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L00203 Auskunftspflicht InformationsweiterverwendungNorm
AuskunftsG NÖ 1988 §2 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Bayjones, Dr. Grünstäudl und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Papst, über die Beschwerde des JF in St. G, vertreten durch Dr. Christof Dunst, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rathausstraße 19, gegen den Bescheid des Magistrates der Landeshauptstadt St. Pölten vom 6. April 2007, Zl. 01/80/2/2007/DI.F./Scha, betreffend Nichterteilung einer Auskunft, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer erstattete im Jahr 2006 verschiedene Anzeigen gegen ein näher genanntes Unternehmen wegen des Verdachtes der Übertretung der Gewerbeordnung 1994 (Betrieb einer Betriebsanlage außerhalb genehmigter Betriebszeiten). Mit Schreiben vom 22. November 2006 teilte ihm die belangte Behörde mit, dass sie gegen den gewerberechtlich verantwortlichen Geschäftsführer des angezeigten Unternehmens ein Verwaltungsstrafverfahren eingeleitet habe.
Mit Schreiben vom 19. Dezember 2006 ersuchte der Beschwerdeführer um Auskunft zu folgenden Fragen (Hervorhebungen im Original):
"1. Wurde jeweils zu den einzelnen Anzeigen ein Verwaltungsstrafverfahren eingeleitet bzw. von der Einleitung oder weiteren Durchführung eines Strafverfahrens abgesehen?
2. Wenn Verwaltungsstrafverfahren eingeleitet wurden, welche wurden bereits erledigt?
3. Wie erfolgte jeweils zu den einzelnen Anzeigen die Art der Erledigung (durch Strafbescheid, Ermahnung, Einstellung, ...)?"
Der Beschwerdeführer führte dazu aus, dass er ein berechtigtes Interesse an der Einhaltung der behördlichen Auflagen und ein Recht auf Lebensqualität habe. Für den Fall, dass die begehrte Auskunft nicht oder nur teilweise erteilt werde, beantragte der Beschwerdeführer, mit Bescheid über sein Auskunftsersuchen abzusprechen.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde das Auskunftsersuchen des Beschwerdeführers gemäß § 5 Abs. 1 Z. 2 iVm § 6 Abs. 1 des NÖ Auskunftsgesetzes als unbegründet ab. In der Begründung führte sie aus, der Beantwortung der Fragen des Beschwerdeführers stehe eine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht, nämlich das Grundrecht auf Datenschutz gemäß § 1 des Datenschutzgesetzes 2000, entgegen. Diese Verschwiegenheitspflicht umfasse auch die Geheimhaltung des Umstandes, ob gegenüber einer bestimmten Person verwaltungsstrafrechtliche Maßnahmen gesetzt wurden. Eine davon abweichende ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung oder Verpflichtung zur Weiterleitung von Daten über verwaltungsstrafrechtliche Verurteilungen bestehe nicht. Die Wahrung der Verschwiegenheitspflicht sei somit zur Hintanhaltung einer öffentlichen Diskreditierung des Betroffenen notwendig, sodass das Auskunftsbegehren des Beschwerdeführers abzuweisen gewesen sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Der Beschwerdeführer macht in der Beschwerde geltend, die belangte Behörde hätte sich nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (Hinweis auf das Erkenntnis vom 21. September 2005, Zl. 2004/12/0151) nur nach Abwägung einerseits des Interesses des Beschwerdeführers an der Erlangung der begehrten Auskunft und andererseits des Interesses des Angezeigten an der Geheimhaltung der Information über das Strafverfahren auf die Amtsverschwiegenheit gemäß Art. 20 Abs. 3 B-VG stützen dürfen. Gelange man bei dieser Interessenabwägung zum Ergebnis, dass die Interessenlagen gleichwertig seien, so stehe die Amtsverschwiegenheit nach der zitierten Judikatur einer Auskunftserteilung durch die Behörde nicht entgegen. Nur bei einem Überwiegen der Geheimhaltungsinteressen des Angezeigten sei der Behörde die Auskunftserteilung unter dem Titel der Amtsverschwiegenheit verwehrt. Die belangte Behörde habe es verabsäumt, durch Einräumung des Parteiengehörs das Interesse des Beschwerdeführers an der Erteilung der beantragten Auskunft zu ermitteln und danach die genannte Abwägung der gegenläufigen Interessen vorzunehmen.
Art. 20 Abs. 3 und 4 B-VG in der Fassung BGBl. Nr. 285/1987
lauten:
"Artikel 20. ...
