TE OGH 2004/11/23 10ObS147/04x

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Veröffentlicht am 23.11.2004
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Hon. Prof. Dr. Neumayr sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Manfred Matzka und Dr. Peter Wolf (beide aus dem Kreis der Arbeitgeber) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Michael D*****, Spenglermeister, *****, vertreten durch Dr. Herbert Gschöpf, Rechtsanwalt in Velden, gegen die beklagte Partei Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, Adalbert Stifter-Straße 65, 1200 Wien, vertreten durch Dr. Vera Kremslehner und andere Rechtsanwälte in Wien, wegen Versehrtenrente, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 4. Mai 2004, GZ 8 Rs 13/04z-14, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Arbeits- und Sozialgericht vom 11. August 2003, GZ 34 Cgs 140/03i-10, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das Urteil des Berufungsgerichts wird dahin abgeändert, dass das erstgerichtliche Urteil wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei hat ihre Kosten des Verfahrens selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger erlitt am 18. 5. 1979 als Schüler der Bundeshandelsakademie und Bundeshandelsschule Villach einen Schulunfall, bei dem er sich einen Riss des vorderen Kreuzbandes des linken Kniegelenkes zuzog. Als Folge dieses Unfalles liegt eine posttraumatische Kniegelenksarthrose links bei einem Zustand nach mehreren Operationen vor. Die Veränderungen am linken Kniegelenk bewirken eine Minderung der Erwerbsfähigkeit in Höhe von 25 vH.

Am 16. 10. 1997 erlitt der Kläger im eigenen Spenglereibetrieb einen Arbeitsunfall, bei dem er sich eine Zerrung des linken Schultergelenks mit Verletzung der Gelenkspfanne zuzog. Als Folgen dieses Unfalles bestehen eine diskrete vordere Schulterinstabilität links mit einer endgradigen Bewegungsbeeinträchtigung und ein deutlich störendes Schnappen. Die Dauerfolgen bedingen eine Minderung der Erwerbsfähigkeit in der Höhe von 5 vH.

Da sich beide Veränderungen sowohl am Kniegelenk als auch an der Schulter gegenseitig nicht überlagern, besteht eine Gesamtminderung der Erwerbsfähigkeit von 30 vH.

Mit Bescheid vom 15. 4. 2003 stellte die beklagte Allgemeine Unfallversicherungsanstalt die Zerrung des linken Schultergelenks mit Verletzung der Gelenkspfanne als Folge des Arbeitsunfalls vom 16. 10. 1997 fest. Mit weiterem Bescheid vom 15. 4. 2003 wurde der Riss des vorderen Kreuzbandes des linken Kniegelenkes als Folge des Schülerunfalles vom 18. 5. 1979 festgestellt und dem Kläger ein Versehrtengeld von 177,10 EUR zuerkannt. Die Leistung einer Versehrtenrente wurde in beiden Fällen abgelehnt.

