TE Vfgh Erkenntnis 2002/11/26 B1383/01

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Veröffentlicht am 26.11.2002
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Index

L2 Dienstrecht
L2400 Gemeindebedienstete

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
Wr DienstO 1994 §68 Abs1 Z2
Wr PensionsO 1995 §9

Spruch

Die Beschwerdeführerin ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Der Antrag auf Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Die im vorliegenden Zusammenhang maßgeblichen Bestimmungen des §68 Wiener Dienstordnung 1994 (DO) bzw. des §9 Wiener Pensionsordnung 1995 (PO) lauten auszugsweise wie folgt:

"§68. (1) Der Beamte ist auf seinen Antrag in den Ruhestand zu versetzen, wenn er

...

2. dienstunfähig ist und die Wiedererlangung der Dienstfähigkeit ausgeschlossen erscheint.

..."

"§9. Ist der Beamte ohne sein vorsätzliches Verschulden zu einem zumutbaren Erwerb unfähig geworden, so ist ihm aus Anlaß der Versetzung in den Ruhestand der Zeitraum, der für die Erlangung des Ruhegenusses im Ausmaß der Ruhegenußbemessungsgrundlage erforderlich ist, höchstens jedoch ein Zeitraum von zehn Jahren, zu seiner ruhegenußfähigen Dienstzeit zur Stadt Wien zuzurechnen."

II. 1. Die Beschwerdeführerin ist Beamtin der Gemeinde Wien. Sie war als Pflegehelferin tätig. Auf ihren Antrag hin wurde sie mit Ablauf des 30. November 1999 gemäß §68 Abs1 Z2 DO in den Ruhestand versetzt.

Da sie zum Zeitpunkt ihrer Ruhestandsversetzung eine ruhegenussfähige Gesamtdienstzeit von bloß 22 Jahren aufwies, wurde von Amts wegen ein Verfahren gemäß §9 PO eingeleitet.

Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 21. August 2000 wurde jedoch festgestellt, dass eine Zurechnung von Zeiträumen gemäß §9 PO nicht verfügt werden könne.

2. Die dagegen erhobene Berufung wurde mit dem nunmehr bekämpften Bescheid des Dienstrechtssenates der Stadt Wien vom 27. August 2001 abgewiesen.

Begründend führt die belangte Behörde dazu im Wesentlichen Folgendes aus:

"Gemäß §§7 Abs1 und 73 Abs2 der Pensionsordnung 1995, LGBl. für Wien Nr. 67 idgF, hat ein Beamter, der vor dem 1. Juli 1995 in ein Dienstverhältnis zu einer inländischen Gebietskörperschaft aufgenommen worden ist, bei einer ruhegenussfähigen Gesamtdienstzeit von 35 Jahren Anspruch auf einen Ruhegenuss in der Höhe der Ruhegenussbemessungsgrundlage. Einem Beamten, der ohne sein vorsätzliches Verschulden zu einem zumutbaren Erwerb unfähig geworden ist, ist aus Anlass der Versetzung in den Ruhestand der Zeitraum, der für die Erlangung des Ruhegenusses im Ausmaß der Ruhegenussbemessungsgrundlage erforderlich ist, höchstens jedoch ein Zeitraum von zehn Jahren, zu seiner ruhegenussfähigen Dienstzeit zur Stadt Wien zuzurechnen (§9 PO 1995).

Nach dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH) vom 17. August 2000, Zl. 99/12/0299, hat die Behörde die in einem Verfahren nach §9 PO 1995 entscheidende Rechtsfrage, ob der Beamte noch zu einem zumutbaren Erwerb fähig ist, nach den Verhältnissen im Zeitpunkt der Versetzung des Beamten in den Ruhestand zu lösen. Hiebei hat die Behörde zunächst auf der Grundlage eines mängelfreien und schlüssigen ärztlichen Gutachtens die Frage zu beantworten, ob der Beamte überhaupt noch zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit befähigt ist; bejahendenfalls hat sie sodann auf der Grundlage dieses sowie eines mängelfreien und schlüssigen berufskundlichen Gutachtens die Frage zu klären, ob dem Beamten jene Erwerbstätigkeiten, die er nach seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit vom medizinischen Standpunkt aus noch auszuüben vermag, zugemutet werden können; letzteres ist dann der Fall, wenn diese Tätigkeiten ihrer sozialen Geltung nach der früheren Beschäftigung, der dienstlichen Stellung und der Fortbildung des Beamten annähernd gleichkommen und wenn die Aufnahme solcher Tätigkeiten vom Beamten nach seinen sonstigen persönlichen Lebensumständen billigerweise erwartet werden kann (vgl. dazu Erkenntnis des VwGH vom 9. Juli 1992, Zl. 91/12/0041).