(3) Alle mit Aufgaben der Bundes-, Landes- und Gemeindeverwaltung betrauten Organe sowie die Organe anderer Körperschaften des öffentlichen Rechts sind, soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, zur Verschwiegenheit über alle ihnen ausschließlich aus ihrer amtlichen Tätigkeit bekannt gewordenen Tatsachen verpflichtet, deren Geheimhaltung im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit, der umfassenden Landesverteidigung, der auswärtigen Beziehungen, im wirtschaftlichen Interesse einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, zur Vorbereitung einer Entscheidung oder im überwiegenden Interesse der Parteien geboten ist (Amtsverschwiegenheit). Die Amtsverschwiegenheit besteht für die von einem allgemeinen Vertretungskörper bestellten Funktionäre nicht gegenüber diesem Vertretungskörper, wenn er derartige Auskünfte ausdrücklich verlangt.
(4) Alle mit Aufgaben der Bundes-, Landes- und Gemeindeverwaltung betrauten Organe sowie die Organe anderer Körperschaften des öffentlichen Rechts haben über Angelegenheiten ihres Wirkungsbereiches Auskünfte zu erteilen, soweit eine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht dem nicht entgegensteht; berufliche Vertretungen sind nur gegenüber den ihnen jeweils Zugehörigen auskunftspflichtig und dies insoweit, als dadurch die ordnungsgemäße Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben nicht verhindert wird. Die näheren Regelungen sind hinsichtlich der Organe des Bundes sowie der durch die Bundesgesetzgebung zu regelnden Selbstverwaltung in Gesetzgebung und Vollziehung Bundessache, hinsichtlich der Organe der Länder und Gemeinden sowie der durch die Landesgesetzgebung zu regelnden Selbstverwaltung in der Grundsatzgesetzgebung Bundessache, in der Ausführungsgesetzgebung und in der Vollziehung Landessache."
Zunächst ist zur Frage der Zulässigkeit der Beschwerde festzuhalten, dass der zweite Satz des Art. 20 Abs. 4 B-VG von einem organisatorischen Organbegriff ausgeht und demnach auch die Auskunftserteilung durch Landesorgane im organisatorischen Sinn in Angelegenheiten der mittelbaren Bundesverwaltung durch die Auskunfts(pflicht)gesetze der Länder zu regeln ist (vgl. Wieser in Korinek/Holoubek, Kommentar zum österreichischen Bundesverfassungsrecht, Rz 15 und 24 zu Art. 20 B-VG sowie Walter/Mayer, Grundriss des österreichischen Bundesverfassungsrechtes, 9. Auflage (2000), Rz 586). Daher bestimmt sich die Auskunftspflicht der belangten Behörde im gegenständlichen Fall nicht nach dem Auskunftspflichtgesetz des Bundes, sondern nach dem NÖ Auskunftsgesetz, LGBl. 0020. Auch der Instanzenzug richtet sich daher nach dem letztgenannten Gesetz. Da gemäß § 6 Abs. 5 NÖ Auskunftsgesetz gegen die Verweigerung der Auskunft durch Bescheid ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig und der Instanzenzug somit erschöpft ist, erweist sich die vorliegende Beschwerde als zulässig.
Die Beschwerde ist aber nicht begründet.
Die belangte Behörde hat die Abweisung des Begehrens des Beschwerdeführers auf Auskunftserteilung auf § 5 Abs. 1 Z. 2 NÖ Auskunftsgesetz gestützt. Nach dieser Bestimmung darf die Auskunft verweigert werden, wenn ihrer Erteilung eine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht entgegensteht.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem vom Beschwerdeführer zitierten Erkenntnis, Zl. 2004/12/0151, ausgeführt, dass als gesetzliche Verschwiegenheitspflicht im Sinne des Art. 20 Abs. 4 erster Satz B-VG sowohl die in Art. 20 Abs. 3 B-VG umschriebene Amtsverschwiegenheit als auch - eigenständig - die in § 1 Abs. 1 und 2 Datenschutzgesetz 2000 umschriebene Pflicht zur Geheimhaltung personenbezogener Daten in Betracht kommt. Nichts anderes gilt für die gesetzliche Verschwiegenheitspflicht im Sinne des § 5 Abs. 1 Z. 2 NÖ Auskunftsgesetz; auch diese kann sich somit aus verschiedenen Bestimmungen ergeben. Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde die Verweigerung der Auskunftserteilung nicht, wie der Beschwerdeführer meint, mit der Amtsverschwiegenheit gemäß Art. 20 Abs. 3 B-VG begründet, sodass die Erfüllung der Voraussetzungen dieser Bestimmung hier nicht weiter zu prüfen ist.
Vielmehr hat die belangte Behörde die begehrte Auskunft über Einzelheiten eines Verwaltungsstrafverfahrens betreffend eine dritte Person deshalb verweigert, weil sie sich gemäß § 1 Abs. 1 und 2 Datenschutzgesetz 2000 zur Geheimhaltung personenbezogener Daten - dass darunter auch Daten über den Leumund einer Person fallen (vgl. ausdrücklich den Ausschussbericht zum Datenschutzgesetz 1024 BlgNR XIV. GP, 4 und Perthold-Stoitzner,
Die Auskunftspflicht der Verwaltungsorgane, 2. Auflage (1998), S. 167), wird auch vom Beschwerdeführer nicht bestritten - verpflichtet sah.
