TE OGH 2004/12/1 9Ob82/04f

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Veröffentlicht am 01.12.2004
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling, Dr. Hradil, Dr. Hopf und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Maria Z*****, Pensionistin, ***** vertreten durch Dr. Leopold Boyer, Rechtsanwalt in Zistersdorf, gegen die beklagte Partei Monika M*****, Hausfrau, ***** vertreten durch Mag. Johannes Marchtrenker, Rechtsanwalt in Zistersdorf, wegen Räumung (Streitwert EUR 10.000), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Korneuburg als Berufungsgericht vom 20. April 2004, GZ 23 R 42/04w-16, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Zistersdorf vom 9. Dezember 2003, GZ 5 C 840/03a-11, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 665,66 (darin EUR 110,94 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision nach § 502 Abs 1 ZPO mit der Begründung zu, dass eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage der Wirksamkeit und Auslegung eines Notariatsakts und der darin getroffenen Vereinbarung eines Alleinbenützungsrechts bei durch den Vertragserrichter unterlassener Aufklärung fehle. Dem schließt sich die Beklagte an. Bei der Prüfung der Zulässigkeit der Revision ist das Revisionsgericht an den diesbezüglichen Ausspruch des Berufungsgerichtes nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO nicht gebunden (§ 508a Abs 1 ZPO). Die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage nach § 502 Abs 1 ZPO kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO):Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision nach Paragraph 502, Absatz eins, ZPO mit der Begründung zu, dass eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage der Wirksamkeit und Auslegung eines Notariatsakts und der darin getroffenen Vereinbarung eines Alleinbenützungsrechts bei durch den Vertragserrichter unterlassener Aufklärung fehle. Dem schließt sich die Beklagte an. Bei der Prüfung der Zulässigkeit der Revision ist das Revisionsgericht an den diesbezüglichen Ausspruch des Berufungsgerichtes nach Paragraph 500, Absatz 2, Ziffer 3, ZPO nicht gebunden (Paragraph 508 a, Absatz eins, ZPO). Die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage nach Paragraph 502, Absatz eins, ZPO kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (Paragraph 510, Absatz 3, letzter Satz ZPO):

Rechtliche Beurteilung

Nach ständiger Rechtsprechung entziehen sich Auslegungsfragen zufolge ihrer Einzelfallbezogenheit im Allgemeinen generellen Aussagen. Sie begründen daher regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO, sofern keine auffallende Fehlbeurteilung des Berufungsgerichtes vorliegt, die im Interesse der Rechtssicherheit wahrgenommen werden muss (RIS-Justiz RS0044358, RS0112106 ua). Dies gilt nicht nur für die Auslegung unstrittig zustandegekommener Vereinbarungen, sondern auch für die Auslegung einzelner rechtsgeschäftlicher Erklärungen der Vertragsparteien und der darauf aufbauenden Frage, ob neben der grundsätzlich gegebenen Willensübereinstimmung zum Vertrag als solchen auch Übereinstimmung zu einzelnen darin enthaltenen Vertragsbedingungen erzielt wurde (hier: Alleinbenützungsrecht der Übergeberin im Rahmen eines Übergabsvertrags; vgl RIS-Justiz RS0042555 ua).Nach ständiger Rechtsprechung entziehen sich Auslegungsfragen zufolge ihrer Einzelfallbezogenheit im Allgemeinen generellen Aussagen. Sie begründen daher regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage iSd Paragraph 502, Absatz eins, ZPO, sofern keine auffallende Fehlbeurteilung des Berufungsgerichtes vorliegt, die im Interesse der Rechtssicherheit wahrgenommen werden muss (RIS-Justiz RS0044358, RS0112106 ua). Dies gilt nicht nur für die Auslegung unstrittig zustandegekommener Vereinbarungen, sondern auch für die Auslegung einzelner rechtsgeschäftlicher Erklärungen der Vertragsparteien und der darauf aufbauenden Frage, ob neben der grundsätzlich gegebenen Willensübereinstimmung zum Vertrag als solchen auch Übereinstimmung zu einzelnen darin enthaltenen Vertragsbedingungen erzielt wurde (hier: Alleinbenützungsrecht der Übergeberin im Rahmen eines Übergabsvertrags; vergleiche RIS-Justiz RS0042555 ua).

