TE OGH 2004/12/22 7Ob219/04p

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Veröffentlicht am 22.12.2004
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Kalivoda und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Johannes V*****, vertreten durch Dr. Dieter Brandstätter, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Mathias K*****, vertreten durch MMag. Dr. Franz Pechmann, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung (Streitwert EUR 8.000 sA) über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes Salzburg als Berufungsgericht vom 23. Juni 2004, GZ 53 R 52/04k-12, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Saalfelden vom 2. Dezember 2003, GZ 2 C 2290/03i-8, aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Am 7. 3. 2000 erlitt der Kläger einen Schiunfall. Er stieß mit dem Beklagten zusammen und erlitt ein lebensbedrohliches Schädel-/Gesichtsschädeltrauma. Im Gesichtsschädelknochen wurde im Zuge der Wiederherstellung Metall eingebracht, das nach Mitteilung der damals behandelnden Ärzte gegebenenfalls zu einem späteren Zeitpunkt entfernt werden sollte. Es kam zu unvorgesehenen Komplikationen im Heilungsverlauf durch zwei epileptische Anfälle des Klägers am 14. und 15. 5. 2000 sowie zu einer lebensbedrohlichen Meningitis vom 25. 5. bis 5. 6. 2000. Der Kläger war zu 100 % berufsunfähig, es gelang ihm bis Oktober 2000 eine allmähliche, bis heute andauernde, nunmehr aber vollständige Rückkehr ins Arbeitsleben.

Der Klagevertreter ersuchte den Beklagten, dessen Identität direkt nach dem Vorfall bekannt wurde, um Mitteilung, ob der Schadensfall durch eine Versicherung gedeckt sei. Die Mutter des damals minderjährigen Beklagten teilte mit Schreiben vom 8. 11. 2001 dem Klagevertreter mit, es bestehe bei der A***** AG in S***** zur konkret angegebenen Polizzennummer eine Haushaltsversicherung. Der Klagevertreter wandte sich an den Versicherer und erhielt am 25. 3. 2002 die Mitteilung, den Ansprüchen des Klägers werde für den Fall einer außergerichtlichen Einigung keine Einwendungen dem Grunde nach entgegengehalten, vielmehr mögen die Ansprüche konkretisiert werden. Der Versicherer verzichtete mit Schreiben vom 27. 11. 2002 zunächst bis Ende 2003 auf einen Verjährungseinwand. Am 17. 2. 2003 holte der Versicherer ein privates unfallchirurgisches Sachverständigengutachten über den Gesundheitszustand des Klägers ein, das schwerste Verletzungen bestätigte. Am 30. 6. 2003 teilte der Versicherer dem Klagevertreter mit, auf den Verjährungseinwand unbegrenzt zu verzichten, die Haftung sei jedoch mit der vertraglichen Versicherungssumme begrenzt. Er teilte dem Klagevertreter weiters mit, dass der Beklagte trotz mehrfacher Aufforderung des Versicherers bislang keine Verjährungsverzichtserklärung abgegeben habe. Am 2. 7. 2003 ersuchte der Klagevertreter den Versicherer um Vorlage einer schriftlichen Erklärung des Beklagten, wonach dieser den Forderungen des Klägers keine Verjährungseinrede entgegenhalte. Außerdem möge angesichts der aus dem Unfall resultierenden Dauerfolgen der Beklagte ein Haftungsanerkenntnis mit Wirkung eines Feststellungsurteiles abgeben. Mit Schreiben vom 29. 10. 2003 forderte der Klagevertreter den Versicherer neuerlich zur Abgabe eines Haftungsanerkenntnisses mit Wirkung eines Feststellungsurteils für die Dauerfolgen auf.

Der Haftpflichtversicherer leistete an den Kläger Zahlungen.

Am 31. 10. 2003 brachte der in den Niederlanden ansässige Kläger die Klage ein.

Der Kläger begehrt nun die Feststellung der Haftung des Beklagten für alle zukünftigen Folgen aus Anlass des Schiunfalles vom 7. 3. 2000. Die Schadensabwicklung sei mit Ersuchen des Beklagten mit dem Haushaltsversicherer erfolgt. Es seien laufend Vergleichsgespräche geführt worden und einvernehmlich ein medizinisches Gutachten über die Dauerschäden beim Kläger eingeholt worden. Der Beklagte sei der mehrfachen Aufforderung, ein Haftungsanerkenntnis abzugeben, nicht nachgekommen.