Bezogen auf §9 PO 1995 bedeutet der Begriff Erwerbsfähigkeit, trotz des eingeschränkten Zustandes, der die Dienstunfähigkeit bewirkt hat, noch in der Lage zu sein, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt einem regelmäßigen und zumutbaren Erwerb nachzugehen. Diese Fähigkeit ist abstrakt zu beurteilen; es kommt also nicht darauf an, ob gerade ein Bedarf an dieser Verweisungstätigkeit besteht oder nicht (vgl. Erkenntnis des VwGH vom 25. Jänner 1995, Zl. 94/12/0142). Die Beurteilung der Erwerbsfähigkeit stellt eine Rechtsfrage dar. Daraus folgt, dass nicht der ärztliche Sachverständige die Erwerbsunfähigkeit festzustellen hat, sondern die zur Entscheidung dieser Rechtsfrage berufene Behörde. Aufgabe des ärztlichen Sachverständigen ist es bloß, der zur Entscheidung berufenen Behörde bei der Feststellung des Sachverhaltes fachtechnisch geschulte Hilfe zu leisten (VwGH vom 25. Jänner 1995, Zl. 94/12/0142).

Zur Erstellung des amtsärztlichen Gutachtens vom 29. Dezember 1999, das einen Monat nach der Ruhestandsversetzung der Berufungswerberin erstellt wurde, wurden der Laborbefund des Sanatoriums Hera vom 24. November 1999, das MRT der Halswirbelsäule vom 10. September 1999, der elektroneurologische Befund des Sanatoriums Hera vom 1. Oktober 1999 und das Röntgen beider Hände vom 2. Juli 1999 eingesehen sowie das orthopädische Gutachten Dris. W vom 21. Dezember 1999 und das psychiatrische Gutachten Dris. K vom 17. Dezember 1999 zur Beurteilung herangezogen und die von der Berufungswerberin bei ihrer Untersuchung am 1. Dezember 1999 gemachten Angaben, dass sie sich nach der Pensionierung erleichtert fühle, zwar noch in psychiatrischer Behandlung stehe, aber besser schlafen könne, nun aber orthopädische Probleme, nämlich steife und geschwollene Finger sowie Schulter- und zeitweise Knieschmerzen habe, berücksichtigt. Darauf aufbauend stellt die Amtsärztin Dr. H in einer ausführlichen und für die Berufungsbehörde schlüssigen und nachvollziehbaren Weise dar, welche Tätigkeiten die Berufungswerberin auf Grund ihres körperlichen und geistigen Leistungsvermögens zum Zeitpunkt ihrer Ruhestandsversetzung noch hätte verrichten können.

Ein von einem tauglichen Sachverständigen erstelltes, mit den Erfahrungen des Lebens und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch stehendes Gutachten kann in seiner Beweiskraft nur durch ein gleichwertiges Gutachten bekämpft werden (vgl. Erkenntnis des VwGH vom 21. September 1995, Zl. 93/07/0005). Ein derartiges Sachverständigengutachten hat aus einem Befund und dem Urteil, dem Gutachten im engeren Sinne, zu bestehen. Hiebei hat der Befund alle jene Grundlagen und die Art ihrer Beschaffung zu nennen, die für das Gutachten, das sich auf den Befund stützende Urteil, erforderlich sind. Dieses Urteil muss so begründet sein, dass es auf seine Schlüssigkeit hin überprüft werden kann (VwGH vom 10. Dezember 1952, Slg. 2778 A). Eine sachverständige Äußerung, die sich in der Abgabe eines Urteils erschöpft, aber weder die Tatsachen, auf die sich dieses Urteil gründet, noch die Art, wie diese Tatsachen ermittelt wurden, erkennen lässt, ist mit einem wesentlichen Mangel behaftet und als Beweismittel unbrauchbar (VwGH vom 24. April 1993, Zl. 92/08/0208).

