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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
B-VG Art140 Abs7;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Köller, Dr. Thoma und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pfau, über die Beschwerde der IP in S, vertreten durch Dr. Wolfgang Kempf, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Bürgerstraße 41, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Graz, vom 21. März 2006, Zl. RV/0088- G/04, betreffend Schenkungssteuer, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Das Finanzamt Graz-Umgebung schrieb der Beschwerdeführerin mit Bescheid vom 17. März 2003 Schenkungssteuer von EUR 233.955,54 vor. Grundlage dieser Vorschreibung war die Feststellung unentgeltlicher Zuwendungen durch eine Person in der Höhe von EUR 508.709,84.
In der Berufung gegen diesen Bescheid brachte die Beschwerdeführerin vor, ein Teil der Beträge seien Darlehen bzw. eigene Ersparnisse, sie sei Krankenschwester gewesen. Die vorgenommene Schenkungsbesteuerung sei fast schon eine Enteignung.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. In der umfangreichen Begründung bestätigte die belangte Behörde die Feststellungen des Finanzamtes.
Der Verfassungsgerichtshof lehnte die Behandlung der zunächst an ihn erhoben Beschwerde mit Beschluss vom 27. November 2006, B 938/06 - 5, ab und trat die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
In der an den Verwaltungsgerichtshof erhobenen Beschwerde erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf Nichtfestsetzung der Schenkungssteuer verletzt und macht sowohl Rechtswidrigkeit des Inhaltes als auch Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstatte eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Mit Beschluss vom 29. März 2007, A 2007/0024, stellte der Verwaltungsgerichtshof im Beschwerdefall gemäß Art. 140 Abs. 1 B-VG an den Verfassungsgerichtshof den Antrag, die Z 2 des § 1 Abs. 1 Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz 1955, BGBl. 141, mit der Wortfolge "2. Schenkungen unter Lebenden," als verfassungswidrig aufzuheben.
Mit Erkenntnis vom 15. Juni 2007, G 23/07-7 u.a., hob der Verfassungsgerichtshof auch aus Anlass des vorliegenden Beschwerdefalles § 1 Abs. 1 Z 2 des Bundesgesetzes vom 30. Juni 1955 betreffend die Erhebung einer Erbschafts- und Schenkungssteuer (Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz 1955), BGBl. 141, als verfassungswidrig auf.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Ist ein Gesetz wegen Verfassungswidrigkeit aufgehoben worden oder hat der Verfassungsgerichtshof gemäß Abs. 4 ausgesprochen, dass ein Gesetz verfassungswidrig war, so sind gemäß Art. 140 Abs. 7 B-VG alle Gerichte und Verwaltungsbehörden an den Spruch des Verfassungsgerichtshofes gebunden. Auf die vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des Anlassfalles ist jedoch das Gesetz weiterhin anzuwenden, sofern der Verfassungsgerichtshof nicht in seinem aufhebenden Erkenntnis anderes ausspricht. Hat der Verfassungsgerichtshof in seinem aufhebenden Erkenntnis eine Frist gemäß Abs. 5 gesetzt, so ist das Gesetz auf alle bis zum Ablauf dieser Frist verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des Anlassfalles anzuwenden.
Der Beschwerdefall bildet einen Anlassfall für den verfassungsgerichtlichen Ausspruch, dass die angewendete und vom Verwaltungsgerichtshof anzuwendende Gesetzesstelle verfassungswidrig war.
Dadurch, dass die belangte Behörde den angefochtenen Abgabenbescheid auf diese die Abgabenvorschreibung tragende Gesetzesstelle gestützt hat, belastete sie diesen mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 28. Juni 2007
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2007160113.X00Im RIS seit
26.07.2007