TE OGH 2004/12/14 1Ob107/04y

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Veröffentlicht am 14.12.2004
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. Elisabeth J*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Gewolf und Dr. Gernot Murko, Rechtsanwälte in Klagenfurt, wider die beklagte Partei U***** AG, *****, vertreten durch Huainigg, Dellacher & Partner, Rechtsanwälte OEG in Klagenfurt, wegen 19.680,70 EUR sA und Feststellung (Streitwert 5.000 EUR) infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 9. Februar 2004, GZ 2 R 11/04m-17, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 14. Oktober 2003, GZ 26 Cg 93/02a-13, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 1.315,08 EUR (darin 219,18 EUR USt) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung zu zahlen.

Text

Begründung:

Die Klägerin begehrte die Zahlung von 19.680,70 EUR und die Feststellung, dass ihr die beklagte Partei für alle zukünftigen Schäden an ihrem Haus zu haften habe, soweit diese durch näher bezeichnete Abbruch- und Baumaßnahmen auf der (Nachbar-)Liegenschaft der beklagten Partei verursacht worden seien oder damit im Zusammenhang stünden.

Die beklagte Partei wendete insbesondere Verjährung der Klagsforderung ein. Es hätten Vergleichsverhandlungen stattgefunden, die aber nur bis zu ihrem Anbotschreiben vom 3. 4. 2001 gedauert hätten. Die (erst am 6. 5. 2002 erfolgte) Klagserhebung sei verfristet.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Spätestens Anfang 1999 hatten die Klägerin ihre Schadenersatzansprüche beziffert werden können. "Durch die nachfolgende Korrespondenz" sei zwar der Ablauf der Verjährungsfrist gehemmt worden, doch habe der Klägerin ab dem Schreiben vom 31. 1. 2002 bekannt sein müssen, dass die beklagte Partei zu keinen weiteren Zugeständnissen mehr bereit sei. Die von der Rechtsprechung anerkannte Frist von drei Monaten, innerhalb der eine Klage nach Beendigung von Vergleichsverhandlungen einzubringen sei, sei demnach nicht eingehalten worden. Ein die Verjährung unterbrechendes Anerkenntnis habe die beklagte Partei nicht abgegeben.

Das Berufungsgericht hob diese Entscheidung auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Die Streitteile seien bestrebt gewesen, eine vergleichsweise Regelung des gesamten Schadens der Klägerin herbeizuführen. Mit Schreiben vom 3. 4. 2001 habe die beklagte Partei ihr Vergleichsanbot vom 14. 11. 2000, das bereits mit Schreiben vom 25. 1. 2001 erneuert worden sei, abermals verbessert und die Zahlung einer Pauschalsumme von 200.000 S zur Abdeckung aller Ansprüche angeboten. Die beklagte Partei habe in diesem Schreiben auch mitgeteilt, "einem Rechtsstreit mit Gelassenheit entgegenzusehen". In der Folge habe sie der Klägerin mit Schreiben vom 16. 5. 2001 dargelegt, ihr Anbot nicht nachbessern zu können. Auf das Schreiben der Klägerin vom 5. 12. 2001, in dem die Klagsseite davon gesprochen habe, die Vergleichsverhandlungen "zu Ende zu bringen", habe die beklagte Partei dahin geantwortet, dass sie bereit sei, ihr zuletzt gemachtes Anbot bis 15. 1. 2002 aufrecht zu erhalten. Mit Schreiben vom 5. 1. 2002 hätten die Klagevertreter auf die Notwendigkeit weiterer (sachverständiger) Untersuchungen hingewiesen, woraufhin die beklagte Partei mit Schreiben vom 31. 1. 2002 erklärt habe, nicht bereit zu sein, weitere Sachverständigenkosten zu übernehmen. Auf ein "sachbezogenes" Schreiben der Klagevertreter vom 25. 2. 2002 habe die beklagte Partei nicht reagiert und erst deren Schreiben vom 11. 4. 2002 mit einem Brief vom 22. 4. 2002 so beantwortet, dass sie die Ausführungen im Schreiben vom 31. 1. 2002 aufrecht erhalten habe. Die Abgabe eines Verjährungsverzichts sei abgelehnt worden. Unter Bedachtnahme auf diesen Sachverhalt habe die Klägerin durchaus noch in angemessener Frist die Klage eingebracht. Angesichts der Vorgeschichte, insbesondere der lang dauernden Vergleichsbemühungen, habe kein Anlass bestanden, besonders eilig vorzugehen, vielmehr habe die Klägerin darauf vertrauen dürfen, die beklagte Partei werde sich auf sachliche Einwendungen beschränken.