Die im Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des Datenschutzgesetzes 2000 (DSG 2000) lauten:
"Artikel 1
(Verfassungsbestimmung)
Grundrecht auf Datenschutz
§ 1. (1) Jedermann hat, insbesondere auch im Hinblick auf die Achtung seines Privat- und Familienlebens, Anspruch auf Geheimhaltung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten, soweit ein schutzwürdiges Interesse daran besteht. Das Bestehen eines solchen Interesses ist ausgeschlossen, wenn Daten infolge ihrer allgemeinen Verfügbarkeit oder wegen ihrer mangelnden Rückführbarkeit auf den Betroffenen einem Geheimhaltungsanspruch nicht zugänglich sind.
(2) Soweit die Verwendung von personenbezogenen Daten nicht im lebenswichtigen Interesse des Betroffenen oder mit seiner Zustimmung erfolgt, sind Beschränkungen des Anspruchs auf Geheimhaltung nur zur Wahrung überwiegender berechtigter Interessen eines anderen zulässig, und zwar bei Eingriffen einer staatlichen Behörde nur auf Grund von Gesetzen, die aus den in Art. 8 Abs. 2 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, genannten Gründen notwendig sind.
...
Definitionen
§ 4. Im Sinne der folgenden Bestimmungen dieses Bundesgesetzes bedeuten die Begriffe:
1. 'Daten' ('personenbezogene Daten'); Angaben über Betroffene (Z 3), deren Identität bestimmt oder bestimmbar ist; 'nur indirekt personenbezogen' sind Daten für einen Auftraggeber (Z 4), Dienstleiter (Z 5) oder Empfänger einer Übermittlung (Z 12) dann, wenn der Personenbezug der Daten derart ist, dass dieser Auftraggeber, Dienstleister oder Übermittlungsempfänger die Identität des Betroffenen mit rechtlich zulässigen Mitteln nicht bestimmen kann;
2. 'sensible Daten' ('besonders schutzwürdige Daten'): Daten natürlicher Personen über ihre rassische und ethnische Herkunft, politische Meinung, Gewerkschaftszugehörigkeit, religiöse oder philosophische Überzeugung, Gesundheit oder ihr Sexualleben;
...
8. „Verwenden von Daten'': jede Art der Handhabung von Daten einer Datenanwendung, also sowohl das Verarbeiten (Z 9) als auch das Übermitteln (Z 12) von Daten;
...
Schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen bei Verwendung
nicht-sensibler Daten
§ 8. (1) Gemäß § 1 Abs. 1 bestehende schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen sind bei Verwendung nicht-sensibler Daten dann nicht verletzt, wenn
...
4. überwiegende berechtigte Interessen des Auftraggebers oder eines Dritten die Verwendung erfordern.
..."
Wenn der Beschwerdeführer meint, die belangte Behörde hätte bei der Beurteilung der Geheimhaltungspflicht auch das Interesse des Beschwerdeführers an der begehrten Auskunft beachten müssen, so ist dies zwar insoweit richtig, als gemäß § 8 Abs. 1 Z. 4 DSG 2000 schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen im Sinne des § 1 Abs. 1 DSG 2000 dann nicht verletzt wären, wenn "überwiegende" berechtigte Interessen eines Dritten die Verwendung der Daten (dazu zählt gemäß § 4 Z. 8 DSG 2000 auch die Übermittlung von Daten) erfordern (vgl. auch dazu das zitierte hg. Erkenntnis Zl. 2004/12/0151). Dass im gegenständlichen Fall "überwiegende" berechtigte Interessen des Beschwerdeführers die verlangte Übermittlung der Auskunft über das Verwaltungsstrafverfahren eines Dritten gerechtfertigt hätten, lässt sich dem Vorbringen des Beschwerdeführers aber nicht entnehmen. Auch in der Beschwerde hat der Beschwerdeführer bloß allgemein darauf hingewiesen, er habe ein "berechtigtes Interesse an der Einhaltung der behördlichen Auflagen und ein Recht auf Lebensqualität". Mit diesem unsubstanziierten Vorbringen vermag der Beschwerdeführer nicht darzutun, dass die belangte Behörde bei Einräumung des Parteiengehörs und Abwägung der gegenläufigen Interessen das Interesse des Beschwerdeführers an der Erteilung der Auskunft gegenüber dem Geheimhaltungsinteresse als "überwiegend" hätte ansehen müssen.
Da bereits die Beschwerde zeigt, dass dem angefochtenen Bescheid die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war sie gemäß § 35 Abs. 1 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 27. Juni 2007
Schlagworte
Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2007040105.X00Im RIS seit
31.07.2007Zuletzt aktualisiert am
03.07.2018