Die Form des Vertrags ändert dabei regelmäßig nichts an der Einzelfallbezogenheit der Auslegung; dies gilt auch bei Abschluss eines Notariatsakts. Unbestrittenermaßen ist der Notar verpflichtet, bei Aufnahme des Notariatsakts die Parteien über den Sinn und die Folgen desselben zu belehren und sich von ihrem ernstlichen und wahren Willen zu überzeugen, ihre Erklärung mit voller Klarheit und Bestimmtheit schriftlich aufzunehmen und nach geschehener Verlesung des Akts durch persönliches Befragen der Parteien sich zu vergewissern, dass derselbe ihrem Willen entspricht (§ 52 NO). Das Ausmaß der Belehrung richtet sich dabei nach dem gegebenen Bildungs- und Intelligenzgrad, den offenbaren Kenntnissen der Parteien und einer allfälligen rechtskundigen Vertretung (Wagner/Knechtel, Notariatsordnung5 § 52 Rz 7; NZ 1929, 145 ua), hängt demnach also ebenfalls von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab. In diesem Zusammenhang ist auch zu beachten, dass ein allfälliger Verstoß gegen § 52 NO beim Notariatsakt nicht zum Verlust der Kraft einer öffentlichen Urkunde führt; Nichtigkeitsursachen enthalten die §§ 66 und 68 NO; sie zitieren allerdings § 52 NO nicht (Wagner/Knechtel aaO § 52 Rz 1).Die Form des Vertrags ändert dabei regelmäßig nichts an der Einzelfallbezogenheit der Auslegung; dies gilt auch bei Abschluss eines Notariatsakts. Unbestrittenermaßen ist der Notar verpflichtet, bei Aufnahme des Notariatsakts die Parteien über den Sinn und die Folgen desselben zu belehren und sich von ihrem ernstlichen und wahren Willen zu überzeugen, ihre Erklärung mit voller Klarheit und Bestimmtheit schriftlich aufzunehmen und nach geschehener Verlesung des Akts durch persönliches Befragen der Parteien sich zu vergewissern, dass derselbe ihrem Willen entspricht (Paragraph 52, NO). Das Ausmaß der Belehrung richtet sich dabei nach dem gegebenen Bildungs- und Intelligenzgrad, den offenbaren Kenntnissen der Parteien und einer allfälligen rechtskundigen Vertretung (Wagner/Knechtel, Notariatsordnung5 Paragraph 52, Rz 7; NZ 1929, 145 ua), hängt demnach also ebenfalls von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab. In diesem Zusammenhang ist auch zu beachten, dass ein allfälliger Verstoß gegen Paragraph 52, NO beim Notariatsakt nicht zum Verlust der Kraft einer öffentlichen Urkunde führt; Nichtigkeitsursachen enthalten die Paragraphen 66 und 68 NO; sie zitieren allerdings Paragraph 52, NO nicht (Wagner/Knechtel aaO Paragraph 52, Rz 1).

Von einem unvertretbaren Auslegungsergebnis des Berufungsgerichtes kann jedenfalls in diesem Zusammenhang keine Rede sein, räumte doch die Beklagte selbst ein, dass sie den Text gelesen habe, bevor sie ihn unterschrieben habe, und dass sie glaube, den Text damals auch verstanden zu haben; so erklärte sie auch durchaus zutreffend, unter einem Alleinbenützungsrecht zu verstehen, "dass damit festgelegt wurde, dass ihre Mutter das Haus alleine benützen sollte" (ON 10, AS 37 f). Dass ihr andererseits die Konsequenzen des Alleinbenützungsrechts bei Vertragsabschluss "nicht bewusst" waren (AS 39), was sie aber nicht daran hinderte, den Übergabsvertrag zu unterfertigen, wurde vom Berufungsgericht im Lichte der ständigen Rechtsprechung, wonach der objektive Erklärungswert einer Willensäußerung entscheidend ist (RIS-Justiz RS0014160 ua), als nicht maßgeblich gewertet. Es entspricht auch der ständigen Rechtsprechung, dass es bei Beurteilung der Tragweite der in einer Urkunde abgegebenen rechtsgeschäftlichen Erklärung nicht darauf ankommt, was die Partei bei Abgabe der Erklärung gewollt hat, sondern allein darauf, welche Bedeutung der Vertragsgegner der Erklärung seines Partner nach deren Wortlaut unter Berücksichtigung des Geschäftszwecks beilegen musste (RIS-Justiz RS0017823 ua). Wer eine Urkunde unterfertigt, macht den durch seine Unterschrift gedeckten Text zum Inhalt seiner Erklärung, auch wenn er ihm unbekannt ist oder er ihn nicht verstanden hat (RIS-Justiz RS0014753 ua). Die Einzelfallbezogenheit gilt im Übrigen auch für die Auslegung der Vereinbarung der Parteien hinsichtlich einer (vorübergehenden) Wohnmöglichkeit der Beklagten bei der Klägerin. Auch insoweit vermag die Revisionswerberin kein unvertretbares Auslegungsergebnis des Berufungsgerichtes aufzuzeigen.