Das Erstgericht wies die gegen die angeführten Bescheide gerichtete Klage auf Gewährung einer Versehrtenrente zur Abgeltung der Folgen der beiden Unfälle ab 16. 10. 1997 ab. Der Schulunfall erreiche nicht das rentenbegründende Ausmaß einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 50 vH. Auch der Arbeitsunfall verursache lediglich eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 5 vH und liege somit ebenfalls unter dem rentenbegründenden Ausmaß von 20 vH. Eine Zusammenrechnung beider Werte zur Bildung einer Gesamtrente habe daher nicht zu erfolgen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers Folge und sprach aus, dass der Anspruch des Klägers gegenüber der beklagten Partei auf Gewährung einer Gesamtrente für die Folgen der Arbeitsunfälle vom 18. 5. 1979 und vom 16. 10. 1997 im Ausmaß von 30 vH der Vollrente ab dem 11. 4. 2002 dem Grunde nach zu Recht bestehe. Der beklagten Partei wurde eine vorläufige Zahlung von monatlich 70 EUR unter Abzug aller anrechenbaren Vorleistungen aufgetragen. Nach dem Wortlaut des § 210 ASVG müsse für die Bildung einer Gesamtrente eine Gesamtminderung der Erwerbsfähigkeit aus allen Versicherungsfällen von mindestens 20 vH vorliegen. Der in Bezug auf den höheren Grenzwert von 50 vH in Klammern beigefügte Wortlaut "bei den nach § 8 Abs 1 Z 3 lit h und i teilversicherten Schülern und Studenten" lasse nur die Interpretation zu, dass es sich bei dem zur Gesamtrentenbildung führenden Unfall um einen Unfall aus der Teilversicherung handeln müsse; ansonsten hätte der Gesetzgeber wie bei der Berufskrankheit im Sinne des § 177 Abs 2 ASVG von einer bloßen „Mitberücksichtigung" sprechen müssen. Bestärkt werde diese Auffassung durch die Materialien zur 32. ASVG-Novelle, mit der die Schülerunfallversicherung eingeführt worden sei. Daraus folge, dass dem Kläger aufgrund der festgestellten Gesamtminderung der Erwerbsfähigkeit von 30 vH eine Versehrtenrente als Gesamtrente zustehe.Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers Folge und sprach aus, dass der Anspruch des Klägers gegenüber der beklagten Partei auf Gewährung einer Gesamtrente für die Folgen der Arbeitsunfälle vom 18. 5. 1979 und vom 16. 10. 1997 im Ausmaß von 30 vH der Vollrente ab dem 11. 4. 2002 dem Grunde nach zu Recht bestehe. Der beklagten Partei wurde eine vorläufige Zahlung von monatlich 70 EUR unter Abzug aller anrechenbaren Vorleistungen aufgetragen. Nach dem Wortlaut des Paragraph 210, ASVG müsse für die Bildung einer Gesamtrente eine Gesamtminderung der Erwerbsfähigkeit aus allen Versicherungsfällen von mindestens 20 vH vorliegen. Der in Bezug auf den höheren Grenzwert von 50 vH in Klammern beigefügte Wortlaut "bei den nach Paragraph 8, Absatz eins, Ziffer 3, Litera h, und i teilversicherten Schülern und Studenten" lasse nur die Interpretation zu, dass es sich bei dem zur Gesamtrentenbildung führenden Unfall um einen Unfall aus der Teilversicherung handeln müsse; ansonsten hätte der Gesetzgeber wie bei der Berufskrankheit im Sinne des Paragraph 177, Absatz 2, ASVG von einer bloßen „Mitberücksichtigung" sprechen müssen. Bestärkt werde diese Auffassung durch die Materialien zur 32. ASVG-Novelle, mit der die Schülerunfallversicherung eingeführt worden sei. Daraus folge, dass dem Kläger aufgrund der festgestellten Gesamtminderung der Erwerbsfähigkeit von 30 vH eine Versehrtenrente als Gesamtrente zustehe.

Die ordentliche Revision sei zulässig, da keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage der Auslegung des § 210 Abs 1 letzter Satz ASVG in Bezug auf den höheren Grenzwert bei Vorliegen eines Schülerunfalls und eines weiteren Arbeitsunfalls bestehe.Die ordentliche Revision sei zulässig, da keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage der Auslegung des Paragraph 210, Absatz eins, letzter Satz ASVG in Bezug auf den höheren Grenzwert bei Vorliegen eines Schülerunfalls und eines weiteren Arbeitsunfalls bestehe.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der beklagten Partei aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Wiederherstellung des klagsabweisenden Ersturteils.

Der Kläger hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, sie ist auch berechtigt.

