TE OGH 2004/11/17 7Ob260/04t

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Veröffentlicht am 17.11.2004
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Kalivoda und Hon. Prof. Dr. Neumayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Johann K*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Stolz, Rechtsanwalt in Radstadt, gegen die beklagte Partei U***** AG, *****, vertreten durch Dr. Rudolf Zitta und Dr. Harald Schwendinger, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen EUR 5.818,91 sA, über die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Berufungsgericht vom 30. Juni 2004, GZ 53 R 100/04v-59, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Salzburg vom 22. Oktober 2003, GZ 17 C 571/03p-53, infolge Berufung der Beklagten abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Der Kläger hat bei der beklagten Partei eine Privatkrankenversicherung abgeschlossen, der die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Krankheitskosten- und Krankenhaus-Tagegeldversicherung (AVB 1999), zugrundeliegen, deren hier maßgebliche Bestimmung lautet:

2. Einschränkung des Versicherungsschutzes

2.1. Kein Versicherungsschutz besteht für

...

2.1.e) Krankheiten und Unfälle (Unfallfolgen), die aufgrund eines missbräuchlichen Genusses von Alkohol oder Suchtgiften eintreten oder verschlechtert werden, oder deren Heilbehandlung durch den missbräuchlichen Genuss von Alkohol oder Suchtgiften erschwert wird, sowie für Entziehungsmaßnahmen und Entziehungskuren,

...

Der Kläger litt an einer Leberzirrhose und wurde vor und nach einer am 24. 3. 2000 erfolgten Lebertransplantation bei fünf Krankenhausaufenthalten von Jänner 2000 bis Jänner 2001 insgesamt 51 Tage lang stationär behandelt. Er begehrt von der Beklagten EUR 5.818,91 sA an Tagegeldern (pro Tag ca EUR 114,09).

Die Beklagte beantragte Klagsabweisung. Gemäß Pkt 2.1.e) der vereinbarten Versicherungsbedingungen bestehe kein Versicherungsschutz, weil die Leberzirrhose des Klägers durch missbräuchlichen Alkoholgenuss verursacht worden sei.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es stellte ua fest, beim Kläger lägen zahlreiche Indizien für eine alkoholbedingte Fettleberzirrhose und zumindest keine ausgeprägten Risikofaktoren für eine nichtalkoholische Steatohepatitis (NASH) vor. Die medizinische Ursache für die Lebererkrankung des Klägers lasse sich allerdings mit 100 % Sicherheit ex post nicht mehr feststellen. Es könne (daher) nicht festgestellt werden, dass die betreffenden Krankenhausaufenthalte des Klägers im Zusammenhang mit einer Alkoholerkrankung oder Alkoholmissbrauch gestanden seien. Der Kläger sei bei den jeweiligen Aufnahmen und Aufenthalten nie alkoholisiert oder delirant gewesen.

In der rechtlichen Beurteilung des von ihm (auf den Seiten 4 bis 10 des Ersturteiles) festgestellten Sachverhaltes führte das Erstgericht aus, es habe grundsätzlich festgestellt werden können, dass der Kläger von 1981 bis 1999 übermäßig Alkohol konsumiert habe. Somit liege zwar eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit vor, dass der Alkoholkonsum des Klägers kausal für die Leberzirrhose und die klagsgegenständlichen Krankenhausaufenthalte gewesen sei; dies habe jedoch angesichts nicht auszuschließender anderer Ursachen nicht mit der für ein Gerichtsverfahren notwendigen Sicherheit festgestellt werden können. Es sei medizinisch ex post nicht nachweisbar, dass missbräuchlicher Genuss von Alkohol für die Leberschädigung des Klägers verantwortlich gewesen sei und die klagsgegenständlichen Krankenhausaufenthalte - direkt oder indirekt - auf missbräuchlichen Alkoholgenuss zurückzuführen seien. Da die Beweislast für diese Kausalität bei der Beklagten liege und dieser Nachweis nicht erbracht habe werden können, sei Pkt 2.1.e) der AVB 1999 nicht anwendbar und die Beklagte zur Leistung des Klagsbetrages verpflichtet.