Der Rekurs der beklagten Partei gegen den Aufhebungsbeschluss ist nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Vergleichsverhandlungen zur Bereinigung von Schadenersatzansprüchen bis zum Ablauf der Verjährungsfrist oder darüber hinaus lösen eine besondere Ablaufhemmung aus, doch wird der Eintritt der Verjährung nur dann vermieden, wenn der Geschädigte nach Scheitern der Vergleichsverhandlungen innerhalb angemessener Frist klagt (SZ 72/51; SZ 67/101; M. Bydlinski in Rummel, ABGB3 Rz 2a zu § 1501). Auch die beklagte Partei geht - richtiger Weise - davon aus, dass die zwischen den Streitteilen geführten Vergleichsverhandlungen eine Hemmung der bereits in Lauf gesetzten Verjährungsfrist bewirkten; sie vertritt nur den Standpunkt, die Vergleichsverhandlungen müssten zu dem Zeitpunkt als beendet angesehen werden, in dem die Klägerin das Schreiben der beklagten Partei vom 3. 4. 2001 erhalten habe. Dem gegenüber vertrat das Berufungsgericht die Ansicht, der hier vorliegende Sachverhalt rechtfertige die Annahme, dass die Klägerin ihre Klage innerhalb angemessener Frist eingebracht habe, zumal sie das ihr am 3. 4. 2001 erstatteten Vergleichsanbot mit Schreiben vom 5. 12. 2001 ausdrücklich bis zum 15. 1. 2002 aufrecht erhalten und um dessen neuerliche Prüfung ersucht habe.

Dieser Ansicht des Gerichts zweiter Instanz haftet kein grundlegender Rechtsirrtum an, der vom Obersten Gerichtshof korrigiert werden müsste. Im vorliegenden Einzelfall waren die Streitteile lange Zeit hindurch bestrebt, den gesamten Schaden der Klägerin vergleichsweise zu regeln, sie haben einvernehmlich die Beendigung der Arbeiten am Rohbau der beklagten Partei abgewartet, um feststellen zu können, ob weitere Schäden auftreten, und sie haben ab dem 14. 11. 2000 mehrfach Vergleichsvorschläge erstattet (S 6 bis 9 des Ersturteils). Allein der Umstand, dass die beklagte Partei in ihrem Schreiben vom 3. 4. 2001 ausführte, sie sehe im Falle der Nichtannahme dieses Anbots einem Rechtsstreit mit Gelassenheit entgegen, lässt noch nicht den Schluss zu, die Vergleichsverhandlungen seien mit dem Zugang dieses Schreibens abgeschlossen gewesen, haben die Streitteile doch weiterhin miteinander korrespondiert, erklärte sich die beklagte Partei insbesondere in Beantwortung eines Schreibens der Klägerin, in dem auf den Auftrag der Klagevertreter hingewiesen worden war, die Vergleichsverhandlungen zu Ende zu bringen, bereit, ihr (verbessertes) Vergleichsanbot bis 15. 1. 2002 aufrecht zu erhalten, und ersuchte sie "um Prüfung". Diese Prüfung nahm die Klagsseite vor, antwortete mit Schreiben vom 5. 1. 2002, und dieses Schreiben wurde von der beklagten Partei am 31. 1. 2002 in dem Sinn beantwortet, dass die bisher erstellten Gutachten ausreichend seien und sie nicht bereit sei, weitere Sachverständigenkosten zu übernehmen. Ginge man davon aus, dass mit diesem Schreiben eine endgültige Ablehnung weiterer Vergleichsgespräche zum Ausdruck gebracht werden sollte, dann wurde - unter Bedachtnahme auf den Postlauf - die Klage etwa drei Monate nach Erhalt dieses Ablehnungsschreibens eingebracht, was in Anbetracht des konkreten Sachverhalts, insbesondere des Hergangs und der Dauer der Vergleichsverhandlungen, durchaus noch als angemessen angesehen werden kann. Dies gilt aber auch für den vom Berufungsgericht erwogenen Schluss, die Vergleichsverhandlungen seien am 15. 1. 2002 beendet gewesen, denn auch dann könnte noch von keinem gravierenden Rechtsirrtum des Berufungsgerichts ausgegangen werden, zieht man die auch von der beklagten Partei nicht in Zweifel gezogene Rechtsprechung heran, dass das Zuwarten mit der Klagsführung über einen Zeitraum von drei Monaten noch als angemessen angesehen werden kann (vgl SZ 72/51; RdW 1998, 265; SZ 67/101; M. Bydlinski aaO).Dieser Ansicht des Gerichts zweiter Instanz haftet kein grundlegender Rechtsirrtum an, der vom Obersten Gerichtshof korrigiert werden müsste. Im vorliegenden Einzelfall waren die Streitteile lange Zeit hindurch bestrebt, den gesamten Schaden der Klägerin vergleichsweise zu regeln, sie haben einvernehmlich die Beendigung der Arbeiten am Rohbau der beklagten Partei abgewartet, um feststellen zu können, ob weitere Schäden auftreten, und sie haben ab dem 14. 11. 2000 mehrfach Vergleichsvorschläge erstattet (S 6 bis 9 des Ersturteils). Allein der Umstand, dass die beklagte Partei in ihrem Schreiben vom 3. 4. 2001 ausführte, sie sehe im Falle der Nichtannahme dieses Anbots einem Rechtsstreit mit Gelassenheit entgegen, lässt noch nicht den Schluss zu, die Vergleichsverhandlungen seien mit dem Zugang dieses Schreibens abgeschlossen gewesen, haben die Streitteile doch weiterhin miteinander korrespondiert, erklärte sich die beklagte Partei insbesondere in Beantwortung eines Schreibens der Klägerin, in dem auf den Auftrag der Klagevertreter hingewiesen worden war, die Vergleichsverhandlungen zu Ende zu bringen, bereit, ihr (verbessertes) Vergleichsanbot bis 15. 1. 2002 aufrecht zu erhalten, und ersuchte sie "um Prüfung". Diese Prüfung nahm die Klagsseite vor, antwortete mit Schreiben vom 5. 1. 2002, und dieses Schreiben wurde von der beklagten Partei am 31. 1. 2002 in dem Sinn beantwortet, dass die bisher erstellten Gutachten ausreichend seien und sie nicht bereit sei, weitere Sachverständigenkosten zu übernehmen. Ginge man davon aus, dass mit diesem Schreiben eine endgültige Ablehnung weiterer Vergleichsgespräche zum Ausdruck gebracht werden sollte, dann wurde - unter Bedachtnahme auf den Postlauf - die Klage etwa drei Monate nach Erhalt dieses Ablehnungsschreibens eingebracht, was in Anbetracht des konkreten Sachverhalts, insbesondere des Hergangs und der Dauer der Vergleichsverhandlungen, durchaus noch als angemessen angesehen werden kann. Dies gilt aber auch für den vom Berufungsgericht erwogenen Schluss, die Vergleichsverhandlungen seien am 15. 1. 2002 beendet gewesen, denn auch dann könnte noch von keinem gravierenden Rechtsirrtum des Berufungsgerichts ausgegangen werden, zieht man die auch von der beklagten Partei nicht in Zweifel gezogene Rechtsprechung heran, dass das Zuwarten mit der Klagsführung über einen Zeitraum von drei Monaten noch als angemessen angesehen werden kann vergleiche SZ 72/51; RdW 1998, 265; SZ 67/101; M. Bydlinski aaO).