Mit der 32. ASVG-Novelle, mit der die Bestimmungen über die Schülerunfallversicherung eingeführt wurden, erhielt § 210 Abs 1 Satz 1 ASVG folgende Fassung: "Wird ein Versehrter neuerlich durch einen Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit geschädigt und beträgt die durch diese neuerliche Schädigung allein verursachte Minderung der Erwerbsfähigkeit mindestens 10 vH, so ist die Entschädigung aus diesen mehreren Versicherungsfällen nach Maßgabe der Abs 2 bis 4 festzustellen, sofern die Gesamtminderung der Erwerbsfähigkeit 20 vH (bei den nach § 8 Abs 1 Z 3 lit h und i teilversicherten Schülern und Studenten 50 vH) erreicht." Mit der Begründung, dass die teilversicherten Schüler und Studenten nur in Fällen höhergradiger Minderung der Erwerbsfähigkeit einen Anspruch auf Versehrtenrente haben sollen, wird in den Gesetzesmaterialien (abgedruckt bei Teschner/Widlar, ASVG 78. ErgLfg 1043) ausgeführt, dass konsequenterweise und zur Vermeidung einer zufälligen Ungleichbehandlung derartiger Ansprüche auch im Rahmen der Bestimmung des § 210 ASVG der höhere Grenzwert normiert werden müsse. "Die allgemein gehaltene und mit der entsprechenden Textstelle im § 203 ASVG übereinstimmende Formulierung stellt dabei sicher, daß dieser höhere Grenzwert nur dann Bedingung für die Anwendung der Absätze 2 bis 4 des § 210 ASVG ist, wenn entweder mehrere Versicherungsfälle aufgrund dieser Teilversicherung zusammentreffen oder nur ein solcher Versicherungsfall vorliegt, dem eine Schädigung nach § 210 Abs 1 ASVG vorangegangen ist."Mit der 32. ASVG-Novelle, mit der die Bestimmungen über die Schülerunfallversicherung eingeführt wurden, erhielt Paragraph 210, Absatz eins, Satz 1 ASVG folgende Fassung: "Wird ein Versehrter neuerlich durch einen Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit geschädigt und beträgt die durch diese neuerliche Schädigung allein verursachte Minderung der Erwerbsfähigkeit mindestens 10 vH, so ist die Entschädigung aus diesen mehreren Versicherungsfällen nach Maßgabe der Absatz 2 bis 4 festzustellen, sofern die Gesamtminderung der Erwerbsfähigkeit 20 vH (bei den nach Paragraph 8, Absatz eins, Ziffer 3, Litera h, und i teilversicherten Schülern und Studenten 50 vH) erreicht." Mit der Begründung, dass die teilversicherten Schüler und Studenten nur in Fällen höhergradiger Minderung der Erwerbsfähigkeit einen Anspruch auf Versehrtenrente haben sollen, wird in den Gesetzesmaterialien (abgedruckt bei Teschner/Widlar, ASVG 78. ErgLfg 1043) ausgeführt, dass konsequenterweise und zur Vermeidung einer zufälligen Ungleichbehandlung derartiger Ansprüche auch im Rahmen der Bestimmung des Paragraph 210, ASVG der höhere Grenzwert normiert werden müsse. "Die allgemein gehaltene und mit der entsprechenden Textstelle im Paragraph 203, ASVG übereinstimmende Formulierung stellt dabei sicher, daß dieser höhere Grenzwert nur dann Bedingung für die Anwendung der Absätze 2 bis 4 des Paragraph 210, ASVG ist, wenn entweder mehrere Versicherungsfälle aufgrund dieser Teilversicherung zusammentreffen oder nur ein solcher Versicherungsfall vorliegt, dem eine Schädigung nach Paragraph 210, Absatz eins, ASVG vorangegangen ist."