Der Beklagte bestritt das Klagebegehren und wandte ein, der Kläger habe den Unfall allein verschuldet, ein rechtliches Interesse des Klägers an der begehrten Feststellung sei nicht erkennbar und allfällige Ansprüche des Klägers seien verjährt.

Das Erstgericht wies die Klage ab, da der geltend gemachte Anspruch bereits verjährt sei. Der Beklagte habe weder selbst noch in seinem Namen eine dritte Person einen Verjährungsverzicht abgegeben. Die Schwere der vom Kläger erlittenen Verletzungen hätte bereits kurz nach dem Unfall auf Dauerfolgen schließen lassen. Der Kläger könne sich nicht auf Vergleichsverhandlungen mit dem Versicherer des Beklagten berufen, da sich der Beklagte an den Verhandlungen nicht beteiligt habe.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers gegen dieses Urteil Folge, hob es auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Es vertrat die Rechtsansicht, dass Vergleichsverhandlungen, die bis an das Ende der Verjährungszeit oder darüber hinaus, geführt würden, den Ablauf der Verjährungsfrist hinausschieben würden. Es genüge, dass für den Schuldner der Versicherer die Vergleichsverhandlungen führe. Eine Unterscheidung zwischen den einzelnen Ansprüchen des Geschädigten sei nicht gerechtfertigt, die Ablaufhemmung müsse für alle Ansprüche gelten, unabhängig davon, ob diese durch die Haftungssumme gedeckt seien. Aus dem Schreiben der Mutter des damals minderjährigen Klägers, in dem das Bestehen der Haushaltsversicherung bekanntgegeben worden sei, sei eine Ablehnung der Haftung nicht zu entnehmen. Auch in der nachfolgenden Korrespondenz sei die Haftung vom Beklagten niemals abgelehnt worden. Es sei daher nicht von Belang, ob die Dauerfolgen für den Kläger bereits im Jahr 2000 oder erst nach Zukommen des Sachverständigengutachtens nach Ablauf der Verjährung im Jahr 2003 erkennbar gewesen seien. Es erübrige sich auch, auf die Frage des Beginns der Verjährungsfrist für das klagsgegenständliche Feststellungsbegehren noch näher einzugehen, da die Vergleichsverhandlungen des Versicherers den Ablauf der Verjährungszeit hemmten. Da das Erstgericht sich nur mit der Verjährungsproblematik auseinandergesetzt habe, müsse im fortzusetzenden Verfahren der Anspruch dem Grunde und der Höhe nach geklärt werden.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluss zulässig sei, weil der Frage, ob auch Schadensregulierungsverhandlungen des Haftpflichtversicherers im Rahmen einer Haushaltsversicherung den Ablauf der Verjährung gegenüber dem Schädiger hemmen, über diesen Rechtsstreit hinaus Bedeutung zukomme und dazu Judikatur des Obersten Gerichtshofes nicht vorliege.

Dagegen richtet sich der Rekurs des Beklagten mit einem Abänderungsantrag.

Der Kläger beantragt, den Rekurs zurückzuweisen, ihm in eventu nicht Folge zu geben.

Der Rekurs ist zulässig, er ist aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die Mutter des Beklagten als Versicherungsnehmerin und offenbar auch als seine gesetzliche Vertreterin gab dem seine Ansprüche geltendmachenden Kläger den Haushaltsversicherer als Haftpflichtversicherer zur Befriedigung seiner Ansprüche bekannt. Dies ist so zu verstehen, dass er ihn zur Regelung seiner Ansprüche an den Haftpflichtversicherer verwies, ohne seine Ersatzpflicht dem Kläger gegenüber, von vornherein und endgültig abzulehnen. Auch in der Folge erklärte der Beklagte bzw die Versicherungsnehmerin dem Kläger gegenüber nichts dergleichen.