Die Frage des Beginns der Verjährungsfrist stellt sich im hier zu beurteilenden Fall nicht, zumal nach den - auch von der beklagten Partei nicht bestrittenen - Feststellungen Vergleichsverhandlungen jedenfalls noch innerhalb der dreijährigen Verjährungsfrist in Angriff genommen werden. Ebensowenig muss die Frage beantwortet werden, ob die im Schriftverkehr von der beklagten Partei verwendeten Passagen nicht auch ein Anerkenntnis dem Grunde nach darstellten, was dann zu einer Unterbrechung der Verjährung geführt hätte (vgl ZVR 1991/72). Letztlich muss, da die Klage als in angemessener Frist erhoben zu betrachten ist, auch nicht dazu Stellung genommen werden, ob die Erklärungen der beklagten Partei im Zuge der Vergleichsverhandlungen nicht dahin zu verstehen wären, sie werde sich auf sachliche Einwendungen beschränken und keine Verjährungseinrede erheben.Die Frage des Beginns der Verjährungsfrist stellt sich im hier zu beurteilenden Fall nicht, zumal nach den - auch von der beklagten Partei nicht bestrittenen - Feststellungen Vergleichsverhandlungen jedenfalls noch innerhalb der dreijährigen Verjährungsfrist in Angriff genommen werden. Ebensowenig muss die Frage beantwortet werden, ob die im Schriftverkehr von der beklagten Partei verwendeten Passagen nicht auch ein Anerkenntnis dem Grunde nach darstellten, was dann zu einer Unterbrechung der Verjährung geführt hätte vergleiche ZVR 1991/72). Letztlich muss, da die Klage als in angemessener Frist erhoben zu betrachten ist, auch nicht dazu Stellung genommen werden, ob die Erklärungen der beklagten Partei im Zuge der Vergleichsverhandlungen nicht dahin zu verstehen wären, sie werde sich auf sachliche Einwendungen beschränken und keine Verjährungseinrede erheben.

Der Rekurs zeigt eine erhebliche Rechtsfrage nicht auf, eine solche liegt auch nicht vor. Er ist demnach als unzulässig zurückzuweisen.

Der Klägerin sind die Kosten ihrer Rekursbeantwortung zuzusprechen, weil sie auf die Unzulässigkeit des Rekurses der beklagten Partei hingewiesen hat.

Textnummer

E75538

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2004:0010OB00107.04Y.1214.000

Im RIS seit

13.01.2005

Zuletzt aktualisiert am

13.01.2011
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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