TE Vwgh Erkenntnis 2007/6/27 2006/04/0131

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Veröffentlicht am 27.06.2007
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
50/01 Gewerbeordnung;

Norm

GewO 1994 §366 Abs1 Z2;
GewO 1994 §4 Abs1 Z2 idF 2002/I/111;
GewO 1994 §74 Abs2 Z2;
VStG §32 Abs2;
VStG §40 Abs2;
VStG §42 Abs1 Z2;
VStG §44a Z1;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Bayjones, Dr. Grünstäudl und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Papst, über die Beschwerde der G H in T, vertreten durch Ing. Dr. Joachim Stock, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Sillgasse 12, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 30. Mai 2006, Zl. uvs-2005/16/2865- 3, betreffend Übertretung der GewO 1994, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird in seinem Spruchpunkt II wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Innsbruck vom 5. Oktober 2005 wurde die Beschwerdeführerin - soweit für das vorliegende Beschwerdeverfahren relevant - der Verwaltungsübertretung gemäß § 366 Abs. 1 Z. 2 zweiter Fall iVm § 74 Abs. 2 Z. 2 und § 370 Abs. 2 GewO 1994 für schuldig erkannt; es wurde über sie gemäß § 366 Abs. 1 Einleitungssatz GewO 1994 eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 1.200,--, für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von fünf Tagen verhängt. Ferner wurde die Beschwerdeführerin gemäß § 64 VStG verpflichtet, einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens in der Höhe von EUR 120,-- zu leisten.

Dem Schuldspruch lag nachstehender Tatvorwurf zu Grunde:

"Durch Sie als Gewerbeausübende wurde in der Zeit vom 10.03.1999 bis 10.03.2004 eine gewerbliche Betriebsanlage auf den Grundparzellen 955/1 und 946/1, KG A, auf einer Fläche von ca. 2079 m2, im Hofbereich zwischen der B-Straße 19 und C-Fischer-Straße 26 asphaltierte Abstellplätze für ca. 93 Kraftfahrzeugen errichtet (diese Parkplätze von 1 - 93 durchnummeriert und mit Linien abgegrenzt) und betrieben."

Die erstinstanzliche Behörde führte aus, dem Verwaltungsstrafverfahren liege der Bericht des Erhebungsdienstes des Stadtmagistrates Innsbruck vom 10. März 2004 zu Grunde, in dem festgestellt worden sei, dass auf den genannten Grundparzellen auf einer asphaltierten Fläche von ca. 2.079 m2 durch die Grundstückseigentümer 93 nummerierte Autoabstellplätze errichtet und während der genannten Zeit überwiegend an hausfremde Personen vermietet worden seien. Die Beschwerdeführerin bestreite zwar den vorgeworfenen Tatbestand, allerdings ohne den Erhebungsergebnissen konkrete Behauptungen entgegen zu setzen und entsprechende Beweise anzubieten. Den Sachverhaltsfeststellungen werde daher der Erhebungsbericht zu Grunde gelegt und dieser als erwiesen angenommen. Der Tatbestand sei sohin in objektiver Hinsicht verwirklicht; hinsichtlich des Verschuldens sei, da keine Rechtfertigung erfolgt sei, zumindest von Fahrlässigkeit auszugehen (es folgen Ausführungen zur Strafbemessung).

Dagegen erhob die Beschwerdeführerin Berufung.

Mit dem angefochtenen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 30. Mai 2006 wurde (in Spruchpunkt II) der Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG insoweit Folge gegeben, als die Geldstrafe in der Höhe von EUR 1.200,-- auf EUR 800,-- (bei Uneinbringlichkeit drei Tage Ersatzfreiheitsstrafe) herabgesetzt und der Spruch hinsichtlich der als erwiesen angenommenen Tat (§ 44a Z. 1 VStG) wie folgt abgeändert wurde:

"Durch Sie als Gewerbeausübende wurde in der Zeit vom 1.1 bis 10.3.2004 eine auf den Grundstücken 955/1 und 946/1 beide KG A bestehende gewerbliche Betriebsanlage, nämlich ein Parkplatz mit insgesamt 95 Stellflächen, betrieben."