Ein "Schikaneeinwand" wurde von der Beklagten in erster Instanz zunächst nur als Replik auf das Vorbringen der Klägerin, dass ihr die Beklagte das Zusammenleben verleidet habe, in die Richtung erhoben, dass sich vielmehr umgekehrt die Klägerin ständig in ihr Leben eingemischt, sie kontrolliert und beschimpft habe. Erst unmittelbar vor Schluss der Verhandlung machte die Beklagte in eventu geltend, dass die Ausübung des Alleinbenützungsrechts "schikanös" sei. Nach nunmehr herrschender Rechtsprechung liegt ein Rechtsmissbrauch nicht nur dann vor, wenn die Schädigungsabsicht den einzigen oder überwiegenden Grund der Rechtsausübung bildet (Schikane), sondern auch dann, wenn zwischen den vom Handelnden verfolgten eigenen Interessen und den beeinträchtigten Interessen des anderen ein ganz krasses Missverhältnis besteht (9 Ob 334/97a; 9 Ob 35/01i; 9 Ob 274/01m; 9 Ob 32/02z ua; RIS-Justiz RS0026265; RS0026271 ua). Da der Einwand der Schikane von der Beklagten in erster Instanz nicht näher substanziiert wurde, bestand weder eine Veranlassung für die Klägerin, hierauf substanziiert zu replizieren, noch kann hieraus in der Revision das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage abgeleitet werden. Im Übrigen wäre auch die allfällige Abwägung der wechselseitigen Interessen der Parteien, um das Vorliegen eines Rechtsmissbrauchs zu beurteilen, ebenfalls wieder einzelfallabhängig, sodass auch insoweit nur eine auffallende Fehlbeurteilung wahrgenommen werden könnte (9 Ob 274/01m; 9 Ob 32/02z; RIS-Justiz RS0026265, RS0110900 ua).

Mangels erheblicher Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO war die Revision der Beklagten als unzulässig zurückzuweisen.Mangels erheblicher Rechtsfrage iSd Paragraph 502, Absatz eins, ZPO war die Revision der Beklagten als unzulässig zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Die Kosten der Revisionsbeantwortung waren zuzusprechen, weil die Revisionsgegnerin zutreffend auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen hat (RIS-Justiz RS0035962). Gemäß § 23 Abs 1 RATG gebührt allerdings nur der einfache Einheitssatz von 60 %, und nicht - wie verzeichnet - der dreifache von 180 %. § 23 Abs 9 RATG ist im Revisionsverfahren nicht anwendbar (9 ObA 225/01f; 9 ObA 41/02y; 9 Ob 93/03x ua).Die Kostenentscheidung beruht auf den Paragraphen 41,, 50 Absatz eins, ZPO. Die Kosten der Revisionsbeantwortung waren zuzusprechen, weil die Revisionsgegnerin zutreffend auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen hat (RIS-Justiz RS0035962). Gemäß Paragraph 23, Absatz eins, RATG gebührt allerdings nur der einfache Einheitssatz von 60 %, und nicht - wie verzeichnet - der dreifache von 180 %. Paragraph 23, Absatz 9, RATG ist im Revisionsverfahren nicht anwendbar (9 ObA 225/01f; 9 ObA 41/02y; 9 Ob 93/03x ua).

Anmerkung

E75649 9Ob82.04f

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2004:0090OB00082.04F.1201.000

Dokumentnummer

JJT_20041201_OGH0002_0090OB00082_04F0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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