Das Gericht zweiter Instanz gab der Berufung der Beklagten Folge und wies das Klagebegehren ab. Pkt 2.1.e) der Versicherungsbedingungen stelle entgegen der Meinung des Klägers keine Obliegenheit, sondern einen sekundären Risikoausschluss dar. Dem Erstgericht sei hinsichtlich der non-liquet-Feststellung zur Kausalität des Alkoholgenusses des Klägers für die klagsgegenständlichen Krankenhausaufenthalte ein Rechtsirrtum unterlaufen. Nach Lehre und Rechtsprechung sei das Regelbeweismaß der ZPO die hohe Wahrscheinlichkeit. Eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit sei nur in Fällen eines erhöhten Regelbeweismaßes erforderlich. Das Erstgericht habe zwar nicht als "gesichert" feststellen können, dass zwischen dem festgestellten Alkoholkonsum des Klägers in den Jahren 1981 bis 1999 und den klagsgegenständlichen Krankenhausaufenthalten ein Kausalzusammenhang bestehe; es habe aber insoweit eine hohe Wahrscheinlichkeit angenommen. Dies reiche für die Erbringung des Beweises aber bereits aus. Damit sei der der Beklagten obliegende Kausalitätsbeweis gelungen, was zur Klagsabweisung führe, zumal die vom Erstgericht festgestellte hohe Wahrscheinlichkeit eines Zusammenhanges zwischen dem Alkoholkonsum des Klägers und der Lebererkrankung völlig in Einklang mit der Beweislage stehe.

Das Berufungsgericht sprach zunächst aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei, änderte diesen Ausspruch über Antrag des Klägers gemäß § 508 ZPO aber dahin ab, dass es die ordentliche Revision doch für zulässig erklärte: Der Kläger, der ua moniere, dass das Berufungsgericht ohne Beweiswiederholung und damit unter Verletzung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes die Kausalität im Gegensatz zum Erstgericht als erwiesen angenommen habe, mache damit eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens geltend. Insofern sei das Moniturvorbringen des Klägers nicht völlig von der Hand zu weisen und das Berufungsverfahren unter Umständen mit dem angesprochenen Mangel behaftet, der im Fall einer Bejahung durch das Höchstgericht zu einem für den Kläger günstigeren Verfahrensergebnis führen könnte. Eine Klarstellung durch den Obersten Gerichtshof diene daher über den Anlassfall hinaus der Rechtssicherheit.Das Berufungsgericht sprach zunächst aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei, änderte diesen Ausspruch über Antrag des Klägers gemäß Paragraph 508, ZPO aber dahin ab, dass es die ordentliche Revision doch für zulässig erklärte: Der Kläger, der ua moniere, dass das Berufungsgericht ohne Beweiswiederholung und damit unter Verletzung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes die Kausalität im Gegensatz zum Erstgericht als erwiesen angenommen habe, mache damit eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens geltend. Insofern sei das Moniturvorbringen des Klägers nicht völlig von der Hand zu weisen und das Berufungsverfahren unter Umständen mit dem angesprochenen Mangel behaftet, der im Fall einer Bejahung durch das Höchstgericht zu einem für den Kläger günstigeren Verfahrensergebnis führen könnte. Eine Klarstellung durch den Obersten Gerichtshof diene daher über den Anlassfall hinaus der Rechtssicherheit.

In seiner mit dem Moniturantrag verbundenen, aus den Gründen der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobenen Revision beantragt der Kläger, das Berufungsurteil dahin abzuändern, dass der Klage vollinhaltlich Folge gegeben werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, das Rechtsmittel ihres Prozessgegners zurückzuweisen oder ihm keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und im Sinne des Aufhebungsantrages berechtigt.