In der Begründung führte die belangte Behörde nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens und der maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen aus, entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin handle es sich beim verfahrensgegenständlichen Parkplatz um eine gemäß § 74 ff GewO 1994 genehmigungspflichtige Betriebsanlage. Ein Parkplatz sei eine örtlich gebundene Einrichtung im Sinne des § 74 Abs. 1 GewO 1994. Der betreffende Parkplatz sei geeignet, einzelne der im § 74 Abs. 2 GewO 1994 genannten Interessen zu beeinträchtigen. Der gegenständliche Parkplatz mit 95 Autoabstellplätzen, der sich inmitten eines verbauten Gebietes mit Wohn- und Büronutzung befinde, könne vor allem durch das Zu- und Abfahren der Kraftfahrzeuge und durch Abgase zu einer Belästigung der Nachbarn führen. Genehmigungspflicht bestehe bereits dann, wenn solche Auswirkungen auf bestimmte Personen nicht auszuschließen seien. Bereits die grundsätzliche Eignung einer Betriebsanlage zu Gefährdungen, Belästigungen usw. begründe die Genehmigungspflicht.

Die Beschwerdeführerin habe kein Vorbringen erstattet, wodurch sie ihr fehlendes Verschulden an der Übertretung des angelasteten Ungehorsamsdelikts aufgezeigt hätte (es folgen Erwägungen zur Strafbemessung).

Gegen diesen Spruchpunkt II des Bescheides richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht verletzt, nicht ohne Erfüllung des Tatbildes gemäß § 74 Abs. 2 iVm § 366 Abs. 1 Z. 2 GewO 1994 bestraft zu werden. Als Verletzung des § 44a Z. 1 VStG macht sie geltend, der Tatvorwurf enthalte keine Ausführungen, dass die Tätigkeit in der Absicht betrieben worden sei, einen Ertrag oder sonstigen wirtschaftlichen Vorteil zu erzielen. Auch fehle der Vorhalt, dass sie selbstständig, also auf eigene Rechnung und Gefahr, gehandelt und mehr als 50 Parkplätze vermietet habe. Damit trage die Tatumschreibung den in der höchstgerichtlichen Rechtsprechung entwickelten Erfordernissen nicht Rechnung. Es fehlten auch jegliche Ausführungen zum Tatbestandselement "Betreiben" der gewerblichen Betriebsanlage.

Gemäß § 4 Abs. 1 Z. 2 GewO 1994 sei die Gewerbeordnung nur dann auf das Halten von Flächen zum Abstellen von Kraftfahrzeugen anzuwenden, wenn "mehr als 50 Kraftfahrzeuge von hausfremden Personen abgestellt werden". Der Wortlaut dieser Gesetzesstelle sei hinreichend klar.

Für die Frage, ob eine gewerbliche und damit eine bewilligungspflichtige Betriebsanlage vorliege, sei die Anzahl der Abstellplätze ein wesentliches Tatbestandsmerkmal. Eine Richtigstellung des Tatvorwurfes durch die Berufungsbehörde sei aber nicht möglich. Damit eine taugliche, die Verjährung ausschließende Verfolgungshandlung vorliege, müsse sich diese nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes u.a. auf sämtliche Tatbestandselemente der durch die Tat verletzten Verwaltungsvorschrift im Sinne des § 44a Z. 2 VStG beziehen. Wie sich aus dem erstinstanzlichen Akt ergebe, hätten auch die innerhalb der sechsmonatigen Verjährungsfrist gesetzten Verfolgungshandlungen bezüglich der angelasteten Übertretung denselben Mangel der Tatumschreibung aufgewiesen wie das bekämpfte Straferkenntnis. Es sei im gesamten Verfahren lediglich festgestellt worden, dass Abstellplätze für ca. 93 Kraftfahrzeuge errichtet und betrieben worden seien. Damit sei der Sachverhalt aber nicht ausreichend konkretisiert.

Die maßgeblichen Bestimmungen der GewO 1994 in der Fassung nach der Gewerberechtsnovelle 2002, BGBl. I Nr. 111, lauten (auszugsweise):

"§ 4. (1) Auf das Halten von Räumen und Flächen zum Abstellen von Kraftfahrzeugen ist dieses Bundesgesetz nur dann anzuwenden, wenn

...