Das von der Berufungswerberin beigebrachte Schreiben Dris. Z vom 29. Februar 2000 kann nicht als ein dem amtsärztlichen Gutachten gleichwertiges Gutachten anerkannt werden, da keine Befundaufnahme, also eine fachkundige Beschreibung des zum Pensionierungszeitpunktes bestehenden Gesundheitszustandes vorliegt, keine begründeten und ärztlich fundierten, nachprüfbaren Schlußfolgerungen getroffen, sondern bloße Meinungen und Erfahrungen zum Ausdruck gebracht werden. Inhaltlich wird ausgeführt, dass bei völliger körperlicher Schonung und Fehlen jedweder psychischer Belastung die Depressionen auf einem erträglichen Level gehalten werden können, wobei überhaupt nicht ersichtlich ist, warum eine völlige körperliche Schonung notwendig sein soll. Eine weitgehende psychische Schonung ist ohnehin unbestritten. Schließlich wird in dem handschriftlichen Vermerk vom 18. Mai 2000 den Amtsärzten nahezu vorgeworfen, dass sie durch eine Gutachtenserstellung, die nicht so ausfällt, wie die Berufungswerberin das wünscht, den Gesundheitszustand verschlechtert hätten, ohne dass dabei dem amtsärztlichen Gutachten auf fachlicher Ebene entgegengetreten wird.

Auch der ärztliche Bericht Dris. G vom 1. März 2000 erfüllt nicht die Anforderung eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, da darin weder Befund noch medizinisch fundierte, nachprüfbare Schlussfolgerungen enthalten sind. In diesem Zusammenhang ist auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. März 1995, Zl. 94/12/0245, zu verweisen, worin dieser ausgesprochen hat, dass Schreiben und Atteste keine Gutachten im Rechtssinne sind, weil sie lediglich Schlussfolgerungen enthalte, aber keinen Befund, aus denen die Schlussfolgerungen nachvollziehbar ableitbar wären und somit nicht geeignet sind, Bedenken an den auf einem umfassenden Befund beruhenden ärztlichen Feststellungen des amtsärztlichen Sachverständigen zu erwecken. Inhaltlich führt Dr. G in ihrem Bericht aus, dass hinsichtlich der bei der Berufungswerberin bestehenden endoreaktiven Depression mit Psychopharmamedikamentation und häufigen Gesprächen immer wieder eine zufriedenstellende Besserung der psychischen Situation erzielt habe werden können und widerspricht damit Dr. Z, der von einer therapieresistenten Depression ausgeht. Die von Dr. G getroffene Schlussfolgerung, dass die Berufungswerberin weiterhin nicht belastbar sei und bei ihr eine absolute Stressintoleranz bestehe, kann seitens des Dienstrechtssenates nicht nachvollzogen werden, als diese in Widerspruch zu der von ihr getroffenen Feststellung, dass nach Wegfall der für die Patientin belastenden Grundsituation (Schwierigkeiten am Arbeitsplatz) und weiterer Psychopharmamedikamentation eine weitgehende psychische Stabilisierung eingetreten sei, steht.