Mit der 41. ASVG-Novelle, BGBl 1986/111, wurde die "Mitberücksichtigung" einer Berufskrankheit für das Erreichen des rentenanspruchsbegründenden Schwellenwerts von 50 vH in den Klammerausdruck in § 210 Abs 1 ASVG aufgenommen. In den Gesetzesmaterialien wird die Neuregelung mit dem Erfordernis der Klarstellung begründet, dass eine Entschädigung aus mehreren Versicherungsfällen - sofern der neuerliche Versicherungsfall auf eine Berufskrankheit im Sinne der Generalklausel des § 177 Abs 2 ASVG zurückgehe - nur dann vorzunehmen sei, wenn die Gesamtminderung der Erwerbsfähigkeit 50 vH erreiche; diese Lösung hänge damit zusammen, dass eine Berufskrankheit nach § 177 Abs 2 ASVG erst dann zu einer Versehrtenrente führe, wenn die Minderung der Erwerbsfähigkeit mindestens 50 vH betrage (siehe § 203 Abs 2 ASVG). "Es ist dies dieselbe Regelung, die schon derzeit aus ähnlichen Gründen im Bereich der Schülerunfallversicherung im Zusammenhang mit einer Entschädigung aus mehreren Versicherungsfällen gilt."Mit der 41. ASVG-Novelle, BGBl 1986/111, wurde die "Mitberücksichtigung" einer Berufskrankheit für das Erreichen des rentenanspruchsbegründenden Schwellenwerts von 50 vH in den Klammerausdruck in Paragraph 210, Absatz eins, ASVG aufgenommen. In den Gesetzesmaterialien wird die Neuregelung mit dem Erfordernis der Klarstellung begründet, dass eine Entschädigung aus mehreren Versicherungsfällen - sofern der neuerliche Versicherungsfall auf eine Berufskrankheit im Sinne der Generalklausel des Paragraph 177, Absatz 2, ASVG zurückgehe - nur dann vorzunehmen sei, wenn die Gesamtminderung der Erwerbsfähigkeit 50 vH erreiche; diese Lösung hänge damit zusammen, dass eine Berufskrankheit nach Paragraph 177, Absatz 2, ASVG erst dann zu einer Versehrtenrente führe, wenn die Minderung der Erwerbsfähigkeit mindestens 50 vH betrage (siehe Paragraph 203, Absatz 2, ASVG). "Es ist dies dieselbe Regelung, die schon derzeit aus ähnlichen Gründen im Bereich der Schülerunfallversicherung im Zusammenhang mit einer Entschädigung aus mehreren Versicherungsfällen gilt."

Mit Erkenntnis vom 12. 10. 2000, G 112/98-9, hat der Verfassungsgerichtshof die Wortfolge "und beträgt die durch diese neuerliche Schädigung allein verursachte Minderung der Erwerbsfähigkeit mindestens 10 vH" in § 210 Abs 1 Satz 1 ASVG wegen Widerspruchs zum Gleichheitssatz aufgehoben. Es würde keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnen, wenn der Gesetzgeber einen Rentenanspruch aus mehreren Versicherungsfällen nur dann und insoweit zuerkenne, wenn jeder dieser Versicherungsfälle eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 20 vH nach sich zöge. Es sei aber nicht einsichtig, warum in jenen Fällen, in denen ein Versicherter infolge zweier oder mehrerer Versicherungsfälle (Arbeitsunfälle oder Berufskrankheiten) mehrfach geschädigt werde und dadurch eine Minderung seiner Erwerbsfähigkeit im Ausmaß von mindestens 20 vH erleide, eine Gesamtrente nur zustehe, wenn die durch die jeweils letzte Schädigung allein verursachte Minderung der Erwerbsfähigkeit mindestens 10 vH betrage. Die Regelung des § 210 Abs 1 ASVG widerspreche daher dem Gleichheitsgebot, weil sie dazu führen könne, dass bei zwei Versicherungsfällen, die zu jeweils unterschiedlichen Verletzungsfolgen, in Summe jedoch zu demselben Gesamtausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit geführt hätten, ein Rentenanspruch nur bestehe, wenn die Versicherungsfälle in einer bestimmten Reihenfolge aufgetreten seien.Mit Erkenntnis vom 12. 10. 2000, G 112/98-9, hat der Verfassungsgerichtshof die Wortfolge "und beträgt die durch diese neuerliche Schädigung allein verursachte Minderung der Erwerbsfähigkeit mindestens 10 vH" in Paragraph 210, Absatz eins, Satz 1 ASVG wegen Widerspruchs zum Gleichheitssatz aufgehoben. Es würde keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnen, wenn der Gesetzgeber einen Rentenanspruch aus mehreren Versicherungsfällen nur dann und insoweit zuerkenne, wenn jeder dieser Versicherungsfälle eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 20 vH nach sich zöge. Es sei aber nicht einsichtig, warum in jenen Fällen, in denen ein Versicherter infolge zweier oder mehrerer Versicherungsfälle (Arbeitsunfälle oder Berufskrankheiten) mehrfach geschädigt werde und dadurch eine Minderung seiner Erwerbsfähigkeit im Ausmaß von mindestens 20 vH erleide, eine Gesamtrente nur zustehe, wenn die durch die jeweils letzte Schädigung allein verursachte Minderung der Erwerbsfähigkeit mindestens 10 vH betrage. Die Regelung des Paragraph 210, Absatz eins, ASVG widerspreche daher dem Gleichheitsgebot, weil sie dazu führen könne, dass bei zwei Versicherungsfällen, die zu jeweils unterschiedlichen Verletzungsfolgen, in Summe jedoch zu demselben Gesamtausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit geführt hätten, ein Rentenanspruch nur bestehe, wenn die Versicherungsfälle in einer bestimmten Reihenfolge aufgetreten seien.

