde in die Lage versetzt werde, in den Spruch des Bescheides, in dem über den Antrag auf einstweilige Verfügung oder auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung abgesprochen werde, auch über die Anträge auf Kostensatz gemäß § 177 Abs. 5 BVergG 2002 zu entscheiden. Eine nicht im Sinne des § 74 Abs. 2 zweiter Satz AVG zeitgerechte Geltendmachung des Kostenersatzanspruches bewirke dessen Verlust. Dass im Provisorialverfahren und im Nachprüfungsverfahren eine zeitgerechte Geltendmachung des verfahrensgegenständlichen Anspruches auf Ersatz der Pauschalgebühren nicht möglich gewesen sei, sei im Verfahren nicht hervorgekommen. Die Beschwerdeführerin hätte, trotz der zum damaligen Zeitpunkt ihre Zuständigkeit zum Abspruch über den Kostenersatz ablehnenden ständigen Judikatur der belangten Behörde, jedenfalls die Möglichkeit gehabt, ihr Begehren betreffend den Kostenersatz noch vor der Erlassung der Bescheide vom 23. Dezember 2003 und vom 24. Februar 2004 geltend zu machen. Damit wäre der Beschwerdeführerin auch die Bekämpfung eines den Anspruch auf Kostenersatz zurückweisenden Bescheides der belangten Behörde bei den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts offen gestanden und sie hätte sohin auf diesem Weg den Ersatz der von ihr geleisteten Pauschalgebühren erhalten können.
Gemäß § 74 Abs. 2 dritter Satz AVG werde die Höhe der zu ersetzenden Kosten von der Behörde bestimmt. Die zu ersetzenden Kosten seien von der Behörde entweder in dem in der Hauptsache ergehenden Bescheid oder in einem eigenen Kostenbescheid nach § 57 Abs. 1 AVG festzusetzen. Dass der Gesetzgeber es der Behörde freistelle, über den Kostenersatz entweder in dem in der Hauptsache ergehenden Bescheid oder auch in einem separaten Kostenbescheid nach § 57 Abs. 1 AVG abzusprechen, ändere nichts an der klaren Anordnung hinsichtlich des gebotenen Zeitpunktes der Geltendmachung des Anspruches im Sinne des § 74 Abs. 2 zweiter Satz AVG. Diese Bestimmung normiere die Frist, innerhalb der der Kostenersatzanspruch zu stellen sei. Das Begehren müsse so zeitgerecht gestellt werden, dass noch mit dem die Hauptsache erledigenden Bescheid von der Behörde darüber abgesprochen werden könne. Das im Beschwerdefall mehr als ein Jahr nach Erlassung der Bescheide über die beantragte einstweilige Verfügung und über den Antrag auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung an die belangte Behörde gerichtete Kostenersatzbegehren sei auf Grund der eindeutigen Regelungen des AVG als verfristet zurückzuweisen.
Auch die Begehren auf Ersatz der Gebühren im Sinne des Gebührengesetzes 1957 sowie der Vertretungskosten seien zurückzuweisen, weil Gegenstand des Ersatzanspruches nach § 177 Abs. 5 BVergG 2002 ausschließlich Pauschalgebühren seien. Andere Aufwendungen wie u.a. auch der Ersatz von Stempelgebühren nach dem Gebührengesetz oder Vertretungskosten seien auf anderem Weg geltend zu machen. Zur Vollziehung des Gebührengesetzes und demnach auch zum Abspruch über allfällige Rückforderungsansprüche seien ausschließlich die Finanzbehörden zuständig.
Hinsichtlich der Vertretungskosten führte die belangte Behörde aus, dass gemäß § 74 Abs. 1 AVG jeder Beteiligte die ihm im Verwaltungsverfahren erwachsenden Kosten selbst zu bestreiten habe. Im Geltungsbereich des AVG gelte somit der Grundsatz der Selbsttragung der Kosten. Ein Kostenersatz zwischen den Beteiligten finde nur dort statt, wo dieser in den Verwaltungsvorschriften geregelt sei. Da weder das AVG noch das BVergG 2002 den Ersatz von Vertretungskosten, auch nicht in Form eines Pauschalbetrages, vorsehe, habe jeder Beteiligte die ihm im Verwaltungsverfahren erwachsenden Kosten selbst zu tragen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragt in ihrer Gegenschrift - ebenso wie die mitbeteiligte Partei - die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 74 AVG lautet:
"(1) Jeder Beteiligte hat die ihm im Verwaltungsverfahren erwachsenden Kosten selbst zu bestreiten.