Keine Berechtigung kommt allerdings der Rechtsrüge des Klägers zu, die sich gegen die Ansicht des Berufungsgerichtes wendet, die Bestimmung des Pkt 2.1.e) AVB 1999 stelle einen sekundären Risikoausschluss und nicht - wie der Revisionswerber meint - eine (verhüllte) Obliegenheit dar. Die Formulierung deutet dabei klar und eindeutig auf Ersteres hin. Entscheidend ist allerdings nicht die äußere Erscheinungsform (die Formulierung) einer Versicherungsklausel, sondern deren materieller Inhalt (Schwintowsky in BK § 6 VVG Rn 25 mit Hinweisen aus der deutschen Judikatur; vgl auch Schauer, Versicherungsvertragsrecht3 265; RIS-Justiz RS0103965, zuletzt 7 Ob 70/03z und 7 Ob 41/04m). Beim Risikoausschluss (Risikobegrenzung) wird von Anfang an ein bestimmter Gefahrenumstand von der versicherten Gefahr ausgenommen, ohne dass es dabei auf ein schuldhaftes pflichtwidriges Verhalten des Versicherungsnehmers ankäme (7 Ob 6/87 ua); das versicherte Risiko wird also objektiv begrenzt (Schwintowsky aaO Rn 22). Obliegenheiten hingegen fordern gewisse Verhaltensweisen des Versicherungsnehmers und bestimmte Rechtsfolgen für ihre willkürliche und schuldhafte Verletzung (Petrasch, Obliegenheitsverletzung und Leistungsfreiheit in den Kfz-Versicherungen, ZVR 1985, 66). Enthalten Versicherungsbedingungen eine Verhaltensanordnung, die ihrem Inhalt nach eine Obliegenheit ist, muss diese im Hinblick auf die Unabdingbarkeitsbestimmung des § 15a VersVG auch dann nach § 6 VersVG beurteilt werden, wenn sie als Risikoausschluss konstruiert ist ("verhüllte Obliegenheit"; SZ 57/78; Petrasch aaO; Bruck-Möller VVG8 I Rz 13 zu § 6; Prölss in Prölss/Martin VVG27 Rz 7 zu § 6). Im Hinblick auf den materiellen Inhalt der Versicherungsklausel ist entscheidend, ob sie eine individualisierende Beschreibung eines bestimmten Wagnisses enthält, für das (allein) der Versicherer Schutz gewähren will, oder ob sie in erster Linie ein bestimmtes vorbeugendes Verhalten des Versicherungsnehmers verlangt, von dem es abhängt, ob er einen zugesagten Versicherungsschutz behält oder verliert. Steht ein solches Verhalten im Vordergrund und tritt es nicht hinter objektive Voraussetzungen, wie zB den Versicherungsort und Zustand der versicherten Sache zurück, so liegt eine Obliegenheit vor. Wird von vornherein nur ausschnittsweise Deckung gewährt und nicht ein gegebener Versicherungsschutz wegen nachlässigen Verhaltens wieder entzogen, so handelt es sich um eine Risikobeschränkung (Schwintowsky aaO Rn 26 mit zahlreichen Hinweisen auf deutsche Judikatur und Literatur).Keine Berechtigung kommt allerdings der Rechtsrüge des Klägers zu, die sich gegen die Ansicht des Berufungsgerichtes wendet, die Bestimmung des Pkt 2.1.e) AVB 1999 stelle einen sekundären Risikoausschluss und nicht - wie der Revisionswerber meint - eine (verhüllte) Obliegenheit dar. Die Formulierung deutet dabei klar und eindeutig auf Ersteres hin. Entscheidend ist allerdings nicht die äußere Erscheinungsform (die Formulierung) einer Versicherungsklausel, sondern deren materieller Inhalt (Schwintowsky in BK Paragraph 6, VVG Rn 25 mit Hinweisen aus der deutschen Judikatur; vergleiche auch Schauer, Versicherungsvertragsrecht3 265; RIS-Justiz RS0103965, zuletzt 7 Ob 70/03z und 7 Ob 41/04m). Beim Risikoausschluss (Risikobegrenzung) wird von Anfang an ein bestimmter Gefahrenumstand von der versicherten Gefahr ausgenommen, ohne dass es dabei auf ein schuldhaftes pflichtwidriges Verhalten des Versicherungsnehmers ankäme (7 Ob 6/87 ua); das versicherte Risiko wird also objektiv begrenzt (Schwintowsky aaO Rn 22). Obliegenheiten hingegen fordern gewisse Verhaltensweisen des Versicherungsnehmers und bestimmte Rechtsfolgen für ihre willkürliche und schuldhafte Verletzung (Petrasch, Obliegenheitsverletzung und Leistungsfreiheit in den Kfz-Versicherungen, ZVR 1985, 66). Enthalten Versicherungsbedingungen eine Verhaltensanordnung, die ihrem Inhalt nach eine Obliegenheit ist, muss diese im Hinblick auf die Unabdingbarkeitsbestimmung des Paragraph 15 a, VersVG auch dann nach Paragraph 6, VersVG beurteilt werden, wenn sie als Risikoausschluss konstruiert ist ("verhüllte Obliegenheit"; SZ 57/78; Petrasch aaO; Bruck-Möller VVG8 römisch eins Rz 13 zu Paragraph 6 ;, Prölss in Prölss/Martin VVG27 Rz 7 zu Paragraph 6,). Im Hinblick auf den materiellen Inhalt der Versicherungsklausel ist entscheidend, ob sie eine individualisierende Beschreibung eines bestimmten Wagnisses enthält, für das (allein) der Versicherer Schutz gewähren will, oder ob sie in erster Linie ein bestimmtes vorbeugendes Verhalten des Versicherungsnehmers verlangt, von dem es abhängt, ob er einen zugesagten Versicherungsschutz behält oder verliert. Steht ein solches Verhalten im Vordergrund und tritt es nicht hinter objektive Voraussetzungen, wie zB den Versicherungsort und Zustand der versicherten Sache zurück, so liegt eine Obliegenheit vor. Wird von vornherein nur ausschnittsweise Deckung gewährt und nicht ein gegebener Versicherungsschutz wegen nachlässigen Verhaltens wieder entzogen, so handelt es sich um eine Risikobeschränkung (Schwintowsky aaO Rn 26 mit zahlreichen Hinweisen auf deutsche Judikatur und Literatur).