Die im amtsärztlichen Gutachten vom 29. Dezember 1999 getroffene Schlussfolgerung, dass der Berufungswerberin zum Zeitpunkt ihrer Ruhestandsversetzung Tätigkeiten mit geringer psychischer Belastbarkeit und geringem Zeitdruck zumutbar gewesen sind, erscheint dem Dienstrechtssenat auch deshalb als schlüssig, als in den Vorgutachten vom 1. Juni und 14. Juni 1999 die bei der Berufungswerberin bestehende Konfliktsituation im Bereich ihrer Dienststelle hervorgehoben und festgehalten wird, dass eine Besserung der psychischen Situation der Berufungswerberin nur durch eine Versetzung erzielt werden könne, zumal die Berufungswerberin anlässlich der amtsärztlichen Untersuchung am 14. Juni 1999 angab, bereits beim Anblick ihrer Dienststelle Schweißausbrüche und Panikzustände zu bekommen. Auch Dr. G hat in ihrem ärztlichen Bericht auf die belastende Grundsituation der Berufungswerberin, nämlich deren Schwierigkeiten am Arbeitsplatz, hingewiesen und festgestellt, dass es nach Wegfall dieser belastenden Grundsituation infolge der Ruhestandsversetzung zu einer weitgehenden psychischen Stabilisierung der Berufungswerberin gekommen ist. Dies wurde auch von der Berufungswerberin bei ihrer amtsärztlichen Untersuchung am 1. Dezember 1999 bestätigt, bei der sie erklärte, dass die Ruhestandsversetzung eine Erleichterung für sie sei. Da die beruflichen Probleme der Berufungswerberin an ihrer Dienststelle wesentlich zu ihrer schlechten psychischen Verfassung beigetragen haben, ist es für den Dienstrechtssenat durchaus nachvollziehbar, dass bei Wegfall dieser Probleme eine Einsetzbarkeit der Berufungswerberin für Tätigkeiten mit geringer psychischer Belastbarkeit bestanden hat und sie somit die im erstinstanzlichen Bescheid angeführten Erwerbstätigkeiten verrichten hätte können.

Wenn die Berufungswerberin die Richtigkeit der amtsärztlichen Gutachten insofern in Zweifel zieht, als sie angibt, dass die den Gutachten zu Grunde liegenden Untersuchungen lediglich 5 bis 10 Minuten gedauert hätten, so ist dem zu erwidern, dass den medizinischen Amtssachverständigen sämtliche fachärztliche Befunde und Gutachten (Gutachten Dris. H vom 23. April 1998, 28. Mai 1998 und 26. November 1998, Gutachten Dris. G vom 1. Juni 1999, Gutachten Dris. S vom 14. Juni 1994, psychiatrische Gutachten Dris. B vom 9. und 17. April 1998, 28. Mai 1998 und vom 21. Mai 1998) zum Zeitpunkt der jeweiligen Untersuchung vorgelegen und diese dem jeweiligen amtsärztlichen Gutachten zu Grunde gelegt worden sind, sodass den begutachtenden Amtsärzten ausreichend Informationen für ihre abschließende Beurteilung zur Verfügung gestanden sind.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu §9 Pensionsgesetz 1965 in der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 95/2000, welche auf Grund der inhaltlichen Gleichartigkeit der Bestimmungen auch auf §9 PO 1995 Anwendung findet, sind Erwerbstätigkeiten, die der Beamte nach seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit vom medizinischen Standpunkt noch auszuüben vermag, einem Beamten dann zumutbar, wenn diese Tätigkeiten ihrer sozialen Geltung nach der früheren Beschäftigung, der dienstlichen Stellung und der Fortbildung des Beamten annähernd gleichkommen und wenn die Aufnahme solcher Tätigkeiten vom Beamten auch nach seinen sonstigen persönlichen Lebensumständen billigerweise erwartet werden kann (vgl. Erkenntnis vom 17. Februar 1999, Zl. 94/12/0352). Für die Zumutbarkeit einer Erwerbstätigkeit ist neben der Vorbildung auch entscheidend, welche soziale Geltung einer beruflichen Tätigkeit in der Gesellschaftsordnung beigemessen wird (vgl. Erkenntnis des VwGH vom 24. September 1997, Zl. 96/12/0214).