(2) Inwiefern einem Beteiligten ein Kostenersatzanspruch gegen einen anderen Beteiligten zusteht, bestimmen die Verwaltungsvorschriften. Der Kostenersatzanspruch ist so zeitgerecht zu stellen, dass der Ausspruch über die Kosten in den Bescheid aufgenommen werden kann. Die Höhe der zu ersetzenden Kosten wird von der Behörde bestimmt und kann von dieser auch in einem Pauschbetrag festgesetzt werden."
§ 177 BVergG 2002 lautete (auszugsweise):
"(1) Für Anträge gemäß den §§ 163 Abs. 1, 164 Abs. 1, 171 Abs. 1 und 175 Abs. 1 hat der Antragsteller eine Pauschalgebühr zu entrichten.
...
(3) Für Anträge auf Teilnahme am Nachprüfungs- oder Feststellungsverfahren gemäß § 165 Abs. 2 und 4 ist eine Pauschalgebühr in der Höhe von 50 % von den in Anhang X genannten Sätzen bei Antragstellung zu entrichten. Die Höhe der Pauschalgebühr richtet sich nach dem vom Auftraggeber durchgeführten Verfahren.
...
(5) Der vor dem Bundesvergabeamt wenn auch nur teilweise obsiegende Antragsteller hat Anspruch auf Ersatz einer gemäß Abs. 1 oder 3 entrichteten Gebühren durch den Antragsgegner."
Im Geltungsbereich des AVG gilt (gemäß § 74 Abs. 1 AVG) der Grundsatz der Selbstragung, ein Kostenersatz zwischen den Beteiligten findet (gemäß § 74 Abs. 2 AVG) nur dort statt, wo er in den Verwaltungsvorschriften geregelt ist. Bei § 177 Abs. 5 BVergG handelt es sich um eine Verwaltungsvorschrift im Sinn des § 74 Abs. 2 AVG, nach der einem Beteiligten (dem auch nur teilweise obsiegenden Antragsteller in einem Nachprüfungsverfahren) ein Kostenersatzanspruch (Anspruch auf Ersatz der entrichteten Pauschalgebühren) gegen einen anderen Beteiligten (den Antragsgegner, das ist regelmäßig der Auftraggeber) zusteht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 6. April 2005, Zlen. 2004/04/0091, 0092). Gegenstand des Ersatzanspruches nach § 177 Abs. 5 BVergG 2002 sind demnach ausschließlich Pauschalgebühren und nicht auch andere Aufwendungen wie die von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Stempelgebühren oder Kosten der anwaltlichen Vertretung, sodass die Zurückweisung der Anträge der Beschwerdeführerin diesbezüglich mangels gesetzlicher Grundlage nicht zu beanstanden ist.
Die nicht im Sinne des § 74 Abs. 2 zweiter Satz AVG zeitgerechte Geltendmachung des Kostenersatzanspruches bewirkt dessen Verlust (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Mai 1999, Zl. 95/05/0255, VwSlg. 15.143A/1999). Dass im Beschwerdefall eine zeitgerechte Geltendmachung des Anspruches auf Ersatz der Pauschalgebühren im Verwaltungsverfahren nicht möglich gewesen wäre, ist nicht hervorgekommen, insbesondere stellt das Vertrauen auf die Richtigkeit der diesbezüglichen Spruchpraxis der belangten Behörde keine solche Unmöglichkeit dar.
Die Beschwerde erweist sich daher insgesamt als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 27. Juni 2007
Schlagworte
Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2 Rechtsgrundsätze Treu und Glauben erworbene Rechte VwRallg6/2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2005040257.X00Im RIS seit
27.07.2007