Mit der 58. ASVG-Novelle (BGBl I 2001/99) wurde sodann die Gesamtrentenbildung nach § 210 ASVG mit Wirkung ab 1. 8. 2001 neu geregelt. § 210 Abs 1 erhielt folgende Fassung: "(1) Wird ein Versehrter neuerlich durch einen Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit geschädigt und erreicht die Gesamtminderung der Erwerbsfähigkeit aus Versicherungsfällen nach diesem Bundesgesetz mindestens 20 % (bei den nach § 8 Abs 1 Z 3 lit h und i teilversicherten Schülern und Studenten, ferner bei Mitberücksichtigung einer Berufskrankheit im Sinne des § 177 Abs 2 mindestens 50 %), so ist spätestens vom Beginn des dritten Jahres nach dem Eintritt des letzten Versicherungsfalles an eine Gesamtrente festzustellen. Eine abgefundene Versehrtenrente ist bei der Bildung der Gesamtrente so zu berücksichtigen, dass die Gesamtrente um den Betrag gekürzt wird, der dem Grad der der abgefundenen Rente zugrunde gelegten Minderung der Erwerbsfähigkeit entspricht."Mit der 58. ASVG-Novelle (BGBl römisch eins 2001/99) wurde sodann die Gesamtrentenbildung nach Paragraph 210, ASVG mit Wirkung ab 1. 8. 2001 neu geregelt. Paragraph 210, Absatz eins, erhielt folgende Fassung: "(1) Wird ein Versehrter neuerlich durch einen Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit geschädigt und erreicht die Gesamtminderung der Erwerbsfähigkeit aus Versicherungsfällen nach diesem Bundesgesetz mindestens 20 % (bei den nach Paragraph 8, Absatz eins, Ziffer 3, Litera h und i teilversicherten Schülern und Studenten, ferner bei Mitberücksichtigung einer Berufskrankheit im Sinne des Paragraph 177, Absatz 2, mindestens 50 %), so ist spätestens vom Beginn des dritten Jahres nach dem Eintritt des letzten Versicherungsfalles an eine Gesamtrente festzustellen. Eine abgefundene Versehrtenrente ist bei der Bildung der Gesamtrente so zu berücksichtigen, dass die Gesamtrente um den Betrag gekürzt wird, der dem Grad der der abgefundenen Rente zugrunde gelegten Minderung der Erwerbsfähigkeit entspricht."