Die Berufungswerberin war seit ihrem Dienstantritt im Jahr 1987 bis zu ihrer Ruhestandsversetzung bei der Gemeinde Wien als Pflegehelferin tätig. In seinem Urteil vom 20. Jänner 1998, Zl. 10 Ob S 404/97 b, führt der Oberste Gerichtshof (OGH) zum Beruf des Pflegehelfers aus, dass dieser durch das Bundesgesetz BGBl. 1990/449, mit dem das Krankenpflegegesetz (KrPflG) geändert wurde, geschaffen wurde und eine Erweiterung gegenüber dem Berufsbild der bisherigen Stationsgehilfen darstellt, und zwar sowohl in Bezug auf die Ausbildung als auch den Umfang der Tätigkeiten. Nach dem neuen §43a KrPflG umfasst der Beruf des Pflegehelfers nunmehr auch die Betreuung pflegebedürftiger Menschen zur Unterstützung und unter Führung von diplomierten Krankenpflegepersonen sowie zur Unterstützung der von Ärzten und diplomiertem medizinisch-technischen Personal durchgeführten Behandlungen. Die Pflegehelfer sind zwar gegenüber den früheren Stationsgehilfen besser ausgebildet, der nunmehrige Tätigkeitskreis hat sich aber nicht derart erweitert, sodass weiterhin eine Hilfstätigkeit vorliegt. Im eingangs zitierten Urteil hat der OGH ausgesprochen, dass Pflegehelfer keinen Berufsschutz genießen. Eine Verweisung von Pflegehelfern auf Hilfsberufe ist somit zulässig.

Die Berufungsbehörde gelangte auf Grund des ausführlichen, schlüssigen und widerspruchsfreien amtsärztlichen Gutachtens Dris. H vom 29. Dezember 1999 und der amtsärztlichen Stellungnahmen vom 6. April und 13. Juli 2000 zu dem Ergebnis, dass die Berufungswerberin zum Zeitpunkt ihrer Ruhestandsversetzung noch in den im erstinstanzlichen Bescheid angeführten Hilfsberufen einer Erwerbstätigkeit nachgehen hätte können. Da diese Tätigkeiten der Berufungswerberin auch sozial zumutbar sind, war spruchgemäß zu entscheiden."

3. Gegen diesen Bescheid wendet sich die auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des Bescheides, im Falle der Abweisung oder Ablehnung der Beschwerde ihre Abtretung an den Verwaltungsgerichtshof beantragt wird.

Begründend wird dazu im Wesentlichen ausgeführt:

"Der Begründung des Berufungsbescheides ist ... entgegenzuhalten, dass die von der belangten Behörde offensichtlich als nicht taugliche Sachverständige gewerteten Ärzte, langgediente Fachärzte für Neurologie und Psychiatrie sind - einer von ihnen ist auch als allgemeinen beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger tätig - die seit Jahrzehnten praktizieren. Des weiteren haben sich beide Ärzte über eine Zeitspanne von mehr als einem Jahr; während dieses Zeitraumes z. T. in mehrmaligen wöchentlichen Sitzungen, mit mir und meinem psychischen Zustand auseinander gesetzt. Warum diese fundierten Darstellungen und Begutachtungen weniger nachvollziehbar seien, als die von Frau Dr. H, ist unverständlich, zumal sie sich, bis auf die Schlussfolgerung über die Einsetzbarkeit meiner Arbeitskraft in einem anderen Beruf, miteinander decken. Dass für die belangte Behörde eine fünf bis zehn Minuten dauernde Begutachtung, 28 Tage bevor das Gutachten erstellt wird, eher nachvollziehbar und glaubwürdig ist, mutet befremdend an, da die ins Treffen geführte Begutachtungszeit nicht einmal in Abrede gestellt wird.

Im gegebenen Fall ist bezüglich der Zuerkennung von Dienstzeiten gemäß §9 Pensionsordnung auf den Zeitpunkt der Versetzung in den Ruhestand abzustellen. Dennoch vermeint die belangte Behörde, dass die Amtsärztin aus den Gutachten der Monate April, Mai und Juni des Jahres 1998 ausreichende Informationen für eine abschließende Beurteilung zur Verfügung gestanden sind. Sohin ist davon auszugehen, dass wenn man zugrunde legt, dass eine fünf bis zehn Minuten Begutachtung für ein profundes Gutachten nicht ausreicht, dass das zur Entscheidung für diesen Bescheid herangezogene Gutachten, lediglich auf Gutachten welche mehr als ein Jahr vor der Pensionierung erstellt wurden, abzielt. Maßgebend und zu begutachten ist jedoch die Situation zum Zeitpunkt der Pensionierung.