2. mehr als 50 Kraftfahrzeuge von hausfremden Personen abgestellt werden; Mieter oder Untermieter einer Wohnung oder eines Geschäftsraumes in dem Gebäude, in dem sich der Einstellraum befindet oder zu dem die Abstellfläche gehört, oder in einem dazugehörigen Gebäude gelten nicht als hausfremde Absteller; die Betriebsanlage eines Garagierungsbetriebes, welche nach In-Kraft-Treten der Gewerberechtsnovelle 1997, BGBl. I Nr. 63/1997, nicht den Bestimmungen der §§ 74 ff unterlag, weil nur Kraftfahrzeuge von höchstens 50 hausfremden Personen eingestellt wurden, gilt im Umfang einer zum 1. Juli 1997 vorhandenen Betriebsanlagengenehmigung oder im Umfang einer nach diesem Zeitpunkt auf Grund landesrechtlicher Vorschriften erteilten Bau- und Betriebsbewilligung als gemäß § 74 Abs. 2 genehmigte Betriebsanlage; oder

...

§ 74....

(2) Gewerbliche Betriebsanlagen dürfen nur mit Genehmigung der Behörde errichtet oder betrieben werden, wenn sie wegen der Verwendung von Maschinen und Geräten, wegen ihrer Betriebsweise, wegen ihrer Ausstattung oder sonst geeignet sind,

...

2. die Nachbarn durch Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterung oder in anderer Weise zu belästigen,

...

Strafbestimmungen

§ 366. (1) Eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe bis zu 3 600 EUR zu bestrafen ist, begeht, wer

1.

...

2.

eine genehmigungspflichtige Betriebsanlage (§ 74) ohne die erforderliche Genehmigung errichtet oder betreibt;

..."

Entscheidend für den Ausgang des Beschwerdeverfahrens ist zunächst die Lösung der Frage, ob gegen die Beschwerdeführerin innerhalb der Verjährungsfrist eine Verfolgungshandlung im Sinne des § 32 Abs. 2 VStG vorgenommen wurde bzw. ob eine ausreichende Tatumschreibung im Sinne des § 44a Z. 1 VStG erfolgt ist, was in der Beschwerde bestritten wird.

Schon damit ist die Beschwerdeführerin im Recht:

Als Verfolgungshandlung kommt im Beschwerdefall (zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens unstrittig) lediglich die - mit dem Tatvorwurf des erstinstanzlichen Straferkenntnisses insoweit gleich lautende - Aufforderung zur Rechtfertigung vom 8. April 2004 in Betracht.

Die Verfolgungshandlung gegen einen Beschuldigten muss das ihm zur Last gelegte Handeln unter Berücksichtigung sämtlicher gemäß § 44a Z. 1 VStG in den Spruch des Straferkenntnisses aufzunehmenden Tatbestandselemente der verletzten Verwaltungsvorschriften gemäß § 44a Z. 2 VStG näher konkretisieren und individualisieren (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. Oktober 2006, Zl. 2006/04/0094, mwN).

Um dem Konkretisierungsgebot des § 44a Z. 1 VStG zu genügen, wäre es erforderlich gewesen, die ohne die erforderliche Genehmigung errichtete und betriebene genehmigungspflichtige Betriebsanlage genau zu umschreiben. Dies wäre insbesondere deshalb von Bedeutung gewesen, weil ein "Parkplatz mit insgesamt 95 Stellplätzen" nicht schlechthin bereits eine genehmigungspflichtige gewerbliche Betriebsanlage darstellt, sondern nur dann, wenn mehr als 50 Kraftfahrzeuge von hausfremden Personen abgestellt werden (vgl. dazu § 4 Abs. 1 Z. 2 GewO 1994 und insbesondere auch Grabler/Stolzlechner/Wendl, GewO2 (2003) Rz 10 zu § 4).

Die oben wiedergegebene Aufforderung zur Rechtfertigung vom 8. April 2004 entspricht diesem Erfordernis nicht. Schon aus diesem Grund liegt eine dem Gesetz entsprechende Verfolgungshandlung nicht vor.

Da die belangte Behörde trotz bereits eingetretener Verfolgungsverjährung mit dem insoweit angefochtenen Bescheid die Beschwerdeführerin der ihr zur Last gelegten Taten schuldig erkannte und über sie die Strafe verhängte, belastete sie den angefochtenen Bescheid schon aus diesem Grund - ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war - mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.

Der Bescheid war daher im angefochtenen Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 27. Juni 2007

Schlagworte

"Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Tatbild Beschreibung (siehe auch Umfang der Konkretisierung) "Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Umfang der Konkretisierung (siehe auch Tatbild) Besondere Rechtsgebiete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2006040131.X00

Im RIS seit

02.08.2007
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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