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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
FrG 1997 §61 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Plankensteiner, über die Beschwerde des M, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 10. Juni 2003, Zl. VwSen-400660/4/Gf/Ka, betreffend Schubhaft, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 23. Mai 2003 ordnete die Bundespolizeidirektion Wels gegen den Beschwerdeführer die Schubhaft zum Zweck der Sicherung der Abschiebung (im Anschluss an die Entlassung aus der gerichtlichen Untersuchungshaft) an. Die Schubhaft wurde am selben Tag vollzogen.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Schubhaftbeschwerde vom 6. Juni 2003 als unbegründet ab. Zur Begründung führte sie aus, dass gegen den Beschwerdeführer mit rechtskräftigem Bescheid vom 21. August 2000 in zweiter Instanz ein auf zehn Jahre befristetes Aufenthaltsverbot wegen mehrerer rechtskräftiger gerichtlicher Verurteilungen erlassen worden sei. Am 5. Juni 2003 habe er einen Asylantrag gestellt. Er halte sich dem rechtskräftigen Aufenthaltsverbot zuwider - und damit illegal -
im Bundesgebiet auf. Auch wenn dem Beschwerdeführer bis zum rechtskräftigen Abschluss des Asylverfahrens gemäß § 19 Abs. 2 Asylgesetz 1997 eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung zukomme, erweise sich die Schubhaft allein aus diesem Grund noch nicht als rechtswidrig. Davon ausgehend erscheine aber die Prognose der belangten Behörde, dass sich der Beschwerdeführer insbesondere im nunmehrigen Wissen um seine in Vollstreckung des Aufenthaltsverbotes künftig drohende zwangsweise Abschiebung aus dem Bundesgebiet dem weiteren fremdenpolizeilichen Verfahren zu entziehen versuchen werde, offenkundig nicht als unvertretbar. Gelindere Maßnahmen, um dies in gleicher Weise effizient zu verhindern, seien objektiv nicht ersichtlich. Sein (früherer) Asylantrag sei bereits mit Bescheid vom 11. April 1991 abgewiesen worden.
Der Verfassungsgerichtshof trat die gegen diesen Bescheid an ihn erhobene Beschwerde nach Ablehnung ihrer Behandlung mit Beschluss vom 25. November 2003, B 1009/03-6, gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Gemäß § 61 Abs. 1 des (bis 31. Dezember 2005 in Geltung gestandenen) Fremdengesetzes 1997 - FrG können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit oder um die Abschiebung, die Zurückschiebung oder die Durchbeförderung zu sichern.
Vorliegend wurde die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung auf Grund des rechtskräftigen Aufenthaltsverbotes verhängt. Die belangte Behörde erachtete die Schubhaft als "offenkundig nicht ... unvertretbar", weil der Beschwerdeführer im Wissen um seine in Vollstreckung des Aufenthaltsverbotes drohende zwangsweise Abschiebung aus dem Bundesgebiet sich dem weiteren fremdenpolizeilichen Verfahren zu entziehen versuchen werde.
Um diese Prognose zu rechtfertigen, reicht es jedoch nicht, auf eine rechtskräftige aufenthaltsbeendende Maßnahme und die dieser Maßnahme allenfalls zu Grunde liegenden strafgerichtlichen Verurteilungen und eine allenfalls fehlende Ausreisewilligkeit hinzuweisen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Juni 2006, Zl. 2006/21/0081 mwN). Ebenso wie in dem dem genannten Erkenntnis zu Grunde liegenden Fall hat auch hier die belangte Behörde keine Feststellungen zu einer beruflichen oder sozialen Verankerung des Beschwerdeführers im Inland getroffen, obwohl der Beschwerdeführer in seiner Schubhaftbeschwerde darauf hingewiesen hat, dass seine Ehefrau und drei Söhne in Österreich leben würden und seine Ehefrau und der jüngste Sohn bereits die österreichische Staatsangehörigkeit hätten. Somit bestehe "in Wahrheit nicht der geringste Grund zur Annahme, ich würde fremdenrechtliche Maßnahmen etwa durch Flucht vereiteln". Der Beschwerdeführer hat weiters darauf hingewiesen, bis zur rechtskräftigen fremdenpolizeilichen Erledigung bei seiner Familie Wohnsitz nehmen zu wollen.
Unter der Annahme, dass im Blick auf § 21 Abs. 1 Asylgesetz 1997 idF BGBl. I Nr. 4/1999 die Schubhaftbestimmung des § 61 FrG auf den Beschwerdeführer überhaupt anwendbar ist, erweist sich der angefochtene Bescheid nach dem Gesagten jedenfalls mit einem relevanten Verfahrensmangel behaftet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben war.
Zur behaupteten Befangenheit des in erster Instanz eingeschrittenen Organwalters ist der Vollständigkeit halber festzuhalten, dass ein allfälliger Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens durch eine Sachentscheidung der unbefangenen Berufungsbehörde saniert wird (vgl. die bei Hengstschläger/Leeb, AVG, § 7 Rz 23, angeführte hg. Rechtsprechung). Der Beschwerdeführer hat im Übrigen nicht behauptet, dass und in welcher Weise sich der gerügte Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens auf die - nun ohnedies festgestellte - Rechtswidrigkeit des Bescheides der belangten Behörde ausgewirkt hätte.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.
Wien, am 28. Juni 2007
Schlagworte
Begründung Begründungsmangel Besondere RechtsgebieteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2004210003.X00Im RIS seit
06.08.2007