In den Gesetzesmaterialien zur 58. ASVG-Novelle (RV 624 BlgNR 21. GP) wird diese Regelung folgendermaßen begründet: "In Anlehnung an die Rechtsmeinung des Verfassungsgerichtshofes, der es verfassungsrechtlich für unbedenklich hält, einen Versicherungsfall nur dann zu entschädigen, wenn dieser allein eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 20 % verursacht, geht der Entwurf davon aus, dass dieser Grundsatz zunächst auch für den bloß vorübergehenden Zeitraum von maximal zwei Jahren nach Eintritt des Versicherungsfalles (vorläufiger Rentenzeitraum) Berechtigung hat. Wird jedoch später in jenen Fällen, in denen zunächst keine 'Stützrente' ausgezahlt wurde, weil die Minderung der Erwerbsfähigkeit unter der Schwelle von 20 % gelegen ist, eine Gesamtrente als Dauerrente festgestellt (Beginn des dritten Jahres nach Eintritt des Versicherungsfalles), weil die Versehrtheit aus jenen neuerlichen Versicherungsfällen nach wie vor aufrecht ist, erscheint es aus sozialen Gründen erforderlich, für diese Schädigungen rückwirkend für den Zeitraum ab dem jeweils zutreffenden Rentenanfall bis zur Festsetzung der Gesamtrente als Dauerrente eine Rente (in einem Gesamtbetrag) auszuzahlen. Da die Höhe der Minderung der Erwerbsfähigkeit dieser so genannten 'gestützten' Renten unterhalb jener Schwelle liegt, ab der sonst ein Rentenanspruch zustehen würde, erscheint es vertretbar, diese an sich nicht berentungsfähigen Verletzungsfolgen nur dann zu entschädigen, wenn sie auch auf Dauer bestehen bleiben. Die Untergrenze der Minderung der Erwerbsfähigkeit von 5 % entspricht der herrschenden Einschätzungspraxis der Versicherungsträger und der Gerichte."

Dem Gesetzgeber ging es darum, unter Einhaltung der Vorgaben des Verfassungsgerichtshof die Anspruchsberechtigung auf eine Gesamtrente in eine administrierbare Form zu bringen. Als eine Kernaussage des VfGH-Erkenntnisses ist der (in der Neuregelung ebenfalls berücksichtigte) Aspekt zu sehen, dass die Reihenfolge der Unfälle keinen Einfluss auf den Anspruch auf Gesamtrente haben darf. Schon daraus muss das - offenbar auch vom Gesetzgeber angestrebte - Ziel abgeleitet werden, dass bei mehreren Unfällen, von denen mindestens einer ein Schülerunfall ist, der Schülerunfall (bzw die Schülerunfälle) unabhängig von der Reihenfolge der Unfälle nur dann - (mit-)rentenanspruchsbegründend - in die Gesamtrentenbildung einbezogen werden kann (können), wenn der Schwellenwert einer MdE von 50 vH erreicht wird. Andernfalls kommt nur eine Rente oder Gesamtrente aufgrund einer MdE von mindestens 20 vH aufgrund der anderen Unfälle (also der Nicht-Schüler-Unfälle) in Betracht.

Nach Ansicht des Senats widerspricht dieses Ergebnis auch nicht dem Wortlaut des § 210 Abs 1 ASVG, und zwar vor allem unter Bedachtnahme auf den Umstand, dass der darin enthaltene Klammerausdruck (nunmehr: "bei den nach § 8 Abs 1 Z 3 lit h und i teilversicherten Schülern und Studenten, ferner bei Mitberücksichtigung einer Berufskrankheit im Sinne des § 177 Abs 2 mindestens 50 %") aus zwei Teilen besteht, die auf zwei unterschiedliche ASVG-Novellen - die 32. und die 41. - zurückgehen. Dass in der 41. ASVG-Novelle im zweiten Teil des Klammerausdrucks das Wort "Mitberücksichtigung" verwendet wurde, während der erste Teil im Rahmen der Novellierung unverändert blieb, lässt sich damit erklären, dass das Wort "Mitberücksichtigung" spezifisch auf die Berufskrankheit nach § 177 Abs 2 ASVG bezogen ist und ein Vorziehen des Wortes in den ersten Teil des Klammerausdrucks dessen Text verkompliziert und allenfalls sogar den Sinn verändert hätte, was ganz offensichtlich mit der 41. ASVG-Novelle nicht geplant war. Aus den Gesetzesmaterialien zur 41. ASVG-Novelle ergibt sich, dass die "Mitberücksichtigung" von Berufskrankheiten zu dem selben Ergebnis führen sollte wie diejenige der Folgen von Schülerunfällen.Nach Ansicht des Senats widerspricht dieses Ergebnis auch nicht dem Wortlaut des Paragraph 210, Absatz eins, ASVG, und zwar vor allem unter Bedachtnahme auf den Umstand, dass der darin enthaltene Klammerausdruck (nunmehr: "bei den nach Paragraph 8, Absatz eins, Ziffer 3, Litera h und i teilversicherten Schülern und Studenten, ferner bei Mitberücksichtigung einer Berufskrankheit im Sinne des Paragraph 177, Absatz 2, mindestens 50 %") aus zwei Teilen besteht, die auf zwei unterschiedliche ASVG-Novellen - die 32. und die 41. - zurückgehen. Dass in der 41. ASVG-Novelle im zweiten Teil des Klammerausdrucks das Wort "Mitberücksichtigung" verwendet wurde, während der erste Teil im Rahmen der Novellierung unverändert blieb, lässt sich damit erklären, dass das Wort "Mitberücksichtigung" spezifisch auf die Berufskrankheit nach Paragraph 177, Absatz 2, ASVG bezogen ist und ein Vorziehen des Wortes in den ersten Teil des Klammerausdrucks dessen Text verkompliziert und allenfalls sogar den Sinn verändert hätte, was ganz offensichtlich mit der 41. ASVG-Novelle nicht geplant war. Aus den Gesetzesmaterialien zur 41. ASVG-Novelle ergibt sich, dass die "Mitberücksichtigung" von Berufskrankheiten zu dem selben Ergebnis führen sollte wie diejenige der Folgen von Schülerunfällen.