Vielmehr hat der Haftpflichtversicherer im Rahmen seiner Regulierungsvollmacht den klägerischen Anspruch dem Grunde nach zu Recht erkannt, aber Unterlagen zur Berechnung der Schadenshöhe gefordert und in diesem Zusammenhang einen befristeten Verjährungsverzicht abgegeben. Nach der durchaus zu teilenden deutschen Lehre (vgl Versicherungs-Handbuch/ Heß/Höcke § 29 Rn 37 mwN) und Rechtsprechung (vgl BGH v. 19. 12. 1989 = VersR 1990, 497) kann die Regulierungsvollmacht unter Umständen über die Deckungssumme hinausgehen. Derartige Umstände erscheinen dem erkennenden Senat vor allem wegen der uneingeschränkten Weiterverweisung des seine Ansprüche geltend machenden Geschädigten an den Haftpflichtversicherer, hier gegeben.Vielmehr hat der Haftpflichtversicherer im Rahmen seiner Regulierungsvollmacht den klägerischen Anspruch dem Grunde nach zu Recht erkannt, aber Unterlagen zur Berechnung der Schadenshöhe gefordert und in diesem Zusammenhang einen befristeten Verjährungsverzicht abgegeben. Nach der durchaus zu teilenden deutschen Lehre vergleiche Versicherungs-Handbuch/ Heß/Höcke Paragraph 29, Rn 37 mwN) und Rechtsprechung vergleiche BGH v. 19. 12. 1989 = VersR 1990, 497) kann die Regulierungsvollmacht unter Umständen über die Deckungssumme hinausgehen. Derartige Umstände erscheinen dem erkennenden Senat vor allem wegen der uneingeschränkten Weiterverweisung des seine Ansprüche geltend machenden Geschädigten an den Haftpflichtversicherer, hier gegeben.

Wie bereits das Berufungsgericht zutreffend darlegte, hat der Oberste Gerichtshof schon mehrfach ausgesprochen, dass Vergleichsverhandlungen zwischen dem Geschädigten und dem Haftpflichtversicherer des Schädigers über einen Schadensfall die Verjährungsfrist hemmt (ZVR 1966/190, S 189, EvBl 1962/438, S 550, SZ 48/33, 8 Ob 77/78, 8 Ob 50/82, 2 Ob 27/84, 8 Ob 657/87, 9 Ob 131/03k). Dies gilt hinsichtlich aller Ansprüche des Geschädigten (8 Ob 50/82 mwN), auch wenn sie über die Deckungssumme hinausgeht. Es tritt also durch die Vergleichsverhandlungen des Geschädigten mit dem Haftpflichtversicherer über Ersuchen des Versicherungsnehmers eine Ablaufhemmung ein (9 Ob 131/03k8 Ob 657/87; RIS-Justiz RS0034518). Diese dauert an, bis die Vergleichsgespräche scheitern und die Ansprüche des Geschädigten nunmehr abgelehnt werden. Werden Vergleichsverhandlungen bis zum Ablauf der Verjährungszeit weitergeführt, dann kann dies, wenn das Gegenteil nicht klar zum Ausdruck gebracht wird, nur bedeuten, daß der Verpflichtete von seinem Recht, im zukünftigen Prozeß Verjährung einzuwenden, keinen Gebrauch machen wolle (RIS-Justiz RS0034501).

Der Beklagte hat dem Kläger gegenüber nie zu verstehen gegeben, dass er die Vergleichsverhandlungen des Versicherers nicht wünsche oder dass er die Ansprüche des Klägers ablehne. Die Bekanntgabe lediglich des Versicherers, der Beklagte habe keinen Verjährungsverzicht abgegeben, kann noch nicht als Abbruch der Vergleichsgespräche mit Wirkung für den Beklagten gewertet werden, zumal die Hintergründe dieser Information nicht offengelegt werden.

Dass der Beklagte nicht Versicherungsnehmer sondern nur Versicherter ist, ändert an der Rechtslage nichts. Es wird auch in diesem Fall vom Versicherer über die gegen den Schädiger geltend gemachten Ansprüche in seinem Interesse verhandelt. Der Abbruch der Verhandlungen erfolgte nach den Feststellungen daher erst mit Klagseinbringung, sodass sich die Frage der Verjährung der Ansprüche des Klägers vorher gar nicht stellt, da die Verjährungsfrist infolge Ablaufhemmung durch Vergleichsgespräche nicht zu laufen begonnen hat.

Dem Rekurs war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 ZPO.Die Kostenentscheidung beruht auf Paragraph 52, ZPO.

Textnummer

E75630

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2004:0070OB00219.04P.1222.000

Im RIS seit

21.01.2005

Zuletzt aktualisiert am

25.04.2012
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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