Dass die Schlussfolgerungen aus dem amtsärztlichen Gutachten vom 29. Dezember 1999 nach einer nur fünf- bis zehnminütigen Untersuchung für die belangte Behörde nachvollziehbarer sind, als die Befundungen renommierter Fachärzte, welche die Patientin (Beschwerdeführerinnen) über ein Jahr kennen und behandeln, wird unter anderem damit begründet, dass es bei der Beschwerdeführerin nach Wegfall der belastenden Grundsituation, gemeint ist damit wohl das Arbeitsverhältnis, infolge der Ruhestandversetzung zu einer weitgehenden psychischen Stabilisierung kam. Dies ist jedoch gerade der Grund, warum die Beschwerdeführerin, welcher jedwede psychische Belastung unzumutbar ist, pensioniert wurde, nämlich um keinen zusätzlichen Schaden an ihrer Person erleiden zu müssen. Sie wurde also gerade mit dem Zweck pensioniert, um ihren psychischen Zustand zu stabilisieren und für sie auf ein erträgliches Maß einzubremsen. Daraus dann den Umkehrschluss zu ziehen, dass deshalb für andere Berufe noch eine Arbeitsfähigkeit vorläge und diesen Schluss ohne die Beiziehung eines berufskundigen Sachverständigen zu ziehen, ... ist nicht nachvollziehbar."

4. Die belangte Behörde hat unter Vorlage der Verwaltungsakten eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde begehrt.

III. Der Verfassungsgerichtshof hat über die zulässige Beschwerde erwogen:

1. Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 10.413/1985, 11.682/1988) nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat.

Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt ua. in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg. 8808/1980 und die dort angeführte Rechtsprechung; VfSlg. 10.338/1985, 11.213/1987).

2. Dass der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruhe oder die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt habe, wird von der Beschwerdeführerin nicht vorgebracht und ist im verfassungsgerichtlichen Verfahren auch sonst nicht hevorgekommen.

Das im Pkt. II.3. im Wortlaut wiedergegebene Vorbringen der Beschwerdeführerin, das im Wesentlichen darauf hinausläuft, dass die belangte Behörde zu Unrecht von den amtsärztlichen Gutachten und nicht von "Darstellungen und Begutachtungen" von Fachärzten für Neurologie und für Psychiatrie ausgegangen ist, die von der Beschwerdeführerin vorgelegt wurden, ist aber auch nicht geeignet, darzutun, dass die belangte Behörde bei Erlassung des bekämpften Bescheides Willkür (s. dazu nochmals die o.e. Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes) geübt hätte.

Ob das Gesetz von der belangten Behörde in jeder Hinsicht richtig angewendet wurde, hat der Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen, und zwar auch dann nicht, wenn sich die Beschwerde, wie hier, gegen die Entscheidung einer Kollegialbehörde nach Art133 Z4 B-VG richtet, die beim Verwaltungsgerichtshof nicht bekämpft werden kann (VfSlg. 13.291/1992, 13.513/1993).

3. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, dass die Beschwerdeführerin in sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde. Angesichts der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen ist es auch ausgeschlossen, dass sie in ihren Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt wurde.

4. Die Beschwerde war daher abzuweisen.

5. Der Antrag auf Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof war abzuweisen, weil Art144 Abs3 B-VG dieses Vorgehen dann verwehrt, wenn es sich um einen Fall handelt, der nach Art133 B-VG von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofs ausgeschlossen ist. Dies trifft hier im Hinblick auf Art133 Z4 deshalb zu, weil der Vorsitzende des Dienstrechtssenates der Stadt Wien (§74b DO) dem Richterstand angehört, die Bescheide des in obersten Instanz entscheidenden Dienstrechtssenates nicht der Aufhebung oder Abänderung im Verwaltungsweg unterliegen (§74a Abs2 erster Satz DO) und für den vorliegenden Fall auch keine Gesetzesbestimmung besteht, welche die Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes ausdrücklich für zulässig erklärte (s. §74a Abs2 zweiter Satz DO).

6. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

Dienstrecht, Ruhegenuß

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2002:B1383.2001

Dokumentnummer

JFT_09978874_01B01383_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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