Soweit sich das Berufungsgericht auf die Gesetzesmaterialien zur 32. ASVG-Novelle stützt, hat es nur den nicht ganz klaren Wortlaut des letzten Satzes der Erläuterungen zur Novellierung des § 210 Abs 1 ASVG für sich; dem Sinn nach ist eindeutig erkennbar, dass der Gesetzgeber einen Anspruch auf Versehrtenrente zur Abgeltung der Folgen von Schülerunfällen nur einräumen wollte, wenn insgesamt die MdE den Schwellenwert von 50 vH erreicht, da der Anspruch auf Gesamtrente von Zufälligkeiten abhängen würde.Soweit sich das Berufungsgericht auf die Gesetzesmaterialien zur 32. ASVG-Novelle stützt, hat es nur den nicht ganz klaren Wortlaut des letzten Satzes der Erläuterungen zur Novellierung des Paragraph 210, Absatz eins, ASVG für sich; dem Sinn nach ist eindeutig erkennbar, dass der Gesetzgeber einen Anspruch auf Versehrtenrente zur Abgeltung der Folgen von Schülerunfällen nur einräumen wollte, wenn insgesamt die MdE den Schwellenwert von 50 vH erreicht, da der Anspruch auf Gesamtrente von Zufälligkeiten abhängen würde.

Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts würde damit zu krassen und nicht rechtfertigbaren Ungleichbehandlungen führen, wie schon an einem einfachen Beispiel dokumentiert werden kann. Nach Ansicht des Berufungsgerichts würde dann, wenn nach einem (im Hinblick auf die nicht 50 vH erreichende MdE) nicht mit einer Versehrtenrente zu entschädigenden Schülerunfall ein Arbeitsunfall erlitten wird, aus dem eine MdE von zumindest 5 vH resultiert, ein Gesamtrentenanspruch entstehen, sofern die Gesamt-MdE mindestens 20 vH beträgt. Damit wäre aber ein Schüler, der einen zu einer MdE von beispielsweise 45 vH führenden Unfall erlitten hat, in nicht zu rechtfertigender Weise gegenüber einer Person schlechter gestellt, die vorerst einen Schülerunfall mit einer MdE von 15 vH und danach einen Arbeitsunfall mit einer MdE von 5 vH erlitten hat. Während im erstgenannten Fall der Unfall nicht in Form einer Versehrtenrente entschädigt werden könnte, müsste dies im zweiten Fall - und zwar auch in Bezug auf die MdE von 15 vH - doch so sein.

Es ist daher der Revision der beklagten Partei Folge zu geben und das Ersturteil wiederherzustellen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.Die Kostenentscheidung gründet sich auf Paragraph 77, Absatz eins, Ziffer 2, Litera b, ASGG.

Textnummer

E75841

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2004:010OBS00147.04X.1123.000

Im RIS seit

23.12.2004

Zuletzt aktualisiert am

12.09.2012
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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