Nach diesen Grundsätzen stellt die betreffende Bestimmung der AVB 1999 unzweifelhaft einen Risikoausschluss dar. Führt doch nicht ein bestimmtes Verhalten der Versicherten, nämlich Alkoholmissbrauch zum Entzug des Versicherungsschutzes, sondern sind Krankheiten und Unfälle vom Versicherungsschutz ausgenommen, für deren Eintritt oder Verschlechterung missbräuchlicher Genuss von Alkohol oder Suchtgiften kausal ist, ohne dass es etwa auf ein schuldhaftes Verhalten des Versicherten ankäme. Das Berufungsgericht hat sich bei seiner Annahme eines Risikoausschlusses zutreffend an der Entscheidung 7 Ob 2077/96h orientiert. Dort wurde eine weitgehend wortgleiche, jedenfalls aber ganz vergleichbare Versicherungsbedingung (kein Versicherungsschutz bestehe ua "für Krankheiten und Unfälle, die als Folge eines missbräuchlichen Genusses von Alkohol oder Suchtgiften eintreten, sowie für Entziehungsmaßnahmen und Entziehungskuren") ohne weiteres als Risikoausschluss bezeichnet.

Ausgehend demnach von einer Risikobeschränkung dahin, dass ua für auf Grund missbräuchlichen Genusses von Alkohol eingetretene Krankheiten kein Versicherungsschutz besteht, entscheidet den vorliegenden Rechtsstreit, ob der vom Erstgericht beim Kläger im Zeitraum 1981 bis 1999 festgestellte übermäßige Alkoholgenuss die Leberzirrhose und damit die fünf klagsgegenständlichen Krankenhausaufenthalte verursacht hat. Das Erstgericht hat sich nach Abwägung der Beweisergebnisse außerstande gesehen, diesbezüglich eine positive Feststellung in der einen oder anderen Richtung zu treffen und ist daher zu einer Negativfeststellung (non liquet) gelangt. Das Berufungsgericht meinte, dass dies insofern rechtsirrtümlich geschah, als das Erstgericht ja ausdrücklich von einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit der Kausalität des festgestellten Alkoholmissbrauchs für die gegenständlichen Krankenhausaufenthalte ausgegangen sei, da eine hohe Wahrscheinlichkeit für die Erbringung des Beweises bereits ausgereicht habe, weshalb der der beklagten Partei obliegende Kausalitätsbeweis als gelungen angesehen werden müsse.

Dem kann nicht beigepflichtet werden:

Es trifft zwar zu, dass sich in jüngerer Rechtsprechung die Ansicht durchgesetzt hat, das Regelbeweismaß der ZPO sei die hohe und nicht eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit, die nur in den Fällen eines erhöhten Regelbeweismaßes erforderlich ist (2 Ob 185/91i; RIS-Justiz RS0110701). Diese Rechtsmeinung folgt der sog. objektiven Beweismaßtheorie (auch "Wahrscheinlichkeitsüberzeugungstheorie"), welche die Aufgabe der richterlichen Beweiswürdigung von vornherein "nur" in der Feststellung der Wahrscheinlichkeit sieht (Rechberger/Simotta, Grundriss des österreichischen Zivilprozessrechtes4 Rz 580; Rechberger in Rechberger2 Rz 5 vor § 266 ZPO; ders, Maß für Maß im Zivilprozess? Ein Beitrag zur Beweismaßdiskussion in FS Baumgärtel, 471 [478]; ders in Fasching/Konecny2 III vor § 266 ZPO Rz 10). Nach einer im Schrifttum nunmehr überwiegend eingenommenen vermittelnden Ansicht (vgl Klicka, Die Beweislastverteilung im Zivilverfahrensrecht 24, mwN) dürfen aber, wie insbesondere auch Rechberger in Fasching/Konecny2 aaO hinweist, deshalb keinesfalls subjektive Komponenten der richterlichen Überzeugung geleugnet werden, da Beweiswürdigung stets von der persönlichen Erfahrungskostitution des Richters abhängig ist. Ein allgemein anerkannter, für alle Verfahrensgegenstände geeigneter Wahrscheinlichkeitsmaßstab wird bei realistischer Betrachtung kaum zu finden sein, sodass subjektive Erwägungen des Richters stets "ein weites Feld" finden werden (vgl Musielak, Die Grundlagen der Beweislast im Zivilprozess 120). Ohne Gewissensentscheidung, wann die Annahme des entsprechenden Wahrscheinlichkeitsgrades gerechtfertigt ist, wird die richterliche Beweiswürdigung daher niemals auskommen (vgl zu dieser vermittelnden Position ua Leipold, Beweismaß und Beweislast im Zivilprozess 9 ff; ders Wahrheit und Beweis im Zivilprozess in FS Nakamura 307 ff; ders in Stein-Jonas, dZPO21 § 286 Rz 1 ff sowie Klicka, aaO 24 ff). Da "hohe Wahrscheinlichkeit" keine objektive Größe darstellt und daher einem solchen Regelbeweismaß eine gewisse Bandbreite innewohnt, ist - weiter mit Rechberger aaO - zu konstatieren, dass es sowohl von den objektiven Umständen des Anlassfalles als auch von der subjektiven Einschätzung des Richters abhängt, wann er diese "hohe" Wahrscheinlichkeit als gegeben sieht. Insofern könnte man von einem "flexiblen Beweismaß" sprechen (Rechberger aaO).Es trifft zwar zu, dass sich in jüngerer Rechtsprechung die Ansicht durchgesetzt hat, das Regelbeweismaß der ZPO sei die hohe und nicht eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit, die nur in den Fällen eines erhöhten Regelbeweismaßes erforderlich ist (2 Ob 185/91i; RIS-Justiz RS0110701). Diese Rechtsmeinung folgt der sog. objektiven Beweismaßtheorie (auch "Wahrscheinlichkeitsüberzeugungstheorie"), welche die Aufgabe der richterlichen Beweiswürdigung von vornherein "nur" in der Feststellung der Wahrscheinlichkeit sieht (Rechberger/Simotta, Grundriss des österreichischen Zivilprozessrechtes4 Rz 580; Rechberger in Rechberger2 Rz 5 vor Paragraph 266, ZPO; ders, Maß für Maß im Zivilprozess? Ein Beitrag zur Beweismaßdiskussion in FS Baumgärtel, 471 [478]; ders in Fasching/Konecny2 römisch III vor Paragraph 266, ZPO Rz 10). Nach einer im Schrifttum nunmehr überwiegend eingenommenen vermittelnden Ansicht vergleiche Klicka, Die Beweislastverteilung im Zivilverfahrensrecht 24, mwN) dürfen aber, wie insbesondere auch Rechberger in Fasching/Konecny2 aaO hinweist, deshalb keinesfalls subjektive Komponenten der richterlichen Überzeugung geleugnet werden, da Beweiswürdigung stets von der persönlichen Erfahrungskostitution des Richters abhängig ist. Ein allgemein anerkannter, für alle Verfahrensgegenstände geeigneter Wahrscheinlichkeitsmaßstab wird bei realistischer Betrachtung kaum zu finden sein, sodass subjektive Erwägungen des Richters stets "ein weites Feld" finden werden vergleiche Musielak, Die Grundlagen der Beweislast im Zivilprozess 120). Ohne Gewissensentscheidung, wann die Annahme des entsprechenden Wahrscheinlichkeitsgrades gerechtfertigt ist, wird die richterliche Beweiswürdigung daher niemals auskommen vergleiche zu dieser vermittelnden Position ua Leipold, Beweismaß und Beweislast im Zivilprozess 9 ff; ders Wahrheit und Beweis im Zivilprozess in FS Nakamura 307 ff; ders in Stein-Jonas, dZPO21 Paragraph 286, Rz 1 ff sowie Klicka, aaO 24 ff). Da "hohe Wahrscheinlichkeit" keine objektive Größe darstellt und daher einem solchen Regelbeweismaß eine gewisse Bandbreite innewohnt, ist - weiter mit Rechberger aaO - zu konstatieren, dass es sowohl von den objektiven Umständen des Anlassfalles als auch von der subjektiven Einschätzung des Richters abhängt, wann er diese "hohe" Wahrscheinlichkeit als gegeben sieht. Insofern könnte man von einem "flexiblen Beweismaß" sprechen (Rechberger aaO).

Dass der Erstrichter, auch wenn er von einer "sehr hohen Wahrscheinlichkeit" spricht, nach den spezifischen Umständen des vorliegenden Falles dieses Beweismaß subjektiv als noch nicht erfüllt angesehen (sich also letztlich doch nicht für überzeugt erachtet) und deshalb betreffend die Kausalität des übermäßigen Alkoholgenusses des Klägers für die gegenständlichen Krankenhausaufenthalte eine Negativfeststellung getroffen hat, kann daher nicht als rechtsirrig bezeichnet werden, zumal die vom Erstrichter dazu angestellten Erwägungen, die trotz gewichtiger Indizien sein Überzeugtsein in der Kausalitätsfrage verhinderten, den Denkgesetzen nicht widersprechen. Ein - angesichts der Formulierung "sehr hoher Wahrscheinlichkeit" an sich denkbarer - Rechtsirrtum des Erstgerichtes in Form einer unzutreffenden Beurteilung des Beweismaßes liegt demnach, da die vom Erstgericht geäußerten Zweifel die erwähnte "Bandbreite des Regelbeweismaßes" doch noch nicht überschreiten, entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes nicht vor.

Dass das Berufungsgericht von der betreffenden negativen Feststellung des Erstgerichtes ohne Wiederholung sämtlicher zu diesem Thema aufgenommener Beweise abgegangen ist, begründet daher die vom Revisionswerber geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens iSd § 503 Z 2 ZPO und muss zur Aufhebung des Berufungsurteiles und Rückverweisung der Sache an das Gericht zweiter Instanz führen (RIS-Justiz RS0043461 und RS0043057, jeweils mit zahlreichen Entscheidungsnachweisen). Um die Frage der Kausalität des von den Vorinstanzen festgestellten Alkoholmissbrauches des Klägers für dessen Erkrankung an Leberzirrhose und die damit verbundenen fünf klagsgegenständlichen Krankenhausaufenthalte allenfalls abweichend vom Erstgericht beantworten zu können, wird das Berufungsgericht eine entsprechende Beweiswiederholung vorzunehmen haben.Dass das Berufungsgericht von der betreffenden negativen Feststellung des Erstgerichtes ohne Wiederholung sämtlicher zu diesem Thema aufgenommener Beweise abgegangen ist, begründet daher die vom Revisionswerber geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens iSd Paragraph 503, Ziffer 2, ZPO und muss zur Aufhebung des Berufungsurteiles und Rückverweisung der Sache an das Gericht zweiter Instanz führen (RIS-Justiz RS0043461 und RS0043057, jeweils mit zahlreichen Entscheidungsnachweisen). Um die Frage der Kausalität des von den Vorinstanzen festgestellten Alkoholmissbrauches des Klägers für dessen Erkrankung an Leberzirrhose und die damit verbundenen fünf klagsgegenständlichen Krankenhausaufenthalte allenfalls abweichend vom Erstgericht beantworten zu können, wird das Berufungsgericht eine entsprechende Beweiswiederholung vorzunehmen haben.

In Stattgebung der Revision war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.Der Kostenvorbehalt beruht auf Paragraph 52, Absatz eins, ZPO.

Textnummer

E75168

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2004:0070OB00260.04T.1117.000

Im RIS seit

17.12.2004

Zuletzt aktualisiert am

03.05.2012
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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